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Der große Tag war gekommen. Meike knöpfte ihre dunkelrote Bluse zu und schloss den Reißverschluss ihres schwarzen Rockes. Gleich würde sie sich mit ihrer Familie zum Weihnachtsgottesdienst treffen. Und wenn sie danach alle bei Meikes Eltern am Esstisch saßen . . .

Schon allein bei dem Gedanken daran beschleunigte sich Meikes Herzschlag.

Claudia hatte ihr gut zugeredet, endlich mit ihren Eltern zu sprechen. Und sie hatte Meike versprochen, sie zu unterstützen.

Meike atmete tief durch. Claudia hatte recht: Es musste sein. Sie hatte keine andere Wahl, wenn sie wieder ein zufriedenes Leben führen wollte. Auch wenn sie sich nicht auszumalen wagte, wie ihre Eltern wohl reagieren würden. Sie zog die Tür hinter sich ins Schloss und machte sich auf den Weg.

Ihre Eltern und ihre Schwester warteten schon vor der Kirche. Claudias Mann war nicht mitgekommen, wie jedes Jahr – sehr zum Leidwesen ihres Vaters. Meike begrüßte ihre Familie mit einem Küsschen links und rechts auf die Wangen.

»Dann sind wir ja vollzählig«, stellte ihr Vater fest. »Lasst uns hineingehen.«

Alle schlossen sich Johannes Jakobs an, der die Kirche betrat.

Dem Gottesdienst konnte Meike nicht folgen. Ihre Gedanken kreisten fortwährend um das bevorstehende Gespräch. Noch hatten ihre Eltern keine Ahnung, für sie war alles in bester Ordnung. Aber diese Ordnung würde Meike heute zerstören. Da war sie sich ganz sicher. Für ihre Eltern würde eine Welt zusammenbrechen.

Meikes Blick haftete an der lebensgroßen Krippe. Noch hatte sie keine Idee, wie sie ihren Eltern beibringen sollte, dass sie sich in eine Frau verliebt hatte. Sie wusste nur, dass sie es machen musste. Bisher hatten alle ihr Outing positiv aufgenommen; das hatte ihr Mut gemacht. Doch sie wusste, dass der schwerste Schritt ihr noch bevorstand.

Die Messe war vorüber. Claudia drückte Meike an sich. »Frohe Weihnachten.«

»Danke, das wünsche ich dir auch.« Für einen kurzen Moment schloss Meike die Augen. Frohe Weihnachten . . . Es würden keine frohen Weihnachten werden. Weder für sie noch für ihre Eltern.

Nachdem sich die ganze Familie ein frohes Fest gewünscht hatte, machten sie sich auf den Heimweg.

Robert hatte bereits den Esstisch nach den Anweisungen von Meikes Mutter gedeckt, und auch das, was er an Essensvorbereitungen schon hatte treffen können, war erledigt. Nun wurde er von Inge Jakobs abgelöst.

Robert setzte sich zu Claudia und Meike, deren Hilfe von ihrer Mutter abgelehnt worden war, auf die Couch. »Na, meine liebste Schwägerin.« Er lächelte Meike zu. »Ich hab von Claudia schon alles gehört. Das hat mich ganz schön überrascht.«

Meike warf ihrer Schwester einen bösen Blick zu. Die sah entschuldigend zurück.

»Ich dachte, dann könnte er dir heute Abend ebenfalls etwas den Rücken stärken. Nicht, dass Robert am Ende derjenige ist, der überrascht vom Stuhl kippt.«

Meike wischte ihre feuchten Hände an ihrem Rock ab. »Ich hoffe wirklich nicht, dass das passiert.« Ihr wurde übel. Was tat sie hier nur?

»Du hast übrigens einen guten Geschmack.« Robert zwinkerte Meike zu. »Franzi sieht wirklich toll aus.«

Von Claudia erntete er einen Seitenhieb.

Franzi. Meike seufzte. Sie hatte die ganze Zeit vermieden, an sie zu denken. Wie gern wäre sie an diesem Abend bei ihr gewesen, wie viel lieber hätte sie Weihnachten mit Franzi gefeiert als mit ihren Eltern. Aber sie hatte nichts von Franzi gehört. Irgendwann hatte sie den Versuch aufgegeben, sie anzurufen. Und Franzi hatte sich auch nicht bei ihr gemeldet.

Klassentreffen
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