Kapitel Fünfunddreißig
Eine halbe Stunde später meldete Dakota sich wieder auf der Brücke. Sie schaute in die grimmigen, besorgten Gesichter der Anwesenden und dachte beklommen, wie wenige von der ursprünglichen Crew noch am Leben waren.
Fünf Personen gegen ein ganzes Imperium – das war keine günstige Ausgangsbasis.
Dan Perez verpasste allen Spritzen mit einem Aufputschmittel. Dakota kam als Letzte an die Reihe. »Stärkt die Nerven«, erklärte er und versuchte zu lächeln, als er den Injektor gegen ihre Haut drückte.
Corso saß an einer Konsole; neben ihm stand Martinez, die Arme über der Brust verschränkt.
»Nun denn«, begann Corso, beugte sich ein wenig vor und stützte die Ellenbogen auf den Knien ab. »Whitecloud ist tot, der Händler hat unser Schiff verlassen und dabei verheerende Schäden angerichtet, obendrein nahm er den Mos Hadroch mit. Dakota berichtet, dass wir ein Drittel der Meridianischen Drohnen verloren haben, als er den Hangar sprengte.« Er zuckte die Achseln und schnitt eine Grimasse. »Aber es hätte auch noch schlimmer kommen können, nicht wahr?«
Dakota lächelte matt.
»Das sollte kein Witz sein«, beteuerte Corso. »Wenigstens sind wir alle am Leben. Es hätte nicht viel gefehlt, und es wäre zum Bruch einer unserer Plasmaleitungen gekommen. Und wenn das passiert wäre, wären wir jetzt nicht hier. Die meisten der kritischen Systeme blieben intakt, obwohl der Haupthangar größtenteils verlorenging. Der Sprungantrieb funktioniert immer noch. Sicher, ein erheblicher Teil der sekundären Fusionssysteme ist dahin, aber es arbeiten immer noch ausreichend Reaktoren, so dass wir den Verlust vermutlich ausgleichen können. Das Manövrieren innerhalb unseres Zielsystems wird verdammt schwierig werden, aber es ist zu schaffen.«
Martinez seufzte und schüttelte den Kopf. »Lucas, wir haben überhaupt keinen Grund mehr, uns hier aufzuhalten. Als der Hangar vom Schiff abgetrennt wurde, riss er höchstwahrscheinlich alle unsere Landungsschiffe mit. Das Vernünftigste, was wir jetzt tun können, ist umzukehren.«
»Mindestens zwei der Landungsschiffe reagieren auf Anfragen der Bordsysteme«, warf Lamoureaux ein. »Ich habe schon ein paar Spinnen losgeschickt, um sich die Sache mal anzusehen. Ich schätze, man kann die Schiffe wieder hinkriegen, aber mit Sicherheit weiß ich das erst, nachdem wir sie gecheckt haben.«
»Selbstverständlich fliegen wir weiter«, unterbrach Dakota ihn. »Wir werden den Händler bis zum Zielpunkt verfolgen. Warum sollten wir jetzt kapitulieren?«
»Sie treffen hier nicht die Entscheidungen!«, donnerte Martinez und stach mit dem Finger in ihre Richtung. »Der Händler wird exakt das tun, was wir vorhatten, er macht also unseren Job. Das haben Sie selbst uns erzählt. Also haben wir hier nichts mehr zu suchen. Deshalb fliegen wir heim.«
»Hören Sie, ich bin mir nicht sicher, ob wir überhaupt heimfliegen können«, wandte Dakota müde ein.
Alle starrten sie an und warteten auf eine Erklärung.
»Als ich ihm folgte – Whitecloud, meine ich –, eröffnete mir der Händler, die Emissäre hätten die Möglichkeit, uns aufzuspüren.«
»Und woher willst du wissen, ob das wahr ist?«, fragte Corso.
»Zuerst glaubte ich ihm nicht, aber die Tatsache bleibt bestehen, dass diese Scouts, mit denen wir es da hinten zu tun hatten, ganz genau wussten, an welchem Punkt in einem wirklich riesigen Gebiet des Weltraums sie uns finden konnten. Die Chancen, dass sie rein zufällig auf uns stießen, sind astronomisch gering. Darauf machte mich auch der Händler aufmerksam.«
»Das würde ebenso den Vorfall an diesem Technologiehort erklären«, bestätigte Perez neben ihr. »Es roch tatsächlich nach einem Hinterhalt.«
»Richtig.« Dakota nickte vehement. »Die dort postierten Scouts hatten nur auf uns gewartet.«
»Wenn das der Fall ist«, sinnierte Lamoureaux, »dann könnten sie in diesem Moment hierher unterwegs sein.«
»Moment mal.« Martinez rückte näher an Dakota heran. »Sie haben uns noch nicht verraten, wie man uns aufspüren kann.«
Als sie antwortete, wählte sie ihre Worte mit Bedacht. Sie fand, gewisse Dinge sollte sie vorläufig noch nicht preisgeben.
»Der Händler behauptet, etwas sei in der Fregatte platziert worden, das sie direkt zu uns führt.«
»Und was hat das damit zu tun, dass der Händler das Artefakt gestohlen hat?«, fragte Perez.
»Er hatte ohnehin die Absicht, es an sich zu nehmen, nachdem wir unsere Mission hier erledigt hätten«, erklärte sie. »Aber als er erkannte, dass die Emissäre wussten, wie man uns findet, geriet er in Panik. Seiner Meinung nach könnten wir gleich eine Zielscheibe auf die Außenhülle malen.«
Martinez funkelte sie zornig an. »Selbst wenn an dieser Sache etwas Wahres dran sein sollte, ändert das grundsätzlich nichts an meiner Einstellung. Wir haben keinen Grund mehr, uns hier aufzuhalten.«
»Und wenn wir umkehren, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass die Emissäre uns trotzdem verfolgen«, schnappte sie. »Außerdem dürfen Sie nicht vergessen, was Whitecloud sagte: Der Mos Hadroch könnte sich entscheiden, sich vom Händler nicht aktivieren zu lassen. Tritt dieser Fall ein, dann müssen wir weitermachen und vor Ort sein, um den Job zu beenden.«
Martinez lachte. »Dieses Märchen glauben Sie wirklich?«
»Der Mos Hadroch ist nicht nur eine Waffe, so wie die Schiffe der Weisen nicht bloß Raumschiffe sind«, betonte Dakota. »Whitecloud mag ja ein übler Kerl gewesen sein, aber selbst Sie konnten sehen, dass er die Wahrheit sprach, als er diese Botschaft aufzeichnete. Ganz zum Schluss beging er vielleicht die einzige gute Tat in seinem Leben, indem er versuchte, uns zu warnen.«
»Und wie zum Teufel sollen wir ›den Job beenden‹?«, fuhr Martinez sie an. »Das Artefakt ist doch weg!«
»Wir haben die Kommandostruktur«, erinnerte sie ihn. »Wir könnten den Mos Hadroch selbst aktivieren, wenn der Händler kein Glück hat. Und selbst wenn es ihm gelingt, besitzen wir genügend Drohnen, um ihn daran zu hindern, mit dem Artefakt zu entkommen – einen Versuch ist es auf alle Fälle wert.«
»Sie scheinen zu vergessen, wer diese Expedition leitet!«, schnauzte Martinez mit hochrotem Gesicht.
Dakota sah ihn müde an. »Sie sind ein Dilettant, Commander. Sie haben nicht die geringste Ahnung, mit welcher Streitmacht wir es hier zu tun haben und wie mächtig sie ist.«
Martinez stürmte mit geballten Fäusten auf sie zu, aber Corso sprang auf und packte ihn bei den Schultern.
»Du hältst jetzt die Klappe!«, schrie er Dakota an, dann wandte er sich an den Commander.
»Eduard … hören Sie mir zu. Ich weiß genau, was Ihnen jetzt durch den Kopf geht. Und ich denke so ziemlich das Gleiche wie Sie. Ich würde auch am liebsten sofort umkehren und nach Hause fliegen. Aber ich bin nicht so weit gekommen, nur um unverrichteter Dinge einen Rückzieher zu machen. In erster Linie will ich weitermachen, weil noch jede Menge schieflaufen kann.«
»Dem schließe ich mich an«, warf Lamoureaux ein, nickte inbrünstig und blickte alle der Reihe nach an. »Wir können nicht einfach umkehren – nicht so dicht vor dem Ziel.«
»Entschuldigen Sie, Sir«, fügte Perez hinzu. »Mit dem größten Respekt, aber dieses Mal halte ich zu den anderen.«
»Wir haben immer noch den größten Teil der Drohnen«, erklärte Dakota und strich sich die schwarzen Haarsträhnen aus der Stirn. »Und diese neuen Energiefeldgeneratoren. Wir können es schaffen.«
Martinez starrte sie an, als hielte er sie für geistesgestört. »Wissen Sie nicht mehr, was Sie selbst sagen? Gerade eben erläuterten Sie uns, die Emissäre wüssten, dass wir unterwegs sind!«
»Nein, sie wissen nur, wo wir uns in diesem Moment aufhalten. Es gibt keinen Grund zu befürchten, dass sie unser Ziel kennen oder von der Existenz des Mos Hadroch überhaupt eine Ahnung haben, geschweige denn wissen, wozu er fähig ist.«
Ein Alarmsignal ertönte, ein beharrliches Piepen, das jäh abbrach, als Corso den Arm ausstreckte und die nächste Konsole berührte.
»Scouts«, verkündete er einen Augenblick später. »In großer Anzahl und ungefähr eine Lichtminute von uns entfernt. Keine Details über ihre Geschwindigkeit oder die präzise Flugbahn, aber eindeutig unangenehm nah.«
Martinez ballte wieder die Fäuste, dann öffnete er die Hände wieder und starrte darauf, als sähe er sie zum ersten Mal.
»Ich denke, damit wäre uns die Entscheidung abgenommen«, meinte er und ließ die Arme hilflos an den Seiten herunterbaumeln. »Wir fliegen weiter.«
Keine zwanzig Minuten später sprang die Fregatte wieder. Die Sprungkapazität lag bei annähernd vierzig Prozent – gerade ausreichend, um sie ein paar Hundert Lichtjahre weiter über den Perseusarm und ganz in die Nähe ihres Zielsystems zu tragen.
Für den Sprungvorgang übernahm Dakota den Interface-Sessel; Wogen der Müdigkeit brandeten über sie hinweg wie eine schwarze Flut.
Sie schloss die Augen und sank tiefer in den Datenraum des Schiffs ein. Solange sie die Konzentration aufrechterhalten konnte, schlief sie nicht ein.
Die Kraft von Sonnen strömte aus den Fusionsreaktoren und dann durch die Antriebsdorne, ein Loch in das Gewebe des Universums reißend. Die Sterne verzerrten sich und nahmen eine andere Form an.
Augenblicklich kamen durch die Sensor-Phalangen wahre Datenfluten herein: Spektralanalysen, Masseschätzungen, die Anzahl sichtbarer Planeten, Hinweise auf Technologie. Sie waren immer noch mindestens einen halben Lichttag von dem Hauptreihenstern im Zentrum des Systems entfernt, doch zwei weitere Sprünge würden sie dicht an ihr Ziel herantragen.
Vage nahm Dakota wahr, dass Lamoureaux ein kleines Kontingent von Spinnen-Mechanikern hinaus auf die Hülle schickte, um sich einen ersten Überblick über die Schwere der Schäden zu verschaffen.
Dakota aktivierte die Kommandostruktur, die Moss ihr gegeben hatte, und versuchte, das Schiff des Händlers zu orten. Schon bald erhielt sie eine automatische Antwort aus der Nähe eines Objekts mit niedriger Albedo irgendwo tief im Inneren des Sternsystems. Sie verglich das Objekt mit den Daten, die sie vom Händler bekommen hatte, und sie stimmten überein. Das bedeutete, dass sie den Technologiehort gefunden hatten.
Sie checkte noch einmal Lamoureaux’ Aktivitäten und stellte fest, dass er Videoaufzeichnungen analysierte, die Spinnen-Mechaniker vom Haupthangar gemacht hatten. Stücke und Splitter der Hüllenpanzerung hingen von Teilen der Gerüstkonstruktion herunter, die von der Explosion nicht weggefegt worden waren.
Ich kann die Landungsschiffe sehen, teilte sie Lamoureaux mit.
›Ja, offenbar waren sie am weitesten von der Stelle entfernt, an der die Yacht des Händlers in den Transluminalraum sprang.‹
Sie öffnete die Augen, als sie eine Hand auf ihrer Schulter spürte; Corso beugte sich über sie.
»Wissen wir schon, wohin wir von hier aus fliegen?«, fragte er.
Sie nickte; ihre Kehle fühlte sich trocken an. »Der Hort, den wir ansteuern, liegt auf einem kleinen Planeten im inneren System. Sein Durchmesser beträgt etwas über tausend Klicks, und er ist an seinen Stern rotationsgebunden. Der Hort befindet sich jedoch auf der dunklen Seite.«
»Und wann können wir dort sein?«
Ihr Kopf sackte nach hinten gegen die Rückenlehne; sie traute sich kaum, die Augen zu schließen, aus Angst, sie könnte vor schierer Erschöpfung ohnmächtig werden.
»Es dauert noch mindestens eine Stunde, bis der Antrieb für den nächsten Sprung bereit ist.« Sie hob eine Hand, ehe er etwas entgegnen konnte. »Ich weiß, was du sagen willst. Die Scouts werden uns vorher erreichen, aber es ist beim besten Willen nicht möglich, früher zu springen.«
»Dann musst du einen Weg finden, uns bis dahin vor den Scouts zu schützen.«
»Klar.« Sie nickte matt. »Natürlich.«
Er sah sie prüfend an. »Hältst du durch?«
Sie deutete ein Lächeln an. »Gerade so eben.«
Er wollte wieder gehen, aber sie hielt ihn fest. »Warte. Ich muss dir noch etwas zeigen.«
Sie legte das Video von den Spinnen auf das Display.
»Man sieht, wie schwer beschädigt der Hangar ist, aber Ted hatte Recht; die Landungsschiffe scheinen nicht viel abbekommen zu haben.«
Corso nickte und trat von dem Podest herunter. »Dan, Sie kommen mit mir«, wandte er sich an Perez. Ehe er die Brücke verließ, blieb er noch einmal stehen. »Sieh zu, was du und Ted noch entdecken könnt, ehe wir dort eintreffen.«
»Ich schicke eine Spinne auf die Außenhülle und lasse sie zwei Energiefeldgeneratoren holen«, verkündete sie. »Wenn wir eine Landung versuchen, brauchen wir jede Menge Schutz.«
Corso nickte und entfernte sich, gefolgt von Perez.
Dakota vernetzte sich mit den noch verbliebenen Meridianischen Drohnen und programmierte sie auf Kampfmodus. Dabei merkte sie, dass es laut Bordzeit früher Abend war. Sie lehnte sich in den Sessel zurück und wünschte, sie hätte Perez um eine zweite Aufputsch-Spritze gebeten.
Was immer noch passieren würde, sie wusste jetzt schon, dass vor ihr die längste Nacht ihres Lebens lag.
Der Händler schwamm durch das dichte, unter Druck stehende Wasser, das seine Yacht füllte. Rings um ihn her flitzten Schwärme aus winzigen Fischen; er schnappte sich ein paar mit seinen Tentakeln und verspeiste sie, während er die bunten Projektionen studierte, in deren Mitte er sich befand. Der erste Sprung hatte ihn bis auf wenige Lichtstunden an das Zielsystem herangebracht; mit den darauffolgenden Sprüngen näherte er sich dem inneren System.
Abwehr-Netzwerke überschütteten seine Yacht mit Pings, während er auf das Zentrum des Systems zuraste, aber aus gekaperten Schiffen der Emissäre hatte er sich automatische Antwort-Codes verschafft, die den Netzwerken vortäuschten, er wäre einer der ihren. Letzten Endes würden sie die List durchschauen – spätestens, wenn er sich dicht beim Technologiehort befand –, aber bis dahin hatte er genügend Spielraum, um eine beträchtliche Strecke zurückzulegen.
Er begab sich in die Kammer, in der er den Mos Hadroch untergebracht hatte. Festgehalten von einer Reihe ineinander übergehender Energiefelder schwebte das Artefakt in der Luft. Seine Masse war viel größer als erwartet, aber ein großer Teil davon verbarg sich in nichtörtlichen Raumdimensionen.
Sein Schiff erstattete ihm Meldung: Sämtliche Antriebssysteme funktionieren derzeit optimal. Die lokale Population der Emissäre befindet sich größtenteils an Bord von Habitaten, welche die vierte Welt umkreisen. Der regionale Komm-Verkehr deutet darauf hin, dass sie derzeit eine ihrer periodisch stattfindenden Säuberungsaktionen durchführen.
Bei der Erwähnung der Säuberungsaktionen begannen die Flossen des Händlers zu zittern. Die Emissäre behandelten andere Spezies mit einer unvorstellbaren Grausamkeit, aber untereinander kannten sie ebenfalls keine Gnade. Immer wieder vernichteten sie die schwächeren Mitglieder ihres eigenen Volkes, indem sie wahre Schlachtorgien veranstalteten.
Das Schiff übermittelte ihm Bilder von der innersten Welt des Systems. Über die zernarbte, atmosphärelose Oberfläche verstreut sah er gigantische, offenbar aufgegebene Maschinen. In die Kruste des Planeten hatte man gewaltige Löcher gebohrt, und der Händler entdeckte technische Anlagen, die tief in den Kern hineinreichten. Godkiller bewachten die Welt; sie kontrollierten die Zone des Weltraums um den Stern, und ihre schwarzen, kristallinen Außenhüllen wirkten allein durch ihre Fremdartigkeit bedrohlich.
Selbst eine flüchtige Analyse ergab, dass fast alles in diesem System sehr alt war. Seine Yacht zog immer noch Informationen aus örtlichen Datennetzwerken, und alles, was er erfuhr, bestätigte lediglich, was er bereits wusste: Dieses System lag in einem abgeschiedenen Winkel und wurde nach den üblichen Standards der Emissäre nur geringfügig bewacht.
›Wir geraten hier draußen unter Beschuss. Kannst du sie uns nicht vom Hals schaffen?‹
Ich arbeite daran, antwortete Dakota.
Sie hatte die Paneele des Interface-Sessels hochgeklappt, so dass Stille und Dunkelheit sie einhüllten. Durch die Augen einer einzigen Spinne sah sie die in Raumanzügen steckenden Gestalten von Corso und Perez, die in den verbogenen Trümmern des Haupthangars schwebten. Einer der beiden schnitt mit einem Schweißbrenner Hindernisse ab, die ein Landungsschiff blockierten.
Sie änderte ihre Perspektive und beobachtete wieder den Kampf, der rings um die Mjollnir tobte. Bis jetzt war es den Meridianischen Drohnen im Verbund mit den Energiefeldgeneratoren gelungen, die Fregatte zu schützen, doch trotz ihrer ungewöhnlichen Leistung trieb der Sturmangriff der Scouts sie an die Grenzen ihrer Fähigkeit. Das Schlimmste war, dass obendrein zwei Lichtsekunden entfernt ein Godkiller aufgetaucht war und sich ihnen auf einem Abfangkurs näherte.
Dakota durfte gar nicht daran denken, was passieren würde, wenn der Godkiller in Feuerreichweite kam, ehe sie springen konnten.
›Dakota.‹ Corso klang kurz angebunden und gestresst. ›Ich glaube, etwas ist in den Hangar eingedrungen.‹
Sie nahm wieder den Blickwinkel der Spinne ein und forschte in der Düsternis, bis sie etwas entdeckte – einen Scout, der teilweise von den verzerrten Schatten einiger Trümmerstücke verborgen wurde. Vor ihren Augen öffnete sich sein Panzer, und zum Vorschein kam eine Anzahl tödlich aussehender Maschinen. Der Hangar stellte nun eine Schwachstelle dar, denn die meisten der Energiefeldgeneratoren, die ihn schützen sollten, waren durch den Transluminal-Sprung des Händlers zerstört worden.
Der Scout fing an, sich durch ein freiliegendes Schott zu schneiden und zu brennen; gleich hinter diesem Schott lag der Innenraum der Fregatte.
Ich hab ihn.
Eine Meridianische Drohne scherte aus dem Pulk aus, sauste in das Trümmerfeld zurück und verwandelte den Scout binnen Sekunden in weißglühende Schlacke.
Wie kommt ihr mit dem Landungsschiff voran?
›Wir sind fast fertig‹, erwiderte Perez. ›Es ist betriebsbereit, sowie wir die Energiefeldgeneratoren an die Außenhülle montiert haben.‹
Noch einhundertundachtzig Sekunden bis zum nächsten Sprung. Sowie ihr fertig seid, geht ihr sofort wieder rein.
›Bis dahin haben wir es geschafft.‹
Dakota holte die Drohnen in die Fregatte zurück, als Corso und Perez eine noch funktionierende Luftschleuse passierten, die in das Schiffsinnere führte. Keine drei Minuten später fiel die Mjollnir abermals zwischen die Falten des Universums.
Weniger als zwanzigtausend Kilometer von der Oberfläche der Hort-Welt entfernt stürzte die Fregatte in den Normalraum zurück. Nun füllte der Stern des Systems den Himmel aus, riesig und furchteinflößend, während die Hüllensensoren den Planeten selbst als eine schwarze Scheibe vor dem gleißenden Licht zeigten.
Neue Daten kamen herein; enorme, offenbar verlassene Raumschiffe umkreisten den Stern auf langen, exzentrischen Umlaufbahnen, zusammen mit einem Halo aus schwer identifizierbarem Schrott. Die Oberfläche des Zielplaneten war übersät mit Konstruktionen, die vielleicht einmal Maschinen oder irgendeine Form von Habitaten gewesen sein konnten. Zwei … nein, drei Godkiller kreisten in einem Orbit um diese Welt.
Plötzlich, während Dakota hinschaute, schickten sie sich an, den Orbit zu verlassen. Wegen meines Implantats, dachte sie mit nicht geringem Entsetzen.
Bald darauf tauchten rings um die Fregatte Scouts der Emissäre auf.
Sie fand die Yacht des Händlers, die sich bereits im Anflug auf die Planetenoberfläche befand. Mehrere Scouts verfolgten auch ihn, und automatische Abwehrwaffen, die auf der Oberfläche positioniert waren, eröffneten das Feuer.
Ungefähr zur selben Zeit, als seine Yacht ihn warnte, dass ihre primären Verteidigungssysteme kurz vor einem Totalausfall standen, bemerkte der Händler die Ankunft der Mjollnir. Die Scouts, die Jagd auf ihn gemacht hatten, drosselten beinahe sofort ihr Tempo, gingen auf Umkehrschub und steuerten die Fregatte an.
Das Wasser im Inneren der Yacht blieb dunkel und kühl. Der Händler studierte die von den Außensensoren eingehenden Daten, aber egal, wie oft er hinschaute, er konnte einfach nicht fassen, was sie ihm verrieten.
›Dakota. Wie ich sehe, sind Sie immer noch am Leben.‹
Händler?
›Ich hatte nicht damit gerechnet, dass Sie es bis hierher schaffen würden.‹
Was soll ich darauf antworten? Wenn ich richtig sauer bin, kann ich verdammt hartnäckig sein. Sowie wir hier fertig sind, nehme ich das verfluchte Artefakt und ramme es Ihnen in den …
›Dakota, meine Instrumente zeigen an, dass die Emissäre gerade eine Nova-Mine in ihren eigenen Stern geschossen haben. Der Neutrinofluss lässt keinen Irrtum zu.‹
Das kann nicht Ihr Ernst sein.
Er wartete, während sie die Daten ihrer eigenen Schiffssensoren prüfte. Als sie sich wieder meldete, konnte er ihre Panik spüren, die wie eine glühend heiße Welle durch ihre Verbindung rauschte.
Aber warum? Sie können doch nicht über das Artefakt Bescheid wissen! Oder doch?
›Vielleicht war Hugh Moss im Bilde. Wenn ja, dann könnte er die Information über den Mos Hadroch an die Emissäre weitergegeben haben.«
Ich erzählte Moss, Sie hätten ein Mittel, um den Krieg zu beenden. Ich dachte, er würde …
›Vernünftig reagieren?‹
Fahr zur Hölle!
›Eine höchst unkluge Enthüllung, Dakota. Sie muss ihm gereicht haben, um daraus auf die Existenz eines Mediums von der Art des Mos Hadroch zu schließen.‹
Aber warum gleich das ganze verdammte System zerstören?
›Es liegt in der Natur der Emissäre, ihre Umgebung zu verwüsten. Wenn die Sonne explodiert, ehe ich den Mos Hadroch einsetzen kann, wird der Technologiehort vernichtet und somit die einzige Chance, ihnen Einhalt zu gebieten. Schließlich gibt es in anderen Bereichen ihres Imperiums noch mehr dieser Horte. Versuchen Sie nicht noch einmal, meine Yacht zu übernehmen, Dakota. Nicht, wenn Sie aus demselben Grund hier sind wie ich.‹
Händler! Warten Sie …
Doch er war schon wieder weg.