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Zärtlich fuhr Franzi durch die blonden Haare. Es fühlte sich so vertraut an. Sie wollte die Frau näher zu sich ziehen, sie küssen. Doch in diesem Moment verschwamm das Bild, löste sich auf. Rauch erfüllte den Raum. Flammen loderten auf. Ein Schrei.

Schweißgebadet schreckte Franzi hoch. Ihr Herz klopfte laut in ihrer Brust. Sie spürte die kräftigen Schläge bis zum Hals.

Es war nur ein Traum, versuchte sie sich zu beruhigen. Sie bemühte sich, ihren Atem zu kontrollieren. Aber es wollte ihr nicht gelingen.

Isabel war fort. Für immer.

Ein Kloß bildete sich in ihrem Hals und nahm ihr die Luft.

In ihrem Kopf dröhnte es. Die Nachwirkungen vom vielen Sekt. Sie versuchte, sich an den Ausgang des gestrigen Abends zu erinnern. Da fiel ihr Blick auf Meike, die neben ihr im Bett lag – nackt. Was war passiert? Sie hatten zu viel getrunken. Definitiv. Und dann? Warum lag Meike nackt neben ihr? Franzi sah an sich herunter und zog dann hastig die Bettdecke höher. Und warum lag sie selbst nackt in Meikes Bett?

»Alles in Ordnung?«, fragte Meike in diesem Moment schlaftrunken. Es dämmerte bereits. Stirnrunzelnd betrachtete sie Franzi.

Franzi nickte. Sie war nicht fähig zu sprechen, ihre Zunge klebte an ihrem Gaumen. Bilder der vergangenen Nacht schossen durch ihren Kopf. Meike und sie . . . Keine Sekunde hatte sie an Isabel gedacht. Was hatten sie getan?

Meike fasste sich an den Kopf. »Oh, brummt mir der Schädel.« Sie rieb sich die Schläfen. »Hast du gut geschlafen?«

»Nicht so«, erklärte Franzi knapp. Hastig stand sie auf und blickte auf Meike hinunter. Sie musste kräftig schlucken, um die aufkommenden Tränen zu unterdrücken. Wie hatte das passieren können? Nach Isabels Tod hatte sie sich niemals wieder zu einer anderen Frau hingezogen gefühlt, geschweige denn eine andere geküsst oder gar mit ihr geschlafen. Nun hatte sie das Gefühl, Isabel betrogen zu haben. Ihre geliebte Isabel.

»Ich glaube, ich auch nicht.« Mit einem lauten Stöhnen richtete sich Meike auf.

Schweigend sammelte Franzi ihre Sachen ein und begann sich anzuziehen. Sie musste weg hier, ordnen, was passiert war, einen klaren Gedanken fassen.

»Franzi, was ist denn los mit dir? Geht es dir nicht gut?«

»Schon in Ordnung«, entgegnete Franzi. »Ich . . .« Sie biss sich auf die Unterlippe. »Tut mir leid, was passiert ist. Ich gehe besser.«

Meikes Finger verschränkten sich ineinander. »Was ist denn passiert?«

»Weißt du das nicht mehr?«

»Ehrlich gesagt nicht.« Meike stand auf, warf sich ihren Bademantel über. »Irgendwie . . .« Sie stockte. »Wir haben uns geküsst, oder?«

»Ja«, sagte Franzi. »Ich glaube.« Geküsst hatten sie sich bestimmt.

»Ein Kuss bedeutet doch nichts«, fuhr Meike fort. Sie ging in die Küche. Franzi konnte hören, wie sie Kaffee aufsetzte.

Konnte Meike das ernst meinen? Hatten sie sich tatsächlich nur geküsst? Und hatte ein Kuss wirklich nichts zu bedeuten? Sie folgte Meike in die Küche. Dass für Meike ein Kuss nicht dieselbe Bedeutung hatte wie für sie selbst, hatte Franzi ja schon einmal erfahren müssen. Sie setzte sich auf einen der Küchenstühle. »Du meinst, mehr war nicht?«

Meike hob eine Augenbraue. »Was sollte denn sonst noch gewesen sein?« Sie zog das Band ihres Bademantels enger. Dann setzte sie sich Franzi gegenüber.

»Ja . . . hm . . . vielleicht hast du recht.« Franzi lauschte dem Plätschern der Kaffeemaschine. Vielleicht stimmte es, was Meike sagte, und sie hatten nicht miteinander geschlafen. Vielleicht war es wirklich nur ein Kuss gewesen. Erneut sah Franzi Isabels Gesicht vor sich. Sie spürte eine gewisse Erleichterung. Aber sagte Meike die Wahrheit?

»Möchtest du noch mit frühstücken?«, durchbrach Meike Franzis Gedanken.

»Nein. Ich gehe. Ich . . .« Franzi unterbrach sich, schüttelte den Kopf und stand auf.

»Franzi . . .« Meike sah sie an. »Es war ein schöner Abend gestern.«

»Also, bis dann«, murmelte Franzi.

Meike saß regungslos am Tisch. »Sehen wir uns wieder?«, fragte sie flüsternd. »Ich möchte dich als Freundin nicht noch einmal verlieren.«

Franzi blickte zu Boden. »Ich dich auch nicht.« Sie zupfte an ihrem Ohrläppchen. »Ich ruf dich an.«

Wenig später fiel die Tür hinter ihr ins Schloss.

Klassentreffen
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