Kapitel Siebenundzwanzig

»Was mich nicht umbringt, macht mich stärker.«

Friedrich Nietzsche

Ich saß im weniger vollen vorderen Ende des Bootes. Ich war dankbar, dass es so groß war, auch wenn es nur eine weitere von Josephines Demonstrationen von Reichtum war – wenigstens war es dadurch leicht, allen zu entkommen. Na ja, allen außer Steph natürlich. Sie hatte mir die Geschichte, dass ich einfach nur erschöpft war, nicht abgekauft, obwohl sie stimmte. Überwiegend zumindest.

Kaitlin und Samuel hatten uns am Jachthafen verabschiedet. Nachdem sie ihren ersten Schrecken darüber, dass Josephine Lincoln und mich zu einem Inkubus geschickt hatte, überwunden hatten, erklärten sie uns, was sie wussten.

»Irin hat sich von euren Gefühlen und von eurer Energie ernährt, was sehr gefährlich ist, wenn der Inkubus wenig Erfahrung hat«, mahnte Kaitlin.

Wenigstens wusste ich, dass Irin definitiv kein Amateur war.

»Direkter Kontakt mit ihnen ist echt gefährlich, Violet!«, fuhr Samuel mich an. »Ihr hättet uns das sagen sollen.«

Ich schluckte und verzichtete darauf zu erwähnen, dass er mich kaum angerührt hatte. Dafür hatte Lincoln gesorgt.

Hatte er das gewusst? War er gestern Abend deshalb eingeschritten?

Lincoln hatte heute Morgen erschöpft ausgesehen. Als ich jetzt auf dem Boot saß, versuchte ich, heimlich über meine Schulter zu schauen, als würde ich vom Bug aus die Aussicht genießen. Er unterhielt sich mit Max und lehnte sich dabei an die Reling, als würde er sich ausruhen. Doch als ich genauer hinsah, bemerkte ich, dass er sich so heftig an der Reling festklammerte, dass seine Fingerknöchel weiß waren. Auf seiner Stirn glitzerte Schweiß. Er musste sich anstrengen, um überhaupt stehen zu können. Als Josephine Max zu sich winkte und dieser wegging, verzerrte sich Lincolns entspanntes Gesicht und enthüllte kurz seinen Schmerz. Sein Körper klappte nach vorne, ohne dass er es verhindern konnte.

Irin hatte gesagt, dass Lincoln die beste Gefühlsquelle war. Ich wusste nicht warum, aber er hatte sich massiv an ihm gesättigt.

Meine Schultern sanken und ich seufzte. Ich wollte eigentlich wütend auf Lincoln sein wegen all der Dinge, die er gestern Abend nicht getan hatte, wegen der Dinge, die er gestern Abend und heute Morgen gesagt hatte, aber wenn ich ihn so sah, konnte ich mir nur noch Sorgen machen.

So in Gedanken versunken war mir gar nicht bewusst, dass ich ihn anstarrte, bis sich unsere Blicke trafen und er sich aufrichtete. Ich merkte, dass er zu mir kommen wollte, und schaute weg. Rasch stürzte ich mich in eine Unterhaltung mit Steph, die darauf bestanden hatte, mir heute nicht von der Seite zu weichen. Ich schaute nicht wieder zu ihm und er kam nicht herüber.

Es tut zu sehr weh, wenn wir uns nahe sind.

Und so war es auch. Buchstäblich. Schmerz umschloss meinen gesamten Körper. Vielleicht verlor ich den Verstand, aber ich war mir sicher, dass die heftigen Krämpfe, die ich spürte, stärker wurden, wann immer ich in seiner Nähe war.

Das Boot bestand aus Holz und war im alten Stil gebaut. Es glänzte im morgendlichen Sonnenlicht. Mit seinen drei frischen weißen Segeln sah es perfekt aus, und am liebsten hätte ich es zum Horizont gelenkt, damit es mich brachte, wohin auch immer es wollte.

Ich lehnte mich zurück und schloss die Augen.

»Erzählst du mir noch, was los ist?«

Ich ließ meinen Kopf zur Seite sinken und blinzelte Steph an. »Was meinst du damit?«

Sie schob sich ihre Sonnenbrille auf den Kopf. »Ist das nicht einer der erhellendsten Orte, an denen du jemals gewesen bist?«, fragte sie und sah dabei direkt in die Sonne. Sie wartete nicht auf meine Antwort.

»Ich weiß, dass du erst heute Morgen in unser Zimmer zurückgekommen bist. Max hat Salvatore erzählt, dass du kurz nach Mitternacht mit Lincoln zurückgekommen bist. Ich habe dieses ganze Hüter-Dings mitbekommen, was übrigens einfach falsch war.« Sie warf einen scharfen Blick in Josephines Richtung. »Du hättest es mir sagen sollen, weißt du, aber so oder so warst du ziemlich lange weg. Was ist los?«

Ich schloss die Augen wieder und fühlte die Wärme der Sonne.

»Nichts ist los. Ich war durcheinander, nachdem wir beim Hüter waren, und habe nicht gemerkt, dass er mir so viel Energie geraubt hatte. Ich bin hinauf aufs Dach gegangen, um den Kopf frei zu bekommen, aber ich bin eingeschlafen. Als ich aufwachte, war es bereits Morgen und ich bin zurück in unser Zimmer gekommen. Jedenfalls warst du ja nicht allein, wie ich gesehen habe«, fügte ich hinzu und zog eine Augenbraue nach oben. Ich hatte das extra Kissen und die zusätzlichen Decken bemerkt.

»Er hat auf dem Boden geschlafen«, sagte Steph mit gespielter Tugendhaftigkeit.

Ich lächelte. »Ja, aber ist er dort die ganze Nacht geblieben?«

Steph stieß mich mit dem Ellbogen an, aber dann spürte ich, wie sie neben mir zusammensackte.

»Ehrlich gesagt ja. Er hatte die ganze Nacht Panik, du könntest jeden Augenblick hereinkommen und ihm vorwerfen, dass er deiner besten Freundin die Ehre raubt.«

Daraufhin musste ich laut lachen. Steph ebenfalls.

»Wo ist denn dein italienischer Lover überhaupt?«, fragte ich, während ich vor Lachen prustete.

»Josephine hat ihn Neuankömmlinge von der Akademie abholen geschickt. Ungefähr jetzt wird ein Flugzeug erwartet.«

»Ich traue ihr nicht. Da gehen viel zu viele Dinge vor sich, von denen wir nichts wissen.« Ich warf einen besorgten Blick in ihre und danach in Lincolns Richtung.

Als wir uns der Vulkaninsel Nea Kameni näherten, wurden die Segel gerefft und alle bewegten sich, um das, was auf den ersten Blick wie ein großer Hügel wirkte, besser zu sehen. Wenn man an einen Vulkan denkt, erwartet man etwas Dramatisches mit einem gigantischen Gipfel, aber das hier … Das hier war trostlos – aschgrau, schwarz und felsig. Die einzigen Anzeichen für Leben bestanden aus einem feinen Teppich aus rotem Moos, das aus der kargen Erde zu bluten schien. Ich schauderte bei dem Anblick, weil ich wusste, was für Geheimnisse darunterlagen, und musste das Bedürfnis unterdrücken, allen zuzubrüllen, dass sie diesen Ort sofort verlassen sollten.

Als ich an Lincoln vorbeikam, blieb ich stehen und zog eine Flasche Cola aus meiner Tasche, der ich im Hotel bereits ein paar extra Löffel Zucker zugesetzt hatte. Ginseng zu finden war eine größere Herausforderung, aber eine zuvorkommende Küchenhilfe hatte sich auf die Suche gemacht und war mit etwas zurückgekommen, das ungefähr genauso roch. Der sirupartige Kaffee am Morgen hatte Wunder gewirkt und ich hatte seitdem noch einmal eine Tasse von dem Gebräu zu mir genommen, deshalb fühlte ich mich schon etwas besser.

»Hier«, sagte ich und hielt ihm die Flasche hin.

»Nein, danke«, sage er und sah mich mit seltsamem Blick an. Lincoln trank normalerweise keine kohlesäurehaltigen Getränke.

Ich schob sie wieder auf ihn zu. »Das hilft.«

Er nahm die Flasche und musterte ihren Boden, wo sich ein Klumpen Zucker nicht aufgelöst hatte. »Was ist da drin?«

»Zucker und Ginseng.« Er warf mir unter seiner gerunzelten Stirn einen weiteren seltsamen Blick zu.

»Es hilft.«

»Wer hat dir das gesagt?«, fragte er und heftete neugierig seinen Blick auf mich.

Ich erstarrte und versuchte, meine Überraschung über diese Frage nicht preiszugeben.

»Kaitlin«, sagte ich nach winzigem Zögern.

Er betrachtete einen Moment lang die Flasche und nahm sie dann. »Danke«, sagte er.

Ich nickte und ging weiter, wobei ich seinen Blick mied. Ich hasste es, ihn anzulügen.

Als wir von Bord gingen sah ich, wie er einen Schluck von dem Getränk nahm. Es schmeckte ihm nicht, aber er nahm einen weiteren Schluck.

»Kannst du mir jemals verzeihen?«, fragte Morgan und überraschte mich damit von hinten. Ich hatte mich auf Lincoln konzentriert und darauf, mich an Land zurechtzufinden. Außerdem versuchte ich die Tatsache zu begreifen, dass wir nicht nur auf einem aktiven Vulkan standen, sondern auch … auf den feurigen Pforten der Hölle.

Wie kam es, dass sie im Paradies gelandet sind?

Ich drehte mich um und zog eine Augenbraue nach oben. »Dafür, dass du mich aufgebretzelt hast? Oder dafür, dass du wusstest, wohin du mich schickst, und es mir nicht gesagt hast?«

Sie brauchte tatsächlich einen Moment, um über die Frage nachzudenken. »Für den zweiten Teil.« Sie lächelte schuldbewusst. »Du musst zugeben, dass du heiß ausgesehen hast. Deshalb werde ich mich dafür nicht entschuldigen, aber es tut mir leid, dass ich es dir nicht gesagt habe.«

Ich zupfte an meiner ehemals schwarzen, inzwischen eher grauen Mütze. »Schon gut. Ich dachte mir schon, dass Josephine dir eine Art Maulkorb verpasst hat oder was auch immer. Versprich mir einfach, dass sie nicht noch mal so was für mich auf Lager hat.«

»Nicht dass ich wüsste …« Morgan ließ den Satz nachklingen.

Weiter vorne ging Josephine, flankiert von zwei ihrer Grigori, nicht weit hinter ihr kam Lincoln. Ich hatte schon fast damit gerechnet, dass sie heute Morgen etwas zu mir sagen würde, aber bisher hatte sie noch nicht einmal in meine Richtung geschaut.

»Was hat es eigentlich mit denen auf sich?«, fragte ich Morgan und deutete auf die anderen Ninjas. Sie hatten keinen von uns gegrüßt und waren Josephine nicht von der Seite gewichen.

»Das sind Hiro und Mia. Sie sind schon seit vier Jahren an der Akademie. Seit zwei Jahren arbeiten sie für Josephine. Sie sind die Chef-Wächter und nehmen ihre Position sehr ernst. Sei nicht gekränkt, wenn sie nie mit dir sprechen. Sie betrachten Sprechen als unnötige Ablenkung, es sei denn, Josephine befiehlt es ihnen.«

Ich beobachtete, wie sie hinter ihr her gingen. Josephine brauchte sie nicht mal zu sehen oder zu hören, um zu wissen, dass sie da waren – so zuverlässig, wie sie waren. Die Art und Weise, wie sie sich bewegten, wie sie ihre Körper zwischen Josephine und jeden relevanten Gegenstand und jede relevante Person in Stellung brachten, war unbestreitbar präzise und lautlos, aber absolut tödlich.

»Die gehen wohl nicht nach der Arbeit mal einen trinken oder so«, witzelte ich.

»Es gibt kein nach der Arbeit‹, Punkt.« Morgan witzelte nicht.

Ich nehme an, es gibt in allen Berufen Leute, die morgens als Erste kommen und abends als Letzte gehen. Unwillkürlich musste ich an Dad denken. Ich kramte in meiner Tasche und zog mein Handy heraus. Ich hatte mich bemüht, nicht an Zuhause zu denken, aber jetzt wollte ich es wissen: Hatte Dad mich schon abgeschrieben?

Ich schaltete das Handy ein, und als es endlich zum Leben erwachte, merkte ich frustriert, dass ich keinen Empfang hatte.

Noch ein Grund, von diesem Felsen herunterzukommen.

Josephine hatte die griechischen Behörden irgendwie dazu gebracht, den Zugang zur Vulkaninsel wegen seismischer Aktivitäten bis auf Weiteres zu unterbinden. Spence hatte sich beklagt, dass er den ganzen Tag an dem, was sie angefangen hatte, weiterarbeiten müsste, dass er mit den örtlichen Behörden reden und sie davon überzeugen müsste, dass das notwendig wäre. Erst dachte ich, er macht Witze, aber offensichtlich war er die beste Wahl, da er seine Blendungsfähigkeiten dazu einsetzen konnte, diese Rolle auszufüllen. Außerdem hatte ich den Verdacht, dass Lincoln die Idee gefiel, Spence und mich zu trennen.

Das dritte Paar von Josephines Ninjas ging vor uns her, die beiden hatten Notizbücher in der Hand. Sie unterhielten sich leise und gestikulierten viel. Ich wusste nicht, worauf sie da immer deuteten. Diese ganze von Lava verkohlte Insel schien gleich auszusehen – tot. Aber sie mussten mehr gesehen haben. Steph hatte es auch bemerkt und rückte jetzt nicht unbedingt unauffällig Zentimeter für Zentimeter näher an sie heran. Sie lauschte.

»Was ist mit ihnen?«, fragte ich Morgan und Zoe, die hinter uns gingen.

»Oh, sie sind Dirigenten«, antwortete Morgan.

»Dirigenten?« Wieder kam ich mir naiv vor, weil ich die ganzen Begriffe nicht kannte. Es war schon schwierig genug, Geschichtsstunden unterzubringen in dieser ganzen Kampfroutine mit den Verbannten, die mich die ganze Zeit umzubringen versuchten. Zum Glück schien es Morgan nichts auszumachen, es mir zu erklären.

»Du musst dir jeden Grigori als eine Art Instrument vorstellen. Keiner ist genau wie der andere. Wenn wir also zu einer Schlacht gegen Verbannte zusammenkommen, werden die Dirigenten hinzugerufen. Sie erforschen die Stärke von allen und überlegen, wie sie in verschiedenen Szenarien am besten eingesetzt werden können.«

Zoe kickte einen schwarzen Stein auf einen Haufen anderer großer schwarzer Steine. »Wie im Baseball. Feldspieler, Werfer, Schlagmann.« Sie warf mir ein großspuriges Lächeln zu. »Ich bin ein Schlagmann.«

Klar.

»Was bist du?«, fragte ich Morgan.

Sie zuckte mit den Schultern. »Das hängt eigentlich vom Kampf ab, aber meistens bin ich mit Max im Außenfeld«, sagte sie und setzte damit Zoes Vergleich fort. »Wir sind beide eine Art Schutzschild. Durch meine Kraft kann ich Impulse der Verwirrung aussenden. Wenn Leute über das Feld kommen, auf dem ich spiele, verlieren sie ihre Klarheit und gehen meistens wieder in die Richtung zurück, aus der sie gekommen sind. Max führt eine Art Blendung durch.«

»Wie Spence?«

»Gleiche Theorie, unterschiedliche Ergebnisse. Spence versieht sich selbst, Leute in seiner Nähe und kleine Hilfsobjekte mit Blendung. Max kann seine Blendung großflächig einsetzen. Sagen wir mal, es kommt dazu, dass wir in einer bewohnten Gegend gegen Verbannte kämpfen müssen – wenn Max mit der Gegend vertraut ist, kann er uns versteckt halten, damit Passanten die Umgebung so sehen, als wären wir nicht da.«

Ich nickte beeindruckt. Jetzt ergab es auch einen Sinn, dass Max immer auf jedes Detail achtete – er fertigte Pläne an.

»Und zusammen«, sagte Zoe und schloss Morgan in eine umfassende Handbewegung mit ein, »stellen sie eine richtig fiese Ablenkung dar. Morgan hält sie fern, und die, die es trotzdem schaffen, sehen nichts Ungewöhnliches.«

»Aber gibt es auch Leute, die Max’ Barriere durchbrechen und sehen, was tatsächlich passiert?«

»Das kann passieren – wenn nur sein Schild da ist. Aber an uns beiden kommt niemand vorbei«, antwortete Morgan auf eine Art und Weise, die keinen Raum für Zweifel ließ.

Ich fragte mich, wo sie mich einsetzen wollten.

»Wenn es nach Josephine geht, auf der Ersatzbank«, sagte Morgan und schlug dann die Hand vor den Mund. Mir wurde klar, dass ich es laut ausgesprochen haben musste.

»Was?«, fauchte Zoe und kam mir dadurch zuvor. »Violet ist verdammt noch mal unsere beste Spielerin!«

Morgan hob verteidigend die Hände. »Ich weiß von nichts, das schwöre ich.«

Zoe machte einen Schritt auf Morgan zu und sah absolut bedrohlich aus. »Heraus damit.«

Morgan wand sich unter ihrem funkelnden Blick und sprach schnell. »Ich habe mitbekommen, wie sie auf dem Boot mit den Dirigenten gesprochen hat. Sie sagte, sie will dafür sorgen, dass der Plan in keiner Weise von Violet abhängig wäre. Als sie sie davon überzeugen wollten, dass Violets Kräfte ausschlaggebend sein würden, wenn die anderen in der Überzahl wären, hat sie sie zum Schweigen gebracht. Ich konnte nicht hören, was sie zu ihnen sagte, aber was immer es war – es hat sie zum Schweigen gebracht, denn sie widersprachen ihr kein zweites Mal.«

Warum will sie nicht, dass ich mit ins Spiel komme? Glaubt sie etwa, ich werde mich einfach zurückhalten und meine Freunde für mich kämpfen lassen?

Vielleicht steckte auch etwas anderes dahinter. Vielleicht dachte sie, ich wäre bis dahin schon tot.

Haben sie darüber heute Morgen diskutiert?

Weiß Lincoln davon?

Schweigend ließ ich mich ein wenig hinter der Gruppe zurückfallen, um kurz nachzudenken. Ich hatte noch immer niemandem von meinem Zusammentreffen mit Phoenix erzählt oder von seiner Forderung – er hatte bereits, als er Steph entführte, bewiesen, dass er bereit war, die Leute um mich herum zu verletzen, um zu bekommen, was er wollte. Josephine hatte offensichtlich irgendwelche Hintergedanken. Wenn ich ihr erzählte, dass Phoenix mich heute Abend sehen wollte, und sie würde mich davon abhalten hinzugehen, würde jemand, den ich liebe, darunter zu leiden haben. Nein. Das Risiko war zu groß.

Die Dirigenten riefen Zoe zu sich und ich ging mit ihr – ich musste so viel wie möglich herausfinden. Obwohl sie nicht besonders an mir interessiert zu sein schienen, als ich mich näherte, wusste ich irgendwie, dass sie das nur vortäuschten. Ich musste ein zynisches Lächeln unterdrücken. Für diese Leute war alles nur ein Spiel.

Griffin war sich noch immer nicht ganz sicher, was man an der Akademie über mich wusste. Nach Jordanien hatte er darum gebeten – oder eher gefordert –, dass niemand über Phoenix’ Enthüllung reden sollte, bis wir mehr Informationen hätten. Natürlich wurde dadurch nicht verhindert, dass Theorien aufgestellt wurden.

Es war nicht gerade beruhigend, dass Griffin sich solche Sorgen darüber machte, was der Rat tun würde, wenn er es sicher wüsste. Offenbar würde man keinen roten Teppich für mich ausrollen.

Meine Anweisungen lauteten, mich nicht gegen Josephine aufzulehnen, und ich hatte mir fest vorgenommen, dies zu befolgen, aber dadurch, dass ich Phoenix’ höflich vorgebrachte Drohung gehört hatte, hatte sich die Sachlage geändert.

Lincoln ging mit Josephine vor uns über den Kiesweg, der sich um die Insel herum schlängelte. Er sah jetzt besser aus – er nickte, während sie sich leise unterhielten und auf verschiedene Teile des Vulkans zeigten. Er hatte im Umgang mit ihr beide Hände voll zu tun. Sie hatte ihn bereits beschuldigt, zu sehr in seiner »Verbindung« mit mir gefangen zu sein.

Außerdem hatte Phoenix gesagt, dass nur ich kommen sollte.

Phoenix würde vor nichts haltmachen. Er würde mich und alle, die ich liebte, verletzen. Das hatte er mit Lincoln gemacht, indem er Nahilius zurückgebracht hatte, und er hatte es mit Steph gemacht, als er sie entführte, und jetzt bedrohte er Dad.

Das wird nie ein Ende haben.

Es würde nichts nützen, es Lincoln zu erzählen. Er würde mich nicht davon abhalten können und außerdem würde dadurch alles für uns beide nur noch schwerer.

Ich musste den besten Weg finden, allen mitzuteilen, dass Phoenix und unzählige Verbannte bereits hier waren, ohne dabei zu verraten, dass ich ihn tatsächlich gesehen hatte.