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Meike ließ die Tür hinter sich ins Schloss fallen. Was für ein Tag. Dieses Weihnachtsfest würde sie niemals vergessen.

Sie ging in die Küche, öffnete den Kühlschrank und nahm die Flasche Weißwein heraus. Geschickt entkorkte sie die Flasche und goss sich etwas ein. Das konnte sie jetzt gut gebrauchen.

Natürlich hatte sie erwartet, dass ihre Eltern so reagieren würden, besonders ihr Vater. Trotzdem tat es weh, dass er ihr nicht einmal die Chance gab, sich zu erklären. Er hätte ihr wenigstens zuhören können.

Und dann Franzi.

Meike legte sich auf die Couch. Sie drehte den Stiel des Glases in ihrer Hand und starrte in die goldgelbe Flüssigkeit. Was empfand Franzi für sie? Sie konnte es nicht einordnen. War es Liebe? War es Hass? Gleichgültigkeit?

Sie nahm einen großen Schluck Wein. Alles, was sie wusste, war, dass ihr Herz bei Franzis Anblick verrückt gespielt hatte. Ihre Gefühle für Franzi waren in den vergangenen Wochen kein bisschen verblasst, ganz im Gegenteil.

Sollte sie das alles kampflos aufgeben?

Dieses Jahr, das sich nun langsam dem Ende zuneigte, war das aufregendste und zugleich schönste Jahr ihres Lebens gewesen. Hätte ihr jemand vor zwölf Monaten gesagt, was sie erwarten würde, sie hätte ihn für wahnsinnig gehalten.

Das alles hatte sie Franzi zu verdanken. Ihrer Liebe zu Franzi.

Meike schloss die Augen. Ja, sie liebte Franzi immer noch, sie würde Franzi immer lieben. Und sie würde um Franzi kämpfen. Entschlossen stand sie auf und setzte sich an ihren Schreibtisch. Eine kleine Lampe spendete etwas Licht.

Sie griff nach einem Blatt Papier und ihrem Füller, dann begann sie zu schreiben. Mehrmals setzte sie von neuem an, zerknüllte den Entwurf, bis sie endlich zufrieden war.

Nachdem sie den letzten Punkt gesetzt hatte, nahm sie die fein säuberlich beschriebenen Bögen in die Hand und las:

Liebe Franzi,
unsere heutige Begegnung geht mir nicht mehr aus dem Kopf. Ich kann dich einfach nicht vergessen. Ich habe es versucht, ich habe es wirklich versucht, aber es gelingt mir einfach nicht. Aus diesem Grund habe ich beschlossen, dir einen Brief zu schreiben. Ich hoffe, du liest ihn und schmeißt ihn nicht ungeöffnet in den Papierkorb. Auch wenn ich es verstehen könnte.
Ich weiß genau, wie weh ich dir getan haben muss. Es war der größte Fehler meines Lebens, dass ich dich verleugnet habe, und ich wünsche mir nichts mehr, als es wieder ungeschehen machen zu können.
Aber ich kann es leider nicht.
Ohne dich ist mein Leben sinnlos und leer. Viel zu lange hat es gedauert, bis mir das endlich klargeworden ist. Unentwegt muss ich an dich denken, jede vergangene Minute und jede Sekunde, die noch kommt.
Du fehlst mir so wahnsinnig, ich vergehe vor Sehnsucht. Ganz genau kann ich dich spüren, wie du dich an mich schmiegst, dein warmer, weicher Körper, der sich gegen meinen presst. Ich spüre deinen Atem neben mir, fühle deine Lippen auf meinen. Ich schließe die Augen und denke an dich. Ich möchte dich in meine Arme schließen, mich in deinen Augen verlieren, jeden Zentimeter deiner Haut berühren.
In Wirklichkeit liege ich einsam auf meinem Bett, der Platz neben mir ist leer. Bei dem Gedanken, dass du nicht bei mir bist, ich dich vielleicht nie wieder sehen werde, steigen mir Tränen in die Augen.
Manchmal geht das Leben ganz andere Wege, als man es erwartet, manchmal geschehen Dinge, von denen man niemals geglaubt hätte, dass sie einem passieren könnten. Genau so etwas habe ich vor noch gar nicht allzu langer Zeit erlebt, als du in mein Leben getreten bist.
Damals, als ich dich wiedergetroffen habe, wusste ich wahrscheinlich nicht mal, was Liebe wirklich ist. So etwas wie mit dir war mir noch nie passiert. Du und ich, das war perfekt, so musste es sein. Zweifel, dass es schiefgehen könnte, gab es nicht. Doch dann beging ich diesen unverzeihlichen Fehler. Keine Ahnung, wie es passieren konnte, was in mich gefahren war.
Ich kann mich noch ganz genau erinnern, wie ich dich beim Klassentreffen wiedergesehen habe. Dieses einzigartige Lächeln. Ich war sofort hingerissen von dir, auch wenn ich mächtig Angst vor diesen Gefühlen hatte, nicht so recht wusste, wie ich mich verhalten sollte. Doch wenn du mir in die Augen gesehen hast, habe ich die Angst vergessen.
Deine erste zaghafte Umarmung, dein Atem in meinem Nacken. Du eng neben mir. Wahrscheinlich hat mein Herz ohrenbetäubend laut geklopft. Es war einfach alles wunderschön mit dir, so etwas hätte ich mir nie träumen lassen. Ich brauchte eine Weile, aber auf einmal war mir klar, dass da mehr zwischen uns war als reine Freundschaft.
Du bist mein Glück, du bist das, wofür es sich zu leben lohnt.
Hätte man mich vor einigen Monaten gefragt, ob ich an die große Liebe glaube, hätte ich vermutlich nein gesagt, aber jetzt glaube ich daran. Jetzt weiß ich, dass es die Liebe wirklich gibt. Es ist wahrscheinlich unbeschreiblich, dieses Gefühl, das ich für dich empfinde. Wir sind füreinander bestimmt. Ein Leben ohne dich kann ich mir gar nicht mehr vorstellen.
Doch ich habe alles zerstört, mit einem einzigen Satz habe ich unser Glück ruiniert. Jetzt sitze ich einsam in meinem Zimmer, starre dein Foto an und wünsche mir, du wärst hier. Es gibt so viel, was mich ständig an dich erinnert. In allem erkenne ich dich wieder.
Es hat sich vieles in meinem Leben geändert, mittlerweile wissen alle Bescheid. Von jetzt an werde ich immer zu dir stehen. Nie wieder werde ich dich vor irgendwem verleugnen.
Ich kann mir nicht erklären, warum ich das je gemacht habe. Wie konnte ich so dumm sein, mein Leben, nämlich dich, unsere Liebe für diese bescheuerte Lüge aufs Spiel zu setzen?
Ich weiß einfach nicht mehr, wie es weitergehen soll.
Viel zu lange habe ich gezweifelt. Zuerst wollte ich mir nicht eingestehen, dass ich dich liebe, und als es dann so weit war, als wir endlich glücklich waren, hab ich doch wieder alles zerstört.
Es war schwer, zu all dem zu stehen und mir meiner Gefühle bewusst zu werden, meine Liebe zu erkennen. Aber jetzt hab ich es geschafft, ganz sicher.
Franzi, ich liebe dich! Ich liebe dich wie noch nie jemanden zuvor.
Bitte verzeih mir.
Du bist das Beste, was mir passieren konnte. Mit dir hab ich alles erlebt, was mich glücklich gemacht hat. Vergiss mich nicht. Ich werde dich niemals vergessen. Mein Herz wird niemals aufhören, für dich zu schlagen.
In tiefer Liebe verbleibend
Meike

Mit Tränen in den Augen ließ Meike die Blätter sinken. Direkt nach Weihnachten würde sie Franzi den Brief persönlich vorbeibringen. Vielleicht gab es doch noch eine Chance für sie.

Klassentreffen
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