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Meike musste sich zusammenreißen, um mit ihrem Rotstift keine kleinen Herzchen in das Klassenarbeitsheft zu malen. Andauernd schob sich Franzis Gesicht in ihre Gedanken. Ihr unwiderstehliches Lächeln, die schönen Augen, die schlanken Finger, die sie auf diese einzigartige Art und Weise berühren konnten.

Es war unmöglich, sich auf die Korrektur der Deutscharbeit zu konzentrieren – jetzt, da Franzi jeden Moment kommen musste. Die letzten zwei Wochen mit Franzi an ihrer Seite waren wie ein Traum gewesen. Sie hatten fast jeden Abend miteinander verbracht und waren fast jede Nacht miteinander im Bett gewesen. Hatten sich mal leidenschaftlich, mal zärtlich geliebt.

Beim Gedanken daran errötete Meike. Mit Thomas hatte Sex keine oder zumindest wenig Bedeutung für sie gehabt. Aber mit Franzi war das etwas völlig anderes. Sie genoss ihr Zusammensein nicht nur, sie verlangte geradezu ständig danach. Wenn Franzi bei ihr war, konnte sie die Finger kaum von ihr lassen. So etwas war ihr noch nie passiert. Es war aufregend, neu und überwältigend. Franzi hob ihre Welt aus den Fugen.

Meike spürte die aufsteigende Hitze.

Und trotzdem . . . ein Teil von ihr war sich immer noch nicht sicher. Trotz der atemberaubenden Gefühle, trotz des Glücks, das sie in Franzis Armen empfand: Wollte sie das wirklich? Durfte sie das?

Sie schloss den Stift, legte ihn beiseite und atmete tief durch.

Franzi war eine Frau. Eine wundervolle Frau. Sie verstanden sich ausgezeichnet, harmonierten perfekt. Daran bestand kein Zweifel. Aber . . . Meike schluckte. War sie denn wirklich lesbisch? Sie hatte sich doch noch nie in eine Frau verliebt. Oder . . .? Sie klappte das Heft zu und schob es von sich weg. Schon in der Schule . . . Meike schüttelte den Kopf. Das war nur eine Schwärmerei gewesen. Verliebtsein, Liebe . . . Das war doch etwas ganz anderes.

Aber was war das nun mit Franzi, wie sollte sie es nennen? So etwas hatte sie zuvor noch nie gespürt. Solche Gefühle hatte sie für Thomas nicht gehabt, obwohl sie geglaubt hatte, ihn zu lieben.

Und was würden ihre Eltern sagen, wenn sie davon erfahren würden? Immer und immer wieder kam sie zu dieser quälenden Frage zurück. Was würden ihre Schüler sagen? Ihre Nachbarn? Sie lebten schließlich in einer Kleinstadt. Jeder kannte jeden. Sobald sich irgendetwas ereignete, das den Regeln der Kleinstadtgesellschaft nicht entsprach, konnte das nicht lange geheim bleiben. Hier zerriss sich jeder gleich das Maul. Als hätten die anderen keine eigenen Probleme.

Meike seufzte. War sie stark genug dafür? Konnte sie das durchstehen? Das war die entscheidende Frage.

Wenn sie mit Franzi zusammen war, fühlte sich alles leicht an, unbeschwert. Alle Sorgen, alle Zweifel waren vergessen. Es fühlte sich richtig an. Aber eben nur wenn sie allein waren. Sobald sie vor die Tür traten, konnte Meike nicht einmal den Mut aufbringen, Franzis Hand zu ergreifen.

Eine lesbische Lehrerin. Das ging einfach nicht. Das durfte nicht sein. Ihr Schulleiter würde es nicht verstehen, ihre Schüler auch nicht und die Eltern erst recht nicht. Von ihrem Vater ganz zu schweigen.

Nein, wirklich nicht. Meike schlug mit der Faust auf den Tisch. Sie konnte niemandem davon erzählen. Erst einmal nicht. Es musste ein Geheimnis bleiben.

In diesem Moment klingelte es. Das musste Franzi sein. Meikes Gesicht hellte sich schlagartig auf.

»Wie war dein Tag?«, fragte Franzi, als sie wenig später im Wohnzimmer saßen. Zärtlich streichelte sie über Meikes Arm.

Meike schloss die Augen und gab sich genussvoll den Berührungen hin. »Nicht besonders aufregend. Die Deutscharbeit lief ganz gut. Ich habe vorhin angefangen, sie zu korrigieren.« Dass sie sich nicht darauf hatte konzentrieren können, verschwieg sie. »Und bei dir?«

Franzi erzählte ein bisschen aus der Apotheke. »Meine Kollegin hat mich gefragt, ob wir unseren Samstagsdienst tauschen würden. Sie möchte lieber diese Woche statt nächster Woche arbeiten. Mir ist das eigentlich egal«, beendete sie schließlich ihre Ausführungen.

Meike legte ihren Kopf an Franzis Schulter. »Hmm, ja«, murmelte sie.

Sanft küsste Franzi sie auf die Stirn. »Vielleicht könnten wir dann am Wochenende gemeinsam etwas unternehmen, wo ich nun Samstag frei habe. Was hältst du davon?«

»Das ist eine gute Idee.«

»Wir könnten uns vielleicht mit Freunden treffen oder mal ins Kino gehen«, schlug Franzi vor.

Abrupt richtete Meike sich auf. Sie spürte ein unangenehmes Ziehen in ihrer Magengegend. Die Vorstellung, mit Franzi unter so vielen Menschen zu sein, erschreckte sie. Auf keinen Fall wollte sie mit ihr ins Kino oder sonst irgendwohin ausgehen. Und Freunde? In ihrem Leben gab es niemanden, dem sie so sehr vertraute, dass sie ihm von Franzi erzählt hätte. Wenn sie sich also mit anderen träfen, müsste sie einen ganzen Abend die Finger von Franzi lassen . . . so tun, als wären sie nur gute Bekannte. Meike seufzte schwer. »Ich weiß nicht«, meinte sie und zupfte an ihrem Halstuch. Sie wäre lieber irgendwo mit Franzi allein. Das wäre deutlich einfacher.

Franzi runzelte die Stirn. »Was ist los mit dir?«

»Nichts. Ich . . .« Meike räusperte sich und starrte auf den Fußboden. »Weißt du, ich wäre einfach nur lieber mit dir allein.« Krampfhaft suchte sie nach einer Alternative, die sie vorschlagen könnte. »Vielleicht könnten wir eine Wandertour machen. Das habe ich schon so lange nicht mehr gemacht, und mir fehlt die Natur richtig.«

Franzi legte den Arm um Meike und zog sie wieder ein Stückchen näher an sich heran. »Klar, das können wir machen.« Sie lächelte und hauchte einen Kuss auf Meikes Lippen.

»Danke.« Manchmal zweifelte Meike daran, so viel Verständnis verdient zu haben. Franzi war eine wundervolle Frau. Aber sie war eben eine Frau . . . Meike schüttelte leicht den Kopf, um den Zweifel zu vertreiben. Was spielte das für eine Rolle? Sie war glücklich. Sie fühlte sich wohl.

Franzi sah Meike liebevoll an. »Du hast so wunderschöne Augen.« Ihre Finger glitten an Meikes Schultern entlang. »Schon in der Schule habe ich dieses Grün geliebt.«

Die Kombination aus Franzis Stimme und ihren Berührungen ließ alles in Meike erbeben. Sie suchte Franzis Lippen und küsste sie innig.

Wie Franzis Finger über ihre nackte Haut fuhren, wie ihre Zunge feuchte Spuren hinterließ, wie ihre Lippen jeden Zentimeter ihres Körpers küssten – das alles fühlte sich genau richtig an.

Schmetterlinge tanzten in Meikes Bauch. Ihr Körper vibrierte, schien sich aufzulösen wie in Trance. Sie schloss die Augen und überließ sich ganz Franzis Berührungen. Franzis Lippen auf ihr, ihre Finger in ihr.

An diesem Glück konnte es keinen Zweifel geben.

Klassentreffen
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