30

Sebastian hatte nicht mitbekommen, wie sie die Wohnung betreten hatte. Plötzlich stand sie vor ihm. Seine Wange brannte, von ihrem Schlag mit der flachen Hand. Das gefiel ihm gar nicht.

„Du wagst es zu schlafen?“

„Niemals.“

„Dann ist es ja gut.“

Sie begann sich auszuziehen. Langsam, ein Kleidungsstück nach dem anderen. Sie bewegte sich wie eine Königin, stolz, aufrecht, wunderschön.

Als sie den Büstenhalter aufhakte, drehte sie ihm den Rücken zu. Er konnte beobachten, wie ihre Hände über ihren Rücken glitten, an dem schmalen Stoffstreifen verharrten, die Haken öffneten und dann ganz vorsichtig den BH abnahmen.

‚Bitte umdrehen‘, dachte er.

Doch sie wandte ihm nur den Kopf zu, schürzte die Lippen. Er schob das Becken nach vorn so weit er konnte, damit sie sah, dass er bereit war. Sie lächelte. „Hast du es eilig heute Abend?“ Sie drehte sich so, dass er ihr Profil sehen konnte. Ihre Brustwarze ragte nach oben.

Er musste sich räuspern, bevor er etwas sagen konnte. „Darf ich dich lecken?“

„Was Aufregenderes fällt dir nicht ein?“ Sie klang enttäuscht, wandte sich wieder um, so dass er ihre Brüste nicht mehr sehen konnte. Dafür aber ihren Po. Sie bückte sich, begann den Slip auszuziehen. Während sie den Stoff an ihren Beinen herunterrollte, betrachtete er ihren Hintern. Er wusste, wenn sie sich bückte, um aus dem Slip zu steigen, konnte er für einen Moment alles sehen. Jetzt. Er stöhnte und biss sich gleich darauf auf die Lippen. Doch statt sich umzudrehen und ihn zu bestrafen, blieb sie vornüber gebeugt stehen. Ihr Zeigefinger tauchte auf, rieb über ihren Po, zog sich zurück, tauchte wieder auf, schimmerte feucht. Sie hatte doch nicht etwa?

Doch, sie hatte. Als sie sich nun vor ihm auf das Bett legte, die Beine rechts und links an ihm vorbeigestreckt, konnte er es sehen. Zwei Finger sogar.

„Bitte lass mich das tun.“

Sie ließ ihn warten. Er spürte, wie seine Erregung wuchs.

„Na gut. Aber langsam.“

‚Aber langsam‘, so hatte alles angefangen. Es ging ihr zu schnell. Er war immer zu früh fertig. Darum hatten sie angefangen zu experimentieren. Inzwischen konnte er es ziemlich gut. Wenn es zu schlimm wurde, dachte er an den Michel, bis sie ihn mit einem heiseren „Komm!“ erlöste.

Wie jedes Mal saß sie vor ihm, schaute zu, wie es aus ihm herausjagte und fing es mit dem Sektglas auf. Den Zeigefinger steckte sie hinein und kostete. Wenn sie zufrieden war, nahm sie das Glas mit in die Küche. Dort füllte sie sein Sperma in einen Eiswürfelbehälter. War sie nicht zufrieden, musste er das Glas austrinken.

Er hatte sie noch nie gefragt, wozu sie die seltsamen Eiswürfel brauchte. Manchmal schien sie welche mitzunehmen, denn der Behälter wurde nie ganz voll.

Sie blieb nie lange bei ihm, schon gar nicht den Rest der Nacht. Bereits zum Duschen ging sie allein, zog sich an und verließ seine Wohnung, ohne noch einmal nach ihm zu sehen oder sich zu verabschieden.

Er war sich nicht sicher, ob ihm das gefiel. Hatte er eine Wahl? Normalerweise schlief er nach ihren Besuchen tief und fest, wachte erst am nächsten Morgen verklebt auf.

In dieser Nacht schreckte er hoch. Kurz vor halb zwölf. Ihn fröstelte und aufs Klo musste er auch.

Er rollte sich aus dem Bett und ging unter die Dusche. Hinterher saß er in der Küche, rauchte eine Zigarette und fühlte sich unwohl. Nein, unwohl war nicht das richtige Wort. Unruhig. Gehetzt.

Gedanken jagten durch seinen Kopf. Michelle. Michel. Michel. Michelle. Es gelang ihm nicht.

Er musste etwas tun.

Die Sache zu Ende bringen.

Heute.

Jetzt.

Er zog den dunkelblauen Parka an, steckte den Totschläger in die Innentasche und ging in Richtung Stadtzentrum.

Die Adressen hatte er auswendig gelernt, alle. Fleck, Willig, Shekovietz, Asmus, nicht in der gleichen Straße, aber nahe genug beieinander.

Das Fleck-Haus beunruhigte ihn. Es sah nach Alarmanlage und Überwachungskamera aus. ‚Die sollten sich mal einen Volvo kaufen‘, dachte er.

Bei Asmus brannte noch Licht, eine Frau in der Küche. Spätschicht, oder was?

Dann eben zum nächsten.

Er versuchte noch, die Hausnummer zu erkennen, als sich die Tür öffnete und Valentin in den Vorgarten trat. Sebastian sah ihn genau, wich zurück in den Schatten eines Baumes. Nachdem die Haustür geschlossen war, wurde es stockfinster. Die Laternen standen viel zu weit auseinander.

Valentin wandte sich nach rechts. Er ging schnell.

Wo wollte der Russenscheißer hin? So spät in der Nacht? Kleine Kinder gehören um die Zeit ins Bett.

Sebastian grinste. ‚So, mein Scheißerchen, jetzt zeigst du mir, was du vorhast, und dann geht’s zur Sache. Noch einmal entkommst du mir nicht. Hoffentlich hast du dich ordentlich von deinen Eltern verabschiedet. Es war das letzte Mal.“

Ausweichmanöver
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