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Wie vom Blitz getroffen blieb Franzi stehen. Sie hatte sich nur ein wenig die Zeit in Braunschweig vertreiben wollen, während sie darauf wartete, dass ihr Auto in der Werkstatt fertig wurde. Und jetzt das. Darauf war sie nicht vorbereitet.

Franzi senkte den Blick. Vielleicht würde sie sie nicht erkennen, und Franzi könnte noch rechtzeitig verschwinden.

Aber es war schon zu spät. »Franzi?«, fragte Manuela. Sie blieb direkt vor Franzi stehen.

Franzi versuchte, ein freundliches Lächeln aufzusetzen. »Manuela. Das ist aber eine Überraschung.«

»Das finde ich auch. Muss eine Ewigkeit her sein.« Manuelas Stimme klang unnatürlich hoch.

Franzi nickte. Das war es. Und das war auch gut so.

»Darf ich dir Simon vorstellen?«, fuhr Manuela fort.

Erst jetzt bemerkte Franzi den Mann an Manuelas Seite. »Hallo. Franziska«, stellte sie sich vor und reichte Simon reserviert die Hand.

Sie merkte, wie er Manuela einen fragenden Blick zuwarf.

»Ich habe dir doch mal von Corinna erzählt«, erklärte Manuela daraufhin.

Franzi wollte lieber gar nicht genau wissen, was Manuela diesem Typ über die gemeinsame Zeit mit Cori erzählt hatte. Ob sie gebeichtet hatte, dass sie mal eine Affäre mit einer Frau gehabt hatte?

Simon zog die Stirn kraus. »Ich weiß nicht mehr genau.«

Damit hatte Franzi ihre Antwort. Manuela hatte ihm bestimmt nicht die Wahrheit gesagt. So etwas hätte kein Mann vergessen – niemals.

»Franzi ist jedenfalls Corinnas beste Freundin«, plapperte Manuela weiter, als stünde Franzi nicht direkt neben ihnen. »Seid ihr doch noch, oder?« Lächelnd wandte sie sich Franzi zu.

Franzi schob ihre Hände in die Jackentaschen. Sie hatte keine große Lust, mit Manuela zu plaudern. »Ja, sind wir noch.«

»Wie geht es ihr?«

Für einen Moment trafen sich ihre Blicke. Franzi glaubte, ein kurzes Flackern in Manuelas Augen zu bemerken. »Ganz gut«, sagte sie. Einen Moment dachte sie daran, Manuela die Wahrheit zu sagen: Du hast ihr das Herz gebrochen – es hat ewig gedauert, bis sie darüber hinweggekommen ist, dass du sie verlassen hast. Und schlimmer noch, dass du dich wieder dem erstbesten Mann an den Hals geworfen hast. Aber Franzi schluckte den Impuls hinunter. Das war Vergangenheit. Außerdem müsste Cori das selbst mit Manuela diskutieren. Wenn sie überhaupt wollte.

»Grüß sie mal von mir.«

Franzi zögerte. »Ich glaube, das ist keine gute Idee.«

Manuela schluckte. »Ja«, flüsterte sie. »Wahrscheinlich hast du recht.«

Simon sah verwundert zwischen den beiden Frauen hin und her. Offensichtlich hatte er keine Ahnung, worüber sie sprachen.

»Und wie geht es dir?«, fragte Franzi, um die peinliche Stille zu überbrücken.

Ein Strahlen breitete sich auf Manuelas Gesicht aus. »Sehr gut. Wir sind gerade dabei, Eheringe auszusuchen.« Manuela ergriff Simons Hand und lächelte ihm zu.

Franzi spürte die aufsteigende Übelkeit. Das war eine Information, die sie nicht benötigt hätte. »Dann wünsch ich euch mal alles Gute«, log sie. »Ich muss auch mal weiter. Mein Auto aus der Werkstatt holen.«

»Es war schön, dich mal wiederzutreffen.«

»Hm, ja«, murmelte Franzi. Dann drehte sie sich um und lief ziellos weiter. Das hatte ihr gerade noch gefehlt. Manuela – diese Hetero-Zicke. Was Cori nur an der gefunden hatte? Und am Ende war alles so gekommen, wie es hatte kommen müssen. Manuela hatte sich nie zu Cori bekannt, die beiden hatten nur im Verborgenen eine Beziehung geführt, weil Manuela sich nicht hatte outen wollen. Und nun war sie wieder mit einem Mann zusammen.

Franzi blieb stehen. Erst in diesem Moment wurden ihr die Parallelen zu ihrer eigenen Beziehung mit Meike in aller Deutlichkeit bewusst. Aber Meike war nicht Manuela. Meike war anders.

Franzi seufzte. War sie das wirklich? Sie betrat das kleine Café, vor dem sie stand, und setzte sich an einen Tisch. Ganz sicher würde Meike Franzi nicht für einen Mann verlassen.

Aber hatte Cori ihr das nicht auch ständig über Manuela gesagt? Sie hatte es nicht wahrhaben wollen – und am Ende umso mehr gelitten.

Franzi bestellte einen Kaffee. Dann suchte sie ihr Handy und wählte Meikes Nummer. Sie musste kurz mit Meike reden, um sich zu beruhigen. Franzi ließ lange klingeln, aber niemand nahm ab. Sie spürte ein Brennen in der Magengegend. Was, wenn Meike doch . . . Aber sie schob den Gedanken beiseite. Meike war auf Klassenfahrt. Das war alles. Da konnte sie nicht ständig ans Telefon.

Die Kellnerin brachte Franzis Kaffee.

Franzi musste mit jemandem über diese Begegnung reden. Und wen würde es mehr interessieren als Cori?

»Hallo, Süße, was verschafft mir denn die Ehre eines Anrufes von dir? Und das mitten am Tag?«, schallte Cori gutgelaunt durch den Hörer.

»Och«, druckste Franzi herum. »Nichts Besonderes.« Durch Coris fröhliche Stimme war ihr klargeworden, was für eine bescheuerte Idee es war, ausgerechnet Cori von Manuela zu erzählen. Es würde sie nur an die schlimme Zeit erinnern und ihr die Laune verderben.

»Das kann ich ja kaum glauben«, lachte Cori. »Du rufst doch nicht nur so an. Wo bist du?«

Franzis Finger klammerten sich um den Henkel ihrer Kaffeetasse. »In Braunschweig.«

»Und das sagst du erst jetzt? Wir hätten uns in meiner Mittagspause treffen können.«

»Besser als das, was mir passiert ist«, rutschte es Franzi heraus.

»Aha. Ich wusste, du verschweigst mir irgendwas.« Die Genugtuung war Cori anzuhören. »Was genau ist dir passiert?«, bohrte sie nach.

Franzi atmete schwer aus. »Ich habe Manuela getroffen«, ließ sie nun doch die Bombe platzen.

»Meine Manuela?« Die Fröhlichkeit war augenblicklich aus Coris Stimme gewichen.

»Genau die.«

»Und? Wie . . . Was . . .« Cori brach ab.

»Sie lässt dich schön grüßen.«

»Geht es ihr gut?«

Franzi zögerte. »Also . . .«

»Du musst mich nicht verschonen.«

»Ihr und ihrem Verlobten schien es blendend zu gehen. Jedenfalls haben sie um die Wette gestrahlt, während sie dabei waren, nach Eheringen zu suchen.«

Von Cori kam keine Reaktion. Nur Schweigen in der Leitung.

»Bist du noch da?«, fragte Franzi besorgt. Sie war jetzt sicher, dass sie Cori die Wahrheit besser hätte verschweigen sollen.

»Ja«, antwortete Cori. »Sie hat den Frauen also abgeschworen. Ich war wirklich nur ein Ausrutscher. Ein Abenteuer. Was auch immer.« Die Bitterkeit war nicht zu überhören. »Ich habe auch nichts anderes erwartet.«

»Es tut mir leid«, murmelte Franzi.

»Ach, ist ja nicht deine Schuld. Hetero-Frauen. Denen sollte man verbieten, uns Lesben den Kopf zu verdrehen«, sagte Cori verächtlich. »Apropos: Was macht deine Auserwählte?«

Franzi spürte einen Stich in der Brust. »Meike ist gerade auf Klassenfahrt.«

»Und gibt es sonst etwas Neues? Fortschritte in Bezug auf ihr Outing?«

»Na ja«, grummelte Franzi.

»Ich möchte doch nur nicht, dass Meike dir so das Herz bricht, wie Manuela es bei mir getan hat«, erklärte Cori in mitfühlendem Tonfall.

Franzi nahm einen Schluck Kaffee. »Ich weiß, aber . . .« Sie brach ab.

»Was?«

»Meike ist anders. Sie beteuert mir immer wieder, wie schön es mit mir ist. Wie wundervoll.« Ein verträumtes Lächeln stahl sich in Franzis Gesicht.

»Süße. Ich will deine Illusionen nicht zerstören, aber glaub mir, das tun sie alle. Wenn es noch neu und aufregend ist. Es ist so anders mit einer Frau. Dass es aber vielleicht doch nicht das ist, was sie auf Dauer wollen, das verdrängen sie.« Cori seufzte. »Ich möchte doch nur nicht, dass du verletzt wirst.«

»Ich pass schon auf mich auf.«

»Aber sag hinterher nicht, ich hätte dich nicht gewarnt«, lachte Cori. »Und nächstes Mal, wenn du in Braunschweig bist, sag mir rechtzeitig Bescheid.«

»Ja, mach ich. Das hat sich heute ganz spontan ergeben. Meine Batterie war kaputt, ich brauchte dringend eine neue.« Franzi sah auf ihre Uhr. »Und ich glaube, so langsam kann ich mich auch auf den Weg machen, mein Auto abzuholen.«

»Mach das. Wir sehen uns zum Billard«, verabschiedete sich Cori.

Franzi legte auf und starrte in den schwarzen See in ihrer Kaffeetasse. Meike würde ihr nicht das Herz brechen. Sie liebten sich. Es war nicht bloß ein Abenteuer für Meike; Franzi war kein Lückenfüller für sie. Oder . . .?

Klassentreffen
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