Kapitel 42

Ein neuer Bund


Rowarn kam zu sich, als ihm jemand eine heftige Ohrfeige gab und eiskalten Schnee in sein Gesicht rieb.

Er hustete und hob abwehrend die Arme. Da hörte er Olrigs Stimme.

»Rowarn! Bei Lugdurs Essen, komm endlich zu dir! Ausruhen kannst du dich später!«

»Sa... Sa...«, stieß er hervor und öffnete blinzelnd die Augen.

»Sansarium, ja, ich weiß, aber durch den Einsturz besteht keine Gefahr mehr.« Olrig zog ihn an den Schultern hoch, schüttelte ihn und stellte ihn auf die Beine. »So, und jetzt Nase hoch und tief durchatmen!«

Rowarn gehorchte willenlos und fühlte dankbar, wie der Druck in seinem Kopf nachließ und seine Gedanken wieder etwas klarer wurden, wenngleich er sich noch recht merkwürdig fühlte. Er grinste erleichtert. Dann sah er sich erschrocken um.

»Der ... der Löwe ...«

»Löwe? Was redest du?«, unterbrach Olrig, schüttelte ihn noch einmal und hielt ihn fest, als er umzufallen drohte. »Was hat das alles zu bedeuten, Junge? Zuerst fällst du in diese Schlucht, dann findet uns Windstürmer allein ...«

»Ein-ein Wallöwwe. Undda war Femris«, lallte Rowarn, während er sich wie ein Betrunkener torkelnd von Olrig zu den Pferden ziehen ließ. Fahrig winkte er Windstürmer, der neben dem Schimmel stand und ihm zuwieherte. Und er hatte sogar einen Zwillingsbruder bekommen. Auf welchen sollte Rowarn jetzt aufsteigen?

»Was faselt er da?«, erklang Graums Stimme hinter ihm.

»Er fantasiert, das ist das Gas«, brummte Olrig. »Hilf mir mal.«

Gemeinsam hievten sie Rowarn in den Sattel, und er klammerte sich instinktiv am Vorderzwiesel fest. »D-der Löwe ...«

»Kein Löwe, kein Femris, aber bald Dunkelheit, also reiß dich zusammen!«

»Hörte ich vor kurzem: ›Ich kann selbst auf mich aufpassen‹, das waren doch seine dreisten Worte, nicht wahr?«

»Sieh zu, dass er nicht runterfällt, ich nehme Windstürmer als Handpferd mit. Und dann nichts wie raus hier, wir haben schon genug Zeit verloren. Pfui, das wird eine kalte Nacht.«



Etwa zwei Stunden später lagerten sie in einem kleinen Wäldchen; es war längst dunkel, ein Feuer brannte, und Rowarn hatte bei einer Tasse kräftigem Schwarztee mit Pfefferwurzel seinen Verstand wiedergefunden. Olrig hatte einige Erklärungen gefordert. Viel wusste Rowarn nicht zu berichten, er konnte sich kaum mehr erinnern, was geschehen war, und alles kam ihm inzwischen selbst wie ein Traum vor. Möglicherweise hatte er bereits bei Windstürmers Flucht das Bewusstsein verloren.

Wie es aussah, hatte Windstürmer einen Ausgang aus der Schlucht gefunden und war zu Olrig und Graum gelaufen. Sie hatten sich eilig an den Abstieg in die Schlucht gemacht, als das Getöse des zweiten Einsturzes sie auf die richtige Spur brachte. Das Gebrüll des Löwen wollten sie nicht gehört haben, aber das war für Rowarn kein Beweis, dass er geträumt hatte.

»Wir hatten schon Angst, du wärst verschüttet worden«, erklärte Olrig.

»Wie konnte das überhaupt passieren, Rowarn?«, fragte Graum. »Warum bist du nicht einfach unserer Spur gefolgt?«

»Ich dachte, das wäre ich. Aber es waren längst keine Spuren mehr zu sehen.«

»Mit dir zu reisen ist ein Abenteuer, Junge«, seufzte der Kriegskönig und stopfte sich eine Pfeife. Kopfschüttelnd zog er Umhang und Decke fester um sich und rückte näher ans Feuer. »Wenigstens ist dir nichts geschehen.«

Rowarn war sich da nicht so sicher. Er musste die ganze Zeit an seine Begegnung mit Femris denken und die Worte, die dabei gefallen waren. Wenn dies alles nur eine Halluzination gewesen war, war sie dann Ausdruck seines Schuldgefühls? Hatte er doch verdrängte Zweifel an der Richtigkeit seiner Entscheidung? Und ... was hatte der Löwe damit zu tun? Rowarn rieb sich den Nacken, er glaubte immer noch, den Atem des Raubtiers zu spüren. Und er bildete sich ein, dass er nicht mehr an derselben Stelle gelegen hatte, als Olrig und Graum ihn fanden.

»Eines sage ich dir«, fuhr Olrig fort. »Sobald meine alten Knochen zu sehr schmerzen, reiten wir weiter, und wenn es mitten in der Nacht ist.« Ächzend rieb er sich die Schulter. »So hatte ich das jedenfalls nicht geplant.«

»Tut mir leid«, murmelte Rowarn beschämt.



Ohne weitere Zwischenfälle erreichten sie Eisenwacht. Die letzten beiden Nächte hatten sie auf gastfreundlichen Gehöften verbracht, deren Bewohner sich durch ihre Anwesenheit geehrt fühlten; die Reise des Erben von Ardig Hall nach Osten hatte sich schnell herumgesprochen. Olrig wunderte sich deshalb darüber, dass nicht schon längst Verfolger hinter ihnen her waren. Rowarn schwieg dazu, aber er kannte den Grund: Femris plante, dass Rowarn die Splitter für ihn holte, weil er selbst es nicht konnte. Je länger Rowarn über das Gespräch mit dem Unsterblichen nachdachte, desto mehr war er überzeugt, dass es tatsächlich stattgefunden hatte. Und umso bedrückter wurde er.



Staunend betrachtete Rowarn die Mauer, die sich plötzlich in der Landschaft erhob. Eisenwacht war ein legendäres Land, das schon seit Jahrhunderten dem wachsenden Machteinfluss Dubhans trotzte. Baron Solvan war ein Nachfahre kampflustiger Raubritter, die irgendwann das erzreiche Land für sich erobert hatten und sesshaft geworden waren. Weil die neuen Herren nun selbst das Ziel von Raubrittern wurden, fingen sie an, einen Wall um ihr Land zu ziehen, eine gewaltige Mauer mit vielen Wachtürmen, die auch die Erzminen einschloss. Anstatt Krieg zu führen, verlegten sich die Burgherren nach und nach darauf, die Erze abzubauen und Handel damit zu treiben. Sie schlossen einen Vertrag mit den Kúpir und errichteten gemeinsam mit ihnen die größte Waffenschmiede des Landes.

»Von dort«, hatte Noïrun Rowarn vor ihrem Aufbruch berichtet, »stammen die meisten Rüstungen und Waffen für Ardig Hall. Mein Freund Solvan ist unglaublich reich, aber im Gegensatz zu seinen Vorfahren ist ihm nicht daran gelegen, noch mehr Land dazuzugewinnen. Es würde ihm zu unübersichtlich. Er hat eher eine Schwäche für schöne Dinge und stattet sein Schloss reichhaltig damit aus. Und seine Frauen ... du wirst es ja sehen.«

Rowarn war neugierig, was ihn dort erwarten mochte. »Olrig, kennst du Baron Solvan?«

»Selbstverständlich«, lächelte der Kriegskönig. »Sehr gut sogar, er ist wie ein Bruder für mich.«

»Warum ist es nur eine Baronie?«, wunderte sich Rowarn. »Er müsste ein König sein nach allem, was ich bisher über ihn hörte.«

»Ein wenig von den alten Strukturen ist noch erhalten geblieben, Rowarn, aus der Zeit der Vier Königreiche. Es gibt seit dem Untergang keine Könige mehr – mit Ausnahme des Hochkönigs der Zwerge, da unser Volk nie den Vier Reichen angehört hatte, und der Nauraka von Ardig Hall, was auf den königlichen Gründer zurückzuführen ist. Aber das spielt auch keine Rolle, zumindest nicht für Solvan. Er ist mehr Geschäftsmann als Adliger oder gar Herrscher. Ganz anders als Noïrun, dessen Adel sehr viel älter ist.«

»Das wusste ich nicht. Noïrun sagte mal etwas von zweihundert Jahren oder so.«

»Seit sein Zweig der Familie auf dem Thron sitzt. Die ältere Blutlinie, die sich direkt vom Gründer ableitete, starb aus. Noïruns Familie entstammt einem Seitenzweig, ist darum aber nicht weniger edel.« Olrig lachte leise. »Es ist typisch für ihn, solche Dinge herunterzuspielen. Was die Menschen betrifft, entstammt Noïrun dem letzten reinblütigen Hochadel von Valia. Seine Linie geht bis auf die Vier Königreiche zurück. Lingvern ist heute ein altes, kleines, verträumtes Reich, Rowarn. Einst war es ein großes Land und von Bedeutung, doch das ist lange vorbei. Und das ist gut so.«

»Oh«, machte Rowarn. »Dann haben Noïruns Vorfahren vielleicht sogar den Bau von Ardig Hall miterlebt?«

»Sie haben ihn unterstützt.« Olrig zwinkerte. Dann lenkte er den Schimmel auf einen der Wachtürme zu, die in regelmäßigen Abständen errichtet waren und einen Zugang ins Land ermöglichten. »Es gibt auch eine Hauptstraße, aber das wäre ein Umweg für uns.« Der Zwerg verhielt unter dem Wachturm, legte die Hände wie einen Trichter an den Mund und rief hinauf: »Heda, Posten, Kriegskönig Olrig und Rowarn von Ardig Hall erbitten Einlass und Anmeldung bei Baron Solvan, um das Heerlager zu besichtigen!«

Der schwer bewaffnete Posten beugte sich über die Brüstung. »Was beweist mir, dass ihr die seid, für die ihr euch ausgebt?«

In diesem Augenblick tauchte Graum wie aus dem Nichts auf und brüllte kurz hinauf.

Der Posten lachte. »Das ist mir Referenz genug! Willkommen in Eisenwacht, König Olrig von den Kúpir und Herr Rowarn, Erbe von Ardig Hall! Die Kunde Eurer Anreise ist Euch bereits vorausgeeilt, und wir haben Euch ungeduldig erwartet!«

Rowarn hatte Herzklopfen, als sich kurz darauf das schmiedeeiserne Tor öffnete, durch das gerade ein Viehkarren passte. Er bedeutete Olrig vorauszureiten, und folgte ihm aufgeregt. Jenseits der Mauer erstreckte sich ein schroffes, felsiges Hügelland mit tiefen Tälern und großen Seen.

Der Posten schickte ihnen vom Turm herab einen Gruß nach, während sie den Weg zu einer gut ausgetretenen Straße einschlugen.

Etwa zwei Stunden später kam ihnen eine Schar Reiter entgegen, die das Wappen von Eisenwacht trugen – einen schwarzen Helm auf rotem Grund und darunter ein dreieckiger Schild mit zwei gekreuzten Klingen darauf.

»Solvans Burggarde«, erläuterte Olrig und hielt an. Ein Reiter löste sich aus der Schar und trabte auf sie zu; auf seinem Helm saß ein wippender Federbusch, das Visier war offen und zeigte das Gesicht eines jungen Mannes von etwa Mitte Zwanzig mit markanten Brauen und braunen Augen. Olrig hob die Waffenhand zum Gruß. »Hauptmann Javig!«

Der jüngere Mann hob ebenfalls die Hand und lächelte. »Kriegskönig Olrig, welch eine Freude, Euch wiederzusehen – aber ausgerechnet jetzt im Winter?«

»Manche Dinge dulden keinen Aufschub«, versetzte Olrig und wies auf Rowarn. »Dies ist Rowarn von Ardig Hall, der Baron Solvan seine Aufwartung machen und sein Heerlager besichtigen möchte.«

»Gewiss, der Stellvertretende Heermeister Felhir ist bereits in Kenntnis gesetzt worden und wird heute Abend an der Tafel teilnehmen«, sagte der Hauptmann und neigte leicht den Kopf in Rowarns Richtung. »Eine noch größere Freude wäre es gewesen, auch Fürst Noïrun zu sehen, aber dies ist wohl eine vergebliche Hoffnung …«

»In der Tat, Hauptmann, und weitere Fragen in dieser Richtung werden wir nicht beantworten.« Olrig trieb den Schimmel an, und sie setzten den Weg fort, flankiert von der Burggarde.

Rowarn konnte die neugierigen Blicke spüren, mit denen er bedacht wurde, genau wie der Schattenluchs, der flink neben Windstürmer herlief. Es war sein erster offizieller Besuch bei einem befreundeten Burgherrn, und Rowarn fragte sich, ob tatsächlich noch nicht einmal ein Jahr vergangen war seit seinem Aufbruch von Weideling, als Olrig ihn Einfach-nur  Rowarn Nichts-weiter nannte.

Schließlich erreichten sie eine Hügelgruppe, die einen imposanten Ausblick auf ein Flusstal bot, in dessen Zentrum sich eine mächtige Trutzburg erhob, umgeben von einer Außenmauer, die sich über zwei Acker Land erstreckte, mit vielen Wehrgängen, Zinnen und Türmen. Auf dem höchsten Turm in der Mitte flatterte eine große Fahne. Das Burgtor mit Zugbrücke und hochgezogenem Fallgitter allein war so groß wie ein Haus, und das Wohngebäude des Barons besaß vier Stockwerke mit überdachten Außengängen und Balkonen.

Die Menschen liefen zusammen, als die Gäste über die breite, vom Schnee befreite Burgstraße geleitet wurden. Die unteren Wehrgänge waren durchwegs mit Soldaten besetzt. Windstürmer spitzte die Ohren, seine großen dunklen Augen funkelten lebhaft. So ein Aufgebot gefiel ihm gut, und er schritt schwungvoll aus und wölbte den Hals.

Innerhalb der äußeren Burgmauer fand sich eine kleine Marktsiedlung mit dicht gedrängten Häusern, die Handwerk und Geschäft beherbergten; im Sommer gab es sicher auch Schausteller und Theater.

Die innere Burganlage war durch einen zweiten Graben und eine Mauer abgegrenzt, hier lebte der Baron mit seiner Familie und dem Hofstaat. Der Zugang wurde schwer bewacht, auf der schmalen Brücke hatte nur ein Pferd Platz. Dröhnend schlugen die Pferdehufe aufs Holz, als sie in einer langen Reihe durch das zweite Tor ritten. Sofort kamen Stalljungen angerannt, die die Pferde in Empfang nahmen.

Rowarn sah sich staunend um; der Außenbereich um die Burg war wie ein Park gehalten, und er sah überall an den Wegen, Bögen und Kreuzungen Statuen herumstehen, wundervolle, lebensecht aussehende Fabelwesen und Gestalten Alter Völker. Sie alle trugen die unverwechselbare Handschrift des Velerii Schattenläufer; die eine oder andere Figur erkannte Rowarn sogar aus frühen Kindertagen wieder. Er konnte es kaum glauben.

Rowarn und Olrig saßen ab; Graum blieb an Rowarns Seite. Eine Portaltreppe führte in das Hauptgebäude der Burg, und oben erschien soeben ein mittelgroßer Mann in einem kostbaren Gewand aus golddurchwirktem dunklem Samt. Dazu trug er Seidenstrümpfe, knöchelhohe Schnallenschuhe und einen breiten Leibgürtel, der den Ansatz eines Bauches nicht verbergen konnte. Er war unbewaffnet. Lachend breitete er die Arme aus und rief: »Vetter Olrig, alter Freund, der goldene Ushkany ist schon abgefüllt und erwartet dein kenntnisreiches Urteil! Es ist viel zu lange her, doch ich sehe mit Freude, dass dein Bauch nichts von seinem Umfang verloren hat.«

Rowarn schätzte den Mann auf Anfang Fünfzig, in seine langen dunklen Locken hatten sich graue Fäden geschlichen, und sein faltenreiches Gesicht zeigte, dass er es verstand, das Leben lachend zu genießen. In seinen hellbraunen Fuchsaugen lagen Schalk und Schläue, und er schien große Auftritte zu lieben. Es lag jedoch auch echte Herzlichkeit in seinem Lächeln. Rowarn mochte ihn sofort.

Die beiden Männer umarmten sich freundschaftlich, und dann wurde Rowarn zusammen mit Graum vorgestellt.

Solvan richtete die Fuchsaugen auf ihn, und Rowarn wusste sofort, dass dieser Mann sich nichts vormachen ließ. Der Baron verneigte sich formvollendet und hieß den jungen König von Ardig Hall willkommen. Dann legte er Olrig den Arm um die Schultern.

»Ich wollte es ja nicht glauben, als ich hörte, dass ihr kommt«, sagte er, während er den Zwerg mit sich nach drinnen zog. »Mitten im Winter, seid ihr zu retten?«

»Der Herr von Ardig Hall möchte sein Heerlager inspizieren, was nur verständlich ist«, antwortete der Kriegskönig.

»Das hätte auch bis zum Frühjahr Zeit gehabt. Ich kenne die Dubhani, die hassen die Kälte noch mehr als wir. Außerdem sind sie immer noch geschockt, dass Femris versteinert ist – obwohl es heißt, er wäre in seiner Aurengestalt unterwegs. Seine Schergen suchen derweil überall nach den Splittern, aber ohne Erfolg, wie ihr euch denken könnt. Seit dem Auftritt des jungen Herrn in Goldgrund fangen die Leute endlich an, sich zu wehren. Aber die Unruhen halten sich in Grenzen.«

Olrig warf Rowarn bei der Erwähnung von Femris einen Blick zu. Rowarn wich ihm aus. Stattdessen sah er sich voller Staunen um. Die Burg war wahrhaftig trutzig, für Kampf und Verteidigung gebaut, und dennoch wirkte sie anheimelnd. Helle Öllampen verströmten ein warmes Licht, und es war nicht halb so kalt wie Rowarn vermutet hätte, denn es gab überall Kohlekessel und Teppiche; die Fenster waren gut verschlossen, die Decken nicht zu hoch, damit die Wärme sich nicht im Gebälk verlor. In den Gängen hingen Gemälde, die Solvans Vorfahren und Familie zeigten, und in Nischen oder auf schmalen Podesten standen kleine Kostbarkeiten; Figürchen aus Edelmetall, Porzellankrüge, Windspiele aus Glas und vieles mehr.

Am meisten staunte Rowarn aber, als sie in die Thronhalle kamen; Sie war sehr viel kleiner als üblich, mit Holz ausgekleidet und mit Teppichen ausgelegt, zwei riesige Kamine sorgten für die entsprechende Wärme. Hier gab es an den Seiten nicht die üblichen mit Vorhängen abgetrennten Schlafbetten für Gäste. Der zentrale Blickfang war die Tafel mit Platz für dreißig oder mehr Personen. An der hinteren Wand war eine große Wappenfahne aufgehängt, die von sich kreuzenden Speeren gehalten wurde. Davor stand auf zwei Stufen ein schlichter Thron aus weißem Marmor. Rowarn glaubte nicht, dass er häufig benutzt wurde, er wirkte wie neu.

Voller Freude betrachtete der junge König die riesigen Seidenteppiche an den anderen Wänden. Ihre Handschrift war ihm ebenso vertraut wie die der Statuen draußen – dies waren Schöpfungen von Schneemond, ihre kostbarsten Stücke, an denen sie viele Mondwechsel, manchmal sogar Jahre gearbeitet hatte. Baron Solvan musste tatsächlich märchenhaft reich sein, und Rowarn freute sich schon, ihn auf die Kunstwerke anzusprechen.

Quirliges Leben herrschte in dieser Halle. Kinder aller Altersgruppen kugelten auf den Teppichen umher oder spielten vergnügt Fangen, beaufsichtigt von geduldig lächelnden Frauen, die allesamt Zwerginnen waren.

Eine von ihnen, die etwa in Solvans Alter sein mochte, wandte sich ihnen nun zu. Sie trug die kunstvollste Frisur, die Rowarn je gesehen hatte, und nicht minder kostbare Samtgewänder wie der Baron, ganz in Rot gehalten. Ihr Gesicht hatte einen rosigen Schimmer, und ihre Augen blitzten genauso blau und lebhaft wie die von Olrig.

»Base Arhild!«, rief der Kriegskönig und rannte mit ausgebreiteten Armen auf die Frau zu, die ihn lachend erwartete.

Baron Solvan amüsierte sich über Rowarns verdutzte Miene. »Arhild, meine Frau, ist tatsächlich eine Base von Olrig. Beide entstammen einem Seitenzweig der großen Familie von Vizekönig Alwick«, erklärte er und deutete auf zwei weitere Frauen, die sich jubelnd in die Wiedersehensfreude stürzten. Sie waren jünger, ein wenig schlanker, und nicht ganz so kostbar gekleidet und geschmückt; die eine trug Gelb, die andere Orange. »Helerun und Ravill, Arhilds Schwestern«, fuhr der Baron fort, »und meine Konkubinen. Die drei sind unzertrennlich, ich hatte gar keine andere Wahl, als sie alle zu nehmen, sonst hätte ich Arhild nicht heiraten dürfen. Also fügte ich mich und trage es seither wie ein Mann.«

Rowarn kam sich wie ein ungeschickter Tölpel vor, weil er nicht wusste, wie er darauf reagieren sollte. Der Baron schien solche Reaktionen auf seine unkonventionelle Ehe gewohnt zu sein und mit Humor zu tragen, denn er lachte herzlich und zwinkerte. »Mit meinen Kindern macht Euch am besten selbst bekannt, die Vorstellung dauert einfach zu lange.«

»Aber mich wirst du doch wohl vorstellen, Vater?«, erklang in diesem Moment eine liebliche Stimme, und Rowarn erblickte eine junge Frau, die ihr üppiges dunkles Haar wie eine Zwergin trug, aber sehr viel zierlicher und kleiner war. Sie hatte dasselbe Grübchen am Kinn wie der Baron, und auch Solvans verschmitztes Lächeln mit der kleinen Falte im linken Mundwinkel hatte sie geerbt. Sie machte einen Knicks und zeigte ihrem Vater ein unwiderstehliches Lächeln.

»Wenn du mich so artig darum bittest«, schmunzelte der Baron. »Herr Rowarn von Ardig Hall, das ist Philippa, meine älteste Tochter, und der Sonnenschein der ganzen Familie.«

Rowarn verneigte sich vor ihr. »Ich freue mich.« Normalerweise hätte er noch einiges hinzugefügt, das ihre Ohren erfreut und ein zartes Rot auf ihre hübschen Wangen gezaubert hätte, aber diese Zeit war vorbei, seit er seine Königin erwählt hatte, und es fiel ihm nicht schwer.

»Es ist mir eine Ehre«, zwitscherte sie. »Ich war schon sehr gespannt, nachdem man sich so viel über Euch erzählt ...«

»Du kannst ihn später ausfragen, Philippa, nun geh und hilf deiner Mutter bei den Vorbereitungen für die Tafel heute Abend.« Solvan wandte sich Rowarn zu. »Ihr nehmt doch daran teil?«

»Nichts lieber als das«, lächelte Rowarn. Er sah der jungen Frau trotz allem aufmerksam nach, als sie sich kokett umwandte und mit wiegenden Hüften zu den anderen Frauen ging. Die Art der Zwerginnen, sich zu bewegen, war mit nichts zu vergleichen.

»Dann lasse ich Euch nun Euer Gastzimmer zeigen, und Ihr werdet Gelegenheit zur Erholung finden. Ich lasse Euch später abholen, dann können wir alles besprechen.«



Während die Vorbereitungen für die Festtafel getroffen wurden, lud Baron Solvan Olrig und Rowarn in sein Audienzzimmer ein, wo sie sich ausgiebig berieten. Solvan war ein kluger Mann, er stellte nicht ein einziges Mal die Frage nach Noïrun.

Felhir, der eigentlich dabei sein wollte, hatte sich entschuldigen lassen, aber Rowarn würde ihn heute Abend treffen. Wie es aussah, hatte der Stellvertretende Heermeister alles gut im Griff, und er ging auch mit großer Härte gegen Marodeure vor, egal welches Wappenhemd sie trugen.

Baron Solvan lobte Rowarns Entschluss, sich zu offenbaren und dem Heer zu zeigen.

»Herr Baron, ich muss in diesem Zusammenhang eine Bitte an Euch richten«, sagte Rowarn. »Bevor ich zu den Soldaten spreche ... muss ich König sein.«

Der Baron lehnte sich zurück und betrachtete ihn lächelnd. »Ich sehe bereits einen König vor mir.«

»Das ist nicht genug.« Rowarn schob den Weinpokal vor sich auf dem Tisch herum. »Ihr müsst mich krönen. Als Herrscher von Eisenwacht habt Ihr die Berechtigung dazu.«

Solvan hob eine Braue. »Es wäre Noïruns Aufgabe, er ist ein hochadliger Fürst und noch dazu Heermeister.«

»Er ist nicht hier.«

In Solvans Fuchsaugen trat ein lauernder Ausdruck; diesmal hielt er sich nicht zurück. »Besteht denn ... die Möglichkeit, dass er eines Tages wieder hier sein wird?«

Olrig trank still und mit undurchdringlichem Gesicht aus seinem Becher. Rowarn schaute dem Baron offen in die Augen. »Nur aus diesem Grund bin ich hier, Herr: Um den Soldaten und Söldnern ein Ziel zu geben, einen Ansporn, weiterzumachen. Sie müssen wissen, wofür sie kämpfen. Ich will keine großartige Zeremonie, aber ich will, dass sie alle dabei sind. An Eurer Seite sollen Felhir und Olrig als Zeugen stehen. Damit würden wir jedem Einigkeit und die Stärke unseres Bundes vor Augen führen. Diese Botschaft soll an alle Völker und Einwohner Valias hinausgetragen werden. Das Bild unserer Einigkeit soll sich unvergesslich einprägen! Werdet Ihr also meinen Wunsch erfüllen?«

»Wie könnte ich mich bei solchen Worten nicht Eurem Wunsch beugen?«, versetzte der Baron, augenscheinlich gerührt. »Es wird mir eine Ehre sein, junger Herr von Ardig Hall. Wann soll die Zeremonie stattfinden?«

»Schon morgen«, antwortete Rowarn. »Wir brauchen dazu nicht viel Vorbereitung, denn wie ich bereits sagte, soll es ein schlichter Akt sein; alles andere wäre nicht angebracht. Doch es genügt, um ein Zeichen zu setzen.«

Solvan hob den Pokal. »Darauf erhebe ich meinen Becher.«

»Womit willst du dich eigentlich krönen lassen?«, fragte Olrig, nachdem sie angestoßen und getrunken hatten.

»Ich dachte, der edle Baron leiht mir vielleicht etwas Passendes, das ich ihm anschließend zurückgebe«, antwortete Rowarn ruhig. »Ich habe nicht vor, die ganze Zeit mit einer Krone herumzulaufen, damit käme ich mir lächerlich vor.«

Olrig grinste geheimnisvoll in seinen Bart.



Es wurde ein fröhliches, gut gelauntes Fest. Rowarn feierte ein Wiedersehen mit Felhir und vor allem dem einäugigen Ragon, der hin- und hergerissen war, sich vor Rowarn zu verneigen oder ihn zu umarmen. Auch einige Befehlshaber ersten Ranges, darunter Fabor, waren anwesend, doch es wurde kaum über den Krieg gesprochen, das hatte Zeit bis morgen. Rowarn erfuhr jedoch allerhand über das Leben der Leute im Lager und einige heitere Geschichten.

Solvans quirlige Töchter saßen ebenfalls an der reich gedeckten Tafel, und Rowarn zögerte lange, bis er die Frage schließlich doch an den Baron stellte: »Ihr habt nur Töchter?«

Über Solvans Gesicht fiel kurz ein Schatten, und er warf einen fast ängstlichen Blick zu Arhild, doch sie unterhielt sich angeregt mit Olrig. »Unser erstgeborenes Kind ist ein Sohn«, antwortete er leise. »Doch Humrig hat sich für Dubhan entschieden.«

Rowarn machte ein betroffenes Gesicht. »Verzeiht, ich wollte nicht an Euren Schmerz rühren.«

»Ja, Arhild ist noch immer untröstlich. Ich habe mich inzwischen damit abgefunden, denn es wäre ungerecht meinen anderen Kindern gegenüber.« Solvan hob den Pokal und lachte schon wieder. »Verschlungen sind die Pfade des Schicksals, mein junger Freund, doch letztendlich führen sie alle wieder zusammen. Mein Sohn hat sich entschieden, das muss ich respektieren.«

Das Festmahl ging fröhlich weiter, bald auch mit Gesang und Tanz. Rowarn wurde von den älteren Töchtern des Barons umringt und hatte gar keine andere Wahl als zu tanzen, wobei er allerhand vom Baron lernen konnte. Die Halle war erfüllt von Musik und dem Schein vieler Kerzen, der eine oder andere wollte sich gar nicht von der Tafel erheben, sondern frönte den Genüssen bis spät in die Nacht.

Schließlich ging Rowarn die Luft aus, und er suchte sich abseits eine Nische, um sich zu erholen. Nach einer Weile hatte Philippa ihn erspäht und kam zu ihm. Sie war von unvergleichlichem Liebreiz, von beiden Völkern hatte sie nur das Beste erhalten, und im warmen Schein kamen ihre Vorzüge noch besser zum Vorschein. Sie setzte sich neben ihn und legte ihm die kleine Hand auf den Schenkel.

»Wisst Ihr, edler Herr, was die Vorzüge der Zwerginnen in gewissen Situationen sind?«, fragte sie mit schelmischem Augenaufschlag.

»Nein«, musste Rowarn zugeben.

Philippa beugte sich zu ihm und flüsterte ihm etwas ins Ohr, das ihn knallrot werden ließ und zugleich ein heftiges Ziehen in seinen Lenden auslöste, und das nur von den Worten allein. Nun erfuhr er also endlich das Geheimnis, und es trocknete seine Kehle aus.

Doch er sagte: »Ich muss verzichten«, und war erstaunt, wie flüssig ihm die Worte von den Lippen kamen.

Sofort zog Philippa die Hand zurück. »Dann ist es also wahr, was man über Euch erzählt? Ich bitte um Verzeihung.« Sie stand auf und verließ ihn, und Rowarn blickte ihr verwirrt hinterher.

Olrig, der gerade mit einem schäumenden Bierkrug vorbeikam, blieb stehen und legte den Kopf leicht schief. »Was ist denn mit dir los? Sitzt da mit hochrotem Kopf, dabei ist gar keine Zwergenmaid in der Nähe.«

»Philippa ...«, begann Rowarn.

»Ah«, grinste Olrig. »In jungen Jahren hätte ich ihr keinen Herzschlag lang widerstehen können.«

»Sie sagte, dass man über mich redet ...«, erzählte Rowarn ratlos.

Olrig runzelte die Stirn. »Drück dich deutlicher aus, Junge.«

»Nun, sie ... also, sie wollte ... sie bot mir an ...«, stammelte Rowarn und wurde erneut rot.

»Und du hast ...?«

»Ich ... das geht doch nicht ...«

»Ah, daher weht der Wind.« Olrig lachte leise, dann ließ er sich neben Rowarn nieder und stellte den Krug ab. »Junger Freund, was glaubst du wohl, was man hinter vorgehaltener Hand über die unverheiratete Herrin von Farnheim tuschelt? Erst recht, seit du bei ihr im Haus lebst, das sie für andere seither verschlossen hält.«

»Aber du und Noïrun ...«

»Wir sind alte Männer und überall bekannt. Du aber bist ein ansehnlicher junger Mann. Denkst du, darüber macht sich keiner Gedanken? Natürlich wusste man bisher nicht, dass es sich dabei auch noch um den Erben von Ardig Hall handelt, aber deine Anwesenheit in Farnheim hat sich schnell herumgesprochen – ein junger Mann von Nirgendwo, dessen Haut schimmert wie Perlmutt und dessen Augen nachts leuchten und der sich in Begleitung des Visionenritters und des Schattenluchses befindet. Ein früh zu Ehren gekommener Ritter von Ardig Hall und Held der Schlacht, dem es zudem gelang, aus der Splitterkrone zu entwischen. Das ist eine Nachricht, die jeden mit Sinn für Romantik aufhorchen lässt! Ich habe gehört, die Barden versuchen sich bereits gegenseitig auszustechen mit den Liedern, die sie auf dich dichten, und wenn von Farnheim die Rede ist, natürlich auch auf Arlyn!«

»Das ist unerhört!«, stieß Rowarn hervor. »Das geht niemanden etwas an …«

»Mir brauchst du das nicht zu sagen, doch versteh auch die Dichter!« Olrig hob lachend die Hände. »Aber wenn es dir so wichtig ist – solltest du dafür sorgen, dass sie ihren Ruf wahrt! Wirb offiziell um sie!« Er zwang Rowarn, ihn anzusehen. »Du liebst sie doch, oder?«

Rowarn wandte verlegen den Kopf ab. »Wie soll ich ...«

»Morgen bist du ein gekrönter König. Muss ich mehr sagen? Verschwende keine Zeit, nicht einen Moment, wenn du dich für sie entschieden hast. Denn danach sieht es für mich aus, und glaub mir, ich kenne mich aus in solchen Dingen.«

Rowarn rieb sich verlegen das Kinn. »Du hättest es an meiner Stelle schon getan, nicht wahr?«

»Ich habe noch nie gezaudert in diesen Dingen, und auch wenn ich bereits fünfmal geschieden bin, so sage ich dir eines, mein lieber Freund: Ich würde es jedes Mal wieder so machen. Ich glaube, Arlyn ist tief in deinem Herzen verwurzelt, und mir ist nicht entgangen, wie sie dich ansieht. Es wird nicht lange dauern, und die Gerüchte werden direkter sein. Gewiss, im Winter ist alles träge und unter Schnee verborgen. Ihr habt euch gerade gefunden und denkt nur an eure Gefühle füreinander und das Glück, zusammen zu sein. Aber das Frühjahr kommt so gewiss wie die letzte Schlacht dieses Krieges. Und dann musst du dieser Beziehung einen ehrenvollen Stand verleihen oder sie beenden. Du kannst nicht als König nach Dubhan ziehen mit dieser edlen Dame als Konkubine an deiner Seite.«

»Aber wenn wir nicht zusammengefunden hätten, wäre sie doch auch dabeigewesen ...«

»Aber so ist es eben nicht. Was geschehen ist, ist geschehen. Man sieht es euch an, ihr nicht weniger als dir. Arlyn mag jetzt nicht darüber nachdenken, weil sie dieses Glück zum ersten Mal erlebt und alles neu für sie ist, und vielleicht macht es ihr noch nichts aus, weil sie Farnheim sonst nie verlässt und nicht weiß, wie es ist, wenn man die Achtung anderer verliert. Denn das wäre der Fall, schließlich wird sie in ganz Valia als edle und legendäre Heilerin und Herrin von Farnheim verehrt und besungen. Sorg dafür, dass das so bleibt.«

Rowarn atmete tief ein. »Es tut mir leid, ich war mir all dieser Dinge nicht bewusst.« Er sah Olrig offen an. »Sie ist doch schon längst meine Königin, Olrig, und nichts anderes darf sie auch für ganz Valia sein.«

»Na siehst du.« Der alte Zwerg schmunzelte. »Geh schlafen, edler Recke, morgen hast du einen anstrengenden Tag.« Er betrachtete unglücklich den in sich zusammengefallenen Schaum in seinem Bierkrug, stand auf und steuerte auf eine Schankmaid zu.



Rowarn beschloss schließlich nach einigem Hin und Herwälzen seiner Gedanken, Olrigs Rat zu beherzigen und wollte aufbrechen, als ein Streit ausbrach. Ein Mann der Schlossgarde, der vorher schon wegen seines überheblichen Auftretens aufgefallen war, legte sich plötzlich mit Olrig an. Rowarn hatte am Rande mitbekommen, dass der Gardist ein junger Adliger aus dem Süden war, den sein Vater wegen eines Skandals nach Eisenwacht geschickt hatte. Den ganzen Abend über war er streitlustig gewesen und hatte zur Unterhaltung immer wieder spitze Bemerkung beigesteuert; insofern war Rowarn nicht überrascht, dass er nun ausfällig wurde.

»Was sagt Ihr da? Menschen können nicht trinken und sind auch in anderen Belangen beschränkt? Nehmt das sofort zurück!«

»Das habe ich keineswegs gesagt, Ihr habt mich missverstanden«, versuchte der Kriegskönig zu erklären.

»Ihr haltet mich also für minderbemittelt?«, fauchte der Mann.

»Tut mir leid«, fing Olrig versöhnlich an. »So ein Urteil würde ich mir nie über jemanden erlauben, den ich nicht kenne.«

»Dann werdet Ihr mich jetzt kennenlernen, Ihr aufgeblasener Wichtigtuer! Ich frage mich, wie Ihr Euch bei so viel Fett überhaupt auf dem Felde bewegen könnt!«

Rowarn hatte genug gehört und trat dazwischen. »Nehmt die Entschuldigung meines Freundes an und entschuldigt Euch im Gegenzug«, sagte er laut. »Mit Beleidigungen zu antworten zeugt nicht gerade von Anstand und guter Erziehung!«

Der Hals des Mannes schwoll an, sein Kopf wurde rot. »Was mischt Ihr Euch da ein? Ein Jüngling, der kaum den Kinderschuhen entwachsen ist ...«

»He, langsam«, sagte Olrig warnend. »Weißt du Holzkopf nicht, wer das ist?«

Immer mehr Männer scharten sich um sie, und Rowarn konnte ihre Angriffslust spüren. Sie hatten allesamt dem Alkohol großzügig zugesprochen und wollten einen Kampf sehen. So etwas erlebte Rowarn nicht zum ersten Mal, selbst in Noïruns Garde war irgendwann der Siedepunkt erreicht, wenn die Ritter sich gegenseitig aufstachelten und verborgene Rivalitäten hervorbrachen.

Hier war es nicht anders. Während des Essens hatte Olrig von den Vorzügen der Zwerge gesprochen, und das hatte die stolzen jungen Menschen verärgert. Und Rowarn musste sich ihren Respekt erst verdienen, auch das war ihm bewusst.

Die Worte flogen hin und her, Fäuste wurden geballt. Da trat Baron Solvan hinzu.

»Gibt’s hier ein Problem?«, fragte er.

Sofort wichen die Gardisten zurück. »Nein«, brummte der Mann, der auf Olrig losgegangen war.

»Wir führen nur eine etwas hitzige Debatte«, bestätigte der Kriegskönig freundlich.

»Dann ist es ja gut.« Solvan kehrte an die große Tafel zurück, um sich seinen drei Damen zu widmen.

»Dein Glück ...«, begann der Angreifer zornfunkelnd, doch Olrig hob die Hand. 

»Ich habe einen Vorschlag, bei dem sich ganz schnell herausstellen wird, wer von uns Unrecht hat, und damit wären wir auch wieder bei der Ursache dieses Streits: Lass uns ein Wetttrinken austragen. Das halte ich für eine bessere Lösung als den Faustkampf, der uns allen nur unnötige Schmerzen und den Unmut des Barons einbringen wird. Einverstanden?«

»Gut«, brummte der Mann.

Rowarn verdrehte die Augen. In diesem Moment wusste er nicht, ob Handgreiflichkeiten nicht besser gewesen wären. »Olrig ...«, wisperte er, während sie auf einen Tisch an der Seite des Raumes zustrebten.

»Lass mich nur machen«, gab der Zwerg vergnügt zurück. »Solltest du nicht schon längst im Bett sein?«

»Und du? In deinem Alter solltest du dich nicht mehr auf albernes Kräftemessen einlassen!«

»Du hörst dich schon an wie Noïrun. Aber jetzt sieh zu und pass genau auf, da kannst du was lernen.«

Rowarn sah staunend zu, als eine Menge Krüge und Ushkanygläser aufgestellt wurden. Die beiden Kontrahenten mussten sich gegenüber setzen, eine Hand auf dem Tisch, die andere darunter. Mit gemischten Gefühlen musterte Rowarn seinen Freund. Er hatte so den Eindruck, als würde Olrig den Gardisten unterschätzen, der jetzt ziemlich gelassen wirkte und von seinen Kumpanen umringt wurde. Sie klopften ihm auf die Schulter und nickten dem Kriegskönig zu.

»Er ist der Beste!«, verkündete einer. »Nicht mal Achnir das Fass konnte mit ihm mithalten.«

»Achnir das Fass?«, fragte Rowarn beunruhigt einen Soldaten, der neben ihm stand.

»Achnir kann mehr als zwei Gallonen auf einen Zug leertrinken, ob Wein oder Bier, spielt keine Rolle«, antwortete der. »Nur bei Schnaps ist er etwas vorsichtiger, seit er einmal danach verheiratet aufgewacht ist.«

Rowarn zog es vor, dazu nichts zu sagen.

»Also, mein Bester«, setzte Olrig an, als sie für die erste Runde bereit waren. »Kennst du eigentlich meinen jungen Freund, den du vorhin beleidigt hast: Rowarn von Ardig Hall? Er ist der Erbe der Nauraka, der Femris dem Unsterblichen das Schwert in den Leib stieß und ihm damit näher kam als jeder Mächtige dieser Welt. Er hat gegen Warinen und Dämonen gekämpft und mehrmals den Heermeister von Ardig Hall gerettet, weswegen er bereits nach kurzer Zeit zum Ritter geschlagen wurde. Er wird morgen zum Friedenskönig gekrönt.«

»Er ist nicht mein König«, knurrte der Mann. »Ich diene allein Baron Solvan, der keinem König Rechenschaft schuldig ist.«

»Und nur aus diesem Grund fordert er dich nicht, aus Höflichkeit deinem Herrn gegenüber. Bei mir ist das etwas anderes. Du hast meine Ehre und, was noch viel schlimmer ist, meinen geliebten und mit Wohlbedacht gepflegten Bauch beleidigt.« Er rückte Krug und Glas mit einer Hand zurecht. »Wir machen es so: Wer sich zuerst erbricht oder das Bewusstsein verliert, hat sich angemessen zu entschuldigen.«

»Einverstanden, Narr«, stimmte der Gardist selbstgefällig zu. »Du hast ja keine Ahnung, worauf du dich einlässt. Also halten wir auch von meiner Seite vor Zeugen fest: Wer zuerst vom Stuhl kippt oder auf den Tisch kotzt, ist blamiert.« 

Rowarn sah sich nach Solvan um, doch der Baron wollte mit diesem Wettstreit offensichtlich nichts zu tun haben. Er kannte Olrig auch schon länger; wer wusste schon, wie oft solche Streitigkeiten in Eisenwacht bereits vorgekommen waren.

»Dann gilt es so.« Auffordernd blickte Olrig zu Rowarn. »Möchtest du mithalten? Immerhin wurdest du auch beleidigt.«

Rowarn, der so gut wie kein berauschendes Getränk vertrug, wurde allein schon vom Gedanken an diese Wettsauferei übel. »Ich halte mich lieber ans Essen, wenn’s recht ist«, erwiderte er. »Und die Entschuldigung deines Kontrahenten mag auch mich einschließen, da bin ich nicht eitel.«

Der Gardist betrachtete ihn kritisch. »Und der will ein Ritter und König sein?«

Daraufhin lachte der Kriegskönig schallend und hob den ersten Krug. »Lasst den Wettstreit beginnen!«



Das Zechgelage dauerte keineswegs so lange, wie Rowarn erwartet hätte. Es kam bei der Trinkerei nämlich nicht nur auf die Menge, sondern auch auf die Geschwindigkeit an.

Nach dem achten Krug Bier und Ushkany lösten sich bereits die Mienen der beiden Kontrahenten. Nach dem zehnten stritten sie über angebliche Mogelei beim Trinken. Nach dem zwölften lallte der Gardist: »Disch schauf isch allelal noch unnern Disch.« Nach dem fünfzehnten fing der Gardist an zu weinen über die Ungerechtigkeit der Welt, und Olrig musste ihm beipflichten. Nach dem zwanzigsten schlossen sie gerührt Freundschaft und fingen an, in fröhlicher Dissonanz zotige Lieder zu grölen. Nach dem dreiundzwanzigsten Bier, das der Gardist noch in einem Zug leerte, setzte er den Krug behutsam ab, blickte mit einem Ausdruck des Erstaunens auf den unberührten Ushkany, dann kippte er ohne einen Laut vom Stuhl.

»Alle Achtung«, sagte Rowarn anerkennend.

»Gaar kein so schlechdder Bursche«, bemerkte Olrig und stand schwankend auf. Er grinste bis zu den Ohren. »Er solldde eine Zwergin heiraten, und wir häddn alle keine Scherere…dings mehr.« Er nickte auffordernd den sprachlos gaffenden Zuschauern zu. »Helft ihm und bringt ihn zu Bett. Die Entschulligung hat Zeit, bisser nüchtern is. Ach was, er hat sich ja schon entschulligt.« Dann wandte er sich Rowarn zu. »Das war wohl gedaan, was, Junge?«, strahlte er und klopfte dem jungen Mann an die Brust, allerdings ein wenig zittrig, weil er auf einmal mit einem Schluckauf zu kämpfen hatte. »Jetzt entschulligt mich bitte, ich hab ssuviel Flüssichkeit in mir, die mussich jetzt loswerddn. Hicks!«



Rowarn hatte ursprünglich geplant, seinen Freund aufs Zimmer bringen, aber er sah ein, dass es aussichtslos war, da Olrig sich noch viel zu wohl fühlte, um schlafengehen zu wollen, und zog sich still zurück. Er schlief ruhig in dieser Nacht, denn zum ersten Mal seit langem war er frei von Zweifeln. Diejenigen, die schon in Ardig Hall mit ihm gekämpft hatten, wussten um seine Fähigkeiten als Ritter und würden ihn als König zumindest für diese letzte Schlacht respektieren. Sicher besaß er nicht die Ausstrahlung und Wertschätzung eines Noïrun, aber es ging ja vor allem um die symbolische Wirkung, um das Zeichen, dass Ardig Hall noch nicht besiegt war. Den Rest an Anerkennung würde er sich verdienen.

Natürlich war er nervös, als er am Morgen die Halle zum Frühstück betrat, denn was er nun vorhatte, war etwas Endgültiges. Mochte er auch vor der Abreise zu Arlyn gesagt haben, dass er nicht sicher war, ob er die Bürde des Thrones auf sich nehmen wollte, so blieb ihm nach der Krönung keine Wahl mehr. Dann musste er die Verantwortung auch nach dem Ende des Krieges tragen – was immer dann noch von Valia oder Waldsee übrig sein mochte. Ardig Hall sollte wieder aufgebaut werden, und er wollte als Friedenskönig herrschen, auch wenn die Nauraka dann von der Pflicht, das Tabernakel zu hüten, befreit sein würden. Den Frieden zu erhalten, war eine Pflicht, von der niemand entbunden werden konnte, am wenigsten er. Das war es, was die Eliaha ihm hatte mitteilen wollen: So etwas wie auf dem Titanenfeld durfte nie wieder geschehen, und dafür wollte Rowarn sich einsetzen, solange er lebte.

Aber das brauchte jetzt noch niemand zu wissen, zuerst musste das Tabernakel seiner Bestimmung zugeführt werden. Und diese Hürde allein erschien schon so hoch wie der Vulkan Mondreiter. Bin ich auf der Suche nach der Blauen Rose?, fragte sich Rowarn. Und ist Valia oder gar die ganze Welt meine spröde Geliebte, der ich sie bringen will?

Soeben kam auch Olrig in den Raum, ein wenig angeschlagen nach der durchzechten Nacht, doch sein Gesicht hellte sich auf, als er Rowarn erblickte. »Guten Morgen«, begrüßte er ihn. »Ich hoffte darauf, dich allein anzutreffen. Komm mit, ich möchte dir etwas zeigen.«

Rowarn folgte ihm neugierig zu Solvans Audienzzimmer, wo der Zwerg ihm stolz lächelnd einen prachtvollen bodenlangen, dunkelblauen Umhang mit dem aufgestickten silbernen Wappen Ardig Halls präsentierte, der wiederum kunstvoll um eine Helmkrone aus grauem, matt schimmernden Argentarium drapiert war. Der Helm war nackenlang und besaß einen Nasenschutz mit kunstvoll ausgearbeiteten Augenbögen, die das Gesicht umrahmten und im Bogen auslaufend bis fast zur Kinnspitze reichten. Seitlich oben am Kopf waren kleine Flügel befestigt und sehr schlicht, nicht über die Kopfwölbung hinausragend, war eine stilisierte Krone mit abgerundeten Spitzen angedeutet. Der Helm war überwältigend, eine Perfektion der Schmiedekunst, ein überaus kostbares Stück, und dennoch von eleganter Schlichtheit.

Rowarn war sprachlos.

»Ich hoffe, er passt«, strahlte Olrig. »Wir haben die ganze Nacht damit zugebracht, ihn umzuarbeiten, und so ganz bin ich immer noch nicht damit zufrieden, aber in der Kürze der Zeit war es nicht besser zu schaffen.«

»Er ist vollkommen«, flüsterte Rowarn andächtig. Der Helm strahlte eine Würde und Königlichkeit aus, die ihn tief im Herzen berührte. »Wer hat ihn einst getragen, Olrig? Mir ist, als könnte ich die Seele seines Trägers immer noch darin spüren ...«

»In der Tat, er ist sehr, sehr alt.« Olrig strich liebevoll mit dem Ärmel über den Helm und putzte imaginäre Flecken weg. »Er gehörte Dalarios dem Urvater, einem der Begründer des Zwergenvolkes von Waldsee. Solvan wird ihn dir heute aufs Haupt setzen, und du wirst ihn hoffentlich auch in der Schlacht tragen.«

»Olrig, das ... das kann ich nicht«, wehrte Rowarn erschrocken ab.

»Junge, hör mir zu.« Der alte Zwerg packte seine Arme und schüttelte ihn leicht. »Seit Jahrtausenden bewahren wir diesen Helm als Andenken an einen großen Mann, den das gesamte Zwergenvolk heute noch verehrt. Drei Festtage des Jahres sind ihm gewidmet, so viel bedeutet er uns. Dalarios hat das Gesicht der Welt gewandelt. Du wirst das ebenfalls tun, und ich bitte dich, nimm dieses Geschenk der Zwerge an. Es würde uns alle mit großem Stolz erfüllen, wenn dieser Helm nicht irgendwo über einem Schrein vor sich hinstaubt, sondern seinen Zweck erfüllt. Er ist wie für dich geschaffen. Bitte, mach uns die Freude.«

Rowarns Augen wurden feucht. »Das wäre dann noch ein Erbe, das ich antreten müsste ...«

»Unsinn, du bist seiner bereits würdig. Du wirst es spüren, wenn der Helm auf deinem Haupt sitzt. Du könntest ihn nicht ertragen, darauf wette ich, wenn du nicht der Richtige dafür wärst. Doch ich hege gar keinen Zweifel.« Olrig nahm den Umhang und legte ihn über seine Arme. »Der hier gehört dazu, und diesmal kannst du getrost annehmen, denn einer deiner Vorfahren hat ihn einst getragen. Wir haben ihn hier in Eisenwacht bewahrt, wie so vieles andere. Arhilds Frauen haben ihn sich letzte Nacht vorgenommen und nun ist er wieder wie neu.« Er hielt ihn Rowarn hin. »Fühl den Stoff«, forderte Olrig ihn auf. »Kostbare Seide von Lotosweberraupen, vermischt mit edler Wolle der Weißoliandra-Bergthari, die die feinste der Welt ist. Er ist unverwüstlich, Jahrhunderte haben ihm nichts antun können. Du kannst ihn sommers wie winters tragen, er wird dich kühlen, wenn es heiß ist, und wärmen, wenn es kalt ist. Er wird dich sogar in der Schlacht schützen, das starke Gewebe kann selbst Pfeile abhalten, wenn sie nicht aus kurzer Entfernung abgefeuert wurden, und er wird dich schmücken, wenn du Audienzen gibst.«

»Ich weiß nicht, was ich sagen soll«, stieß Rowarn fassungslos hervor. Der Stoff fühlte sich unglaublich an, weich und sehr dünn, aber das dichte Gewebe schien tatsächlich fast unzerreißbar zu sein. Eine wahrhaft königliche Robe.

»Am besten sagst du nichts, sondern gehst erst mal frühstücken, denn wie ich dich kenne, wird dir ohnehin bald übel vor lauter Nervosität. Aber vielleicht bleibt die Mahlzeit lange genug in dir, um dich ein wenig zu stärken. Für das Zeremoniell brauchst du all deine Kräfte.« Mit diesen Worten schob der Zwerg Rowarn vor sich her aus dem Raum und zurück in die Halle, wo Baron Solvan mit seinen Frauen und Töchtern an der Tafel wartete. Vom Fest der vergangenen Nacht war nichts mehr zu sehen, das Gesinde leistete gute Arbeit.

»Seid Ihr bereit?«, fragte Solvan, als Rowarn neben ihm Platz nahm.

»Ja, ich denke schon«, antwortete er. Trotzdem war er aufgeregt, als sie kurz darauf zum Heerlager ritten, das im nächsten Tal aufgeschlagen war. Staunend blickte Rowarn auf die vielen Zelte hinab, alles war geordnet und in bestem Zustand. »Das sind ja bald mehr als in Ardig Hall ...«, flüsterte er.

»Es werden in jedem Fall mehr sein, bevor es losgeht«, zeigte sich der Baron zuversichtlich. »Die Versorgung erfolgt hauptsächlich über die Kúpir und aus einem Ostland, mit dem ich seit Jahren Handelsbeziehungen pflege. Was die Zahlungsmittel betrifft, so ist auch das geregelt, vor allem Farnheim hat sehr viel zur Verfügung gestellt.«

Rowarn freute sich, Lohir Sommersprosse, Kalem Schwarzzahn, Ravia die Blaue und die Ritter Oïsin und Norem wiederzusehen, und dazu viele andere, die ihn nicht minder angespannt erwarteten. Es sprach sich schnell herum, dass der Erbe von Ardig Hall eingetroffen war, und in Windeseile stellte sich das Heer auf. Begeisterten Jubel gab es, als Fashirh und die drei Söldnerdämonen angestampft kamen. Rowarn war überrascht und gerührt, als die drei Dämonen sich ihm näherten – und sich vor ihm verbeugten.

»Wir grüßen den Herrn von Ardig Hall«, sagte einer von ihnen mit einer Stimme, die wie ein Eishauch war. »Mit diesem Gruß entbieten wir unsere Treue dem Hüter des Tabernakels und verneigen uns vor dem Sohn Nachtfeuers, der unser Herrscher ist.«

»Ich nehme dankend an«, antwortete Rowarn. Er blickte zu Fashirh auf, nachdem sich die drei ohne weitere Worte wieder zurückgezogen hatten. »Das hätte ich nie gedacht.«

»Du weißt nicht viel über uns«, grinste der Rote Dämon, und seine Kinnfäden bewegten sich sacht.

»Bringen wir es hinter uns«, sagte Olrig und deutete auf eine Anhöhe, wo Solvan bereits wartete. »Von dort aus kann man dich gut sehen. Rufer werden weitertragen, was hier geschieht.«

Rowarn stieg auf Windstürmer und ritt langsam zu der Anhöhe, er fühlte die Blicke der Soldaten, die seinem Weg folgten. In diesem Moment wusste er, dass er das Richtige getan hatte, und die Nervosität fiel von ihm ab.

Die Zeremonie wurde kurz gehalten, wie Rowarn es gewünscht hatte. Baron Solvan sprach feierliche Worte, Olrig legte Rowarn den Umhang um die Schultern, dann beugte der junge König ein Knie, und der Helm wurde ihm langsam aufgesetzt. Und wie Olrig es versprochen hatte, passte er genau, schien sich ihm sogar anzupassen. Als Rowarn dann aufstand und sich dem Heer präsentierte, brandete tosender Jubel auf, den man wahrscheinlich noch über Eisenwachts Grenzen hinaus hören konnte. Am besten, so dachte sich Rowarn, bis nach Dubhan. 

Rowarn holte tief Atem und hielt die Ansprache, die er seit Farnheim immer und immer wieder geübt hatte, um frei reden zu können. Er sprach davon, was der Kampf um das Tabernakel bedeutete, und dass sie nur alle gemeinsam die Herausforderung bestehen konnten. Ardig Hall sollte wieder aufgebaut werden, als ewiges Zeichen des Friedens, und die Macht der Finsternis würde auf dieser Welt ein für alle Mal gebrochen sein. Rowarn versäumte es auch nicht, die Verbündeten hervorzuheben, allen voran die Zwerge, dann die Dämonen, und so ging es immer weiter; er nannte die Ritter und tapfere Helden, die sich besonders hervorgetan hatten, sprach von seinen Freunden, die mit ihm von Inniu ausgezogen waren. Er lobte Felhir für seine Verdienste und stellte ebenso die Befehlshaber ersten Ranges heraus. Sie sollten sich alle einander verbunden fühlen, ein Ziel vor Augen haben, für das sie alles geben würden.

Immer wieder musste Rowarn wegen der donnernden Hochrufe unterbrechen; das Heer schrie wie ein Mann, hob Schwert und Speer und huldigte begeistert dem König von Ardig Hall.