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Drei Wochen später erfolgte der Umzug nach Köln. Als sie das Haus zum ersten Mal sahen, brachen Damian und Charlotte in so laute Begeisterung aus, dass Clarissa sie bremsen musste, um nicht gleich negativ bei den neuen Nachbarn aufzufallen. Es war eine sehr gute Wohngegend, mit Sicherheit lebten nur gut situierte Nachbarn um sie herum, die weitaus weniger neugierig waren, als die Nachbarn mit der typischen Reihenhausmentalität, die sie bis jetzt um sich herum gehabt hatten, und der erste Eindruck war schließlich der Wichtigste. Clarissa hatte noch nie besonders viel Wert auf Freundschaften mit Nachbarn gelegt, aber schließlich wollte man sich mit ihnen verstehen und in Frieden leben. Charlotte war gleich nach oben gestürmt und hatte sich mit ihrem Rucksack auf dem Rücken, strahlend in eines der Zimmer gesetzt und es zu ihrem Eigentum erklärt. Damian musste wohl oder übel das andere Zimmer nehmen, aber ihm war es ohnehin grundsätzlich egal, wie er sagte.
»Die sind doch eh beide gleich«, sagte er. Das stimmte nicht ganz. Charlottes Zimmer hatte einen kleinen Erker, während Damians Zimmer quadratisch geschnitten war, aber Jungs standen ohnehin nicht auf Schnickschnack wie Erker oder Ähnliches, wie Damian mit wichtiger Miene erklärte. Die Möbel, die Clarissa nach der Besichtigung des Hauses bestellt hatte, waren inzwischen geliefert worden und Daniel war vor einer Woche extra schon einmal für einen Tag nach Köln gefahren um die Möbellieferanten einzulassen. Clarissa bestaunte das Bett mit einem vielsagenden Lächeln im Gesicht, denn es war genau das, was sie sich vorgestellt hatte.
»Weißt du«, sagte sie, als Daniel plötzlich neben ihr stand. »Bevor du mir erzählt hast, dass wir nach Köln umziehen müssen, habe ich dieses Bett im Katalog gesehen und ich dachte nur, dass ich es unbedingt haben will. Sieht es nicht toll aus?«
»Naja«, sagte Daniel. »Es ist wunderschön, aber wenn ich ein Bett hätte aussuchen müssen, wäre ich auf dieses hier ganz sicher nicht gekommen...«
»Ist klar«, sagte Clarissa lachend. »Zu verspielt, nicht wahr?«
Daniel nickte. »Clarissa, wenn Männer so was aussuchen, dann gehen sie irgendwie mit anderen Motiven an die Sache. Es muss breit genug sein. Es muss lang genug sein. Die Matratze muss gut sein. Der Rahmen muss stabil wirken.«
Für Clarissa war es in diesem Moment das weltschönste Bett, denn genau dieses hatte sie haben wollen. Es hatte ein dunkelbraunes, fast schwarzes schmiedeeisernes Gestell, war 1,80 m breit und 2 m lang, von daher konnte Daniel sich nicht über Platzmangel beschweren. Das Schönste für Clarissas Geschmack war jedoch das Himmelgestell, welches das Bett umfasste, mit cremefarbenen Vorhängen aus zartem Organza, die man entweder, je nach Lust und Laune, komplett zuziehen konnte oder aber an den vier Ecken befestigen konnte. Beide Varianten waren wunderschön.
»Vielleicht können wir es eines Tages mal auf ein Wasserbett umrüsten« sagte Daniel und griff sich ins Kreuz. »Weißt du, ich werde nicht jünger und ich habe mir sagen lassen, Wasserbetten sind toll für den Rücken.«
»Hm,« sagte Clarissa. »Und ich habe gehört, die sind nicht gut für das Sexleben.«
»Wieso?« Daniel lachte.
»Weil man keinen Halt hat und alles schwabbelt und plätschert.«
»Aha. Wieder was dazu gelernt. Also weiterhin Kreuzschmerzen.«
Für das Wohnzimmer hatte Clarissa sich für eine
rötlich-dunkelbraune Ledercouch entschieden, die einen sehr
souveränen Eindruck machte, aber auch sehr bequem war. Auch einen
passenden Tisch hatte sie gleich mitliefern lassen, einen
dunkelbraunen Holztisch im Kolonialstil. Sie liebte solche Möbel
und stellte sich die weitere Einrichtung des Hauses auch in diesem
Stil vor. Die Rücklagen, die sie in den letzten Jahren hatten
bilden können, waren jedoch schon bedenklich geschrumpft. Für
Romantik blieb an diesem Tag leider keine Zeit. Clarissa verbrachte
ihren restlichen Nachmittag damit, die Schränke in der Küche
auszuwischen und ihr Geschirr und ihre Küchengeräte einzuräumen.
Sie hatten ihre alte Essgruppe mit nach Köln gebracht, sie sah zwar
hier in dieser schönen, neuen Küche erbärmlich aus, aber wenigstens
hatten sie einen Platz, an dem sie gemeinsam essen konnten und
Clarissa würde ohnehin die noch vorhandenen alten Möbel gegen neue
austauschen, sobald sie etwas Passendes gefunden hatte – und die
finanziellen Reserven wieder gewachsen waren. Für ihr Haus in
Frankfurt hatten sie sehr nette Mieter gefunden, eine junge Familie
mit zwei Kindern, die ohne mit der Wimper zu zucken bereit gewesen
waren, den geforderten Mietpreis zu zahlen.
Am
Abend bestellte Daniel in einer nahe gelegenen Pizzeria etwas zum
Essen für die gesamte Familie, denn natürlich hatte Clarissa an
diesem Tag weder Zeit noch Lust zum Kochen. Außerdem war sie noch
nicht einkaufen gewesen. Lediglich für das Frühstück am nächsten
Morgen waren genug Lebensmittel im Haus. Charlotte hatte ihr Zimmer
über den Nachmittag auch fast komplett eingerichtet, nur bei Damian
scheiterte es irgendwie an der für ihn typischen Faulheit. Er hatte
als erstes seine Stereoanlage angeschlossen und lag den ganzen
Nachmittag über auf dem noch nicht bezogenen Bett und hörte
Musik.
Clarissa hatte es schulterzuckend bemerkt.
»Der schmollt noch ein bisschen«, sagte sie zu Daniel, als sie gegen elf Uhr am Abend total erledigt neben ihm in das neue Bett fiel. »Er muss uns ja auf irgendeine Weise klarmachen, dass wir ihn genötigt haben, sein gewohntes Umfeld zu verlassen und ihn in eine fremde Stadt entführt haben, auch wenn ihm das neue Haus so sehr gefällt. Ich glaube eigentlich ist er sogar ganz happy über den Umzug, aber er will es nicht zugeben.«
»Pubertät ist grauenhaft«, sagte Daniel.
Sie nickte. »Warte mal, Charlotte ist auch bald soweit, dass es schlimm wird. Ich schätze, bei Damian wird sich das eher in Grenzen halten. Aber Charlotte... davor habe ich manchmal richtig Angst.«
Daniel drehte sich zu ihr um, so dass er sie anschauen konnte.
»Das Bett gefällt mir außerordentlich gut«, sagte er grinsend. »Auch wenn es kein Wasserbett ist.«
»Soso«, antwortete Clarissa schmunzelnd. »Wie war das? Der erste Traum in der ersten Nacht im neuen Bett in einem neuen Haus geht in Erfüllung?«
»Dann wollen wir mal hoffen, dass wir beide etwas Schönes träumen, nicht wahr?«
Daniel zog sie an sich heran, presste sich gegen ihren Körper. Sie fühlte seinen Herzschlag. Geschickt öffnete er die Knöpfe ihres seidenen Nachthemdes, das sie nach der Dusche angezogen hatte.
»Du riechst so gut«, seufzte er.
»Das ist nur meine Bodylotion.«
»Ja, aber das bist auch du, das ist dein Körpergeruch. An der Sache mit den Pheromonen muss wirklich was dran sein, ich liebe deinen Körpergeruch. Schon immer.«
Er vergrub seinen Mund zwischen ihren Brüsten, liebkoste sie, saugte und knabberte zart an ihren Brustwarzen. Sein Haar schmeichelte der zarten Haut auf ihren Brüsten und sie atmete seinen Duft ein. Ja, vielleicht war tatsächlich etwas dran an der Sache mit den Pheromonen. Auch sie hatte seinen Geruch schon immer geliebt. Daniel tastete sich sanft vor, streichelte sie zwischen den Beinen und sofort fühlte Clarissa die Feuchtigkeit, auch wenn sie eigentlich hundemüde war.
»Ich weiß dass du müde bist«, sagte Daniel bittend. »Aber ein kleiner Quickie...«
»Ja, dafür reicht es«, sagte sie lächelnd. »Das schaffe ich noch.«
Er schob sich über sie, streifte ihr Nachthemd nach oben und legte ihre Beine auf seine Schultern. Sie seufzte als er in sie eindrang. Daniel war mächtig gebaut und manchmal schon hatte sie sich gefragt, ob es daran lag, dass sie von ihm nicht genug kriegen konnte. Mit langsamen Bewegungen bohrte er sich geschickt in sie hinein und Clarissa fragte sich wie schon so oft, wo sie es gelesen hatte, dass Frauen so lange Stimulation brauchten bis sie einen Orgasmus bekommen konnten. Sie fühlte sein mächtiges Teil in sich und schon während er sich langsam tiefer in sie hineinbohrte hatte sie das Gefühl, jede Sekunde explodieren zu können. Vielleicht war es auch sein Anblick, wie er kraftvoll über ihr war, ihre Beine über seinen Schultern, wie er sie hielt, wie er seinen Kopf in seiner Erregung in den Nacken geworfen hatte. Er war für sie noch immer der begehrenswerteste Mann der Welt, egal was in ihrer Ehe schon passiert war. Erregt presste sie sich ihm entgegen und seufzte leise, als sie spürte, wie er in ihr zuckte. Ja, er war gekommen, sie noch nicht über ihren Gedanken, aber schließlich hatte er es gemerkt. Es war ihr Daniel und ihr Daniel war noch nie gefühllos gewesen. Er rappelte sich noch einmal auf und stieß mit der restlichen Härte zu bis er fühlte dass es auch in ihr zuckte und krampfte um sie dann sanft mit Küssen zu bedecken. Glücklich schlief sie wenige Minuten später in seinen Armen ein.
Am nächsten Morgen erwachte sie etwas verstört.
Es war Sonntag, ihre erste Nacht im neuen Haus lag hinter ihr und
sie fühlte sich leider nicht fröhlich, motiviert, gut gestimmt
durch das Erwachen im neuen Bett, neben dem Mann den sie über alles
liebte, sondern kaputt, zerschlagen, ängstlich. Sie hatte nicht gut
geschlafen und noch schlechter geträumt. Schutzsuchend presste sie
sich an Daniel, der noch immer selig schlief. Aber selbst im Schlaf
stimmten seine Reflexe, er zog sie automatisch näher an sich heran
und wandte sich ihr zu. Wie eine Süchtige atmete sie seinen Duft
ein und versuchte, sich an ihren Traum zu erinnern. Anita. Sie
hatte von Anita geträumt. Oder war sie es gar nicht gewesen, war es
irgendeine Frau gewesen, die einfach nur diesem Frauentyp
entsprach?
Sie
wusste es nicht. Sie war mit einem großen Schreck erwacht, als sie
vor sich sah, wie diese Frau über sie lachte, den Kopf dabei in den
Nacken warf, ja, wie sie lauthals lachte und mit dem Finger auf sie
zeigte. Und sie hatte in ihrem Traum Daniel gesehen, ihren Daniel,
wie er in einem Bett lag – und es war nicht dieses Bett, das sie
sich hier mit ihm teilte, sondern eine völlig fremde Umgebung. Ihr
Daniel, nackt auf dem Bett, lächelnd, ihr zuwinkend, als würde er
sich noch darüber lustig machen dass sie von dieser fremden Frau
ausgelacht wurde. Blödsinn. Die Sache mit Anita lag nun mehr als
anderthalb Jahre zurück. Nie hatte sie sich gemeldet, Clarissa
hatte selbst die Mail gelesen, die Daniel ihr zum Abschied
geschickt hatte – und er hatte ihr ihre Antwort gezeigt, damit es
keine Missverständnisse geben würde. Clarissa fühlte sich müde und
traurig, dass Anitas Geist noch immer über ihnen schwebte, dass sie
den Gedanken an sie nicht loswerden konnte. Anita war
Vergangenheit, aber sie schien noch immer irgendwie anwesend zu
sein, zwischen ihnen zu stehen. Sie löste sich aus Daniels Umarmung
und tapste nach unten in die Küche. Es war gerade mal zehn Uhr an
diesem Sonntagmorgen. Sie setzte Kaffee auf und warf einen Blick in
die gähnende Leere des Kühlschranks, der außer ein paar Gläsern
Marmelade und einigen Resten Wurst und Käse, die sie beim
Umzug mitgenommen hatte, nichts enthielt. Mit dem Toastbrot,
das im Brotfach lag, würde es für ein Frühstück reichen und ein
paar Eier waren auch noch da.
Als die Rühreier fertig waren und der Kaffee durchgelaufen war, weckte sie ihre Familie und setzte sich an den Frühstückstisch, den sie in der Küche gedeckt hatte. Daniel war als erster unten in der Küche und er sah umwerfend aus in seiner engen Sporthose und dem Shirt darüber. Ein flaumiger Drei-Tage-Bart zierte sein Gesicht und Clarissa fand, dass er gar nicht schlecht damit aussah. Sie zwang sich zu einem Lächeln.
»Guten Morgen!« grüßte er sie lächelnd und setzte sich an den Tisch. »Nicht wie unser gewohntes Frühstück, aber immerhin«, sagte er.
»Es ist alles was wir haben, ich muss erst einkaufen.«
»Das weiß ich doch.«
Nacheinander erschienen die Kinder, zuerst
Charlotte und dann Damian. Damian setzte sich würdevoll, mit
finsterer Miene, denn er hatte noch immer vor, seinen Eltern zu
beweisen, dass sie ihn sehr unglücklich machten, indem sie ihn aus
seinem gewohnten Leben gerissen hatten und ihn nun dazu zwangen, an
einem ihm völlig fremden Ort zu leben. Clarissa registrierte es
schweigend, sie hatte sich vorgenommen, darauf nicht zu reagieren.
Sie kannte Damian. Gleich am nächsten Tag war der erste Schultag in
der neuen Schule für ihre beiden Racker und sie wusste genau, dass
sich mit diesem Tag alles zum Guten wenden würde. Mit Sicherheit
würde Damian morgen Nachmittag von der Schule kommen, schnell eine
Kleinigkeit essen und dann mit einem neuen Kumpel, einem neuen
besten Freund, irgendwohin verschwinden. Die Geheimnisse erkunden,
die diese neue Stadt für Jugendliche seines Alters zu bieten hatte.
Charlotte war fröhlicher als ihr Bruder, für sie war der Umzug nach
Köln nicht halb so problematisch wie für ihren Bruder. Im
Gegenteil, sie freute sich auf das Leben in der neuen Stadt und war
neugierig auf ihre neue Schule und die Freundschaften, die sie dort
schließen würde.
»Stimmt
was nicht, Liebes?« fragte Daniel, als die Kinder gefrühstückt und
sich wieder in ihre Zimmer zurückgezogen hatten. Schließlich hatten
beide noch alle Hände voll zu tun, denn noch immer standen in ihren
Zimmern zahllose Umzugskisten, die noch ausgepackt werden mussten.
Clarissa hielt sich da absichtlich raus, sie war der Meinung, dass
ihre Kinder in diesem Alter solche Dinge ruhig alleine erledigen
konnten. Außerdem hatte sie selbst genug zu tun.
»Es ist nichts«, versicherte sie Daniel. »Ich habe nur nicht allzu gut geschlafen letzte Nacht.«
»Aha«, sagte er. »Sonst wirklich alles okay?«
Sie nickte.
»Also ich habe hervorragend geschlafen«, sagte er, und streckte sich genüsslich. »Geträumt habe ich zwar gar nichts, oder ich kann mich nicht mehr dran erinnern, aber geschlafen habe ich wie ein König. Sehr erholsam, dieses Bett, das muss ich dir lassen!«
Sie lächelte.
»Morgen ist mein erster Arbeitstag in der neuen Firma«, sagte Daniel nachdenklich. »Irgendwie ist es schon komisch, ich war jetzt in den letzten fünfzehn Jahren in der gleichen Firma und die meiste Verantwortung lag ja nicht auf mir, sondern auf dem Geschäftsführer. Die alte Firma kannte ich in- und auswendig, die kleinsten Abläufe und Zuständigkeiten waren mir vertraut, sämtliche Ansprechpartner in anderen Firmen, sämtliche Geschäftspartner. Jetzt bin ich selbst der Geschäftsführer, und das in einer ganz neuen Firma in einer völlig anderen Branche, das ist schon irgendwie befremdlich.«
»Du hast Bedenken vor dem was jetzt auf dich zukommt?« fragte Clarissa amüsiert. »Tja, da wirst du durch müssen...«
Er lachte. »Wird schon schief gehen«, murmelte
er. »Ist nur ein komisches Gefühl. Ich muss mich komplett neu
einarbeiten und das wird all meine Konzentration
erfordern.«