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»Bist du wahnsinnig?« fauchte Daniel, als sie gegen acht Uhr abends nach Hause kam. »Ich habe mir die größten Sorgen gemacht!«
»Entschuldigung«, sagte Clarissa. »Ich habe einfach nicht auf die Uhr geschaut.«
»Heute früh haben wir noch drüber gesprochen dass ich um sieben zu Hause bin. Und du kommst erst um acht?«
Clarissa zog die rechte Augenbraue nach oben.
»Wie darf ich das denn verstehen? Habe ich nur Ausgang während du selbst unterwegs bist?«
Daniel setzte sich an den Esstisch.
»So ein
Unsinn! Wir haben uns heute früh noch darüber unterhalten wann ich
zu Hause bin! Du hast gesagt, du siehst zu, dass du das Essen um
sieben auf dem Tisch hast. Und jetzt ist es nach Acht, du bist eben
erst gekommen! Es geht nicht um das Essen, es geht ums Prinzip! Ich
habe mir Sorgen gemacht! Ich konnte dich nicht mal übers Handy
erreichen!«
»Ja, weil mein Akku unterwegs ausgegangen ist und ich es nicht gemerkt habe. Sorry.«
»Sorry«, äffte Daniel sie nach. »Tolle Wurst! Und in der Galerie ging auch niemand ans Telefon!«
»Wir waren auch nicht in der Galerie, ich war bei Patrizia zu Hause!«
»Ach«, sagte Daniel überrascht. »So eng befreundet seid ihr also schon?«
»Warum nicht? Was spricht dagegen? Ich mag sie.«
»Schon gut, verstanden, aber wenn du so was in Zukunft noch mal machst, dann klär es bitte mit mir, ich habe mir Sorgen gemacht. Okay? Ich will einfach nur Bescheid wissen, das ist alles!«
Clarissa nickte.
»Natürlich. Ich schiebe jetzt die Lasagne in den Ofen, ich hatte sie schon heute Mittag vorbereitet. In zwanzig Minuten können wir essen.«
»Gut«, sagte Daniel. »Dann gehe ich erst mal duschen.«
Er hatte ja recht. Sie hatte morgens noch versichert, bis sieben Uhr wieder zu Hause zu sein. Sie wusste, dass er sich stets Sorgen machte, wenn sie sich verspätete, auch wenn das sehr selten vorkam. Ärgerlich über ihr eigenes Versäumnis schob sie ihre Lasagne in den Ofen und deckte den Tisch. Eigentlich war es viel zu spät für ein so schweres Abendessen. Sie musste künftig einfach ihre Zeit besser koordinieren.
Daniel kam noch einmal zurück in die Küche.
»Ich möchte mal drauf hinweisen, dass ich kein Obermacho bin, der sich jetzt gerade ärgert, weil das Abendessen nicht pünktlich auf dem Tisch steht, okay?«
Sie zuckte mit den Schultern und befasste sich mit dem Backofen.
»Das musst du mir nicht erklären. Wie kommst du darauf?«
»Weil ich das Gefühl habe, dass du mit der neuen Freundin, die du in Patrizia gefunden hast, auch anfängst anders zu denken. Ich glaube, sie zählt zu der Sorte Kampf-Emanze.«
Clarissa richtete sich auf und stand plötzlich kerzengerade und mit eisigem Blick mitten in der Küche. Ihre Hand ruhte auf dem Tisch.
»Was soll das, Daniel?«
»Was soll was?«
»Deine Unterstellungen Patrizia gegenüber. Stört es dich, dass ich eine neue Freundschaft geschlossen habe?«
»Natürlich nicht.«
»Was sollen dann diese Äußerungen? Du hast Patrizia ein einziges Mal erlebt und das war am Tag meiner Ausstellung.«
»Ja, und ich hatte meinen Eindruck von ihr und dazu habe ich auch das Recht. Etwas an ihr mag ich nicht und ich weiß nicht genau was es ist.«
»Gut, und das habe ich jetzt zur Kenntnis genommen und verstehe es auch. Nimm du aber bitte zur Kenntnis, dass ich sie mag und es anders sehe. Und das ist ebenso mein Recht wie es deines ist, sie nicht zu mögen.«
»Dann sind wir uns ja einig.«
Mit diesen Worten verschwand er aus der Küche.
Daniel gab sich nach seiner Dusche und dem Abendessen auch wieder völlig normal. Offenbar war er nicht mehr ärgerlich. Gedankenverloren räumte Clarissa das schmutzige Geschirr in die Spülmaschine und wischte den Esstisch ab. Patrizia war wirklich etwas Besonderes. Der Sex mit ihr war etwas Besonderes. Nie hätte sie gedacht, dass sie sich in den Armen einer Frau so begehrt fühlen könnte, so umgarnt, so sexy. Und niemals hätte sie gedacht, dass eine Frau in ihr solche Gefühle wecken konnte, ihr solche Erregung und Befriedigung schenken könnte. Aber es war so. Patrizia kannte keine Scham und war offensichtlich sehr erfahren und so ließ Clarissa sich von ihr führen. Verführen. Es war wunderschön. Und obwohl absolut befriedigt und innerlich glücklich, freute sie sich, als Daniel sich später im Bett sanft über sie schob, ihre Brüste berührte, und zum ersten Mal achtete sie wirklich bewusst darauf, wie er sie streichelte und wo. Aber sie hatte recht gehabt mit dem was sie am Nachmittag gesagt hatte. Daniel war keiner von diesen fantasielosen Männern. Er hatte schon immer gewusst, wie er ihr Feuer entfachen konnte, wo er sie anfassen musste, damit sie laut seufzte und sich mehr wünschte. Und das waren eindeutig sehr viel mehr Stellen ihres Körpers als die zwei von Patrizia genannten. Sie zweifelte keine Sekunde daran, dass Patrizia einfach keinen Gefallen an Sex mit Männern fand. Vielleicht auch, weil sie, wie sie erzählt hatte, in dieser Hinsicht niemals die großen Nummern aus dem Lostopf gezogen hatte. Sicher, Clarissa hatte sich, als sie Daniels Betrug aufgedeckt hatte lautstark darüber beklagt, dass es ihm an Leidenschaft gefehlt hatte und er zum gedankenlosen Grabscher geworden war, aber das war damals. Jetzt, hier und heute kannte Daniel weiß Gott, genau wie früher, all ihre empfindlichen Stellen und wusste genau, wie er sie von Null auf Hundert bringen konnte.
Unwillkürlich schob sie ihn von sich und setzte sich auf ihn. Daniel stöhnte auf. Sie saugte an seinen Brustwarzen, spielte mit den wenigen Haaren auf seiner Brust und rutschte immer tiefer, küsste sich langsam abwärts, bis sie an seinem bereits erigierten Penis angekommen war.
»Oh Clarissa ...« stöhnte Daniel.
Sie
lachte heiser. Es war eine Ewigkeit her, seit sie ihn das letzte
Mal in den Mund genommen hatte. An diesem Abend verspürte sie Lust
dazu. Zärtlich ließ sie ihre Zunge über seinen Penis fahren, schob
mit den Lippen die Vorhaut zurück und saugte ihn schließlich
langsam, Stück für Stück in sich hinein. Aus den Augenwinkeln
konnte sie erkennen, wie Daniel angestrengt zur Decke starrte und
schließlich die Hände vors Gesicht schlug, während er schwer
atmete.
»Ich halte das nicht lange aus«, hörte sie ihn gerade noch sagen und fast im gleichen Moment ergoss er sich in ihrem Mund. Sie schluckte seine Flüssigkeit herunter und lachte, tauchte wieder auf und wischte sich über den Mund.
»Mensch Clarissa, du kannst dir nicht vorstellen wie geil du mich machst«, stöhnte er, packte sie an den Armen und drückte sie mit dem Rücken ins Kissen. »Du kannst auf das Vorspiel verzichten«, seufzte sie, und wieder ertönte das heisere Lachen. »Fick mich einfach.«
Daniel ließ es sich nicht zweimal sagen. Er
legte ihre Beine über seine Schultern, schob ihr ein Kissen unter
den Po und nahm sie hart, so hart wie er es immer getan hatte, wenn
er voller Leidenschaft war, wenn er es kaum noch aushielt, wenn er,
so wie in diesem Moment, am liebsten in sie hineinkriechen würde,
um sie komplett zu erfüllen. Ein erleichtertes, lautes Stöhnen und
das heftige Zucken ihrer Vagina verrieten Daniel, dass sie fertig
geworden war und er sich auch nicht länger beherrschen musste.
Erschöpft fiel er auf die Seite, kuschelte sich noch immer nach
Luft japsend an sie und schlief zwei Minuten später ein. Clarissa
hielt ihn noch lange im Arm und kraulte nachdenklich mit den
Fingern in seinen Haaren. Was sie mit Patrizia trieb, war und blieb
Betrug. Und sie spürte ein schlechtes Gewissen, aber andererseits
wusste sie auch, sie hatte die Kraft nicht, um sich von Patrizia zu
lösen. Noch nicht. Ob Daniel sich ähnlich gefühlt hatte? Hatte
diese Anita ihm vielleicht auch eine innere Stärke gegeben, die
sie, Clarissa, ihm zu dieser Zeit nicht hatte geben können? Erneut
verzog sich ihr Gesicht schmerzhaft. Sie liebte ihn so sehr, und
auch wenn sie selbst zur Zeit keinen Deut besser war als er, auch
wenn sie jetzt, nach der Sache mit Patrizia absolut keine
Berechtigung mehr hatte, ihm seinen Betrug vorzuwerfen, es
schmerzte sie noch immer was er getan hatte.