Ich nahm einen Schatz mit nach unten. Einen Schatz, von dem ich mich niemals trennen werde. Was ist es?, magst Du fragen. Mein Lieblingskleid? Das lavendelblau-graue Kleid, das Dir so gefiel? Nein, keines meiner Lieblingskleider. Wenn ich auch zugeben muss, dass es ein Kampf war, mich von meinen Kleidern zu trennen. Ich hatte vor Kurzem erst in der Rue de l’Abbaye eine überaus bezaubernde Schneiderin ausfindig gemacht, Madame Jaquemelle, eine hinreißende Dame mit ausgezeichnetem Augenmaß. Es war ein Genuss, etwas bei ihr in Auftrag zu geben. Als Germaine meine Kleider sorgfältig zusammenfaltete, wurde ich mir schlagartig der Zerbrechlichkeit unserer Existenz bewusst. Unsere Alltagsdinge sind ein reines Nichts, hinweggefegt vom Wind der Gleichgültigkeit. Da lagen sie, weggepackt von Germaine: meine Kleider, Röcke, Tücher, Jacken, Hauben, Hüte, Unterkleider, Strümpfe, Handschuhe – auf dem Weg zu Violette, wo sie mich erwarten würden. All die Kleider, die ich niemals wiedersehen würde, die ich aber mit unendlicher Sorgfalt ausgesucht hatte (ach, dieses herrliche Zaudern zwischen zwei Farben, zwei Schnitten, zwei Stoffen). Diese Kleider waren für mich die Welt gewesen. Und nun spielten sie keine Rolle mehr. Wie schnell wir uns verändern. Wie schnell wir uns drehen, wie die Wetterfahne im Wind. Ja, Deine Rose hat ihre geliebten Kleider weggegeben. Ich kann fast hören, wie Du ungläubig aufstöhnst.

Also, was ist es bitte dann, was ich hier unten bei mir in einer ramponierten Schuhschachtel hüte? Du willst es unbedingt wissen, nicht wahr? Na, Briefe! Kostbare, kostbarste Briefe. Etwa ein Dutzend Briefe, die mir mehr bedeuten als Kleider. Dein erster Liebesbrief an mich. Ja, ich habe sie all die Jahre lang sorgsam aufbewahrt. Briefe von Maman Odette, von Violette, von … Ich werde seinen Namen nicht aussprechen. Ich kann nicht … Von meinem Bruder, von der Baronne de Vresse, Madame Paccard, Alexandrine.

Siehst Du, hier sind sie, in Reichweite. Manchmal lege ich nur meine Hand auf die Schachtel, eine beruhigende Geste, die mich tröstet. Dann wieder ziehe ich einen Brief heraus und lese ihn, ganz langsam, als wäre es das erste Mal. Wie intim ein Brief ist! Der Schwung einer vertrauten Handschrift hat dieselbe Macht wie eine Stimme. Der Geruch, der von dem Papier aufsteigt, bringt mein Herz zum Klopfen. Wie Du siehst, bin ich also nicht ganz allein, denn hier unten habe ich Euch alle bei mir.