-8-
Eine Stunde später schloss Clarissa die Haustür auf und sah ihren Mann und ihre Kinder bereits beim Eintreten erwartungsvoll am Wohnzimmertisch sitzen.
»Hey Mama«, sagte Damian. »Und, wirst du jetzt eine berühmte Künstlerin?«
Clarissa lachte und setzte sich zu ihrer Familie.
»Mein lieber Sohn, ich bin froh wenn am Sonntag überhaupt jemand kommt, um sich meine Bilder anzuschauen. Kein Mensch kennt mich, ich kann über jeden Besucher froh sein, der bereit ist, einen Sonntag zu opfern und sich meine Bilder anzuschauen.«
»Das wird schon werden«, sagte Daniel. »Glaub mir, deine Bilder sind gut. Und Patrizia ist offensichtlich ein Profi. Sie wird schon wissen was sie tut.«
»Ja«, sagte Clarissa. »Sie ist ein Profi. Aber mich kennt kein Mensch. Es ist einer meiner größten Alpträume, dass sie die Ausstellung eröffnet und keiner kommt, um sich die Bilder anzusehen. Stell dir mal vor, ich stehe da ganz alleine rum. Es ist eine kleine, wenig bekannte Galerie. Ich mache mir keine großen Hoffnungen.«
Clarissa war erleichtert über diesen Smalltalk. Schon auf dem Weg nach Hause hatte sie sich gefragt ob Daniel ihr ansehen würde, dass sie an diesem Nachmittag nicht nur einen Orgasmus gehabt hatte, sondern mehrere. Ob ihm auffallen würde, dass ihr ganzer Körper nach Patrizia duftete. Ob ihm ihr – ganz sicher - verträumter Blick auffallen würde. Egal was Daniel sprach oder was die Kinder sagten, es erschien ihr so belanglos, obwohl diese drei Menschen hier die wichtigsten Menschen in ihrem Leben waren. In ihrem Kopf war sie noch immer mit ihrer Zunge in Patrizia, spielte noch immer mit den Fingern in Patrizias Haar und am liebsten wäre sie gar nicht nach Hause gefahren sondern bei ihr geblieben. Doch sie riss sich zusammen.
»Du stehst nicht alleine rum, ich bin ja auch noch da«, sagte Daniel. »Und unsere Freunde werden bestimmt auch kommen.«
»Ja, aber du weißt schon was ich meine, oder?«
»Natürlich.«
»Mama, werden wir jetzt reich?« fragte Charlotte.
Clarissa lachte.
»Kind, wie kannst du nur solche Fragen stellen? Ich bin total nervös wegen Sonntag und du fragst mich, ob wir jetzt reich werden?«
»Charlotte, wir sind schon reich«, sagte Daniel.
Clarissa sah ihn fragend an.
»Weil wir uns haben.«
»Davon kann ich mir keine X-Box kaufen«, schimpfte Charlotte.
»Du würdest auch keine X-Box kriegen, wenn wir im Geld schwimmen würden. Irgendwann sicher mal, aber vorher schaust du, dass du in der Schule mehr Leistung bringst, liebe Tochter«, sagte Daniel. »Da mangelt es nämlich ein bisschen. Ich könnte dir locker eine X-Box kaufen, aber ich werde es nicht tun, solange du in deinem nächsten Zeugnis keine Verbesserung von mindestens einer Note pro Fach hast.«
»So schlecht sind meine Noten auch nicht«, sagte Charlotte. »Ich bewege mich im Durchschnitt.«
»Das ist schlecht. Du solltest eigentlich im oberen Durchschnitt liegen, schlau genug bist du jedenfalls. Du bist nur zu faul, aber das Thema hatten wir ja schon.«
Charlotte erhob sich.
»Ich gehe jetzt in mein Zimmer. Ich habe noch zu tun.«
»Braves Kind«, sagte Daniel grinsend.
»Du bildest dir doch nicht ein, dass sie jetzt lernen geht?« fragte Clarissa.
»Nein, aber ich freue mich dass wir den Rest des Abends für uns alleine haben. Nicht wahr Damian?«
Er bedachte seinen Sohn mit einem eindringlichen Blick.
»Das ist eklig«, sagte Damian. »Ihr seid echt aus dem Alter raus.«
»Gute Nacht mein Sohn«, sagte Daniel.
»Soll ich etwa schon ins Bett? Es ist gerade mal acht Uhr!«
»Du musst noch nicht ins Bett. Aber Eltern sind auch manchmal froh wenn sie sich mal für sich alleine haben. Auch wenn du das eklig findest.«
Als die beiden hinter laut zuknallenden Zimmertüren im oberen Stockwerk verschwunden waren, streifte Clarissa ihre Pumps ab und legte die Füße auf die Couch.
»Uff, das war ein harter Tag«, sagte sie.
»So?« fragte er, und sah ihr direkt in die
Augen.
Clarissa errötete leicht. Ahnte er
etwas? Sie fühlte sich wunderbar, wie von weichen, flauschigen
Wolken durch die Luft getragen. Aber sie hatte auch ein schlechtes
Gewissen. Unter normalen Umständen hätte sie sich mit Sicherheit
niemals darauf eingelassen, ja, dessen war sie sicher. Auf dem Weg
nach Hause hatte sie darüber nachgedacht. Aber sie lebte nicht
unter normalen Umständen. Sie lebte mit einem Mann zusammen, den
sie über alles liebte, der sie aber monatelang betrogen hatte. Und
das vielleicht nicht zum ersten Mal, vielleicht war das nur der
einzige Betrug den sie aufgedeckt hatte. Sie liebte ihn über alles,
aber sie konnte seinen Betrug nicht vergessen. Und deswegen fühlte
sie sich nicht wirklich schlecht. Nur ein bisschen. Sie hatte
nichts getan, was er nicht auch getan hatte. Aber in ihrem Kopf
überschlugen sich die Gedanken. Sie hatte Patrizia heute Nachmittag
all die Dinge gegeben, die sie ihm versagte, und das voller Lust
und Leidenschaft.
»Vielleicht wirst du dich dran gewöhnen müssen«, sagte Daniel.
»Ach, daran könnte ich mich schon gewöhnen«, antwortete sie.
Er zog die rechte Augenbraue hoch, so wie er es immer tat, wenn er sich konzentrierte.
»Ja«, sagte sie. »Es tut schon sehr, sehr gut, weißt du? Ich meine, mir hat immer jeder gesagt, meine Bilder wären klasse, aber wenn so etwas von einem Menschen wie Patrizia kommt, ist das was ganz anderes. Sie hat Kunst studiert, sie besitzt diese Galerie und hat ständig mit Künstlern zu tun, sie hat einfach Ahnung. Und wenn so jemand um dich herumstreicht und dir immer wieder sagt, dass die Bilder phantastisch sind, die du da gemalt hast, dann ist das schon ein unglaublich gutes Gefühl.«
»Es tut dir gut«, sagte Daniel. »Das ist das Wichtigste. Du wirkst endlich mal wieder lebendig.«
»Ich wirke endlich mal wieder lebendig? Wie darf ich denn das verstehen?«
Daniel wurde rot.
»Ich meine nur ... ach lassen wir das.«
»Nein, jetzt möchte ich es wissen!«
Daniel beugte sich vor und zündete sich eine Zigarette an.
»Ach Liebling, du warst so – wie soll ich das sagen? Du warst im ganzen letzten Jahr von einer Traurigkeit begleitet, das kann man nicht wirklich beschreiben. Und ich mag das Thema auch nicht wieder aufwühlen, ich weiß ja wer diese Traurigkeit verursacht hat. Aber es ist so. Und heute strahlst du so. Du wirkst glücklich. Ausgeglichen. Deine Augen leuchten. Und das freut mich.«
»Vielleicht wirke ich ja dann wieder attraktiv auf dich«, sagte Clarissa und ihre Miene verfinsterte sich unwillkürlich und ohne dass sie es wollte.
»Ich fand dich immer attraktiv.«
»Soso«, sagte sie. Sie erhob sich vom Sofa. »Ich gehe duschen.«
»Prima. Ich zünde den Kamin an und mache uns
eine Flasche Wein auf, ist das in Ordnung?«
Sie
nickte flüchtig im Vorbeigehen und lief nach oben um zu duschen.
Genüsslich ließ sie nur wenige Minuten später den heißen Strahl auf
ihren Körper prasseln. Eigentlich wollte sie Patrizias Duft nicht
abwaschen, aber es musste wohl sein. Gründlich rieb sie sich mit
Duschgel ein und als sie die Brause abnahm um sich zwischen den
Beinen abzubrausen, fühlte sie, dass sie immer noch leicht
geschwollen war. Ja, sie hatte Sex gehabt. Leidenschaftlichen,
wilden Sex. Mit einer Frau. Und besser als all das, was sie in den
letzten Jahren erfahren hatte. Patrizia hatte sie begehrt, so wie
Daniel sie früher begehrt hatte und sie fühlte sich befriedigt, so
befriedigt wie Daniel es früher bei ihr hatte bewirken können.
Vielleicht hatte er recht und sie wirkte wieder lebendig. Und das
war eindeutig Patrizias Verdienst. In diesem Moment wurde ihr
bewusst, welches Geschenk Patrizia ihr an diesem langen Nachmittag
gemacht hatte. Sie fühlte sich plötzlich wieder als Frau. Nicht wie
bisher, als Ehefrau und Mutter, sondern als Frau. Begehrt,
leidenschaftlich geliebt. Sexy. Sie fühlte plötzlich ein
Selbstvertrauen in sich aufsteigen wie sie es vielleicht mit 25
Jahren zum letzten Mal empfunden hatte.
Daniel starrte sie staunend an, als sie mit ihrem schwarzen Seidennachthemd und dem Satinmorgenmantel die Treppe herunterkam.
»Irgendetwas ist heute anders an dir«, sagte er.
»Ja«, sagte sie. »Ich trage ein Nachthemd.«
»Scherz doch nicht herum. Du weißt schon was ich meine.«
»Nein, weiß ich nicht.«
Er streckte beide Arme aus.
»Bitte komm zu mir, Clarissa. Bitte setz dich auf meinen Schoß.«
Sie kam dieser Bitte nach, setzte sich auf seinen Schoß und schlang beide Arme um ihn, lehnte ihren Kopf an seine Wange. Wie früher sahen sie beide minutenlang in das prasselnde Kaminfeuer.
»Weißt du noch«, sagte er. »Als wir hier eingezogen sind? Als endlich alle Möbel an ihrem Platz standen, wir alles weggeräumt hatten, das Haus war geputzt und wir haben es uns zum ersten Mal hier vor dem Kamin gemütlich gemacht?«
»Ja«, sagte sie. »Das weiß ich noch. Es war eine sehr glückliche Zeit in meinem Leben.«
»Wann habe ich dir das letzte Mal gesagt, dass du wunderschön bist?« fragte er leise.
Sie wandte sich ab und setzte sich wieder ihm gegenüber. Vorbei war der Moment der Innigkeit. Sie hatte ihn beendet, mit einem radikalen Schnitt und es fühlte sich in ihrem Innersten gut an. Sie hatte so sehr gelitten wegen seiner Affäre und sie litt noch immer.
»Ich weiß nicht Daniel. In den letzten zwölf Monaten? Hier und da mal. In den Jahren davor? Ab und zu. In unseren ersten fünf Jahren hast du es mir mindestens einmal die Woche gesagt.«
Daniel senkte den Kopf.
»Warum bestrafst du mich immer noch?.«
» Leider ist nicht alles in Ordnung Daniel, auch wenn ich es mir wünschen würde.«
»Aber ich würde dich so gerne zurück erobern. Ich liebe dich wirklich Clarissa, über alles. Musst du mich weiter für meinen Fehler bestrafen?«
Clarissa beugte sich nach vorne und sah ihm ins Gesicht.
»Du denkst, ich bestrafe dich?«
Er nickte und sah sie sehr ernst an.
»Ich bestrafe dich nicht Daniel. Oder ich will es zumindest nicht, aber ich spüre auch, dass ich Dinge sage, durch die du dich bestraft fühlst. Aber ich will dich nicht bestrafen. Ich habe ein Problem.«
»Dann sag mir welches Problem du hast, lass uns drüber reden.«
Sie starrte zu Boden.
»Clarissa, ich will meine Frau wieder haben! Ich will wieder eine richtige Ehe führen. Und das will ich mit dir. Ich weiß dass ich einen furchtbaren Fehler gemacht habe und dass der kaum wieder gutzumachen ist, aber ich hasse mich so sehr dafür und ich will doch alles versuchen, damit alles wieder so wird wie früher.«
»Wie früher möchte ich gar nichts mehr haben, Daniel. Mir ist heute bewusst dass auch ich irgendwie abgeschaltet hatte in den letzten Jahren als ich von dir nicht mehr bekam was ich mir wünschte.«
»Was habe ich falsch gemacht in den letzten Jahren?« fragte Daniel, und er wirkte wirklich verzweifelt. Sie liebte ihn. Sie liebte ihn so sehr. Aber er fehlte ihr. Der Daniel, den sie kennen gelernt hatte, der Daniel der er früher mal gewesen war, der fehlte ihr. Sicher, Menschen veränderten sich im Laufe der Jahre. Aber er war so voller Lebenslust und Leidenschaft gewesen, das konnte doch nicht alles in seinem Beruf untergegangen sein?
»Daniel, du hast mich als Frau kaum noch wahrgenommen in den letzten Jahren. Ich habe hier als Mutti funktioniert und du als Vati. Ich hatte meinen Haushalt und die Kinder und du deinen Job. Einmal in der Woche hatten wir Sex und der dauerte sieben Minuten im Durchschnitt. Weißt du was ich vermisse?«
»Ich kann es mir denken. Aber Liebling, es ist doch völlig normal, dass Dinge sich einspielen im Laufe der Jahre.«
»Daniel, sich aufeinander einspielen ist etwas anderes als das Interesse verlieren. Ich vermisse den Daniel, der früher stundenlang mit meinem Körper spielen konnte. Der interessiert genug war um alles Mögliche auszuprobieren. Ich vermisse den Daniel, der es nicht erwarten konnte, wenn ich aus der Dusche kam, bei dem ich mich nicht bücken konnte um etwas aufzuheben, was mir runtergefallen war. Ich vermisse den Daniel, der mir früher immer das Gefühl gegeben hat, dass es für ihn nichts Aufregenderes gibt als meinen Körper. Diesen Daniel vermisse ich.«
Er antwortete nicht.
»Stattdessen hatte ich in den letzten
Jahren einen Daniel, der sich abends neben mich ins Bett gelegt hat
und lieber ein Buch gelesen oder noch eine Zigarette geraucht hat.
Der lieber in den laufenden Fernseher gestarrt hat, statt sich mir
zuzuwenden. Der sich öfter mal schlafend gestellt hat, wenn ich
mich angekuschelt habe und höchstens einmal pro Woche erfreut
reagiert hat, wenn ich ihn angefasst habe. Ich habe seit Jahren
einen Daniel, der völlig mechanisch meine Brüste und meine Muschi
begrabscht um sich dann auf mich zu legen und es mir innerhalb von
vier Minuten zu besorgen.«
»Ich wusste nicht dass du so unzufrieden bist«, sagte Daniel. »Aber du hast recht, so wie du das beschreibst ... wenn du es wirklich so empfindest, dann ist das kein Zustand.«
»Richtig«, sagte Clarissa. »Und vielleicht hätte ich auch allen Grund gehabt fremdzugehen. Aber nach all den Jahren mechanischer Grabscherei und einmal Sex pro Woche, nach all den Jahren in denen ich äußerst selten mal ein Kompliment aus deinem Mund gehört habe, nach all den Jahren in denen ich wirklich nächtelang neben dir gelegen habe, mich nach dir gesehnt habe, nach der Leidenschaft, die du verloren hast, Nächte in denen ich mich gefragt habe, was für dich schlimmer ist: Dass man meinem Körper die zwei Kinder ansieht, die ich bekommen habe oder dass ich nicht mehr zwanzig bin? Weißt du überhaupt wie unattraktiv ich mir oft vorkam? Und dann gehst du fremd! Nicht nur einmal, nein.«
Daniel verzog schmerzhaft das Gesicht und wandte sich ab.
»Ja«, sagte Clarissa. »Hör dir das ruhig an. Nach solchen Zweifeln die mich quälen, ziehst du los und suchst dir eine Geliebte, gehst fremd, nicht nur einmal, sondern über Monate hinweg, tauscht Liebesgeflüster aus. Dinge, die du mir schon lange nicht mehr gesagt hast, sagst du einer Anderen. Aufmerksamkeit die du mir schon seit Jahren nicht mehr geschenkt hast, schenkst du einer Anderen. Leidenschaft, die ich vermisst habe, ist plötzlich wieder da, aber leider empfindest du diese Leidenschaft für eine andere Frau. Weißt du eigentlich wie weh mir das tut? Noch immer?«
Daniel schluckte, wurde rot und starrte wieder in die Flammen. Das Thema war ihm unangenehm, keine Frage.
»Es ist mir klar, dass sich die Sexualität verändert, wenn man achtzehn Jahre zusammen ist. Aber dass das Spielen mit dem Körper des anderen aufhört, die Leidenschaft die einen dazu treibt, dem anderen die Klamotten vom Körper zu reißen ... ich weiß nicht Daniel, ich glaube nicht, dass das normal ist.«
»Clarissa, du weißt, ich gehöre nicht zu den
Männern, die von sich glauben, fehlerlos zu sein und vor allem der
Größte im Bett. Ich weiß auch nicht was passiert ist, die
Gewohnheit hat sich wohl eingeschlichen. Das hätten wir nicht
zulassen dürfen. Aber glaub mir, ich habe dich nicht betrogen, weil
ich dich unattraktiv fand oder langweilig, es war wohl wirklich
reine Eitelkeit.«
»Es hat
mir das Herz zerrissen«, sagte sie leise. »Und ich werde diese
Bilder nicht los. Ich habe sie im Kopf. Nachts, wenn ich versuche
einzuschlafen, sehe ich dich vor mir, wie du es mit einer anderen
Frau treibst. Wenn ich aufwache, sehe ich diese Bilder vor mir. Ich
werde sie einfach nicht los. Es zerreißt mich innerlich. Wir reden
viel zu oft drüber, das macht es auch nicht besser. Aber ich kann
einfach nicht vergessen was ich mit meinen eigenen Augen gesehen
habe.«
»Es tut mir so leid«, sagte er.
»Das sagtest du schon.«
»Was soll ich denn sonst sagen?«
Clarissa zuckte mit den Schultern.
»Ich habe keine Ahnung, Daniel. Ich wollte dir nur endlich einmal sagen, was mir eigentlich so weh tut. Du glaubst, du hast zu Hause nichts mehr geboten bekommen und fühltest dich vielleicht dadurch im Recht, als du fremdgegangen bist. Bist ja nur ein Mann, brauchst das ja, nicht wahr?«
Daniel nippte nervös an seinem Glas.
»So denkt ihr Männer doch, oder? Die Frau ist irgendwie lustlos geworden, aber man ist ja ein Mann und braucht eben seine Befriedigung. Und nicht nur das. Man sehnt sich nach Liebe, nicht wahr?«
Er nickte. »Ja, ich hatte meine Sehnsüchte und ja, du hast recht, sie wurden mir nicht erfüllt. Ich wusste immer dass du mich liebst, Clarissa. Aber ich hatte meine Sehnsüchte, ja!«
»Siehst du Daniel, ich habe mich auch danach gesehnt, nach den gleichen Dingen wie du. Und ich fühlte mich unattraktiv! Ich dachte, es liegt an mir. Ich dachte, ich reize dich nicht mehr. Ich dachte, ich gefalle dir nicht mehr. Ich habe mich so angestrengt, ich habe Kleider angezogen von denen ich wusste, dass du sie magst, ich habe mich so frisiert wie du es mochtest. Ich habe auch sonst versucht, so zu funktionieren wie du es haben möchtest. Und trotzdem habe ich all das nicht bekommen, wonach ich mich gesehnt habe. Und dann gehst du fremd. Es war wie ein harter Schlag mitten ins Gesicht.«
»Clarissa, ich habe das nie so gesehen, ich dachte immer, dass du keine großen Ansprüche hast, dass du glücklich und zufrieden bist mit deinem Leben und so wie es läuft ...«
»Das war ich auch. Nur im Bett hätte es besser laufen können, da habe ich auch Mangel gelitten, genau wie du. Und auch sonst hatte ich jahrelang hier das Gefühl, einfach nur funktionieren zu müssen, Gewohnheit geworden zu sein. Weißt du Daniel, woanders hingehen und etwas Neues erobern und entdecken, und dabei leidenschaftlich sein, das ist echt nichts Schweres. Und es ist kein Beweis dafür, dass bei mir was nachgelassen hat. Wenn du von mir Leidenschaft erwartest, musst du sie auch selbst übrig haben. Ich dachte immer, du bist müde und dann habe ich Rücksicht genommen, das habe ich dir schon so oft gesagt. Du arbeitest viel und ich dachte lange, dass es nicht an mir liegt, aber irgendwann habe ich angefangen, mich selbst im Spiegel zu betrachten und mir zu überlegen, warum ich dir eigentlich nicht mehr gefalle.«
Clarissa erhob sich.
»Wohin gehst du jetzt?«
»Ich gehe ins Bett.«
»Jetzt schon? Es ist gerade mal neun Uhr! Ich habe extra den Kamin angezündet, Wein aufgemacht, ich dachte wir könnten...«
»Wir könnten was?« fragte Clarissa.
Stolz wirkte sie plötzlich, so stolz, wie sie da stand in ihrem feinen, weich fließenden Nachthemd. Die Seide raschelte und die Spitzeneinsätze des Nachthemdes schmeichelten ihrer Haut. Der Satinmorgenmantel war ihr rechts über den Oberarm nach unten gerutscht und gab ihre Schulter frei.
»Du bist so schön«, sagte Daniel plötzlich, und er sah sie voller ehrlicher Bewunderung an. » Du bist heute viel attraktiver als du es mit zwanzig warst, weil du heute eine reife Frau bist, eine Frau mit Lebenserfahrung, kein kleines Mädchen mehr. Das verleiht dir etwas Besonderes. Und du kannst mit jeder dreißigjährigen Frau mithalten, niemand würde dich auf dein wahres Alter schätzen, und vierzig ist für eine Frau heutzutage sowieso kein Alter!«
Erneut streckte er die Arme nach ihr aus und sie ließ sich erweichen, ließ sich auf seinen Schoß fallen und schmiegte sich an ihn.
»Ich bin ein Esel«, sagte er. » Bitte gib mir doch eine Chance, das alles wieder gut zu machen.«
Sie küsste ihn. Zum ersten Mal seit über einem Jahr küsste sie ihn, spielte mit ihrer Zungenspitze an seiner Zunge und sie spürte, wie sich unter ihr seine Männlichkeit regte. Ein wenig erschrak sie. Wollte sie das? Ja, das wollte sie. Sie hatte an diesem Tag schon Sex gehabt und das hatte ihr wieder Selbstvertrauen gegeben. Nun wollte sie Daniel. Den Mann, den sie trotz allem noch immer über alles liebte und den aufzugeben sie nicht bereit war. Vielleicht hatte Patrizia ihr mit ihrem Begehren, mit ihrer Leidenschaft, die nötige Selbstsicherheit dafür gegeben, das konnte sie nicht beurteilen. Aber zum ersten Mal seit Jahren fühlte sie sich wieder sexy, aufregend, anziehend. Das machte ihr Lust. Sie stand auf und verschloss die Wohnzimmertür, nur für den Fall dass die Kinder sich noch mal herunter schleichen würden, hob ihr Nachthemd, zerrte an seiner Jeans und setzte sich auf ihn, rieb sich an seinem erigierten Penis. Daniel stöhnte und warf den Kopf in den Nacken.
»Weißt du noch, wie oft wir es auf diese Art gemacht haben?« neckte sie ihn. »Weißt du noch, früher, als wir keine Gelegenheit auslassen konnten und oft sogar die Klamotten anbehalten haben?«
»Wie könnte ich das vergessen«, stöhnte er. Sie
spreizte ihre Scham mit den Fingern und ließ ihn in sich
eindringen.
»Wow«,
stöhnte er. Clarissa ritt ihn, zum ersten Mal seit langer Zeit.
Aber es hatte sich etwas verändert. Zum ersten Mal ritt sie ihn um
sich selbst zu befriedigen und nicht um es ihm recht zu machen. Ja,
sie dachte nur an sich, rieb sich an ihm, ließ ihn sich tief in sie
hineinbohren und bewegte ihre Hüften so wie es ihr angenehm war
ohne dabei darüber nachzudenken, ob er auf diese Art auch auf seine
Kosten kommen würde. Aber offensichtlich hatte er seinen Spaß, denn
er stöhnte erregt, wurde immer lauter, bis er sie schließlich mit
beiden Armen fest umschlang, sie an sich presste und sich ihr hart
entgegen schob. Clarissa stieß einen tiefen Seufzer aus und ließ
ihren Kopf auf seine Schulter sinken.
»Oh mein Gott«, sagte er. »Das war so schön.«
Sie umschlang ihn mit beiden Armen und lehnte ihren Kopf an seine Schulter. Minutenlang verharrten sie so, schweigend, den Moment genießend.
»Wunderschön«, sagte Daniel schließlich wieder.
Er schien regelrecht fassungslos zu sein.
»Ja«, sagte sie. Und sie stieg von ihm ab um sich wieder auf das Sofa ihm gegenüber zu setzen.
»Du hast mich eben sehr glücklich gemacht«, sagte er.
Sie sah ihn lange an, bevor sie etwas erwiderte.
»Du mich auch«, sagte sie schließlich. »Das war eben wieder so leidenschaftlich, wie ich es von dir aus früheren Zeiten gewohnt bin.«
»Aber du hast doch....«
»Ja«, sagte sie. »Aber du hast auf mich reagiert. Und zwar so, wie ich es von früher kannte.«
Sie lächelte und legte ihre Füße auf das Sofa.
»Und jetzt darfst du mir ein Glas Rotwein
einschenken«, sagte sie. »Vielleicht bleibe ich doch noch ein wenig
wach.«