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Ab Ende Januar war Clarissa damit beschäftigt, alles, was derzeit nicht gebraucht wurde, in Kisten zu verpacken. Auf diese Art und Weise konnte sie bereits ein paar Möbel loswerden. Einige davon verkaufte sie über das Internet, andere setzte sie zur kostenlosen Abholung in die Zeitung, je nachdem wie gut die Möbel erhalten waren. Aber letztlich hatten sie alle zwei Kinder mitgemacht und trugen ihre Spuren, auch wenn Clarissa sich darauf verstanden hatte, diese Spuren zu verdecken. Am zweiten Februarwochenende fuhr sie gemeinsam mit Daniel nach Köln, nicht nur um das neue Haus zu besichtigen, sondern auch um sich einfach schon einmal ein wenig die Gegend anzuschauen. Anja hatte sich bereit erklärt, das Haus und vor allem die Kinder über das Wochenende zu hüten, worüber speziell Damian überhaupt nicht erfreut gewesen war. Er stand kurz vor seinem sechzehnten Geburtstag und sah überhaupt nicht ein, dass er nicht alleine bleiben durfte. Immerhin war ja noch Charlotte da, daran hatte er seine Mutter erinnert. Und die würde es ohnehin verpetzen, wenn er irgendeinen Mist baute. Aber sie beide hatten sich nicht beirren lassen und Anja hatte nur gelächelt, als sie den Protest der beiden gehört hatte. Sie kannte sie seit ihrer Geburt und nahm es gelassen.

Clarissa stieß einen leisen Freudenschrei aus, als sie das neue Haus sah. Es erinnerte sie an die alten Villen, die in manchen Frankfurter Gegenden noch herumstanden, nur viel kleiner, aber für eine vierköpfige Familie riesengroß. Ein schmiedeeisernes Tor öffnete den Durchgang zu einem kurzen Weg, der zur Haustür führte. Rund um das Haus, auch nach vorne hin, befand sich ein nicht unbeträchtliches Gartengrundstück.

»Hier kannst du dir endlich deinen Traum von dem Rasenmäher erfüllen, den du so gerne mal fahren würdest«, sagte Clarissa glucksend, und deutete auf die riesige Rasenfläche. »So einen wirst du hier dringend brauchen!«

Daniel lachte. »Hast du die ganzen Rosensträucher gesehen? Ich hoffe, die blühen jetzt im Sommer. Der Garten ist ziemlich gepflegt, nicht?«

Sie nickte. »Genau richtig für einen Hund.«

»Genau. Einen großen Hund mit mächtigen Pfoten, der einen riesigen Spaß daran haben wird, große Löcher zu graben.«

Er schloss die Haustür auf.

»Entree Madame«, sagte er, und ließ Clarissa vortreten.

»Das ist ja Wahnsinn!« rief Clarissa aus, als sie den großen Flur betrat. Das Haus erinnerte sie an die großzügigen Häuser, die man in amerikanischen Filmen immer zu sehen bekam. Rechts von dem großen Flur ging das Wohnzimmer ab. Im Wohnzimmer ein wunderschöner Kamin mit weißer Stuckumrandung. Am Ende des Wohnzimmers befand sich eine weiße Doppeltür, die ins Speisezimmer führte. Große Fenster sorgten für reichlich Licht. Clarissa petzte die Augen zusammen und hatte sofort eine Idee für die Gardinen. Schneeweiß, bodenlang, weich fließend mussten sie sein. Und sie wollte weiße Möbel, gepaart mit dunklem Holz. Nicht nur hier, sondern auch im Wohnzimmer, denn zu dieser Kombination lud der dunkle, edel glänzende Parkettboden ein.

»Ich kann mich nicht erinnern, jemals echten Parkettboden gesehen zu haben«, sagte Daniel. »Heutzutage hat jeder Laminat oder Fliesen. Der ist wirklich schön, strahlt so viel Atmosphäre aus.«

Er nahm sie in den Arm.

»Und kleine Lady, ich kann mir vorstellen dass ich sowieso nur noch mit ins Möbelhaus muss um dich zu begleiten, oder? Du hast doch bestimmt schon einen Plan wie ich dich kenne.«

Sie lachte. »Du kennst mich gut. Ich will mir den Rest anschauen.«

»Meinst du, wenn wir Möbel in Frankfurt kaufen, dass die das auch alles bis nach Köln liefern und hier aufbauen? Ich habe irgendwie wenig Lust, in ein leeres Haus einzuziehen und die Sachen nach und nach zu kaufen. Und ich habe noch weniger Lust, hier in Köln die Möbelhäuser abzuklappern, dafür haben wir zu wenig Zeit, die wir bis zum Umzug hier verbringen können.«

»Sicher«, sagte Clarissa. »Das lohnt sich doch für jedes Möbelhaus. Die liefern bestimmt auch nach Köln.«

Sie befreite sich aus seiner Umarmung und lief wieder Richtung Flur. Direkt gegenüber vom Wohnzimmer, getrennt durch den Flur befand sich die Küche. Eine große Wohnküche und zu Clarissas Erstaunen sogar mit einer Einbauküche ausgestattet.

»Die ist ja wunderschön«, sagte sie. »Für diese Küche hätte ich keine andere Küchenzeile ausgesucht.« Sie untersuchte die Geräte. »Und alles wie neu!«

»Ich glaube, die Küche ist sogar nagelneu, mir wurde gesagt die alte sei kaputt gewesen, aber da die Einbauküche im Mietvertrag steht, haben sie noch eine neue eingebaut.«

»Klasse. Nur eine Sitzgruppe brauchen wir hier.«

Sie ging wieder in den Flur und entdeckte unter der Treppe, die nach oben führte, noch einen kleinen Abstellraum von etwa sechs Quadratmetern.

»Meine Güte, meine Gebete sind erhört worden!« rief sie entzückt aus. »Endlich keine zwanzig Paar Schuhe mehr, die ich täglich aus dem Flur wegräumen muss! Die können hier wunderbar alle hinter der Tür verschwinden! Herrlich!«

Daniel zog sie an der Hand nach oben, die Treppe hinauf und in den ersten der drei Räume, die sich im oberen Stockwerk befanden. Drei Schlafzimmer, nebeneinander gelegen, alle drei fast gleich groß, nur dass eines davon sogar einen kleinen Balkon hatte.

»Das wird natürlich unser Schlafzimmer«, sagte Daniel. »Ich weiß, ich bin ein Egoist, aber ich stelle es mir wunderschön vor, mit dir hier abends im Sommer noch zu sitzen und ein Glas Wein zu trinken.«

»Keine schlechte Idee.«

»Außerdem haben wir hier unser eigenes Bad.« Er zog sie an sich und küsste ihren Nacken. »Da können wir eine Menge Schweinereien treiben und keins von unseren Kindern kriegt es mit und könnte es eklig finden.«

Clarissa lachte.

»Komm mit, ich zeig dir das Beste.«

Er zog Clarissa hinter sich her, die nächste Treppe nach oben, vorbei an dem zweiten, großzügig angelegten Badezimmer. Die Treppe, die nach oben führte, war ein wenig schmaler als die Treppe, die aus dem Erdgeschoss in den ersten Stock führte, aber immer noch breit genug und genau wie die erste Treppe, durchgängig mit einem weißen Holzgeländer umsäumt. Clarissa traute ihren Augen kaum, als sie das obere Stockwerk betrat. Ein kleiner Flur trennte zwei Räume voneinander, von denen der linke mit einer Holztür verschlossen war. Aber der rechte Raum zog ihre ganze Aufmerksamkeit auf sich.

Es handelte sich um einen riesigen Bodenraum mit vielen Dachfenstern in den Schrägen, lichtdurchflutet und, für einen Dachbodenraum völlig unüblich, genau wie unten in den Räumen mit wunderschönem Parkettboden ausgelegt.

»Ich dachte, das könnte dein Atelier werden«, sagte Daniel.

»Im Ernst?«

Er nickte. »Warum nicht, du hast doch in unserem Haus die ganze Zeit über das Gästezimmer genutzt, das hier wäre ja auch übrig.«

»Ich dachte, es wären sechs Zimmer?«

»Dachte ich auch, ich habe mich geirrt. Ich habe den Dachbodenraum mitgezählt. Ist das nicht toll hier? Hier hast du deine Ruhe, hier kannst du malen. Oder dich einfach mal zurückziehen.«

»Und du?« fragte sie. »Wo willst du arbeiten?«

»Liebling, mir genügt es, wenn ich eine Ecke im Schlafzimmer bekomme. Ich arbeite den ganzen Tag im Büro, ich brauche hier kein Arbeitszimmer, das hatte ich vorher nicht und das werde ich jetzt auch nicht brauchen. Ich brauche nur eine Ecke, wo ich meinen Computer aufbauen kann, das ist alles.«

Clarissa setzte sich in diesem riesigen Raum mitten auf den Boden und sah sich schwärmerisch um.

»Das ist so schön, Daniel. Das inspiriert mich.«

»Hoffentlich zu ein paar Bildern, die etwas fröhlicher wirken als die bisherigen.«

»Ich dachte, du magst meine Bilder?«

»Sie sind wunderbar, Clarissa. Aber sie sind traurig. Wir sollten die Traurigkeit ab jetzt aus unserem Leben verbannen.«

Sie lächelte. »Weißt du was jetzt fehlt?«

Er schüttelte den Kopf.

»Normalerweise müsstest du jetzt von irgendwoher eine Flasche Sekt und zwei Gläser zaubern. Und eine rote Rose zwischen den Zähnen tragen.«

Daniel lachte schallend.

»Tut mir leid Liebling, ich weiß, du magst so romantische Dinge, aber du weißt auch verdammt gut, dass ich an solche Dinge noch nie gedacht habe und ich werde es auch nicht mehr lernen in diesem Leben.«

Er grinste. »Aber wenn ich mir diesen Raum hier so anschaue, krieg ich glatt Lust, ihn einzuweihen. Auf die eine oder andere Art ...«

Clarissa lächelte und öffnete den Reißverschluss ihrer Hose. Sie streifte sie ab und zog auch den Slip aus. Dann kniete sie sich vor Daniel, zog ihm die Hosen herunter und nahm ihn in den Mund. Daniel hatte bereits einen harten Penis gehabt, als sie sich ausgezogen hatte, aber jetzt, in ihrem Mund, fühlte er sich an als würde er gleich platzen. Sie saugte begierig an ihm, spielte mit ihrer Zunge an seiner Eichel und warf ihm von unten nach oben lustvolle Blicke zu. Sie wusste, das machte ihn scharf, und er konnte nicht anders, er musste sich an dem Balken abstützen, der mitten im Raum stand. Er war so scharf auf seine Frau, dass er sich leicht schwindelig fühlte. Clarissa wusste wirklich wie sie vorzugehen hatte, er konnte sich kaum beherrschen. Aber kurz bevor er sich in ihrem Mund ergießen konnte, ließ sie von ihm ab, lief zum Fenster hinüber, stützte sich auf der niedrigen Fensterbank ab und präsentierte ihm wollüstig ihr Hinterteil. Daniel vergeudete keine Zeit und griff fest mit beiden Händen in ihre Pobacken, zog sie auseinander und drängte sich zwischen ihre Beine. Sie war so feucht und so warm und als er in sie eindrang, stöhnte sie laut auf. Er umschloss ihre Hüften mit seinen kräftigen Händen und hielt sie fest an sich gepresst. Er wusste, dass sie das mochte. Ja, sie mochte es, wenn er sie so kräftig hielt, mit einem Griff wie aus Stahl und sie dabei heftig stieß. Sie stöhnte und bekam kaum Luft und er spürte schließlich, wie sie sich verengte, presste sich fest in sie hinein und beherrschte sich nun auch nicht länger. Clarissa stöhnte noch einmal laut auf und ließ sich dann langsam auf die Fensterbank sinken, bevor sie sich zu ihm umdrehte.

»Das mochte ich schon immer«, sagte sie leise, aber wie ein Schulmädchen kichernd.

»Was?« Er lachte.

»So was. Sex an ungewöhnlichen Orten.«

»Es ist kein ungewöhnlicher Ort. Es ist unser Haus, Clarissa.«

»Ja, aber noch ist es fremd. Und ich mag so was. Kannst du dich erinnern, was wir früher alles getrieben haben, Daniel? Und vor allem wo?«

»Klar. Warum machen wir so was eigentlich nicht mehr?«

»Das kann ich dir auch nicht sagen. Vielleicht sollten wir einfach wieder damit anfangen.«

Er nickte.

»Das sollten wir.«

Clarissa zog sich an und auch Daniel zog seine Hose wieder hoch und schnallte seinen Gürtel zu. Er lächelte bei dem Gedanken an das, was Clarissa eben angesprochen hatte. Ja, es hatte wirklich kaum einen Ort gegeben, an dem sie nicht auf irgendeine Weise Sex gehabt hatten. Beim Spaziergang im Wald. Während einer Autofahrt auf einem Feldweg. In der Türkei im Urlaub in einer einsamen Bucht. Überhaupt, in der Türkei hatten sie so einige Orte gehabt. Während dieses Urlaubs waren sie für eine Woche auf die Insel Marmara gefahren, eine mehrstündige Überfahrt mit dem Schiff. Dort hatten sie sich in einer Pension eingemietet und hatten täglich Ausflüge unternommen, nicht nur zum Strand, sondern auch in die Berge. Wirkliche Berge waren es nicht, aber man kam schon ein ganzes Stück höher auf der Insel. Vertrocknete Wiesen, kleine Wälder und ein paar Bäche, die schnell bergab flossen, irgendwie waren diese Spaziergänge schon kleine Bergwanderungen. Dort hatten sie es mitten auf einer Wiese getrieben. Und als sie auf der Anhöhe angekommen waren, hatten sie sich auf die Klippen gelegt um sich zu sonnen, und auch dort hatten sie es getan. Wenn man sie dort dabei erwischt hätte, wären sie sicher nicht glimpflich davongekommen, aber es war weit und breit kein Mensch zu sehen. Später erfuhren sie auch warum. Es gab dort nämlich nichts, was die Inselbewohner interessierte. Und die Schlangen, die dort lebten, schreckten sie ab. Daniel konnte sich daran erinnern, dass ihm ganz elend zumute gewesen war, als er von den Schlangen erfahren hatte, denn um so etwas hatten sie sich bei ihren Ausflügen keine Gedanken gemacht. Clarissa lief durch die Tür und steuerte auf die Treppe zu. Daniel sah ihr stolz hinterher, bevor er sich auch auf den Weg nach unten machte. Er hatte eine tolle Frau an seiner Seite.

Glücklich fuhren sie eine halbe Stunde später ins Hotel. Daniel lud sie noch zum Essen ein und gegen zehn fielen sie beide völlig übermüdet ins Bett. Es war ein anstrengender Tag gewesen.

Am nächsten Morgen schliefen sie aus und ließen sich das Frühstück vom Zimmerservice nach oben bringen. Sicher, dieses Wochenende war dafür geplant, sich ein wenig die Gegend anzuschauen, hauptsächlich das Haus, aber was sprach gegen ein wenig Romantik? Sie frühstückten in aller Ruhe, duschten gemeinsam, liebten sich leidenschaftlich und duschten schließlich ein zweites Mal und letztlich war es zwei Uhr mittags, als sie aus ihrem Zimmer herauskamen und Clarissa verspürte schon wieder Hunger.

»Es ist mein Rhythmus«, erklärte sie. »Um diese Zeit esse ich mit den Kindern zu Mittag.«

»Dann schlage ich vor, wir gehen was zu Mittag essen und machen dann einen kleinen Bummel durch Köln, einverstanden?«

Sie nickte und steuerte zielstrebig das Hotelrestaurant an, in dem ihr die reichhaltige Karte bereits am Vorabend aufgefallen war. Nach einem ausgiebigen Stadtbummel quer durch die Altstadt von Köln entschieden sich Daniel und Clarissa schließlich doch dafür, etwas früher als geplant nach Hause zu fahren. Clarissa war voller Vorfreude auf das neue Haus. Von Köln hatte sie ein bisschen was gesehen. Den Rest dieser riesigen Stadt wollte sie sich für ihr zukünftiges Leben dort aufsparen. Sicher, sie konnten spazieren gehen, essen gehen, ins Kino, aber das waren alles Dinge, die sie auch zu Hause in Frankfurt tun konnten. Hauptsächlich war Clarissa momentan danach, mit Möbelkatalogen zu Hause auf dem Sofa zu sitzen und zu überlegen wie sie das Haus einrichten wollte. Sie freute sich auf den neuen Anfang. Manchmal war es einfach auch mal Zeit im Leben eines Menschen, etwas Neues anzufangen. Sie war in Frankfurt groß geworden, hatte dort geheiratet, ihre Kinder bekommen, ihr ganzes Leben dort verbracht. Mit Daniels neuer Stelle und dem Umzug nach Köln würde alles anders werden und Clarissa freute sich auf die Veränderungen. Sie konnte damit vieles hinter sich lassen, was ihr momentan unangenehm im Nacken saß. Patrizia zum Beispiel. Es gab so viele Momente, in denen sie sich nach ihr sehnte.