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Auf dem Weg ins Bowling-Center versuchte Franzi die weihnachtlich dekorierten Vorgärten zu ignorieren. Aber das war kaum möglich. In jedem Fester hingen Lichterketten, jeder Baum schien geschmückt zu sein. Hatten die Leute nichts anderes zu tun, als ihre Häuser in bunte Lämpchen zu hüllen? Was für eine Zeitverschwendung.
Franzi umklammerte das Lenkrad fester. Noch zwei Wochen bis zum Heiligabend. Ihretwegen könnte Weihnachten gern schon vorbei sein. Sie setzte den Blinker und bog auf den Parkplatz ein.
Cori stand schon im Eingang und wartete auf sie.
»Du bist aber ganz schön spät heute.« Cori lachte, als sie Franzi zur Begrüßung umarmte.
»Ja, entschuldige. Ich bin aufgehalten worden.« Das entsprach nicht ganz der Wahrheit. Franzi hatte zu Hause gesessen und sich nicht aufraffen können. Kurzzeitig hatte sie sogar überlegt abzusagen. Aber das musste Cori nicht wissen – letztendlich war sie ja doch noch gekommen.
»Wie geht es dir?« Cori legte ihren Arm um Franzi, während sie hineingingen.
»Ganz gut.« Franzi bemühte sich, fröhlich zu klingen.
»Und in Wirklichkeit?«
Franzi seufzte. Cori konnte sie nichts vormachen. »Es war schon mal deutlich besser.«
»Immer noch Meike?«, fragte Cori.
Franzi nickte. »Ich kann sie einfach nicht vergessen.«
»Na ja, es ist ja auch erst einen Monat her. Das wird schon.« Cori klopfte ihr aufmunternd auf die Schulter. »Warte kurz, ich hol die Queues.« Sie verschwand in Richtung Tresen. Wenig später kam sie mit den Stöcken zurück. »Tisch zwei ist unser.«
Franzi folgte Cori an den Tisch.
»Was hast du denn in den letzten Wochen Schönes gemacht?«, fragte Cori interessiert.
Franzi zuckte mit den Schultern. Genau genommen hatte sie außer Arbeiten, Essen und Schlafen nicht viel unternommen. »Manchmal war ich schwimmen.«
»Wow, das klingt nach aufregender Ablenkung.«
Franzi verzog das Gesicht zu einer Grimasse. »Mir reicht es.«
»Wie willst du denn so eine andere Frau kennenlernen?« Cori ordnete die Kugeln an.
»Will ich ja gar nicht.«
»Solltest du aber. Besser, als dieser Hetera hinterherzutrauern.« Die Kugeln lagen jetzt in einem Dreieck auf dem grünen Tuch. Cori trug Kreide auf ihr Queue auf.
Franzi stützte sich auf den Tisch. »Ich liebe Meike. Immer noch. Ich kann sie nicht so schnell vergessen.«
Cori stöhnte. »Ach, Franzi, du bist unverbesserlich. Denk daran, was sie dir angetan hat. Das würde sie wieder tun.«
»Meike ist anders. Es ist einfach schwer für sie.«
»Du bist ein hoffnungsloser Fall«, sagte Cori kopfschüttelnd. »Also – ich fang an.« Sie stieß mit dem Queue zu, und die Kugeln stoben auseinander, rollten über den Tisch. »Du brauchst eine Frau, die zu dir steht. In jeder Lebenslage.«
Vielleicht hatte Cori recht. Eigentlich war Franzi längst selbst an dem Punkt angelangt, das zu erkennen. Aber immer noch vermisste sie Meike. Egal, was vorgefallen war – ihr Herz hörte einfach nicht auf ihren Verstand.
»Guck mal, was ist denn mit der dahinten an der Bar?« Cori deutete in Richtung einer kurzhaarigen Blondine. »Die ist doch ganz niedlich.«
Franzi verdrehte die Augen. »Wer ist hier unverbesserlich?«
»Die sieht wirklich nicht schlecht aus. Einen Versuch wäre es doch wert. Lern sie einfach kennen. Vielleicht versteht ihr euch. Du hast nichts zu verlieren.«
Franzi setzte ihren Stock an, aber sie rutschte ab. »Nicht mein Tag«, kommentierte sie den misslungenen Stoß.
»Ein bisschen Flirten würde deine Laune heben.« Cori begab sich wieder in Position und beugte sich über den Tisch.
»Das habe ich schon versucht.«
Mitten in der Bewegung hielt Cori inne. »Wie soll ich das verstehen?« Interessiert hob sie eine Augenbraue.
Eigentlich hatte Franzi Cori gar nicht von Elli erzählen wollen, aber es war ihr einfach so herausgerutscht – und jetzt würde sie Cori nicht mehr weismachen können, es sei gar nichts passiert. »So, wie ich es gesagt habe. Ich habe es probiert.« Sie bemühte sich, es möglichst beiläufig klingen zu lassen.
Cori richtete sich auf und schnalzte mit der Zunge. »Wann und mit wem? Ich will Details.«
»An dem Tag, als ich aus Braunschweig von dir zurückgekommen bin. Und sie hieß Elli. Sie ist die Schwimmmeisterin in meinem Schwimmbad.«
»Elli«, wiederholte Cori. »Und?«
»Nichts und.«
»Jetzt lass dir doch nicht jedes Wort aus der Nase ziehen. Was habt ihr gemacht? Wie ist es weitergegangen?«
»Elli hat mich zu einem Kaffee eingeladen. Es war ein netter Abend. Zum Abschied hat sie mich geküsst und mir ihre Nummer gegeben. Das war’s.« Franzi starrte unbeteiligt auf ihre Finger. Sie hatte das Gefühl, als spräche sie über jemand anders.
»Ihr habt euch geküsst?« Coris Stimme überschlug sich beinahe. »Und damit rückst du erst jetzt raus?«
»Es hatte keine Bedeutung.«
»Hast du sie wiedergesehen?«
»Nur einmal flüchtig im Schwimmbad.« Bei dieser Begegnung hatte Elli zwar versucht, Franzi in ein Gespräch zu verwickeln, aber Franzi war ihr aus dem Weg gegangen. »Ich habe kein Interesse.«
»Hast du sie wenigstens angerufen?« Noch immer blickte Cori Franzi ungläubig an.
Franzi schüttelte den Kopf. »Nein.«
»Warum denn nicht? Du hast doch gesagt, dass sie nett ist. Und scheinbar denkt sie das von dir auch.« Cori neigte ihren Kopf ein wenig zur Seite. »Das ist schon mal ein guter Anfang.«
»Ich weiß nicht.« Franzi strich sich eine Haarsträhne hinters Ohr.
»Bald steht Weihnachten vor der Tür. Wäre doch schön, wenn du nicht allein wärst.«
Franzi kämpfte mit den Tränen. »Es wäre schön, wenn ich mit Meike zusammen wäre«, flüsterte sie. Sie hatte Angst vor dem Weihnachtsfest.
Cori seufzte. »Jetzt vergiss Meike. Schau nach vorn. Such dir eine andere Frau. Ich kann mich nur wiederholen: eine, die zu dir steht.«
Vielleicht sollte sie Elli wirklich eine Chance geben, dachte Franzi. Sie hatten sich gut verstanden. Franzi hatte Ellis Gegenwart genossen – mehr, als es ihr lieb gewesen war. »Hm. Vielleicht.«
»Nicht vielleicht. Ruf sie an. Was soll denn passieren? Schlimmstenfalls hast du mal ein paar Stunden Meike vergessen. Wäre das so dramatisch?«
Franzi straffte die Schultern. Warum eigentlich nicht? »Okay, ich werde Elli anrufen«, gab sie schließlich nach.
»Versprochen?«
»Versprochen.«