21

»Und, wie gefällt dir mein neues Zuhause?«, fragte Theo. »Bist du sprachlos, weil es so großartig ist?«

Beth kicherte. Sie hatte heute Abend im Bear ein bisschen zu viel getrunken, und Theo hatte sie überredet, mit ihm hierherzukommen.

Er scherzte über die Größe. Es waren nur zwei Zimmer über einem Stall, ganz ähnlich wie die beiden, in denen sie mit Sam am Falkner Square gewohnt hatte. Die Ausstattung war allerdings viel hübscher – dicke Vorhänge, ein heller Teppich auf dem Boden und ein altes Brokatsofa, das in ein Herrenhaus gepasst hätte. Aber wirklich schön war die Wärme, die aus einem dicken emaillierten Ofen kam, der mitten im Wohnzimmer stand. Draußen auf der Straße lag der Schnee fast einen Meter hoch, und Beth hatte erwartet, dass es hier drin genauso kalt sein würde.

»Ich bin beeindruckt darüber, wie warm und aufgeräumt es hier ist«, sagte sie und sprach langsam, um nicht zu lallen.

»Das ist nicht mein Verdienst«, erwiderte Theo und öffnete die Ofentür, um noch eine Schaufel Kohlen nachzulegen. »Ich habe ein Zimmermädchen. Also, eigentlich arbeitet sie für die Leute, von denen ich die Wohnung gemietet habe, aber ich habe ihr ein paar Silberdollar gegeben, und jetzt kümmert sie sich auch um mich. Sie ist alt und hässlich wie die Nacht, aber ich weiß es zu schätzen, wie gemütlich sie es mir macht.«

Beth lächelte. Theo würde immer eine Frau finden, die ihn von vorne bis hinten bediente. Pearl hatte nicht gewollt, dass er auszog, denn er hatte sie mit seinem Charme genauso eingewickelt wie vorher Miss Marchment und Miss Doughty.

»Das reicht, um das Feuer die Nacht über brennen zu lassen«, sagte Theo und schloss die Ofentür wieder.

Es war jetzt Anfang März, aber schon als die Kirchenglocken an Silvester geläutet hatten, um das Jahr 1896 willkommen zu heißen, und sie erst ein paar Tage in Philadelphia gewesen war, hatte Beth gewusst, dass sie hier glücklich sein würde.

Pearls vornehmem Kolonialzeit-Haus an der Spruce Street sah man von außen nicht an, was hinter der glänzenden, schwarz gestrichenen Tür vor sich ging, doch ganz in der Nähe in der Camac Street und in den vielen kleinen Gassen, die davon abgingen, gab es jede Menge Bordelle, Spielsalons und Saloons. Die anständigen Leute beklagten die Kriminalität und den Lärm, aber für Beth und die Männer war die ganze Gegend eine ungewöhnlich bunte und fröhliche Exklave von Freigeistern, die nicht an die strengen gesellschaftlichen Moralvorstellungen gebunden waren, die sonst überall in der Stadt herrschten.

Der Bear lag zwischen Pearls Straße und der Camac Street. Obwohl die meisten Gäste hart arbeitende Handwerker aus der Gegend waren, zogen die vielen Künstler, Musiker, Tänzerinnen und Schauspielerinnen, die ebenfalls häufig kamen, auch viele Leute aus der Mittel- und Oberschicht an, die gerne an Orten gesehen wurden, die als nicht ganz salonfähig galten.

Beth merkte bald, dass die meisten Männer, die an Freitagabenden zu Pearl oder in die anderen Bordelle kamen, Geschäftsleute und Industriebosse waren. Sie hatte auch von Damen aus der Oberschicht gehört, die ihre Diener schickten, um ihnen in den Spelunken am Kai Opium zu besorgen. Selbst Ma Connelly, die winzige Irin, die bei ungewollten Schwangerschaften half, behauptete, dass sie mehr Kundinnen aus der Oberschicht habe als Huren oder Dienstmädchen.

Philadelphia bedeutete »Die Stadt der brüderlichen Liebe«, und es war ganz sicher ein freundlicherer Ort als New York, denn hier fehlte das Bedrohliche und Gefährliche, das sie dort oft wahrgenommen hatte. Es mochte genauso viel Armut geben, vor allem unter den Schwarzen und den Iren, aber alles in allem schienen sich die Einwanderer hier besser eingelebt zu haben, und die verschiedenen Nationalitäten waren besser integriert.

Es war schrecklich kalt gewesen. An ihrem neunzehnten Geburtstag im Februar hatte es einen Schneesturm mit meterhohen Schneewehen gegeben. Aber in Pearls Küche war es immer warm, und »der Bär« lag nur ein paar Straßen entfernt. Wenn sie abends spät nach Hause kam, wärmte immer ein heißer Backstein ihr Bett, und wenn sie morgens aufwachte, roch es nach gebratenem Schinken oder Pfannkuchen.

An den Abenden, an denen sie nicht Geige spielte, arbeitete sie trotzdem im Saloon, servierte Getränke und sammelte Gläser ein, und sie hörte den anderen Musikern und Sängern zu. Sie hatte auch viele Freunde gefunden, sowohl unter den Gästen als auch beim Personal.

Frank Jasper stand in dem Ruf, starrköpfig und rücksichtslos zu sein, aber Beth fand ihn jovial und fair. Das ganze Geld, das die Gäste für die Musiker in den Hut warfen, wurde gerecht unter allen aufgeteilt, und er nahm sich keinen Anteil davon. Aber er liebte die Musik ja auch wirklich und war stolz darauf, neue Talente zu finden und zu fördern. Manchmal ließ er Beth andere Musiker nur begleiten, an anderen Abenden war sie der Star, aber ob sie nun spielte oder nur im Publikum stand und zusah und zuhörte, sie lernte ständig, und sie spürte, dass das Mr Jaspers Absicht war.

Frank Jasper war ein großer Verehrer des Italieners Paganini und des Spaniers Pablo Sarasate, beides großartige Geiger, und er hatte das Glück gehabt, Sarasate bei einem Konzert in New York spielen zu hören. Miss Clarkson hatte Beth von diesen beiden Männern erzählt und sie mit zu einem Konzert genommen, wo das Orchester deren Musik spielte, deshalb konnte sie Mr Jaspers Begeisterung verstehen. Theo hatte gesagt, er würde sie hier in Philadelphia mit zu Konzerten nehmen, um ihr Wissen über andere Musiker zu erweitern.

Heimweh nach England gehörte der Vergangenheit an. Beth schrieb den Langworthys noch genauso regelmäßig und freute sich sehr auf ihre Briefe mit Neuigkeiten über Molly, aber sie sehnte sich nicht mehr nach Hause zurück.

Es war das Leben bei Pearl, das ihre Sichtweise am meisten verändert hatte. Es war schwer, das, was im Haus passierte, zu missbilligen, wenn sie so viel Gelächter und Fröhlichkeit aus den oberen Zimmern hörte. Sie kannte jetzt alle Mädchen, und keines von ihnen war eine unglückselige Kreatur, die zu ihrem Beruf gezwungen wurde. Sie hatten ihn selbst gewählt. Einige wollten einfach leichtes Geld verdienen, andere suchten das Abenteuer, und Missy hatte Beth gestanden, dass sie Sex liebte und keinen Grund sah, warum sie sich dafür nicht bezahlen lassen sollte.

In Pearls gesamtem Haus herrschte eine verführerische Atmosphäre, zusammengesetzt aus dem Duft der Mädchen, dem Zigarettenqualm und dem Klimpern des Klaviers im Salon. Selbst die Waschküche neben Beths Zimmer war immer mit knapper Seiden- und Spitzenunterwäsche geschmückt. Spät in der Nacht, wenn sie das Geräusch von quietschenden Bettfedern hörte, sehnte Beth sich danach, mit Theo im Bett zu liegen und die Freuden zu entdecken, von denen die Mädchen ihr erzählt hatten.

Sie liebte ihn, und sie war sich ziemlich sicher, dass sie ihm auch etwas bedeutete, denn warum sonst würde er jeden Abend kommen und sie nach Hause begleiten, sie zum Essen ausführen oder ihr kleine Geschenke wie Schokolade, Blumen oder Haarschmuck machen? Pearl hatte betont, dass heißblütige Männer Sex brauchten und dass sie woanders hingingen, wenn sie ihn nicht mit der Frau haben konnten, die sie liebten. Sie sagte, nur ein Narr würde etwas anderes glauben. Und Pearl musste es wissen: Jeden Abend stand eine lange Schlange verheirateter oder verlobter Männer vor ihrer Tür.

Beth glaubte, dass Theo vielleicht nicht mehr so oft fort sein und offener über alles mit ihr sprechen würde, wenn diese Hürde erst einmal genommen war. Die Ehe war nicht mehr so wichtig für sie wie früher. Sie wollte nur, dass er ihr sagte, dass sie sein Mädchen war und dass er sie in seine Pläne einschloss.

Beth setzte sich auf das Sofa, während Theo ihr ein Glas Wein eingoss. »Ist dir warm genug?«, fragte er und reichte es ihr.

»Ja, danke«, erwiderte sie, plötzlich nervös. Sie liebte seine Küsse und von ihm gehalten und gestreichelt zu werden, aber sie wusste nicht wirklich, was danach kam, ob Theo sie ausziehen würde oder ob sie das selbst tun musste. Würde er ihr wehtun? Und würde er wissen, wie er dafür sorgen konnte, dass sie nicht schwanger wurde?

Beth hatte sich bei Pearl genau erkundigt, wie Frauen sich schützen konnten. Es gab Spülungen und winzige Schwämme, die sie sich angesehen hatte, und im Prinzip wusste sie, wie sie funktionierten. Aber das war alles Theorie. Pearl hatte gesagt, dass sie eine Gummihülle für die Männer empfehlen würde, aber sie hatte hinzugefügt, dass die meisten Männer sie nicht gerne benutzten.

Theo setzte sich neben sie und sah sie an, während sie einen großen Schluck Wein trank. »Was geht in deinem hübschen Kopf vor?«, fragte er.

»Nur dass es ein großer Schritt ist, mit dir hierherzukommen«, erwiderte sie.

Er sah sie zärtlich an, dann nahm er ihr das Glas ab und legte die Arme um sie. »Ich werde dir nicht wehtun«, sagte er leise. »Ich will dir nur die Freuden der körperlichen Liebe zeigen.«

Dann küsste er sie, und seine Zungenspitze strich auf eine Weise zwischen ihre Lippen, bei der ihr Bauch sich anspannte und ihre Brustwarzen hart wurden. In der Vergangenheit hatten solche Küsse immer nachts draußen in der Kälte auf dem Weg nach Hause stattgefunden oder im Flur in Pearls Keller, wenn Jack und Sam jederzeit kommen konnten, sodass Beth immer angespannt gewesen war.

Aber jetzt war ihr warm, und niemand würde sie stören, und so ergab sie sich willig den berauschenden Gefühlen, schmiegte sich an seinen Körper und ließ ihre Befürchtungen davonschwimmen.

»Hmm«, seufzte er und strich mit einem Finger über ihre Wange, ihren Hals und in das Tal zwischen ihren Brüsten. »Darauf habe ich so lange gewartet.«

Mit nur einem Finger schob er sanft das Mieder ihres Kleides und das Spitzenhemdchen darunter zurück und holte ihre rechte Brust heraus, während er ihr in die Augen sah, das Gesicht dicht vor ihrem. Sein Finger berührte ihre aufgerichtete Brustwarze, und er lächelte, bevor er den Kopf senkte und seine Lippen darum schloss.

Beth keuchte unwillkürlich auf, denn sie hatte noch niemals etwas so Wundervolles empfunden wie sein Saugen, Lecken und Beißen. Schamlos hielt sie seinen Kopf fest und bog ihm ihren Körper entgegen, während sie herrliche Schauer durchliefen.

Er hatte jetzt beide Brüste entblößt und wandte sich von einer zur anderen, küsste und streichelte sie und saugte daran, und der verzückte Ausdruck auf seinem Gesicht steigerte ihre Lust noch weiter.

»Zu viel Stoff«, murmelte er. »Ich will deinen Körper sehen und dich überall küssen.«

Ihr Kleid hatte winzige Knöpfe, die über den ganzen Rücken verliefen. Er setzte sie vor sich, seine linke Hand streichelte weiter ihre Brustspitzen, während er die Knöpfe öffnete, und er küsste ihren Hals und ihre Schultern, während er sie langsam auszog. Schnürbänder wurden aufgezogen, ihr Mieder landete auf dem Boden, und plötzlich saß sie mit nacktem Oberkörper da, während ihr Kleid und ihr Petticoat sich um ihre Hüfte bauschten.

Er ging vor ihr in die Knie, zog die Nadeln und den Federschmuck aus ihrem Haar und fuhr mit den Fingern durch ihre Locken, küsste sie lange und wild. Beth konnte spüren, wie sie zwischen ihren Schenkeln feucht und heiß wurde, und sie erwiderte seinen Kuss leidenschaftlich, wollte noch mehr.

Theo stand auf und zog sie mit sich. Er küsste sie, während er ihr das Kleid, den Petticoat und die Unterhose über die Hüften schob. Dann beugte er sich vor und nahm erneut ihre Brustwarze in den Mund, seine Hand glitt über ihre Beine, und er drang mit einem Finger in sie ein.

Beth war jetzt völlig egal, dass sie einem Mann solche Freiheiten erlaubte. Ihr Herz raste, ihr Atem kam stoßweise, und sie bewegte sich schamlos gegen seinen Finger und hauchte stöhnend, wie sehr ihr das gefiele.

Er hatte irgendwann sein Jackett und seine Fliege ausgezogen – sie erinnerte sich, dass sie selbst ihm das Hemd aus der Hose gezerrt hatte, um seinen Rücken und seine Brust berühren zu können –, aber unternahm keinen Versuch, sich seiner Hose zu entledigen. Sie konnte seine Erektion hart an ihrem Bein spüren, doch es war, als würde er sein eigenes Verlangen zurückstellen, um sie zu befriedigen.

Erst sehr, sehr viel später trug er sie in das Schlafzimmer nebenan, und erst da zog er sich auch die übrigen Sachen aus. Die Laken fühlten sich kalt und steif an ihrer heißen Haut an, und er kniete einen Moment neben ihr und legte ihre Hand auf seinen harten Schaft. Er wirkte riesig, und das Wissen, dass er damit gleich in sie eindringen würde, machte ihr für einen Moment Angst.

Er musste das gespürt haben, denn er legte sich neben sie und küsste sie. »Wir müssen nicht weitergehen, wenn du noch nicht bereit bist«, flüsterte er.

Aber die Hitze seines Körpers und die Finger, die sie streichelten und reizten, bannten ihre Angst, und als er sie erneut küsste, öffnete Beth willig die Beine und bog sich ihm entgegen, um ihn zu empfangen.

Pearl hatte Beth gesagt, dass ein Mann sich aus einer Frau zurückzog, bevor er seinen Samen verströmte, wenn sie ihm wirklich etwas bedeutete. Theo hatte das getan. Während Beth vorsichtig die klebrige Substanz auf ihrem Bauch berührte, dachte sie, dass er ihr damit genau die Sicherheit gegeben hatte, die sie brauchte.

Es hatte ein bisschen wehgetan, und sie war etwas wund, aber das spielte keine Rolle. Theo hatte ihr den Himmel gezeigt, und das konnte er doch sicher nicht tun, wenn er sie nicht genauso liebte wie sie ihn.

Beth drehte sich auf dem Bett um und betrachtete den schlafenden Theo, während sie ihre Stiefel und ihren Mantel zuknöpfte. Es dämmerte schon, und das schwache Licht reichte aus, um den dunklen Schatten auf seinen Wangen zu sehen und seine weichen Lippen. Sie hätte sich vielleicht schämen müssen, weil sie sich ihm so schamlos hingegeben hatte, aber das tat sie nicht, sie empfand nur Glück. Aber sie war dennoch entschlossen, zu gehen und zu Pearls Haus zurückzukehren, bevor jemand herausfand, dass sie die ganze Nacht weg gewesen war. Sie war nicht mutig genug, zu ihrer Sittenlosigkeit zu stehen.

Sie beugte sich vor, küsste Theo auf die Wange und atmete seinen berauschenden, männlichen Duft ein, doch er rührte sich nicht. Dann schlich sie aus dem Zimmer und schloss die Tür leise hinter sich.

Es war nasskalt auf der Straße, und Eis lag auf den Stellen, wo der Schnee weggeschoben oder festgetreten war. Sie blieb an der Tür stehen, um ihre Gummigaloschen über ihre Stiefel zu ziehen und sich die Handschuhe überzustreifen, dann ging sie mit federnden Schritten davon.

»Wach auf, Beth!«

Beth öffnete ein Auge und sah Sam mit einer brennenden Kerze in der Hand im Zimmer stehen. »Wie viel Uhr ist es?«, fragte sie.

»Es ist mitten in der Nacht, aber wir müssen gehen.«

Es war sein Tonfall, der sie hochschrecken ließ, nicht seine Worte. Er klang panisch.

»Gehen? Warum?«

»Beim Kartenspielen heute Abend ist etwas passiert«, sagte er. »Es dauert zu lange, es dir jetzt zu erklären, aber ich bin in großen Schwierigkeiten, und wir müssen sofort weg von hier.«

Es war September, sie waren seit neun Monaten in Philadelphia, und es war die glücklichste Zeit gewesen, die Beth jemals erlebt hatte. Sie hatte sich so sicher gefühlt, mit Theo, ihrem Erfolg als Musikerin und ihrem Zimmer bei Pearl. Sie konnte nicht glauben, dass Sam etwas getan hatte, das alles zerstörte.

»Du sagst mir sofort, was du gemacht hast«, befahl sie ihm. »Ich gehe nirgendwohin, bis ich es weiß.«

»Ein Mann ist tot, das ist alles, was du im Moment wissen musst«, sagte er atemlos.

Das Gesicht ihres Bruders lag im Schatten, denn er hatte die Kerze abgestellt, aber sie spürte seine Scham und seinen Schmerz.

»Beim Pokerspiel heute Abend?«, fragte sie.

»Ja. Einer der Männer behauptete, Theo hätte falsch gespielt, und zog ein Messer. Ich habe versucht, ihn von Theo fernzuhalten, und plötzlich hatte ich das Messer in der Hand. Gott ist mein Zeuge, ich wollte ihn nicht umbringen.« Er brach ab und vergrub sein Gesicht in den Händen.

Beth wusste jetzt genug und sprang aus dem Bett. »Wo ist Theo jetzt?«

»In seiner Wohnung, um zu packen. Er kommt mit der Droschke und holt uns ab.«

»Dreh dich um, während ich mich anziehe«, wies Beth ihn an und zog sich das Nachthemd aus. Ihr war ganz schlecht vor Angst, und sie wollte mit alldem nichts zu tun haben, aber die beiden waren die wichtigsten Menschen in ihrem Leben, und sie musste sie unterstützen. »Will Theo, dass ich mitkomme?«, fragte sie, während sie mit ihrem Petticoat kämpfte.

»Wir können dich nicht hierlassen, um das alles auszubaden«, sagte er schwach. »Jack kommt auch mit.«

»Jack hängt da auch mit drin?« Beths Stimme ging eine Oktave höher.

»Er hat uns nur geholfen zu entkommen.«

Tränen brannten in Beths Augen, und sie konnte ihr Mieder kaum schließen, weil ihre Finger so heftig zitterten. »Was ist mit Pearl und Frank?«

»Wir waren nicht in Franks Laden, wir kriegen also keinen Ärger mit ihm. Ich wünschte, wir könnten es Pearl erzählen und sie vorbereiten, aber das können wir nicht, Beth. Wir müssen sofort weg von hier.«

Jack erschien im Zimmer, als Beth gerade fertig angezogen war. Er trug Sams und seine eigene Tasche. Ohne ein Wort stellte er beide ab und fing an, Beths Kleider auf das Bett zu legen und zusammenzurollen, um sie in ihrer Reisetasche zu verstauen.

»Dann müssen wir uns hier wegschleichen wie Diebe in der Nacht?«, fragte Beth. »Kein Wort des Dankes dafür, was Pearl für uns getan hat?«

»Wir schreiben ihr und entschuldigen uns«, sagte Sam, während er noch schnell mehr von Beths Sachen aufhob und sie in die Tasche stopfte. »Es tut mir so leid, Schwesterchen.«

Weniger als zehn Minuten später liefen sie mit ihren Taschen und Beth mit ihrem Geigenkasten draußen auf der dunklen Straße zur nächsten Ecke, wo die Droschke auf sie warten sollte.

Sie war bereits da. Das Pferd scharrte mit den Hufen, als sie sich näherten, und Theo sprang heraus.

»Es tut mir so leid, Beth«, sagte er, als er ihr hineinhalf. »Ich mache es irgendwie wieder gut.«

»Wohin fahren wir?«, fragte Beth, als die Kutsche sich in Bewegung setzte.

»Wohin der erste Zug uns bringt«, erwiderte Theo.