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„Was sollte das denn?“ Kofi war ziemlich ungehalten. „Sag nicht, du wolltest guter-Cop-böser-Cop spielen. Das funktioniert nur im Fernsehen, und auch da nur in Vorabendserien.“
Ich stützte den Kopf in beide Hände. „Alle wissen immer alles besser, erst der Mausig, dann der Ministerpräsident und jetzt auch noch ein paar halbwüchsige Bengel. Das ist kein Spiel, wo man Avatare von hier nach da schickt, hier sterben echte Menschen, und wir können gar nichts dagegen tun. Überhaupt nichts. Nur hinterher aufräumen.“ Ich war aufgesprungen. „Am liebsten würde ich in den Sack hauen.“
„Was ist dir denn über die Leber gelaufen?“
„Lass mich in Ruhe.“
Liebend gerne wäre ich auf mein Fahrrad gestiegen und losgefahren, weg aus der Stadt, immer an der Weser entlang. Nichts hören, nicht sehen, nichts sagen. Welt, bleib mir vom Hals.
Kofi sagte nichts. Stand einfach da. Wartete.
„Es ist nur …“
„Du brauchst nichts zu erklären. Mir ist dieser Gottesdienst vorhin auch auf den Magen geschlagen. Es soll einen trösten. Gleichzeitig erzählen sie uns, was für wunderbare Menschen wir verloren haben. Alle sind untröstlich. Haben sich so lieb, geloben Unterstützung, Zusammenhalt. Einigkeit macht stark.“
„Im nächsten Augenblick greifen sie Frau Fleck an und drohen Timo zu lynchen, und wir kommen einfach nicht voran. Der Bengel ist wie vom Erdboden verschluckt.“
„Julia auch.“
Ich atmete tief ein. „Wenn er es war, hat er es kaltblütig geplant und auch das Versteck vorbereitet.“
„Wenn er es nicht war, hat er vielleicht die letzten vierundzwanzig Stunden mit seiner Freundin im Bett verbracht.“
Wir standen uns gegenüber, ohne uns in die Augen zu sehen. Ich musste mich zusammenreißen, versuchte, meine Mundwinkel zu einem Lächeln hochzuziehen.
„Lass uns irgendwo was essen gehen, und anschließend sprechen wir noch einmal mit Herrn Heckmann.“
„Machen wir gleich, vorher gucken wir die Fotos von Lars an. Dann können wir sie zu Marc bringen. Vielleicht entdeckt der etwas mit seiner Technik, was wir mit bloßem Auge nicht erkennen.“
„Am besten eine Porträtaufnahme mit freigelegtem Ohr.“
Kofi grinste mir anerkennend zu. Ich war also auf dem Weg der Besserung. Ein Glück, dass er nicht wusste, dass mich die Erinnerungen an Elke angefallen hatten wie eine Schar Vampirfledermäuse auf Ecstasy.