In meinen Träumen, den schönen Träumen, kommt mein Kleiner zu mir zurück. Ich sehe, wie er die Treppen hinunterrennt, höre, wie seine Schuhe auf dem Kopfsteinpflaster klacken. Ich höre seine Stimme, sein glockenhelles Lachen. Blau stand ihm, ich ließ alle seine Hemden, seine Jacken und Westen in verschiedenen Blautönen schneidern, auch seine Mütze war blau. Mein blau-goldener Prinz. Als Baby saß er immer ganz still auf meinem Schoß und beobachtete die Welt um ihn herum. Ich vermute, die ersten Dinge, die er sich genau ansah, waren die Stiche im Salon und die Porträts über dem Kaminsims. Mit dem Daumen im Mund ließ er seine runden, wissbegierigen Augen umherwandern und nahm alles in sich auf. Er atmete gleichmäßig und drückte seinen kleinen warmen Körper an mich.

In diesen Momenten verspürte ich große Erfüllung. Ich fühlte mich wahrlich als Mutter, ein Gefühl, das ich bei Violette, meiner Erstgeborenen, nie empfunden hatte. Ja, dieses kleine Geschöpf war meines, ich musste es beschützen und umsorgen. Man sagt, Mütter würden ihre Söhne bevorzugen. Ist das denn nicht die verborgene Wahrheit? Sind wir nicht dazu da, Söhne zu gebären? Doch ich weiß, dass Du Deine Tochter liebtest. Sie war Dir in einer Weise verbunden, wie es bei mir nie der Fall war.

Wenn ich von Baptiste träume, sehe ich ihn oben im Kinderzimmer ein Schläfchen halten. Ich bestaunte die Perlmuttlider, die seine Augen bedeckten, seine zuckenden Wimpern. Die weichen, runden Wangen. Seine halb offenen Lippen, seinen ruhigen, gleichmäßigen Atem. Ich konnte das Kind stundenlang betrachten, während Violette unten mit ihren Freundinnen spielte, von ihrer Kinderfrau beaufsichtigt.

Ich mochte es nicht, wenn die Kinderfrau ihn anfasste, als er klein war. Ich wusste, es gehörte sich nicht für mich, so viel Zeit mit ihm zu verbringen, aber ich konnte nicht anders. Ich musste ihn füttern, musste ihn herzen. Er war die Mitte meines Lebens, und Du sahst dem allem gütig zu. Ich glaube nicht, dass Du eifersüchtig warst. Maman Odette war mit Dir genauso umgegangen. Es überraschte Dich nicht. Wenn möglich, nahm ich ihn überallhin mit. Wenn ich einen Hut oder ein Umschlagtuch kaufen musste, war er dabei. Alle Ladeninhaber kannten unseren Sohn. Die Marktleute riefen ihn beim Namen. Er war nicht eingebildet auf seine Beliebtheit, er nutzte sie auch nie aus.

Wenn ich von ihm träume – und in den vergangenen zwanzig Jahren träumte ich immer wieder von ihm –, erwache ich mit Tränen in den Augen. Mein Herz schmerzt. Als Du noch da warst, war es einfacher, dann konnte ich im Dunkeln die Hand ausstrecken und mich an Deine tröstende Schulter schmiegen.

Nun habe ich niemanden mehr. Nur die kalte Todesstille. Ich weine in aller Einsamkeit. Das kann ich mittlerweile sehr gut.