32

Sebastian folgte Valentin durch die dunklen Straßen. Außer ihnen waren nicht mehr viele Menschen unterwegs. Ein paar Autos fuhren noch. Fußgänger trafen sie nicht. In den meisten Häusern brannte kein Licht mehr. Ein einsamer Hund lief auf dem Bordstein entlang.

Katzen jammerten.

Je weiter sie gingen, umso mehr bestätigte sich Sebastians Verdacht. Dieser Russe war unterwegs zum Haus von Herrn Heckmann.

Auf den Volvo konnte er es nicht abgesehen haben, der stand noch bei Gambachs auf dem Hof. Den wieder herzurichten, war Sebastians erste Aufgabe morgen früh. Normalerweise arbeitete er freitags mit dem TÜV-Prüfer zusammen, aber für solch einen guten Kunden, der so viel Pech hatte, machte Frau Gambach gern eine Ausnahme.

Sie hatte ihn nicht einmal gefragt, hatte einfach gesagt: „Der Herr Posner macht das für Sie“.

Diese Stinkekacke, das hatte er alles nur diesen Rotzlöffeln zu verdanken. Kuhscheiße auf einen SUV zu schmieren. Hatten die nur Mist im Hirn?

Als Valentin vor dem Heckmann-Haus angekommen war, ging er einen Schritt zu weit. Sofort gingen überall auf dem Grundstück Lampen an. Sebastian wusste, wo sich die Bewegungsmelder befanden. „Anfänger“, brummte er.

Valentin war erschrocken zurückgewichen, stand nun gebückt zwischen zwei Autos.

‚Gar nicht auffällig, dieser Idiot.‘

Doch als Sebastian den Hals reckte, um nachzuschauen, was der da trieb, erkannte er, dass er so tat, als sei ihm ein Schnürsenkel gerissen.

Gute Idee, musste er sich merken.

Scheinbar hatte der Russe die Zeit genutzt, die Bewegungsmelder zu suchen. Jedenfalls blieb alles dunkel, als er am äußersten Rand der Auffahrt zur Garage ging. Im Haus selbst brannte ein Licht in der oberen Etage. Valentin leuchtete mit einer winzigen Taschenlampe durch das Fenster ins Innere, prüfte dann das Schloss. Wollte der in die Garage einbrechen? Jetzt schaute er auf die Uhr und die Straße hinunter. Wartete er auf jemanden?

Das Auto war nicht da. Herr Heckmann stellte es sowieso nie in die Garage. Er wollte, dass alle sein Schmuckstück bewundern. Deshalb stellte er es immer direkt vor seiner Gartenpfote am Straßenrand ab, unter einer Laterne.

Die war für Sebastian kein Problem. Er trat kräftig dagegen, und das Licht ging aus.

Valentin erschrak, fuhr herum. „Timo, bist du das?“

Er kam die Ausfahrt herunter. „Timo?“

‚Komm doch, noch ein paar Schritte. So ist es gut. Kein Timo da. Nur ich.‘ Er zog den Totschläger aus der Innentasche seiner Jacke, fühlte das Metall unter dem glatten Überzug. Er stand stocksteif unter der Laterne, wartete.

Valentin hatte den Fußweg erreicht, blieb stehen, schaute nach beiden Seiten.

Konnte er Sebastian sehen? Der ließ es nicht darauf ankommen. Er stürzte los. Kurz bevor er Valentin erreicht hatte, blendete ihn ein helles Licht. Er riss die Arme hoch, taumelte, schlug zu. Ins Leere. Er hörte schnelle Schritte, die sich entfernten. „Nicht mit mir.“ Sebastian lief los, seine Sicherheitsschuhe klatschten auf das Pflaster. Valentin hörte ihn kommen. Er sah sich um, rannte noch schneller. Als Sebastian seinen pfeifenden Atem hörte, fletschte er die Zähne. „Bist nicht in guter Verfassung, was?“

Noch zwanzig Meter. Gleich hatte er ihn. Da blieb Valentin stehen, schaute sich um, lief ein Stück nach links auf ein Haus zu. Wollte der klingeln? Hilfe holen?

Sebastian raste weiter. Valentin sprang über die Gartenpforte, strauchelte. Schon war Sebastian bei ihm. Der erste Schlag traf Valentins Schulter. Der Knochen krachte laut. Valentin schrie auf, stolperte zur Seite. ‚Mach nicht so einen Krach!‘ Sebastian packte ihn, drehte ihn herum und rammte ihm sein Knie in den Bauch. Valentin stöhnte, krümmte sich zusammen. ‚Du weckst die Leute.‘ Sebastian hieb ihm den Totschläger ins Gesicht. Lautlos sackte Valentin zusammen, blieb reglos liegen. Sebastian trat noch einmal zu. Keine Reaktion. Als das Licht im Haus gegenüber anging, versetzte er Valentin noch ein paar Tritte, dann steckte er den Totschläger ein und verschwand im Dunkeln.

Sebastian fühlte, wie sein Blut durch seinen Körper pulsierte. Er war sehr zufrieden mit sich. Schade, dass er den Schlagring nicht eingesteckt hatte. Er hätte noch ein paar Muster hinterlassen können.

Plötzlich hatte er eine Idee. Was war, wenn der Russe tatsächlich vor Herrn Heckmanns Haus auf einen Freund gewartet hatte. Auf diesen Timo zum Beispiel.

Sebastian spürte einen Kick. Das wär’s, zwei an einem Abend. So schnell er konnte, kehrte er zu dem Haus zurück. Auf den ersten Blick war niemand zu sehen. Doch als er stehen bleiben wollte, kam ein Polizeiauto im Schritttempo heran. Der Beifahrer hatte die Scheibe heruntergekurbelt und betrachtete Sebastian. Als sie auf einer Höhe mit ihm waren, hielt der Wagen. „Alles in Ordnung bei Ihnen?“, fragte der Polizist.

„Will nur frische Luft schnappen, ist das verboten?“

„Nee, wir wollen dafür sorgen, dass sie sicher nach Hause kommen, das ist alles. Guten Abend.“ Das Auto fuhr weiter, bog an der nächsten Ecke ab.

Sebastian atmete tief durch und ging nach Hause.

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