Liebste Violette,

es tut mir wirklich leid, dass ich Dir und Deinem Mann Sorgen bereitet habe. Ich wohne für eine Weile bei meiner Freundin, der Baronne de Vresse in der Rue Taranne. Ich glaube, ich habe Dir schon von ihr erzählt. Sie ist eine reizende Dame der Gesellschaft, ich habe sie über meine Blumenhändlerin Mademoiselle Walcker kennengelernt. Nun, sie ist sehr jung, sie könnte fast meine Enkelin sein, aber sie hat einen Narren an mir gefressen, und wir sind sehr gern zusammen.

Sie hat mir das ausgesprochen großzügige Angebot gemacht, mich aufzunehmen, bevor ich zu Dir ziehe. Sie hat ein hübsches Haus in der Rue Taranne. Insofern bekomme ich rein gar nichts von den Abrissarbeiten in unserem Viertel mit. Wir gehen im nahen Bon Marché einkaufen, und sie begleitet mich zu dem renommierten Couturier Charles Frederick Worth, wo sie auch selbst ihre Kleider schneidern lässt. Ich genieße diesen anregenden Aufenthalt bei der Baronne, wir gehen ins Theater, in die Oper und zu Bällen. Ich kann Dir versichern, eine fast sechzigjährige Dame ist dazu noch lange nicht zu alt!

Ich werde Dich wissen lassen, wann ich ankomme, aber rechne nicht zu früh mit mir, denn ich möchte so lange wie möglich bei der Baronne de Vresse bleiben.

Grüße Deinen Mann und die Kinder und meine treue Seele Germaine herzlichst von mir. Sag ihr, dass Mariette eine gute Anstellung bei einer wohlhabenden Familie am Parc Monceau gefunden hat.

Deine Dich liebende Mutter