Individuelle Freiheit und ihre Grenzen

Die sogenannten 68er und die ihnen folgenden Bewegungen haben den Wertekanon in den westlichen Gesellschafen verändert. Sie haben mehr individuelle Freiheit für alle erreicht: von der sexuellen Revolution über die Gleichberechtigung der Geschlechter bis zur Informalisierung von Kleidungskonventionen und Hochzeitsritualen. Sie haben soziale Kontrolle durch Nachbarschaft, Gemeinde, Familie oder Vorgesetzte zurückgedrängt. Sie haben Autoritäten und Institutionen in Frage gestellt und verändert.

Die Sterbe- und Trauerkulturen pluralisieren sich – und die Frage nach den Grenzen der Freiheit provoziert Konflikte.

Viele sehen die Einzigartigkeit des Todes heute auch als individuelle Gestaltungsaufgabe. Erste Ansätze für neue, individualisierte Formen im Umgang mit dem Tod machen sich in alternativen Bestattungsformen bemerkbar: Asche wird zu Diamanten gepresst (im Ausland!), in die Lüfte oder ins Meer gestreut, an einem Baum vergraben oder in einer Urne zu Hause aufbewahrt. Noch vor zehn Jahren gab es in Deutschland kaum Flächen, die der Naturbestattung gewidmet waren. Die Idee stammt aus der Schweiz, und vor wenigen Jahren wurde nach langen Verhandlungen auch in Deutschland der erste Bestattungswald, dessen Betrieb durch eine Friedhofssatzung geregelt ist, eröffnet.

Für manche ist eine solche Form der Bestattung auch eine praktische Frage: Wenn man nicht weiß, wohin es die eigenen Kinder nach der Ausbildung ziehen wird, stellt sich die Frage, wer die Grabstätten pflegen soll. Inzwischen verfügt das Unternehmen Friedwald über mehr als 30 Standorte, weitere Betreiber sind hinzugekommen. Auch viele Kommunen bemühen sich, kleine Waldgebietet für Bestattungen zu öffnen. Nach wie vor handelt es sich um eine Nische: Rund 4 000 Menschen wurden 2009 in Friedwäldern bestattet – in ganz Deutschland starben im gleichen Jahr rund 840 000 Menschen.

Mit den »Gärten der Bestattung« am Stadtrand von Bergisch Gladbach, dem bundesweit ersten und bisher einzigen Friedhof auf privatem Grund, schloss ich vor einigen Jahren eine immer wieder schmerzhaft empfundene Lücke. Bis dahin gab es keine Möglichkeit, Grab und Begräbnis frei von behördlich verordneten Regeln, ganz nach den persönlichen Bedürfnissen, zu gestalten. Eine Gesetzesänderung in Nordrhein-Westfalen machte dies möglich. In den »Gärten der Bestattung« können Begräbnis und Grabstätte nach privaten und persönlichen Vorstellungen gestaltet werden – zu jeder Zeit. Es gibt kein Eingangstor und keine Öffnungszeiten. Wer hierherkommt, wird so wenig Restriktionen wie möglich vorfinden, dafür aber ein Maximum an Möglichkeiten.

Das Verhältnis zwischen »neuen« und alten Formen der Bestattung zeigt, dass wir noch am Anfang dieser Entwicklung stehen. Noch sind viele Widerstände zu überwinden, und vielen fehlt – gerade in der kurzen Zeit, die in der Regel zwischen Tod und Bestattung gegeben ist – der Mut, sich über vorgebliche Zwänge und Konventionen hinwegzusetzen. Weil wir uns nicht frühzeitig darauf vorbereiten, uns keine Gedanken darüber machen, greifen wir eben doch zu den überkommenen Ritualen.

Das letzte Hemd ist bunt: Die neue Freiheit in der Sterbekultur
titlepage.xhtml
CR!BQJMVNDYB90BDFXTJYV2TPG5W2DY_split_000.html
CR!BQJMVNDYB90BDFXTJYV2TPG5W2DY_split_001.html
CR!BQJMVNDYB90BDFXTJYV2TPG5W2DY_split_002.html
CR!BQJMVNDYB90BDFXTJYV2TPG5W2DY_split_003.html
CR!BQJMVNDYB90BDFXTJYV2TPG5W2DY_split_004.html
CR!BQJMVNDYB90BDFXTJYV2TPG5W2DY_split_005.html
CR!BQJMVNDYB90BDFXTJYV2TPG5W2DY_split_006.html
CR!BQJMVNDYB90BDFXTJYV2TPG5W2DY_split_007.html
CR!BQJMVNDYB90BDFXTJYV2TPG5W2DY_split_008.html
CR!BQJMVNDYB90BDFXTJYV2TPG5W2DY_split_009.html
CR!BQJMVNDYB90BDFXTJYV2TPG5W2DY_split_010.html
CR!BQJMVNDYB90BDFXTJYV2TPG5W2DY_split_011.html
CR!BQJMVNDYB90BDFXTJYV2TPG5W2DY_split_012.html
CR!BQJMVNDYB90BDFXTJYV2TPG5W2DY_split_013.html
CR!BQJMVNDYB90BDFXTJYV2TPG5W2DY_split_014.html
CR!BQJMVNDYB90BDFXTJYV2TPG5W2DY_split_015.html
CR!BQJMVNDYB90BDFXTJYV2TPG5W2DY_split_016.html
CR!BQJMVNDYB90BDFXTJYV2TPG5W2DY_split_017.html
CR!BQJMVNDYB90BDFXTJYV2TPG5W2DY_split_018.html
CR!BQJMVNDYB90BDFXTJYV2TPG5W2DY_split_019.html
CR!BQJMVNDYB90BDFXTJYV2TPG5W2DY_split_020.html
CR!BQJMVNDYB90BDFXTJYV2TPG5W2DY_split_021.html
CR!BQJMVNDYB90BDFXTJYV2TPG5W2DY_split_022.html
CR!BQJMVNDYB90BDFXTJYV2TPG5W2DY_split_023.html
CR!BQJMVNDYB90BDFXTJYV2TPG5W2DY_split_024.html
CR!BQJMVNDYB90BDFXTJYV2TPG5W2DY_split_025.html
CR!BQJMVNDYB90BDFXTJYV2TPG5W2DY_split_026.html
CR!BQJMVNDYB90BDFXTJYV2TPG5W2DY_split_027.html
CR!BQJMVNDYB90BDFXTJYV2TPG5W2DY_split_028.html
CR!BQJMVNDYB90BDFXTJYV2TPG5W2DY_split_029.html
CR!BQJMVNDYB90BDFXTJYV2TPG5W2DY_split_030.html
CR!BQJMVNDYB90BDFXTJYV2TPG5W2DY_split_031.html
CR!BQJMVNDYB90BDFXTJYV2TPG5W2DY_split_032.html
CR!BQJMVNDYB90BDFXTJYV2TPG5W2DY_split_033.html
CR!BQJMVNDYB90BDFXTJYV2TPG5W2DY_split_034.html
CR!BQJMVNDYB90BDFXTJYV2TPG5W2DY_split_035.html
CR!BQJMVNDYB90BDFXTJYV2TPG5W2DY_split_036.html
CR!BQJMVNDYB90BDFXTJYV2TPG5W2DY_split_037.html
CR!BQJMVNDYB90BDFXTJYV2TPG5W2DY_split_038.html
CR!BQJMVNDYB90BDFXTJYV2TPG5W2DY_split_039.html
CR!BQJMVNDYB90BDFXTJYV2TPG5W2DY_split_040.html
CR!BQJMVNDYB90BDFXTJYV2TPG5W2DY_split_041.html
CR!BQJMVNDYB90BDFXTJYV2TPG5W2DY_split_042.html
CR!BQJMVNDYB90BDFXTJYV2TPG5W2DY_split_043.html
CR!BQJMVNDYB90BDFXTJYV2TPG5W2DY_split_044.html
CR!BQJMVNDYB90BDFXTJYV2TPG5W2DY_split_045.html
CR!BQJMVNDYB90BDFXTJYV2TPG5W2DY_split_046.html
CR!BQJMVNDYB90BDFXTJYV2TPG5W2DY_split_047.html
CR!BQJMVNDYB90BDFXTJYV2TPG5W2DY_split_048.html
CR!BQJMVNDYB90BDFXTJYV2TPG5W2DY_split_049.html
CR!BQJMVNDYB90BDFXTJYV2TPG5W2DY_split_050.html
CR!BQJMVNDYB90BDFXTJYV2TPG5W2DY_split_051.html
CR!BQJMVNDYB90BDFXTJYV2TPG5W2DY_split_052.html
CR!BQJMVNDYB90BDFXTJYV2TPG5W2DY_split_053.html
CR!BQJMVNDYB90BDFXTJYV2TPG5W2DY_split_054.html
CR!BQJMVNDYB90BDFXTJYV2TPG5W2DY_split_055.html
CR!BQJMVNDYB90BDFXTJYV2TPG5W2DY_split_056.html
CR!BQJMVNDYB90BDFXTJYV2TPG5W2DY_split_057.html
CR!BQJMVNDYB90BDFXTJYV2TPG5W2DY_split_058.html
CR!BQJMVNDYB90BDFXTJYV2TPG5W2DY_split_059.html
CR!BQJMVNDYB90BDFXTJYV2TPG5W2DY_split_060.html
CR!BQJMVNDYB90BDFXTJYV2TPG5W2DY_split_061.html
CR!BQJMVNDYB90BDFXTJYV2TPG5W2DY_split_062.html
CR!BQJMVNDYB90BDFXTJYV2TPG5W2DY_split_063.html
CR!BQJMVNDYB90BDFXTJYV2TPG5W2DY_split_064.html
CR!BQJMVNDYB90BDFXTJYV2TPG5W2DY_split_065.html
CR!BQJMVNDYB90BDFXTJYV2TPG5W2DY_split_066.html
CR!BQJMVNDYB90BDFXTJYV2TPG5W2DY_split_067.html
CR!BQJMVNDYB90BDFXTJYV2TPG5W2DY_split_068.html
CR!BQJMVNDYB90BDFXTJYV2TPG5W2DY_split_069.html
CR!BQJMVNDYB90BDFXTJYV2TPG5W2DY_split_070.html
CR!BQJMVNDYB90BDFXTJYV2TPG5W2DY_split_071.html
CR!BQJMVNDYB90BDFXTJYV2TPG5W2DY_split_072.html
CR!BQJMVNDYB90BDFXTJYV2TPG5W2DY_split_073.html
CR!BQJMVNDYB90BDFXTJYV2TPG5W2DY_split_074.html
CR!BQJMVNDYB90BDFXTJYV2TPG5W2DY_split_075.html
CR!BQJMVNDYB90BDFXTJYV2TPG5W2DY_split_076.html
CR!BQJMVNDYB90BDFXTJYV2TPG5W2DY_split_077.html
CR!BQJMVNDYB90BDFXTJYV2TPG5W2DY_split_078.html
CR!BQJMVNDYB90BDFXTJYV2TPG5W2DY_split_079.html
CR!BQJMVNDYB90BDFXTJYV2TPG5W2DY_split_080.html
CR!BQJMVNDYB90BDFXTJYV2TPG5W2DY_split_081.html
CR!BQJMVNDYB90BDFXTJYV2TPG5W2DY_split_082.html
CR!BQJMVNDYB90BDFXTJYV2TPG5W2DY_split_083.html
CR!BQJMVNDYB90BDFXTJYV2TPG5W2DY_split_084.html
CR!BQJMVNDYB90BDFXTJYV2TPG5W2DY_split_085.html
CR!BQJMVNDYB90BDFXTJYV2TPG5W2DY_split_086.html
CR!BQJMVNDYB90BDFXTJYV2TPG5W2DY_split_087.html
CR!BQJMVNDYB90BDFXTJYV2TPG5W2DY_split_088.html
CR!BQJMVNDYB90BDFXTJYV2TPG5W2DY_split_089.html
CR!BQJMVNDYB90BDFXTJYV2TPG5W2DY_split_090.html
CR!BQJMVNDYB90BDFXTJYV2TPG5W2DY_split_091.html
CR!BQJMVNDYB90BDFXTJYV2TPG5W2DY_split_092.html
CR!BQJMVNDYB90BDFXTJYV2TPG5W2DY_split_093.html
CR!BQJMVNDYB90BDFXTJYV2TPG5W2DY_split_094.html
CR!BQJMVNDYB90BDFXTJYV2TPG5W2DY_split_095.html
CR!BQJMVNDYB90BDFXTJYV2TPG5W2DY_split_096.html
CR!BQJMVNDYB90BDFXTJYV2TPG5W2DY_split_097.html
CR!BQJMVNDYB90BDFXTJYV2TPG5W2DY_split_098.html