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Als Daniel zum zweiten Mal erwachte, fühlte er ein dumpfes Gefühl im Schädel, leichte Kopfschmerzen, aber die weißen Ameisen, die in ganzen Armeen über die Wände gezogen waren, waren weg. Er sah an die Decke und das Einzige was er sehen konnte, war der Betthimmel. Er lag also zu Hause, in seinem eigenen Bett. Leicht benommen fühlte er sich noch immer, aber er sah nach rechts und links und erkannte eindeutig sein eigenes Schlafzimmer.

»Es ist kitschig«, hörte er wieder die Stimme, die er bei seinem ersten Aufwachen schon vernommen hatte, nur dieses Mal klang sie nicht so weit entfernt und schien auch kein Echo mehr zu haben. Und sie schien ihm vertraut. Sehr vertraut. »Dieses Schlafzimmer hier ist genauso kitschig eingerichtet wie der Rest des Hauses. Nein, ich hab mich geirrt. Es ist eigentlich das Allerschlimmste an dem ganzen Haus. Das Bett sieht grauenvoll aus. So mittelalterlich!«

Schließlich hörte er Schritte und plötzlich saß Andrea neben ihm, auf seinem Bett.

»Andrea«, sagte er erstaunt.

Er versuchte sich aufzurichten, aber es ging nicht. Jetzt erst bemerkte er, dass seine Hände mit Handschellen an das Bettgitter gefesselt waren. Verwirrt schaute er nach seinen Beinen, denn auch die konnte er nicht bewegen.

»Die sind auch gefesselt«, sagte Andrea lächelnd.

»Was soll das? Was tun Sie hier? Warum...?«

Ihr Lächeln glich einer Maske. Es sollte offensichtlich freundlich wirken, aber es sah eher aus, als hätte sie es lange vor einem Spiegel geübt.

»Ach Daniel«, sagte sie. »Du merkst wirklich nichts, was?«

»Das einzige was ich merke ist, dass ich an mein Bett gefesselt bin und dass Sie hier sind. Beides sollte nicht sein. Was ist passiert?«

Sie erhob sich seufzend und lief theatralisch durch den Raum.

»Diese Frau hat dich gar nicht verdient«, sagte sie.

»Welche Frau?«

»Deine Frau.«

»Wie kommen Sie darauf? Und seit wann duzen wir uns?«

»Seit eben, Daniel. Ich habe es so beschlossen. Sie ist jetzt endlich weg. Sie ist bei ihrer Freundin. Das wollten wir doch, nicht wahr?«

»Wir wollten gar nichts«, sagte Daniel. »Ich wollte in Frieden leben, und zwar mit meiner Familie. Was soll das Theater hier? Und wie kommt es dazu, dass ich an mein eigenes Bett gekettet bin?«

Sie lachte.

»Ach Daniel, du hättest es doch nie bemerkt. Du warst doch so verblendet von deiner Frau. Du merkst wohl gar nicht dass sie dich gar nicht verdient hat, was?«

»Andrea«, sagte Daniel. Er bemühte sich, ruhig zu bleiben. »Wie kommst du darauf?«

»Diese Frau hat dich einfach nicht verdient, das ist meine Meinung«, sagte Andrea. »Sitzt den ganzen Tag zu Hause, lebt von deinem Geld, freut sich ihres Lebens. Malt komische Bilder. Was soll das? Diese Bilder sind hässlich. Fühlt sie sich damit als Künstlerin oder was? Denkt sie, sie wäre was Besonderes?«

»Clarissa ist etwas Besonderes«, sagte Daniel. »Nicht weil sie malt, sondern weil sie niemals von sich behaupten würde, etwas Besonderes zu sein.«

Andrea lachte, laut und hämisch.

»Das lässt sie dich denken. Sie manipuliert dich. Sie ist raffiniert.«

»Andrea, ich weiß nicht, welche kranken Gedanken durch deinen Kopf schwirren, aber wenn du denkst, du könntest meine Frau und meine Ehe beurteilen, dann muss ich dich wohl mal von deinem hohen Ross herunterholen!«

Sie lachte, schnippisch, setzte sich wieder neben ihn.

»Hör zu Daniel, ich wollte dich haben seit dem Tag, als ich dich zum ersten Mal gesehen habe. Du bist ein Mann, der mich sofort fasziniert hat, das ist nicht vielen Männern gelungen. Ich habe mehrfach versucht, es dir zu zeigen, aber du reagierst ja auf nichts. Also habe ich versucht, es dir zu beweisen, dass ich viel besser zu dir passe als ich. Ich habe so viel auf mich genommen für dich!«

»So?« fragte Daniel. »Was denn zum Beispiel?«

»Glaubst du, es ist mir leicht gefallen, den Hund zu vergiften?«

»Du warst das also«, stellte Daniel fest.

Sie nickte. »Ich habe versucht, ihr durch die Briefe klar zu machen, dass sie aus deinem Leben verschwinden soll. Sie hatte dich lang genug. Wie lange? Du sagtest, es sind fast zwei Jahrzehnte. Das reicht für einen Nichtsnutz wie sie.«

»Wie kommst du nur darauf, dass meine Frau ein Nichtsnutz ist?«

Andrea stand wieder auf.

»Na ist sie das denn nicht? Was tut sie denn schon für dich? Lässt sich von dir ein schönes Leben finanzieren! Und was fängt sie mit ihrer Zeit an? Malt diese fürchterlichen Bilder! Und betrügt dich auch noch!«

»Woher weißt du das?«

Sie lachte. Ein sehr hässliches Lachen.

»Daniel, ich bin deine Sekretärin. Ich habe dir vorgestern Abend schon gesagt, dass Sekretärinnen oft mehr von ihren Chefs wissen als man vermuten könnte. Ich kann jedes deiner Telefonate mithören, Daniel, wenn ich das will, und das habe ich auch getan. Ich habe alle deine privaten Gespräche mitgehört. Daher weiß ich es. Die Galeristin war es, nicht? Und ist sie da jetzt nicht wieder hin gekrochen? Siehst du Daniel«, sagte sie, und sie setzte sich wieder neben ihn auf das Bett. »Sie verdient dich überhaupt nicht. Sie hat doch nur auf eine Gelegenheit gewartet, zu ihrer großen Liebe zurück zu kehren. Du denkst doch nicht etwa, dass du das warst?«

Wieder lachte sie. Es klang so unangenehm.

»Du denkst, sie wäre aus Angst zu ihr zurück gegangen? Vergiss es! Das ist eine Ausrede! Frauen wie deine Frau legen sich die Dinge so zurecht wie es ihnen passt, glaub mir. Sie verdient dich nicht. Ich kann mir denken, was sie jetzt gerade tut!«

»Sie ist zu Patrizia gefahren, weil sie Angst hatte vor dem, was du dir noch ausdenken könntest«, sagte Daniel. »Du hast unseren Hund vergiftet, du hast anonyme Briefe geschrieben, du hast ihr sogar ein Beerdigungsinstitut auf den Hals gehetzt. Glaubst du etwa, das hätte sie achselzuckend schlucken können?« Er schnaufte verächtlich. »Ich verachte dich, Andrea, das solltest du wissen. Jetzt wo ich weiß, dass du dahinter steckst, verachte ich dich.«

»Du musst was trinken«, sagte Andrea ungerührt. »Die Tropfen waren ziemlich stark. Ich hätte nie gedacht, dass die Wirkung so lange anhält. Aber du liegst hier nun seit zwei Tagen, und jetzt wo du wach bist, solltest du was trinken.«

Sie hielt ihm ein Glas Wasser hin. Am liebsten hätte er es ihr aus der Hand geschlagen, aber er spürte dass er tatsächlich sehr durstig war. Und außerdem konnte er mit seinen Händen ohnehin nichts anfangen.

»Brav«, sagte sie, nachdem er das ganze Glas leer getrunken hatte.

»Und was machst du, wenn ich pinkeln muss?« fragte er provokant. Sie zuckte gleichgültig mit den Schultern.

»Ich habe eine Urinflasche hier«, sagte sie. Wieder lachte sie.

»Daniel, siehst du, ich bin gut vorbereitet. Ich hätte nur nicht gedacht, dass es so schwer sein würde, dich in den ersten Stock und in dein Bett zu schaffen. Ich fürchte, du wirst ein paar blaue Flecken abbekommen haben.«

»Wie stellst du dir das jetzt vor?« fragte er. »Glaubst du tatsächlich, du kannst mich jetzt so unter Druck setzen, dass ich dir irgendwann verfalle?«

»Ich setze dich nicht unter Druck«, sagte sie. »Ich möchte dich überzeugen, dass ich viel besser bin als deine Frau. Dass ich viel besser zu dir passe. Und ich weiß auch dass es mir gelingen wird. Sie musste erst mal weg sein, das war das Wichtigste.«

»Sie wird bestimmt versuchen mich anzurufen«, sagte er. Sie nickte. »Ja, das hat sie sogar getan. Sie hat auf den Anrufbeantworter gesprochen und dein Handy hat auch ständig geklingelt. Es hat mich genervt, ich habe es ausgeschaltet.«

»Man wird mich in der Firma vermissen.«

»Als pflichtbewusste Sekretärin habe ich dich in der Firma entschuldigt. Du befindest dich im Urlaub.«

Daniel lachte. »Du glaubst doch nicht im Ernst, dass ich mich in dich verliebe! Andrea! Mach mich los von diesem Bett, hör auf mit diesem Spiel! Du hast nichts davon, glaub mir!«

»Doch«, sagte sie. »Du wirst es sicher begreifen. Sehr bald schon, da bin ich sicher.«

Sie stand wieder auf und lief zur Tür.

»Hast du Hunger?« fragte sie. »Ich habe gekocht. Gulasch, Spätzle und Salat. Magst du etwas essen?«

Daniel antwortete nicht.

»An deiner Stelle würde ich essen wollen«, plapperte sie weiter. »Ich war einkaufen. Das Zeug, das in der Gefriertruhe lag, habe ich rausgeworfen. Diese Frau kauft tatsächlich abgepacktes Fleisch aus dem Supermarkt, das ist wirklich widerlich. Bei mir bekommst du nur das Beste vom Besten. Das Fleisch für das Gulasch stammt vom teuersten Metzger den ich kenne.« Sie lachte. »Er kann sich seine saftigen Preise erlauben, denn er ist wirklich der Beste. Also, hast du Hunger?«

»Verpiss dich«, schnaufte Daniel.

Sie lachte.

»Ich werde es mir schmecken lassen. Falls du doch etwas möchtest, kannst du mich rufen.«

Daniel wandte verzweifelt seinen Kopf zur Seite. Er fühlte sich so hilflos wie noch nie in seinem Leben zuvor. Und nicht nur das. Er kam sich lächerlich vor.

Sie blieb lange verschwunden und draußen wurde es dunkel. Am liebsten hätte Daniel geweint, so hilflos fühlte er sich, stattdessen zwang er sich, darüber nachzudenken, wie er dieser Frau entkommen konnte. In erster Linie müsste er sich von den Handschellen und den Fußfesseln befreien, die sie ihm angelegt hatte, aber sämtliche Versuche, irgendwie aus dem harten, breiten Metallring zu kommen, scheiterten und hatten zur Folge, dass seine Handgelenke fürchterlich schmerzten. Er fragte sich, was sie da unten trieb, in seinem Haus. Wo sie herumschnüffelte. Andrea. Ausgerechnet seine Sekretärin. Er konnte sich noch gut daran erinnern, wie er sie eingestellt hatte. Andrea war noch relativ jung, gerade mal fünfundzwanzig. Aus mehr als zweihundert Bewerbungsmappen hatte er sie, gemeinsam mit einigen anderen, in die engere Wahl genommen. Und sie hatte letztlich gewonnen. Sie war nicht hässlich. Aber auch nicht besonders hübsch. Ein eher unscheinbares Wesen. Sie wirkte selbstbewusst, aber offensichtlich war sie das nicht wirklich. Allerdings waren das Dinge, über die er sich nie Gedanken gemacht hatte. Sie hatte vom ersten Tag an einen guten Job gemacht und um ehrlich zu sein, alles andere war ihm auch gleichgültig. Jetzt durch diese Situation wurde ihm plötzlich klar, dass Andrea alles andere als eine selbstsichere Persönlichkeit war. Jetzt war klar, dass sie gestört und eher labil war. In der Firma war sie unbeliebt und keiner der Mitarbeiter hatte seine Wahl verstehen können. Sicher, sie akzeptierten Andrea seit ihrem ersten Tag als seine Sekretärin, das war sie nun mal, aber niemand redete mit ihr wenn es nicht sein musste. Andrea schien das egal zu sein. Und statt zu versuchen, den Kollegen etwas näher zu kommen, strafte sie sie bei jeder Gelegenheit ab, wie ihm eine Mitarbeiterin vor kurzem erst erzählt hatte. Und wenn sie sich eine Tasse Kaffee in der Teeküche holte und alle Gespräche verstummten, die bis dahin rege geführt worden waren, tat sie so, als wäre niemand im Raum. Es schien ihr einfach völlig egal zu sein, was die Kollegen von ihr hielten und sie ließ keine Gelegenheit aus um das zu zeigen.

Wann hatte sie ihm zu verstehen gegeben was sie für ihn empfand? Er konnte sich an keine einzige Gelegenheit erinnern. Ansonsten hätte er sicher Verdacht geschöpft, jedenfalls nach den Vorfällen, die sich in Bezug auf seine Familie gehäuft hatten. Andrea kleidete sich modisch, aber dezent, sie war kein auffälliger Typ. Sie schminkte sich kaum, manchmal gar nicht. Eigentlich wirkte sie eher wie ein Mauerblümchen. Ihm war das egal gewesen, denn ihren Job hatte sie wirklich gut gemacht. Hatte er deswegen vielleicht – weil sie so reizlos war – irgendetwas übersehen? Nein, sie hatte ihm nie zu verstehen gegeben, dass ihr etwas an ihm lag. Sie hatte sich seiner Meinung nach ganz normal verhalten, so wie es sich für eine Sekretärin gehörte, nichts was darüber hinausgegangen wäre. Das einzige Private, was zwischen ihnen mal irgendwann gefallen war, war von ihm gekommen – er hatte ihr lachend gesagt, dass es ihr recht gut stehen würde, wenn sie ab und an mal lächeln würde...

Es war schließlich stockfinster im Schlafzimmer, als die Tür sich einen Spalt öffnete.

»Daniel, bist du wach?« hörte er sie fragen.

»Ja«, antwortete er.

»Möchtest du nicht doch was essen?«

Sein Magen knurrte. Er konnte jetzt bockig sein und ihr all seinen Hass zeigen, den er empfand. Aber das würde ihm keine Aussicht auf Befreiung bescheren. Andererseits konnte er sich ein klein wenig kooperativ zeigen, vielleicht würde sie dann die Fesseln lösen. Und letztlich hatte er keine Lust zu verhungern oder zu verdursten.

»Doch«, sagte er. Sie schloss die Tür wieder, ohne das Licht einzuschalten. Diese Dunkelheit, die ihn umgab, machte ihn fast wahnsinnig. Er wusste nicht wie spät es war oder welcher Tag. Nach ihren Erzählungen zu urteilen, musste er jetzt den zweiten Tag hier liegen. Es fühlte sich auch so an, denn seine Knochen schmerzten. Die Haut auf seinem Rücken brannte. Wenige Minuten später betrat sie das Schlafzimmer wieder und knipste erbarmungslos das Licht an. Er kniff die Augen zusammen, das Licht erschien ihm unnatürlich grell, obwohl Clarissa bei der Einrichtung des Schlafzimmers darauf geachtet hatte, dass das Licht eher indirekt strahlte.

Sie setzte sich mit einem Teller neben ihn, stellte ihn kurz auf dem Nachttisch ab und hob seinen Kopf ein wenig an, um das Kissen zurechtzurücken, sodass er etwas erhöht lag. Dann nahm sie den Teller wieder auf und begann ihn mit einem Löffel zu füttern.

»Schmeckt es dir?« fragte sie.

Er nickte. Nein, es schmeckte ihm überhaupt nicht. Und wenn sie ihm ein Fünf-Sterne-Essen serviert hätte, es hätte ihm nicht geschmeckt in diesem Moment. Indem er aß, versuchte er einfach nur bei Kräften und bei Sinnen zu bleiben.

»Ich habe Durst«, sagte er nach einigen Löffeln ihres Gulaschs, das wahrscheinlich das Widerlichste war, was er jemals gegessen hatte. Das Fleisch war zäh und die ganze Mischung schmeckte leicht angebrannt. Sie stellte den Teller ab und hielt ihm ein Glas Wasser an die Lippen. Er trank es unter großer Anstrengung und verschluckte sich zweimal.

»Wie lange willst du mich hier festhalten?« fragte er und sah ihr direkt in die Augen. »Bis ich wund gelegen bin? Ich kann mich jetzt schon kaum rühren.«

»Es liegt an dir«, sagte sie.

»Soso, an mir. Und was kann ich tun, damit du mich losmachst?«

Sie lächelte und schüttelte den Kopf. »Es ist noch zu früh. Du verstehst mich noch nicht.«

»Aha«, sagte Daniel. Ungerührt schob sie ihm einen weiteren Löffel ihres angebrannten Gulaschs in den Mund.

»Daniel, du und ich, wir wären ein gutes Team. Zusammen würden wir so viel erreichen.«

»Was denn?« fragte er, nachdem er geschluckt hatte.

»Wir sind einfach ein gutes Team. Ich könnte dich glücklich machen, da bin ich sicher. Du wirkst seit Monaten angespannt und unglücklich.«

»Kein Wunder«, sagte Daniel. »Meine Familie wurde bedroht. Besser gesagt meine Frau. Und unser Hund wurde getötet. Ich hatte tatsächlich Sorgen, ja.« Den Sarkasmus konnte er sich nicht verkneifen.

»Ach komm«, sagte sie. »Gib doch zu dass du froh bist, diese unnütze Frau los zu sein.«

»Ich weiß nicht was du willst«, sagte Daniel. »Warum du sie nichtsnutzig nennst.«

»Was tut sie denn Sinnvolles?«

»Sie hat mir fast zwei Jahrzehnte lang ein schönes Zuhause geschaffen, mich bekocht, mir den Rücken frei gehalten, damit ich mich meiner Karriere widmen konnte, sie hat meine Kinder groß gezogen. Das ist ein Vollzeitjob.«

»Und weil du so voller Liebe für sie bist, hattest du ein Verhältnis?« fragte sie. Daniel fühlte, wie ihm die Röte ins Gesicht schoss.

Sie lächelte zufrieden. »Ich weiß alles von dir, Daniel. Alles. Jedenfalls alles was ich wissen musste um zu bemerken wie unglücklich du bist.«

»Du hast tatsächlich alle meine Telefonate abgehört. Du bist krank.«

Andrea lachte. »Ja, du hast recht. Ich bin krank. Liebeskrank. Das gebe ich zu. Aber das ist nichts Schlimmes. Ein Mann wie du verdient es, geliebt zu werden. Und zwar mit Haut und Haar. Und glaube mir, vertrau mir einfach, deine Frau ist nichts für dich. Wir beide, wir wären ein tolles Team, ich könnte dir so viel mehr geben als deine Frau.«

Daniel wandte den Kopf zur Seite, als sie ihm einen weiteren Löffel mit Essen in den Mund schieben wollte. Er hatte genug. Er würde nicht an Hunger sterben. Aber er würde freiwillig auch keinen Bissen mehr davon essen als notwendig war um nicht zu verhungern.

»Wir sind doch schon auf der Arbeit ein gutes Team«, sagte sie. »Ich bin noch jung, Daniel, ich bin noch eine sehr aktive Frau, so eine wie du brauchen könntest. Ich will noch Sex, viel Sex. Mehrmals täglich. Was glaubst du wohl, wie energiegeladen du wärest, wenn du wieder genügend Sex hättest!«

Sie lachte, es war dieses hämische, unnatürliche Lachen. »Mit dieser vertrockneten Kuh an deiner Seite wird das natürlich nichts. Du bist ein toller Mann Daniel und du hast eine Frau verdient, die sich auf deinem Niveau bewegt und dir das bieten kann, was du brauchst um noch erfolgreicher zu werden.« »Und du glaubst, dafür bist du die Richtige?«

Sie nickte und sah ihn ernst an. Ja, sie war tatsächlich davon überzeugt ...

»Was hast du mir in meinen Cognac getan?« fragte er.

»Oh, das waren sogenannte KO-Tropfen. Ich glaube, ich habe etwas zu viel reingetan, du solltest eigentlich nicht so lange bewusstlos bleiben.«

»Du hättest mich damit umbringen können.«

»Nein«, sagte sie. »Mein Vater hat eine Apotheke, eigentlich hätte ich die mal übernehmen sollen. Ich bin mit Arzneimitteln aufgewachsen, ich weiß schon was ich tue. Ich habe mich wohl nur bei deinem Körpergewicht leicht verschätzt.«

»Daher auch das Rattengift, das du unserem Hund gegeben hast.«

»Ja«, sagte sie. Sie wirkte fast ein wenig betrübt. »Es tat mir wirklich leid, das tun zu müssen«, sagte sie. »Aber ich hatte sie gewarnt. Ich hatte sie wirklich gewarnt.«

»Was wäre als nächstes gekommen? Hättest du dich als Nächstes an unseren Kindern vergriffen?«

Sie kicherte. »Nein, Daniel. So eine Idiotin bin ich nicht. Es ist mir schon klar, dass du mich dann bis an mein Lebensende gehasst hättest. Obwohl ich sehr froh bin, dass sie die Kinder mitgenommen hat. Wir werden unser eigenes bekommen.«

»Wir werden...« Daniel unterbrach sich und biss sich auf die Lippen.

Sie seufzte.

»Ich glaube, ich werde jetzt erst mal ein Bad nehmen«, sagte sie. Du darfst mir von hier aus zuschauen. Das ist eine schöne Idee mit dem Badezimmer gegenüber vom Bett. Fast schon amerikanisch.«

Sie lief ins Bad, ließ sich Wasser ein und wütete mit Clarissas teurem Badeschaum, den er bis zu seinem Bett roch.

»Geschmack hat sie ja, das muss ich ihr lassen«, rief sie. »Alles von deinem Geld finanziert, nicht?«

»Das darf sie ruhig, sie arbeitet eben auf anderer Basis.«

»Ach«, sagte Andrea. »Das sind Ausreden. Glaub mir, mit mir wirst du ein ganz anderes Leben kennen lernen. Was willst du nur mit einer so hausbackenen Frau? Wir beide Daniel, wir liegen auf einer Ebene. Mit mir kannst du nicht nur dein Privates teilen, sondern ich verstehe auch deine beruflichen Sorgen. Ich bin vom Fach.«

Daniel stiegen Tränen in die Augen, aber er biss sich erneut auf die Lippen und unterdrückte sie. Clarissa und hausbacken. Clarissa war eine wunderbare Frau und er hatte keinen Grund sich über irgendetwas zu beschweren. Sie war auch mit über vierzig noch sexy und attraktiv, und das konnte man von dieser unscheinbaren fünfundzwanzigjährigen Ziege, die ihn hier gefangen hielt, nicht behaupten. Sie würde mit vierzig wahrscheinlich aussehen wie ihre eigene Oma und ihre Glubschaugen, die ihm eben erst wirklich bewusst geworden waren, würden wahrscheinlich von tiefen Falten gezeichnet sein. Warum nur hielt sich diese Frau für etwas Besonderes? Normalerweise war sie der Typ Frau, der keinem besonders auffiel. Mit einem netten Charakter hätte sie sicher manches retten können, aber den hatte sie offensichtlich nicht, oder die Persönlichkeitsstörung, die von ihr Besitz ergriffen hatte, hatte diesen verdrängt. Er hing seinen Gedanken nach, dachte an Clarissa. Wo sie jetzt wohl steckte? Sie hatte versucht ihn anzurufen, immer und immer wieder, das hatte Andrea ihm selbst gesagt. Wahrscheinlich war sie tatsächlich nur aus freundschaftlichen Motiven zu Patrizia gezogen, aber jetzt, nach so vielen vergeblichen Anrufen, lag sie vielleicht längst in Patrizias Armen und ließ sich trösten. Andrea kam irgendwann, sehr viel später, denn er hatte jedes Zeitgefühl verloren, aus dem Badezimmer. Mit einem Lächeln im Gesicht, das wahrscheinlich verführerisch gemeint war, streifte sie das Neglige ab und stellte sich in aufreizender Pose vor ihm auf.

»Na?« sagte sie herausfordernd. »Gefällt dir nicht was du hier siehst? Wie sieht wohl der Körper deiner Frau aus im Vergleich?« Daniel sah weg. Er wollte das nicht sehen. Ihr Körper war in Ordnung, unter normalen Umständen hätte er ihn vielleicht sogar als schön empfunden, aber das hier, das waren keine normalen Umstände. Sie kroch vom Fußende aus zu ihm, hockte sich auf allen vieren über ihn und sah ihm direkt in die Augen.

»Ich werde dich reiten«, sagte sie. »Glaub mir, du wirst einen Orgasmus haben wie du schon lange keinen mehr hattest.« Daniel biss sich auf die Lippen. Jetzt fühlte er sich noch hilfloser als vorher. Sie schob die Bettdecke von ihm und jetzt erst bemerkte er, dass er praktisch nackt war. Er trug lediglich eine Unterhose und ein Unterhemd. Plötzlich hatte sie eine Schere in der Hand. Daniel schloss die Augen in schlimmer Vorahnung, aber sie zerschnitt nur seine Unterhose.

»Du hast ein wenig lange gelegen«, sagte sie. »Ich schätze, ich sollte dich ein wenig waschen vorher.«

Sie stieg aus dem Bett und kam mit einem Waschlappen und einem Handtuch zurück, wusch seine Genitalien gründlich und warf beides einfach vom Bett aus in das Badezimmer. »Mach dir keine Gedanken mehr um diese unnütze Kuh,« sagte Andrea. »In diesem Moment lutscht sie wahrscheinlich hingebungsvoll die Fotze ihrer rothaarigen Hure und verschwendet an dich auch keinen Gedanken.«

Und ehe Daniel sich versehen konnte, hatte sie seinen Schwanz im Mund. Er kniff die Augen zusammen und biss sich auf die Lippen, immer wieder. Er wollte nicht dass er steif wurde und er wehrte sich innerlich gegen diese Manipulation. Leider war er machtlos. Nach wenigen Minuten, aber immerhin hatte sie im Gegensatz zu Clarissa eine ganze Weile dafür gebraucht, spürte er, wie er hart wurde. Er hasste sich dafür. Aber er konnte nichts dagegen tun. Sie ließ ihn los, rieb ihre Brüste an seinem steifen Schwanz und fummelte sich mit der Hand an ihrer Muschi herum. Schließlich steckte sie ihm ihre Finger in den Mund.

»Hier«, stöhnte sie. »Schmeckst du wie geil ich bin?« Daniel würgte, er fand diese Frau so widerlich und sein bis dahin erigierter Penis wurde schlaff. Andrea bemerkte es und zeigte sich ein wenig enttäuscht.

»Ich kriege ihn wieder hart«, versicherte sie ihm. »Du bist wohl nichts mehr gewöhnt, was? Warte nur, ein paar Wochen mit mir und du rennst nur noch mit einem steifen Schwanz rum. So eine kleine Erektionsstörung ist doch nicht schlimm.«

Erneut nahm sie ihn in den Mund und schaffte es tatsächlich ein zweites Mal, ihn steif zu bekommen.

»Und jetzt keine Zeit verlieren«, sagte sie, aber irgendwie sprach sie eher mit sich selbst als mit ihm. Sie setzte sich auf ihn, spießte sich selbst auf und presste sich ihm fest entgegen, gierig nach ihm und geil, als hätte sie sich ein Leben lang nach ihm gesehnt. Sie ritt ihn mit langsamen Bewegungen und das tat sie, das musste Daniel zugeben, sehr raffiniert. Ganz offensichtlich machte es ihr auch großen Spaß, ihn in ihrer Gewalt zu haben, denn sie fuhr mit ihren langen Fingernägeln so fest über seine Brust, dass sich dicke, rote Streifen bildeten.

»Oh«, seufzte sie. »Das mag ich.«

Und fast im gleichen Moment fühlte er, wie es in ihrer Scheide wild zuckte und pochte und sie brach erschöpft über ihm zusammen. Kichernd rollte sie sich schließlich von ihm herunter und legte sich neben ihn.

»Darauf habe ich so lange gewartet«, seufzte sie. »Endlos lang!«

»Du hast mich dazu gezwungen«, sagte er. »Unter normalen Umständen hätte ich es niemals mit dir getan.«

Ihr Lachen verklang und sie legte sich auf die Seite und sah ihn an. »Kann sein, Daniel. Aber andererseits, wenn du nicht wolltest, warum bist du dann steif geworden, was denkst du wohl? Du wolltest es nämlich doch!«

»Nein«, sagte er. »Du bist überhaupt nicht mein Typ.«

»Ich bin nicht dein Typ?«

»Nein«, sagte Daniel. Nach dieser Erniedrigung, die ihm eben widerfahren war, war ihm alles egal. Sie lachte wieder, aber es klang so hysterisch. »Und warum dann ist dein Schwanz so steif geworden, was denkst du wohl?« fragte sie.

»Du hast mich vergewaltigt.« »Es gibt den Strafbestand der Vergewaltigung durch eine Frau an einem Mann nicht, wenn ich mich nicht irre. Es ist für eine Frau überhaupt nicht möglich einen Mann zu vergewaltigen.«

»Und was hast du dann gerade getan?« fragte Daniel tonlos.

»Wenn ein Mann eine Frau vergewaltigt, dann ist das was anderes«, erklärte Andrea, und man merkte, sie war voll von den Dingen überzeugt, die sie von sich gab. »Eine Frau, die nicht will, wird nicht nass. Aber ein Mann kann trotzdem in sie eindringen.«

»Na und?«

»Wenn der Schwanz von einem Mann nicht steif wird, kann kein Sex stattfinden. Und wenn er steif wird heißt das nichts anderes, als dass der Mann erregt ist. Und was schließen wir daraus?« fragte sie schulmeisterisch, aber nur um sich die Frage im gleichen Moment selbst zu beantworten: »Ich habe dich geil gemacht und du wolltest mich auch. Also war es keine Vergewaltigung.«

Sie legte sich wieder neben ihn und deckte ihn sorgsam zu, aber gleichzeitig kroch sie mit unter die Decke und kuschelte sich an ihn.

»Ich jedenfalls hatte Spaß.«

»Ich nicht«, sagte Daniel. »Und du wirst mich niemals dazu bringen, dass ich dich gegen meine Frau austausche, verstehst du? Ich liebe meine Frau und dich ... dich...« Er stockte. »Dich«, sagte er finster. »Dich werde ich irgendwie überleben.«

»Ach Daniel«, sagte Andrea selbstgefällig lächelnd. Sie sah auf die Uhr. »Es ist kurz nach Mitternacht. Was denkst du wohl, was deine Frau gerade treibt?«

Wieder lachte sie laut und hysterisch auf. »Ich schätze, sie lässt sich gerade die Muschi lecken von ihrer Freundin. Oder sie leckt deren Muschi. Was glaubst du wohl?«

Daniel verzog gequält das Gesicht. Sie traf ihn genau an seinem wunden Punkt. »Wie treiben es lesbische Frauen eigentlich miteinander?« fragte sie, scheinbar interessiert, aber eigentlich war klar dass sie ein Selbstgespräch führte und Daniel nur reizen und quälen wollte.

»Benutzen sie Dildos? Vibratoren?«

Daniel zwang sich zu antworten.

»Wäre das so schlimm?« fragte er, und tat gleichgültig. Er wollte dass sie aufhörte, zu diesem Thema zu philosophieren, und vielleicht konnte er es auf diese Art eher erreichen als wenn er schwieg.

»Hast du noch nie einen Vibrator benutzt? Oder einen Dildo?« fragte er sie.

»Doch«, sagte sie. »Wenn ich alleine war. Aber das ist ja nicht das, was Frauen sich erträumen. Eigentlich hätten wir ja lieber einen Mann dran an dem Ding.«

Daniel drehte seinen Kopf erneut zur Seite und dachte an Clarissa, wie oft sie ihn damit gereizt hatte, dass sie mit ihrem Dildo spielte. Sie hatte ihn zuschauen lassen und er hatte ihr immer so gerne dabei zugeschaut. Und immer wenn sie mit sich selbst schon einmal auf diese Weise fertig geworden war, war er noch einmal zu ihr gekommen und hatte sie genommen, wild und unbeherrscht und meistens von hinten. So hatte sie es am liebsten. So konnte er tief in sie eindringen. Er sehnte sich so sehr nach ihr.

»Ganz bestimmt wichsen die sich jetzt gegenseitig die Muschi wund«, plapperte Andrea. »Die hat doch nur auf eine Gelegenheit gewartet, wieder zu ihrer Schnecke zurück kriechen zu können.«

»Das stimmt nicht«, sagte Daniel. »Oh doch, glaub mir. Ich war auf der Homepage dieser Galeristin. Patrizia. Eine schöne Frau, das muss ich zugeben. Sie ist sehr auffällig. Diese Haare sind genial. Und als ich bei dem Beerdigungsinstitut vorgesprochen habe um das Begräbnis deiner Frau zu organisieren...«

Sie kicherte…

»Da trug ich eine solche Perücke und konnte selbst sehen, wie man damit auf die Menschen wirkt. Die sind total auf mich abgefahren. Wegen der Haare. Kaum zu glauben, wie oberflächlich die Menschen sind. Naja, zu deiner Frau passt das. Die fühlt sich bestimmt wohl in diesen Armen. Und sie passen zusammen, finde ich. Diese Patrizia ist doch auch so ein Nichtsnutz.«

»Und wie kommst du darauf?« fragte er. »Immerhin ist sie die Inhaberin einer Galerie.«

»Ach«, sagte Andrea und lachte wieder ihr hämisches, unnatürliches Lachen. »Das hat ihr doch alles ihr Vater finanziert. Diese Patrizia ist von Beruf eher Tochter als Galeristin. Eine Schmarotzerin. Ich habe recherchiert«, erklärte sie stolz.

»Soso«, sagte Daniel zynisch.

»Ja, eine richtige Schmarotzerin. Aber schon deswegen passt deine Frau perfekt zu ihr. Jeder kriegt das was er verdient hat und bei dir...«

Wieder lachte sie. »Naja, bei dir muss ich halt ein wenig nachhelfen um dir zu zeigen was du verdient hast.«

»Du weißt schon dass das Nötigung ist was du hier tust, ja?« fragte Daniel.

»Nötigung ist ein böses Wort«, sagte Andrea. »Ich nenne es Überredungskunst.«

»Es ist Nötigung. Es ist Freiheitsberaubung. Und das vorhin war eine Vergewaltigung.«

Sie zuckte gleichgültig mit den Schultern. »Du wirst mich bald verstehen. Und du wirst mich bald genauso lieben wie ich dich, davon bin ich überzeugt. Und wer weiß, vielleicht wirst du mir sogar dankbar sein, weil ich so energisch war mit dir.« Sie lachte. »Es soll Männer geben, die drauf stehen, wenn sie gefesselt werden. Wenn sie wehrlos sind.«

Daniel versuchte nicht mehr darüber nachzudenken, zwang sich zum Einschlafen, aber es wollte ihm nicht gelingen.

»Du störst mich«, sagte er schließlich.

»Wobei?«

»Ich kann nicht schlafen wenn du so eng bei mir liegst. Es ist schon schwer genug wenn man gefesselt ist und tagelang auf einem fast schon wunden Rücken liegen muss, aber jetzt quetscht du dich auch noch so an mich, da kann ich überhaupt nicht mehr schlafen.«

»Gut«, sagte sie. »Dann rutsche ich ein wenig beiseite.«

»Sehr gnädig«, sagte er ironisch.

Sie seufzte. »Ach Daniel, sicher hasst du mich im Moment, ich kann mir das gut vorstellen. Aber glaub mir, schon sehr bald wird sich das ändern. Du bist ein Mann, da ist das eben so. Männer muss man oft zu ihrem Glück zwingen.«

»Soso«, sagte Daniel. »Wie gut, dass du diese außerordentlich interessanten psychologischen Erkenntnisse in dir trägst, sonst würde ich niemals mein Glück finden, was?«

Ihr Gesicht erstarrte wieder zu einer gleichgültigen Maske, wie er es schon häufiger an ihr beobachtet hatte.

»Denk doch was du willst«, sagte sie. »Momentan kannst du ohnehin nichts dran ändern. Ich will dich haben und ich nehme dich, und was willst du tun? Vielleicht platzt hier irgendwann die Polizei rein oder sonst jemand, aber eines kann mir keiner mehr nehmen, Daniel: ich habe dich gefickt. Und ich werde dich weiter ficken, so lange es geht, verstehst du?«

»Was ist das für eine Art von Liebe?« fragte er. »Liebe ist normalerweise selbstlos.«

»Ich war mein Leben lang selbstlos«, sagte Andrea. »Es reicht. Damit kommt man zu nichts.« Daniel sah aus den Augenwinkeln, wie sie auf dem Rücken lag, an die Decke starrte. »Dieser verdammte Betthimmel macht mich wahnsinnig«, sagte sie. »Das ist wirklich mittelalterlich. Was muss deine Frau nur für eine Schrulle sein, dass sie auf so was steht?«

Daniel antwortete nicht.

Sie rollte sich auf die Seite und schlief relativ schnell ein, wie er an ihrem regelmäßigen Atmen hörte. Daniel lag stundenlang wach. Sein Rücken brannte wie Feuer vom Liegen, seine Knochen fühlten sich steif an und schmerzten und seine Hände spürte er kaum noch. Er hasste diese Frau, die da neben ihm lag so sehr, dass er nicht in Worte fassen konnte, wie sehr. Er fühlte eine ungeheure Wut im Bauch, aber gleichzeitig die Verzweiflung angesichts seiner hilflosen Lage, und dass Clarissa kommen und ihn aus dieser Lage befreien würde, war eine aussichtslose Hoffnung. Warum sollte sie hierher kommen? Nur weil sie ihn tagelang nicht erreichte? Nein, das würde sie nicht tun. Wahrscheinlich dachte sie, er sei weg gefahren. Wenn Andrea in der Firma verbreitet hatte, er sei in Urlaub gefahren, dann hatte man das Clarissa sicher weiter gegeben, denn mit Sicherheit hatte sie auch in der Firma versucht ihn zu erreichen.

Und wenn sie der Meinung war, er könnte sich im Urlaub befinden, dann saß sie wahrscheinlich im Moment eher unruhig bei Patrizia herum und wartete auf ein Zeichen von ihm – aber mit Sicherheit würde sie nicht nach Köln und in ein vermeintlich leeres Haus kommen. Er seufzte und stöhnte, aber leise, fast innerlich. Nein, so schnell gab es keine Hoffnung auf Befreiung für ihn.