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Wenige Stunden später lag Clarissa erschöpft, aber überglücklich im Bett. Daniel hatte sie kurz entschlossen noch zum Essen ausgeführt und nach dem Essen hatte sie gemerkt, wie müde sie war. Ihre Beine fühlten sich an wie Blei, das kam wohl vom stundenlangen Herumstehen an diesem Sonntag. Daniel ging es ähnlich, denn er ließ sich mit einem langen Seufzer neben sie fallen. Er roch so gut. So sauber. Frisch geduscht, noch feucht hatte er sich neben ihr niedergelassen. Sie benutzten beide ein billiges Duschgel, aber dies aus Überzeugung. Es roch phantastisch, so frisch und sportlich und speziell an Daniel mochte sie diesen Geruch von Sauberkeit und Frische der sich mit seinem eigenen Körpergeruch vermischte. Aber was sie noch mehr mochte, als den frischen, sauberen Geruch ihres Mannes, war der Blick mit dem er sie ansah. Das Begehren war in Daniels Augen aufgeflammt, es war ihr bereits am Nachmittag aufgefallen. Später beim Essen erneut und jetzt, wo er neben ihr im Bett lag, hatte er wieder diese glänzenden Augen, die sie zu verschlingen schienen. Ohne große Worte zu machen zog er sie zu sich heran, legte sich halb über sie und küsste sie leidenschaftlich.

Clarissa stöhnte auf.

Ja, das war er wieder, der leidenschaftliche Daniel, wie sie ihn kannte und vermisst hatte. Deswegen wehrte sie sich auch nicht als er sich über sie schob, ihr den Slip vom Körper riss und in sie eindrang. Ohne Vorspiel. Das musste auch nicht sein. Clarissa war so erregt von seinen Blicken und von seinem leidenschaftlichen Kuss, dass sie in diesem Moment nur eines wollte: Seinen Schwanz tief in sich spüren, seinen harten Oberkörper dabei streicheln zu können oder ihre Hände in seinen festen Po zu krallen. Sie presste sich ihm entgegen, schlang ihre Beine um seine Hüften und gab sich mit geschlossenen Augen seinen Stößen hin, die zunächst etwas sanfter waren, dann aber recht schnell sehr heftig wurden. Es dauerte nicht sehr lange, Daniel war so erregt, dass er sich nicht lange beherrschen konnte, aber genau das liebte Clarissa. Sie legte zwar meistens Wert auf ein ausgedehntes Liebesspiel, aber kurzer, dafür wilder, leidenschaftlicher Sex, das hatte etwas Animalisches an sich, das übte eine Faszination auf Clarissa aus, der sie sich nicht entziehen konnte. Daniel stöhnte laut auf und sie fühlte seinen Penis tief in sich zucken, spürte das wohlige Pochen tief in sich selbst und drängte ihm noch mehr entgegen um ihn noch tiefer in sich hineinzupressen. Erschöpft ließ er schließlich von ihr ab und legte sich schwer atmend auf den Rücken.

»Liebling«, sagte er. »Ich bin fassungslos.«

Sie lachte.

»Ja, ich bin fassungslos. Es ist wunderbar mit dir. Und momentan habe ich sowieso das Bedürfnis, dich ständig zu vögeln, morgens, mittags, abends, nachts und dazwischen auch.«

»Klar, wir hatten ja auch lange nicht ...«

»Das meine ich nicht. Das meine ich überhaupt nicht. Du bist es. Du ganz alleine.«

Er drehte sich zu ihr um.

»Ich möchte diesen wunderbaren Moment nicht zerstören, Clarissa, aber ich sage es trotzdem. Einiges hat mir die Augen geöffnet. Glaub mir. Ich werde dir nie wieder wehtun.«

Sie quälte sich ein Lächeln heraus. Er hatte den wunderbaren Moment nicht zerstören wollen, aber trampelig wie er manchmal war, hatte er mit diesen Worten leider genau das erreicht. Aber es war längst nicht mehr so schmerzhaft, das musste sie sich eingestehen. Und das lag nicht nur daran, dass es inzwischen wieder klappte mit dem Sex und dass sie wieder etwas dabei empfand, sondern es hatte auch mit Patrizia zu tun und mit dem Selbstwertgefühl, das seit einigen Tagen unaufhörlich in ihr wuchs. Wie auch immer, es tat ihr gut. Patrizia tat ihr gut. Ihre Ausstellung und das Gefühl, so viel Geld für ihre Bilder zu bekommen, tat ihr gut. Der Sex mit Daniel tat endlich auch wieder gut. Sie küsste ihn und drehte sich auf die Seite. Daniel drehte sich auch um und schlang dabei seinen rechten Arm um ihre Taille. Ja, das war fast schon wie früher. Wenn er im Halbschlaf seinen Arm um sie schlang, fühlte sie sich sicher, behütet, umsorgt, beschützt. Sie liebte dieses Gefühl.

Pfeifend stand Daniel am nächsten Morgen auf und ebenso pfeifend ging er unter die Dusche. Clarissa lag noch für einen Moment im Bett und genoss die Geräusche, die ein fröhlicher Daniel eigentlich immer von sich gab, die sie aber so lange schon nicht mehr gehört hatte. Schließlich riss sie sich zusammen, warf sich ihren Bademantel über, begab sich nach unten in die Küche und bereitete Frühstück zu. Um halb sieben weckte sie die Kinder und setzte sich schließlich an den Tisch um ihre langsam eintrudelnden, am frühen Morgen noch etwas missgelaunten Familienmitglieder zu begrüßen. Nur Daniel setzte sich fröhlich, mit einem Lächeln auf den Lippen, an den Tisch.

Damian blickte zwischen seinen Eltern hin und her und schmierte sich dann ein wenig Butter auf seinen Toast.

»Hast du ein Problem, Junge?« fragte Clarissa.

Er schüttelte den Kopf.

»Sieht aber fast so aus«, sagte Daniel.

»Ihr wart ziemlich laut heute Nacht«, sagte Damian.

»Als wir heimgekommen sind? Tut mir leid.«

»Das meine ich nicht. Als ihr im Schlafzimmer wart.«

Charlotte kicherte.

»Damit wirst du leben müssen, Junge«, sagte Daniel, noch immer fröhlich. »Wir dürfen so was, wir sind seit vielen Jahren verheiratet.«

»Hört man nicht irgendwann mal damit auf?« fragte Damian.

»Klar.«

»Und wann ist das?«

»Keine Ahnung, so mit siebzig oder achtzig ... kommt drauf an.«

Damian verzog das Gesicht. »Das ist ekelhaft.«

»Nein, das ist normal«, sagte Clarissa. »Es wird gar nicht mehr lange dauern, bis du damit anfängst, ich schätze da werden wir auch mit gewissen Geräuschen leben müssen.«

»Ihr glaubt doch nicht etwa, dass ich so was hier machen würde, wenn ihr nebenan seid?« Er schüttelte den Kopf. »Sicher nicht.«

Daniel tätschelte seinem Sohn den Arm.

»Sicher doch, Junge. Da bin ich mir sogar ganz sicher.«

Damian schüttelte wieder nur den Kopf. »Da irrst du dich. Würde mich nervös machen, wenn ich wüsste dass ihr nebenan seid und zuhört.«

»Würden wir gar nicht«, sagte Clarissa glucksend. »Wir würden einfach den Fernseher lauter machen und nicht hinhören. Wäre übrigens ein guter Tipp auch für dich. Mach doch einfach deine Musik etwas lauter und schon hörst du deine ekligen, alten Eltern nicht mehr.«

Damian erhob sich und griff nach seiner Jacke, warf sich im Rausgehen seinen Rucksack über und verabschiedete sich missmutig.

Charlotte saß noch seelenruhig am Tisch, sie hatte etwas später Schule.

»Ich fand es nicht so schlimm«, sagte sie.

»Darüber bin ich hocherfreut«, antwortete Clarissa.

»Naja, ich freue mich ja wenn es bei euch gut läuft. Nancys Eltern lassen sich scheiden. Da läuft gar nichts mehr.«

»Sie lassen sich scheiden?« fragte Clarissa nach. Sie kannte die Eltern von Charlottes Freundin recht gut.

Charlotte nickte. »Ihre Mutter hat einen Freund und ihr Vater ist dahinter gekommen. Aber jetzt hat er auch eine Freundin. Ich mag im Moment überhaupt nicht hingehen, die haben nur Zoff. Nancy ist froh über jede Minute die sie nicht zu Hause verbringen muss. Die haben irgendwie vergessen, dass sie auch noch da ist, die sind nur am Rumbrüllen.« Sie lachte. »Nee, da hör ich nachts lieber meinen Eltern zu ...«

Clarissa fand das Thema langsam unangenehm.

»Wann wirst du heute Abend zu Hause sein?« fragte sie ihren Mann.

»Gegen sieben, wie fast immer. Kannst pünktlich mit mir rechnen.«

»Fein. Ich muss nämlich heute noch mal in die Galerie.«

Charlotte zuckte zusammen. »Wie lief es denn gestern?« fragte sie ein wenig schüchtern.

»Sehr gut«, sagte Daniel. Er sah seine Tochter streng an. »Und eure Mutter hätte sich gefreut, wenn ihr dabei gewesen wäret, denn es war ein besonderer Tag für sie.«

»Ach Papa«, sagte Charlotte. »Den ganzen Sonntag über gab es tolle Filme im Fernsehen und da sollten wir in einer Galerie rumstehen?«

»Nicht in einer Galerie rumstehen«, sagte Daniel ärgerlich. »In der Galerie eurer Mutter beistehen, die zum ersten Mal ihre Bilder dort ausgestellt hat. Moralische Unterstützung geben. Als Familie auftreten, verstehst du? So wie du es auch immer recht gerne hattest, wenn deine Mutter zu deinen Theatervorführungen in der Schule gekommen ist.«

Clarissa trank seelenruhig ihren Kaffee und rauchte ihre morgendliche Zigarette dazu. Sie fand es in diesem Moment wirklich gut, dass Daniel – seit langer Zeit mal wieder – eine Diskussion über Grundsätze mit einem seiner Sprösslinge führte und mochte sich nicht einmischen, denn Daniel sprach ja auch ihre Meinung aus.

»Das ist was anderes«, sagte Charlotte.

»Aha. Und warum?«

»Weil alle Eltern an solchen Aufführungen teilnehmen, weil sie einfach stolz auf ihre Kinder sind!«

»Weil ihre Kinder etwas ganz Besonderes auf die Beine gestellt haben, nicht?«

Charlotte nickte.

»Siehst du? Deine Mutter hat auch etwas ganz Besonderes auf die Beine gestellt und wir alle haben Grund, mächtig stolz auf sie zu sein. Und wo warst du? Lieber vor dem Fernseher!«

»Das ist was anderes. Töchter brauchen die Unterstützung von ihren Eltern, aber Eltern regeln ihre Dinge alleine.«

»Aber wenn Mama jetzt plötzlich sehr viel Geld mit ihren Bildern verdienen würde, da würdest du gerne Anteil dran haben, oder?«

»Klar!« sagte Charlotte strahlend.

»Siehst du, da wird Mamas Arbeit wieder wichtig.«

»Das ist doch keine Arbeit, das ist doch Mamas Hobby.«

»Das ist wahr, aber es ist ein Hobby, das sie mit sehr viel Talent betreibt und nun trägt es Früchte. Darauf kann man schon stolz sein. Was hast du für ein Hobby?«

»Naja«, sagte Charlotte nachdenklich. »Fahrrad fahren. Mich mit meinen Freundinnen treffen. Chatten.«

»Wahnsinn«, sagte Daniel sarkastisch. »Alles Hobbys, für die man Talent braucht, was? Auf die man stolz sein kann? Hobbys, durch die man zu Ruhm und Ehre gelangt, was?«

»Na vielleicht nicht, aber ...«

»Da gibt es kein aber. Deine Mutter hat Talent, jetzt hat sie sogar eine Ausstellung bekommen, das ist eine Riesenchance für sie. Vielleicht kann sie ihr Hobby zum Beruf machen. Das ist durchaus etwas, das Respekt verdient. Schließlich hat sie irgendwann mal ihren erlernten Beruf aufgegeben um euch großziehen zu können, um immer für euch da sein zu können. Aber sie hat ihre Begabungen und nun wo ihr einigermaßen groß seid, schafft sie es vielleicht, durch ihre Begabungen noch mal eine Karriere zu machen. Und darum hätte gestern die ganze Familie anwesend sein sollen, nicht nur ich. Das gebietet der Anstand und vor allem der Respekt vor den Leistungen eurer Mutter.«

Charlotte sah zu Boden, dann auf die Uhr. »Ich muss weg.«

»Fein. Denk noch mal über das nach, worüber wir gerade gesprochen haben. Denk drüber nach wie du dich fühlen würdest, wenn etwas für dich so wichtig wäre und deine Mutter würde fern bleiben, deinen Erfolg ignorieren.«

»Ist deine Predigt jetzt zu Ende?« fragte Charlotte, und sah ihn fast schon feindselig an.

»Ich habe dir keine Predigt gehalten, Charlotte, aber ich tu es gleich, wenn du weiter in solchem Ton mit mir sprichst.«

»Ich muss zum Bus«, sagte Charlotte und zog sich die Jacke über. »Außerdem weiß ich gar nicht warum du deswegen so ein Trara machst. Mama hat es verstanden, warum wir nicht mit wollten. Mama versteht immer alles.«

Daniel sah Clarissa kopfschüttelnd an.

»Nun ja«, sagte Clarissa, als Charlotte das Haus verlassen hatte. »Das bedeutet es, den Mama-Job zu machen. Man muss immer für alles Verständnis haben. Immer für jeden da sein. Immer jedem alle möglichen Gefallen tun. Und sich selbst hinten anstellen und sich freuen, wenn man auch mal irgendwas abkriegt.«

»Klingt frustriert.«

»Ich bin nicht frustriert. Ich bin zu gut zu ihnen. Aber vielleicht ändere ich das einfach mal.« Sie lachte. »Außerdem brauchst du das überhaupt nicht so ernst nehmen. Sie sind beide in der Pubertät, da ist solches Verhalten normal. Natürlich muss man sie drauf aufmerksam machen, aber ich glaube es ist normal, dass sie sich jetzt so aufführen. Ich war auch ein Biest, als ich in Charlottes Alter war. Und mich hat eigentlich an meiner Mutter nur interessiert was sie zum Essen gekocht hat. Und ob sie mir erlaubt hat, die nächste Party zu besuchen.«

Daniel erhob sich nun auch vom Frühstückstisch, zog seine Jacke an und küsste Clarissa zum Abschied.

»Die Nacht mit dir gestern war phantastisch«, hauchte er ihr ins Ohr. »Meinst du, es könnte eine Zugabe geben?«

»Klar«, lachte Clarissa. »Komm pünktlich nach Hause, sei nett zu mir und dann können wir drüber reden.«