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»Heute ist schon der vierte Tag, an dem ich Daniel nicht erreiche«, sagte Clarissa. »Was meinst du Patrizia, wie muss ich das verstehen? Ist das vielleicht das Ende meiner Ehe? Hängt es daran, dass ich zu dir gezogen bin?«

Es war Freitag. Sie war inzwischen seit sechs Tagen wieder in Frankfurt.

»Ich habe keine Ahnung, Clarissa, ich kann Daniel nicht einschätzen.«

Clarissa wusste nicht was größer war: ihre Sorge, es könnte etwas passiert sein, oder ihr Zorn, weil er sich Urlaub genommen hatte, nicht ans Telefon ging und am Ende vielleicht irgendwo auf Mallorca saß, um seinen Kummer zu vergessen. Sie hatte ein komisches Gefühl im Bauch, aber es konnte gut sein, dass sie nur so empfand, weil das letzte Telefonat mit Daniel so schlecht gelaufen war und sie nun die schlimmsten Phantasien hegte. Inzwischen hatte sie sich auch mit Anja getroffen. Daher auch ihre Befürchtungen, Daniel könnte auch einfach, um dem Frust zu entgehen, in einen Kurzurlaub gestartet sein.

»Denk drüber nach, wie hart es für ihn sein muss, dass du nun bei Patrizia untergekommen bist«, hatte Anja mahnend gesagt. »Ich an seiner Stelle hätte mir wahrscheinlich ein Ticket nach Mallorca oder sonst wohin besorgt und würde versuchen, abzuschalten. Du wirst sicher bald von ihm hören.«

Clarissa fühlte sich unwohl in ihrer Haut. Sie wusste einfach nicht wie sie sich verhalten sollte. Einerseits hätte sie sich gerne ins Auto gesetzt um zu Daniel nach Köln zu fahren, sich davon zu überzeugen, dass alles in Ordnung war. Andererseits fühlte sie sich zutiefst verletzt durch seine Reaktion am Telefon und die Tatsache, dass er für sie nun einfach nicht mehr erreichbar war. Sie verbrachte ihre Tage mit Grübeln, und selbst Patrizia gelang es nicht, sie abzulenken, sie fröhlicher zu stimmen, sie mal zwischendurch zum Lachen zu bringen. Die Kinder hielten sich hervorragend, sie fühlten sich wohl bei Patrizia und in dem Zimmer dass sie ihnen zur Verfügung gestellt hatte, sie genossen Patrizias Küche, denn Patrizia ließ es sich nicht nehmen, täglich für ihre Gäste zu kochen. Sie lehnte sogar jede Hilfe, die Clarissa ihr anbot, kategorisch ab.

»Du sollst dich ein bisschen erholen«, sagte sie immer wieder. »Nimm lieber ein warmes Schaumbad und trink ein Glas Sekt. Lies ein gutes Buch oder mach sonst was. Aber arbeiten wirst du hier nicht!«

Clarissa quälte sich zu solchen Gelegenheiten ein freundliches Lächeln heraus, aber es war gespielt und jeder wusste das. Am Abend, als Charlotte und Damian längst schliefen und sie mit Patrizia die Treppen nach oben ins Schlafzimmer stieg, hatte sie einen Entschluss gefasst. Sie legte sich neben Patrizia.

»Hör zu«, sagte sie. »Wenn ich morgen auch nichts von Daniel höre und ihn auch nicht erreiche – dann fahre ich zurück nach Köln. Ich halte es nicht mehr aus. Ich habe ein ganz dummes Gefühl im Bauch. Irgendetwas stimmt nicht.«

»Du fährst nicht alleine nach Köln«, sagte Patrizia bestimmend. »Wenn du fährst, dann fahre ich mit.«

»Patrizia, das gibt nur Ärger«, sagte Clarissa abwehrend. »Das kann ich nicht bringen. Ich kann nicht mit dir gemeinsam bei meinem Mann auftauchen. Wer weiß, was er dann denkt! Er denkt mit Sicherheit sowieso dass das zwischen dir und mir wieder angefangen hat.«

»Kann sein dass er das denkt, aber ich denke über deine Sicherheit nach und die ganze Sache an sich ist schon unheimlich genug. Versuch mal mich aufzuhalten!« Patrizia lachte. »Das hat noch niemand geschafft.«

Clarissa lächelte gequält.

»Clarissa«, sagte Patrizia, und nahm Clarissas Gesicht in beide Hände und sah ihr tief in die Augen. »Ich mache mir Sorgen, okay? Ich bin um dich besorgt, verstehst du das? Und ich riskiere lieber, dass dein Daniel mich anschreit, aus dem Haus wirft und mich beschimpft, als dass dir was passieren könnte. Oder befürchtest du eher, dass es Konsequenzen für dich und deine Ehe haben könnte?«

Clarissa schüttelte den Kopf. »Das weiß ich nicht, Patrizia. Er weiß ja schon dass ich mit den Kindern bei dir bin und er war ja immerhin schon sauer genug, um einfach den Hörer aufzulegen.«

»Liebes, zwischen uns läuft nichts, auch wenn ich das sehr bedauere, aber wir können beide ein reines Gewissen haben.«

Sie lachte. »Aber wenigstens will ich an deiner Seite sein, okay? Lass uns gemeinsam hinfahren und wenn das Haus leer ist, fahren wir einfach wieder zurück. Oder recherchieren von dort aus, wo Daniel sein könnte. Meinst du, du könntest deine Kinder bei Anja lassen? Oder was denkst du, glaubst du, die stellen Unsinn an, wenn wir sie hier in meiner Wohnung lassen?«

»Patrizia, das weiß ich nicht, ich habe die beiden noch nie alleine gelassen. Aber ich sag es mal so, in einer Zeit wie dieser, wo sie schon seit Wochen so vernünftig reagieren und eher ängstlich und besorgt sind, werden sie eine solche Gelegenheit sicher nicht für eine heimliche Party nutzen.«

»Okay«, sagte Patrizia. »Dann fahren wir morgen Nachmittag, falls wir bis dahin nichts von Daniel hören. »Dann erklären wir das den beiden und ich denke auch, dass sie vernünftig sein werden. Es sind wirklich nette Kinder, ich mag sie beide sehr gern.«