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Cori drückte Franzi fest an sich. Franzi musste gar nicht sagen, was passiert war; ihre beste Freundin wusste es auch so, da war sich Franzi sicher. Beruhigend streichelte Cori Franzis Haare. »Komm erst mal rein. Dann kannst du mir in Ruhe erzählen, was passiert ist.«

Franzi nickte. Ihre Augen fühlten sich schon ganz geschwollen an.

Im Wohnzimmer hatte Cori bereits zwei Rotweingläser gefüllt.

Franzi ließ sich auf das Sofa fallen. Noch immer liefen Tränen ihre Wangen hinunter. »Ach, Cori . . .«, schluchzte sie.

Cori legte ihren Arm um Franzi, und Franzi lehnte sich an ihre Schulter. Es tat gut, endlich nicht mehr allein zu sein. Gemeinsam war die Trauer doch ein wenig besser zu ertragen. »Sie hat gesagt . . .«, setzte Franzi an. Aber die Worte wollten ihren Mund nicht verlassen, sie konnte es nicht sagen. Als würde das Schreckliche erst Realität werden, wenn sie es laut aussprach.

»Meike?«, fragte Cori.

Wieder nickte Franzi schwach.

»Was hat sie gesagt?« Coris Hände fuhren über Franzis Arme.

»Sie hat gesagt, dass sie Single sei. Das hat sie einem Arbeitskollegen gegenüber behauptet.« Es war heraus. Franzi verbarg ihre Augen hinter den Händen, weil die Tränen wieder zu fließen begannen. »Und ich konnte alles hören.«

»Verdammt. Das kann doch nicht ihr Ernst sein.« Cori schlug mit der Faust auf die Couch. »Diese verdammten Heteras. Einfach zu feige.« Sie griff nach ihrem Glas und stürzte den Wein hinunter. »Und wir müssen leiden.« Mit einem lauten Knall stellte sie das Glas wieder ab.

Zusammengekauert saß Franzi da und starrte vor sich hin. »Und ich dachte wirklich, uns könnte das nicht passieren. Ich dachte . . .« Sie stockte. »Ich dachte, Meike sei anders.«

Cori seufzte. »Sie sind alle gleich.«

»Ich liebe sie doch.« Franzi sah Cori mit tränenverhangenem Blick an.

Coris Augen verdunkelten sich. »Vergiss sie.«

»Das kann ich nicht.«

»Das musst du aber. Sie wird sich nicht ändern. Sie wird niemals offen mit ihrer Liebe umgehen können. Irgendwann wird sie sich wieder einen Mann suchen.« Auf Coris Stirn erschienen tiefe Falten. »Guck dir nur Manuela an. Das war genau das Gleiche.«

»Ich weiß«, seufzte Franzi. »Du hast mich mehr als einmal gewarnt, aber ich wollte es nicht wahrhaben.« Sie griff nach dem Wein. Vielleicht würde sie ihren Schmerz damit hinunterspülen können. »Du hast recht gehabt, von Anfang an.« Sie biss sich auf die Lippe, bis sie den metallischen Geschmack von Blut in ihrem Mund spürte.

»Ich habe diese Erfahrung einfach schon hinter mich gebracht.«

Franzi schloss die Augen. Sofort erschien das Bild von Meike, wie sie lächelnd bei dem Klassentreffen vor ihr gestanden hatte. Ihre blonden Haare, die ihr wunderschönes Gesicht umrahmten, ihre leuchtenden grünen Augen, in deren Strahlen Franzi sich so gern fallen ließ . . . »Vielleicht war das alles ein Fehler, aber ich . . .« Sie brach ab. Es konnte doch nicht falsch gewesen sein. Sie hatte sich diese Gefühle doch nicht eingebildet, und sie hatte es sich selbst auch nicht leichtgemacht, sie überhaupt zuzulassen. »Was hätte ich denn machen sollen? Ich liebe Meike.«

»Es war gut, dass sie dich aus deiner Trauer befreit hat. Aber jetzt musst du nach vorn schauen. Such dir eine Frau, die offen zu dir steht, die für dich einsteht, die hinter dir steht.« Cori nahm Franzis Hand. »Du brauchst keine Hetera.«

Franzi betrachtete den Wein, der kleine Wellen schlug. »Meinst du, wir hatten von Anfang an keine Chance? War unsere Liebe oder das, was ich dafür gehalten habe, zum Scheitern verurteilt?«

Cori drückte Franzis Hand fester. »Ich hätte dir gewünscht, dass es klappt.«

Franzi lehnte sich zurück und trank noch einen Schluck. »Hätte ich eher merken müssen, dass sie mir das Herz brechen wird?«

»Liebe macht blind. Ich habe auch ewig gebraucht, bis ich gemerkt habe, dass ich mit Manuela nicht so glücklich werden kann, wie ich es mir vorgestellt hatte.« Cori schenkte ihnen beiden nach. »Wenn man sein Herz erst einmal verschenkt hat . . .«

Franzi wischte sich mit dem Handrücken über die Augen. »Schon in der Schule war Meike meine große Liebe. Und als sie dann wieder vor mir stand . . .« Sie schluckte. Es war wie in einem Traum gewesen. »Alles hätte perfekt sein können, wenn sie sich nur getraut hätte, sich zu outen.«

»Aber das hat sie nicht. Es war ihre Entscheidung.«

»Ich kann sie ja sogar ein bisschen verstehen. Ihre Bedingungen sind nicht einfach.«

»Ach, das ist doch Blödsinn.« Coris Stimme war jetzt scharf. Sie sah Franzi von der Seite an. »Wenn sie es wirklich gewollt hätte, hätte sie es gekonnt. Hör auf, sie zu verteidigen. Sie hat dich verletzt. Du hast Mitleid verdient, nicht sie. Sie ist selbst schuld. Es lag in ihrer Hand, es zu verhindern.«

Franzi ließ die Schultern hängen. Cori hatte recht, daran gab es nichts zu rütteln.

»Ich hol uns noch eine Flasche Wein.« Cori stand auf und verschwand in der Küche.

Franzis Handy vibrierte – nicht zum ersten Mal an diesem Abend. Auf dem Display sah sie Meikes Namen, der ihr erneut Tränen in die Augen trieb. Was konnte Meike ihr noch zu sagen haben? Wollte sie sich entschuldigen?

»Lass bloß die Finger von deinem Handy«, rief Cori aus der Küche.

»Ich möchte ja gar nicht mit ihr reden.«

»Ich weiß, dass du lügst, aber geh trotzdem nicht ran. Es wird nicht besser werden, wenn du ihre Stimme hörst.« Cori stand wieder neben ihr. »Versprochen?« In ihrem Blick lag Mitgefühl und Wärme.

»Ja, versprochen.«

»Gut.« Cori nickte anerkennend und entkorkte die Flasche. Sie füllte die Gläser ein weiteres Mal.

Langsam spürte Franzi, wie der Alkohol sie betäubte. Der Schmerz wurde erträglicher. Aber vielleicht bildete sie sich das auch nur ein.

Sie trank noch einen Schluck Rotwein.

Klassentreffen
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