Kapitel Elf
Ein paar Tage nach Dakotas Begegnung mit dem Händler brachte das Schiff der Weisen, das sie wiederbelebt hatte, sie zu einer Welt, die den Menschen als Derinkuyu bekannt war, eine bedeutende Skeliten-Kolonie dreiundzwanzig Lichtjahre hinter der Konsortiumgrenze.
Die Skeliten schlugen ganze Städte aus dem tiefen Grundgestein ihrer Welten und bauten Labyrinthe, die weit unter die Oberfläche hinabreichten. Vor dem Weggang der Shoal hatte in dem Komplex, in dem sich Dakota nun befand, eine kleine Population von ein paar Tausend Menschen sowie einige Bandati gesiedelt. Zu ihrer Überraschung sah sie sogar ein, zwei Rafter, die in ihren Druckausgleichtanks dahintrieben. Nach der Ankunft der Kernschiff-Flüchtlinge hatte sich die Bevölkerung über Nacht vervierfacht; die Neuankömmlinge machten sich breit und belegten jeden Zoll freier Fläche mit Beschlag, so dass die Gegend dem schlimmsten Alptraum eines an Klaustrophobie Leidenden glich.
Dakota marschierte durch eine lange, dröhnende Halle, deren hohe, gewölbte Decke auf geriffelten Steinsäulen ruhte, die man ebenfalls direkt aus dem Stein geschnitten hatte. Irgendwo in diesem Wirrwarr aus Elendsbehausungen steckte der Navigator eines Schiffs der Weisen, der zugestimmt hatte, als ihr Verbindungsmann zu fungieren.
Die meisten der Notunterkünfte, an denen sie vorbeikam, bestanden aus Plastik- und Metallschrott, manchmal sogar aus mächtigen, nicht gut ausbalancierten groben Steinplatten, die aussahen, als könnten sie beim ersten kräftigen Stoß umkippen und die darunter befindlichen Personen erschlagen. Licht spendete eine Kombination aus Glühkuppeln und einem, wie Dakota annahm, biolumineszierenden Pilz, der die Decke sowie die oberen Teile der aufstrebenden Säulen mit einem dichten Geflecht überzog. Ihre Nase kribbelte von den mannigfachen Gerüchen der vielen Kochfeuer, die einen bleichen, flackernden Schein auf die Sockel der Säulen warfen und die Luft mit einem Mief aus Gewürzen und verkohltem Fleisch verpesteten. Sie fragte sich, ob einer dieser Gestrandeten, die ringsum schliefen, redeten und aßen, wirklich daran glaubte, dass die doch gewiss erhoffte Rettung eines Tages tatsächlich eintreten würde.
»Miss Merrick?«
Sie drehte sich um, sah, wie sich in der Düsternis eine Gestalt abzeichnete, und wusste sofort, dass das der Mann war, nach dem sie suchte. Die Gestalt entpuppte sich als ein unglaublich hochgewachsener Schwarzer Ende zwanzig, mit dem üblichen kahlrasierten Schädel eines Maschinenkopfs.
»Miss Merrick«, wiederholte er und griff lächelnd nach ihrer Hand. »Leroy Rivers. Ich find’s wunderbar, dass ich Sie endlich kennenlerne.«
»Ich habe Ihnen zu danken«, erwiderte sie. »Ich war mir nicht sicher, ob ich mich ohne Hilfe an diesem Ort zurechtfinden würde.«
»Weiß sonst niemand, dass Sie hier sind?«, Er hatte eine präzise Sprechweise, jedes Wort und jede Silbe waren sorgfältig artikuliert.
Sie schüttelte den Kopf. »Sie sind der Einzige, dem ich mich anvertraut habe.«
Rivers beugte sich ein wenig zu ihr herunter und senkte die Stimme. »Wir sollten nicht trödeln. Jede Sekunde, die wir länger als unbedingt nötig hier verweilen, stellt ein Risiko dar. Ganz in der Nähe habe ich ein Transportmittel, und es ist mir gelungen, in der kurzen Zeit, die mir zur Verfügung stand, einen der Gegenstände zu organisieren, um die Sie mich baten.«
Sie nickte, und er lotste sie zu einem kleinen, offenen Wagen mit Schlepperrädern, der unweit einer Säule parkte. »Nehmen Sie an der Hilfsoperation teil?«, erkundigte sie sich.
Er lachte. »Ja, dieser Gedanke steckt dahinter, aber genauso gut könnte man versuchen, ein leckgeschlagenes, sinkendes Schiff mit einem Teelöffel trocken zu schöpfen. Das Einzige, was wir bis jetzt hierherbringen konnten, sind ein paar Notfabrikatoren, und immer noch sterben die Menschen an Krankheiten, die angeblich längst ausgerottet sind.«
»Ich verstehe.«
»Für so viele Flüchtlinge reicht der Platz nicht«, fuhr er fort, während er sich auf den Fahrersitz schwang. »Wir müssen dringend in neue Tunnel ausweichen, doch das bedeutet weitere Verhandlungen mit den Skeliten, was leider nicht einfach ist. Zwischen den ursprünglichen Siedlern und den Flüchtlingen kam es zu zahlreichen Zusammenstößen, aber die Skeliten weigern sich, uns mehr Raum zu geben.«
»Warum sperren sie sich dagegen?«
»Sie verlangen Sternenantriebe aus dem Tierra-Technologiehort«, erklärte er. »Das ist ihre grundlegende Bedingung, und ehe die nicht erfüllt wird, lehnen sie jede Form von Verhandlung ab.«
Dakota nickte. »Richtig. Ich verstehe. Genau wie wir und die Bandati haben sie das Kernschiff-Netzwerk verloren, und natürlich wollen sie weder auf die Friedensflotte noch auf jemand anders angewiesen sein.«
Sie kletterte auf den Passagiersitz neben Rivers. Er wandte sich um und sah sie mit ernster Miene an. »Ich will ehrlich zu Ihnen sein, Miss Merrick. Als Sie mir mitteilten, Sie wollten hierherkommen, gehörte es nicht zu meinen obersten Prioritäten, Ihnen bei der Suche nach jemand behilflich zu sein, von dem ich noch nie etwas gehört hatte. Aber Ihr Einfluss in Ocean’s Deep ist enorm, und sollten die Skeliten hier glauben, sie könnten ihren Sternenantrieb bekommen, würde das die Situation mit Sicherheit entspannen. Zurzeit genügt nicht viel, um vor Ort einen Aufstand anzuzetteln, und ehe man sichs versieht, gibt es schon wieder Dutzende von Toten. Die Leute müssen sich einfach an die Überzeugung klammern können, dass alles besser wird.«
Dakota kostete es eine ungeheure Willensanstrengung, um Rivers’ hoffnungsvollem Blick zu begegnen. Am liebsten hätte sie ihm gesagt, dass es überall gleich schlecht aussah. Es gab tausend Leroy Rivers, verteilt über ein fast unvorstellbar großes Gebiet des Weltalls, und sie alle kämpften verzweifelt darum, eine sich anbahnende Katastrophe abzuwehren.
Sie lächelte und hoffte, dass sie Zuversicht ausstrahlte. »Versprechen kann ich Ihnen nichts, Mr. Rivers, denn Probleme gibt es überall. Doch ich werde sehen, was ich erreichen kann, wenn ich nach Ocean’s Deep zurückkehre.«
Rivers nickte und atmete geräuschvoll aus, wie jemand, dem man gerade eine schwere Last von den Schultern genommen hat. Wieder drehte er sich zu ihr um und lächelte freundlich. »Vielen Dank für diese aufmunternden Worte.« Er fasste nach unten, drückte auf einen Schalter, und die Räder des Wagens setzten sich knirschend in Bewegung.
Prüfend fasste sie ihn ins Auge. »Sie haben nichts von dem geglaubt, was ich Ihnen sagte, oder?«
»Nein«, gab er breit grinsend zu. »Kein einziges Wort. Trotzdem musste ich fragen.«
Dakota wandte den Blick ab und biss sich beschämt auf die Lippe.
»Das ist für Sie.« Unter dem Armaturenbrett zog er einen Plastikbeutel hervor, dessen Inhalt vernehmlich klapperte.
Mit einer Hand reichte er ihr den Beutel. Darin fand sie zwei kurze Metallröhren und etwas, das wie ein Pistolengriff aussah.
»Die Waffe setzt sich aus Modulen zusammen«, erklärte Rivers. »Sie müssen nur die Komponenten ineinanderstecken. Die Einheimischen nennen dieses Zeug ›Rattenfänger‹. Eine kleine, aber leistungsstarke Fusionsbatterie im Griff versorgt die Plasmabolzen mit Energie. Wie ich schon sagte, es ist das Beste, was ich auf die Schnelle auftreiben konnte. Aber gehen Sie vorsichtig damit um. Wenn diese Dinger überhitzt werden, kann es verdammt übel ausgehen.«
Sie blickte ihn zweifelnd an. »Wie kommt das?«
»Die Batterie ist ein Fabrikator-Billigprodukt, bei dem die programmierten Sicherheitslimits umgangen wurden. Wird sie zu heiß, explodiert sie.«
»Und das ist wirklich das Beste, was Sie mir besorgen konnten?« Sie machte keinen Hehl aus ihrer Verblüffung.
»Jede Art von Waffe ist hier eine rare Ware. Den Skeliten der Zweiten Phase mangelt es selbst zwar nicht an Rüstungsgütern, aber sie sind nicht gerade erpicht darauf, sie an uns Eindringlinge weiterzugeben.«
»Dann sind also alle Waffen, über die Sie verfügen, selbst gebastelter Schrott wie das Zeug hier?« Sie schüttete den Inhalt des Beutels zwischen ihren Knien auf den Sitz.
»Ja. Ich glaube, diese spezielle stammt aus einem Fabrikator, der ursprünglich dafür ausgelegt war, Kücheneinrichtungen nach Sonderwünschen von Kunden anzufertigen.«
Rivers schaltete den Rückwärtsgang ein, und die Schlepperräder mahlten über den Steinboden, als er das Vehikel vorsichtig zwischen den dicht an dicht stehenden Hütten und schlafenden Personen hindurchlavierte; gelegentlich kam er ausgestreckten Gliedmaßen so nahe, dass Dakota das Herz bis zum Hals klopfte. Sie prüfte die Komponenten der Waffe, steckte sie sorgfältig zusammen und schob zuletzt den Griff in die Konstruktion. Als das Ding dann auf ihrer Handfläche lag, fühlte es sich leicht, irgendwie unstofflich an, eher wie ein Spielzeug als eine richtige Waffe. Hugh Moss hatte bestimmt Zugriff auf wesentlich effektivere Feuerkraft.
»Ich will ja nicht neugierig sein«, bemerkte Rivers, »aber sagten Sie nicht, Sie seien sich nicht sicher gewesen, ob Sie sich ohne Hilfe an diesem Ort zurechtfinden würden?«
»Ich kann Daten nicht mehr so manipulieren wie früher, Mr. Rivers. Heutzutage bin ich auf den Schiffen der Weisen nicht viel mehr als ein Passagier.«
Rivers nickte und schaute verlegen drein. »Entschuldigen Sie meine Frage. Anscheinend leiden ziemlich viele von uns an der Taucherkrankheit.«
Sie runzelte die Stirn. »An der was?«
»Manche der anderen Navigatoren nennen das jetzt so«, erläuterte Rivers. »Taucherkrankeit oder Nerven-Burn-out – verursacht durch ein zu tiefes Abtauchen in die Datenwelt, die sich innerhalb eines jeden Schiffs der Weisen befindet.«
»Na so was.«
»Ich selbst bin nicht betroffen«, fuhr Rivers fort. »Aber ich denke, das ist nur eine Frage der Zeit.«
»Wie lange sind Sie schon Navigator auf einem Schiff der Weisen?«
»Seit sechs Monaten«, antwortete er. »Bei den meisten Navigatoren treten die Krankheitssymptome nach sieben oder acht Monaten auf.« Sein Lächeln verblasste ein wenig. »Wir sollten jetzt losfahren. Ich habe Ihnen eine Unterkunft in einer tieferen Ebene besorgt.«
Bald schoben sie sich durch eine Reihe endloser, gewundener Gänge. Ungefähr alle dreißig Meter waren zu beiden Seiten Stufen in den Stein gekerbt, über die man zu offenen Galerien gelangte, die man direkt unter der Decke in den Fels geschlagen hatte. Überall wuchs terranische Vegetation, obwohl viele der Pflanzen genetisch verändert sein mussten, um in Höhlen gedeihen zu können. Ranken schlängelten sich von der Decke und streiften ihre Köpfe, als sie darunter hinwegfuhren, während Zwergbäume – Eichen, Eschen und ein paar nicht zu identifizierende Hybriden – jeden Bezirk säumten, den sie passierten. Diese Bäume reichten ihnen kaum bis an die Schultern, und Dakota kam es so vor, als wären sie und Rivers ein Paar Riesen auf einer Sonntagsspazierfahrt.
Geschäftsviertel und Wohngebiete gingen ineinander über; gelegentlich senkte sich die Decke so tief ab, dass Dakota den Kopf hätte einziehen müsssen, wenn sie aus dem Wagen gestiegen wäre, und dann wieder strebte sie in luftige Höhen wie in einer Kathedrale. Etagenweise übereinander hatte man Häuser und Läden in Nischen gebaut, allesamt durch in den Stein geschlagene Treppen verbunden. Sie begegneten einer Mischung der unterschiedlichsten Gerüche; ihnen stiegen die Kochdünste von Mahlzeiten in die Nase, die auf belebten Marktplätzen an offenen Herdstellen zubereitet wurden, Blumen mit bleichen Blättern verbreiteten ihre Düfte, und dann war da der ranzige Gestank von Tausenden von Menschen, die seit Jahren ohne Unterbrechung in der Tiefe dieser unterirdischen Düsternis hausten. Und als sie sich von einem Distrikt über eine sich spiralförmig nach unten schraubende Rampe in eine tiefer gelegene Region begaben, wurde die Luft noch heißer, stickiger und feuchter.
»Erzählen Sie mir alles, was Sie über Moss wissen«, bat Dakota Rivers nach einer Weile.
»Vor knapp fünf Wochen tauchte er hier auf und etablierte sich ungeheuer schnell. Soweit ich weiß, bildet er entweder Bodyguards oder Attentäter aus, je nachdem, aus welcher Quelle man Informationen bezieht. Auf jeden Fall sind es Killer«, fügte Rivers hinzu, während sie weiterfuhren.
»Attentäter? Und wen sollen sie umbringen?«
»Na ja, anfangs hieß es, Moss würde Soldaten trainieren, die dann in Derinkuyu Schwarzhändler beschützen. Dann stellte es sich heraus, dass er stattdessen sämtliche Schieber umbrachte und deren Stelle einnahm. Allerdings müssen Sie berücksichtigen«, schränkte er ein, »dass vieles von dem auf Gerüchten und Vermutungen beruht. Angeblich hat er auch ein Abkommen mit einem Stamm von Skeliten der Zweiten Phase getroffen, die in Labyrinthen leben, die noch wesentlich tiefer liegen als diese Ebene hier. Man nimmt an, dass er ihnen bei ihrem Krieg mit einem benachbarten Stamm Unterstützung gewährt.«
»Was meinen Sie mit ›Skeliten der Zweiten Phase‹?«
»Skeliten durchlaufen während ihres Lebens drei unterschiedliche Entwicklungsphasen. Die Erste Phase beginnt, wenn sie an der Oberfläche in Tümpeln voll vulkanisch erhitztem Wasser geboren werden. Diejenigen, die überleben, gehen in die Zweite Phase über; sie sind groß, aggressiv, verteidigen ihr Territorium mit allen Mitteln und machen auf technischem Gebiet Erfindungen. Technologisch sind sie sogar sehr innovativ, obwohl sie sich zumeist in unterirdischen Labyrinthen wie diesen hier aufhalten. Wer nicht durch die dauernden kriegerischen Auseinandersetzungen ein vorzeitiges Ende findet, tritt in eine Dritte Phase ein, kehrt an die Oberfläche zurück und verbringt den Rest seines Lebens damit, sich fortzupflanzen und, man könnte sagen, intellektuellen Beschäftigungen nachzugehen.« Er streifte Dakota mit einem flüchtigen Blick. »Die Skeliten der Zweiten Phase sind die einzigen, die Kontakt mit anderen Spezies haben. Und natürlich sind sie diejenigen, die eigene Sternenschiffe beanspruchen, seit …«
Rivers kam nicht mehr dazu, den Satz zu beenden.
Dakota bemerkte nicht sofort, dass es eine Explosion gegeben hatte – oder dass der Wagen, in dem sie saßen, mit solcher Wucht vom Tunnelboden hochgeschleudert wurde, dass er mehrere Meter durch die Luft flog. Sie selbst fand sich plötzlich in einiger Entfernung von dem brennenden Wrack des Fahrzeugs wieder, ohne sich deutlich erinnern zu können, wie sie an diesen Ort gelangt war. Von weitem hörte sie Schreie und Gebrüll, und inmitten einer sich aufplusternden Wolke aus schwarzem Rauch sah man das schwache Hochzüngeln kleiner Feuer.
Sie setzte sich aufrecht hin, und als sie an sich hinabschaute, erkannte sie, dass sich die schwarze Flüssigkeit ihres Iso-Anzugs schützend über ihren Körper verteilt hatte. Ihre Kleidung hing in Fetzen an ihr herunter, doch sie selbst hatte nicht den geringsten Kratzer abgekriegt.
Sie sprang auf und rannte zu dem zerstörten Wagen zurück.
Rivers musste sofort tot gewesen sein; sein Kopf war in einem unmöglichen Winkel verrenkt, und aus den Wracktrümmern stierten seine blicklosen Augen ins Leere. Hastig spähte Dakota in die Runde; der Tunnel war schmal und hatte eine hohe, gewölbte Decke. Unmittelbar darunter zogen sich längs der Seitenwände vertiefte Galerien hin. Zwei Steinbrücken kreuzten den Tunnel und stellten eine Verbindung zu den Galerien her; auch diese Übergänge hatte man, wie so vieles in Derinkuyu, direkt aus dem gewachsenen Fels geschlagen. Unter der Decke, ein wenig oberhalb der Zwillingsbrücken, sammelten sich dicke, schwarze, ölige Rauchschwaden.
Sie sank auf die Knie und tastete mit den Händen unter den Fahrzeugtrümmern umher, dann duckte sie sich so tief, bis ihr Kinn fast den Boden berührte. Als sie an Rivers’ Leiche vorbeilugte, entdeckte sie schließlich das selbst gebastelte Impulsgewehr. Sie legte sich flach auf den Boden und rutschte unter die Überreste des Wagens, bis sie die Waffe zu fassen kriegte.
Irgendwo in der Nähe ertönte ein leises Fauchen. Durch den dichten Qualm konnte sie den Schein von Flammen sehen, die ein Stück weiter weg im Tunnel flackerten. Aber der Rauch begann sich allmählich zu verziehen, indem er sich in beide Richtungen der Passage verteilte, und dann war eine Gestalt zu erkennen, die sich zielstrebig auf sie zubewegte.
Dakota zog sich auf die andere Seite des Wracks zurück, bis es sich zwischen ihr und der sich nähernden Gestalt befand, und setzte das Gewehr eilig wieder zusammen. Die Waffe fest an die Brust gepresst, erhob sie sich in eine tiefe Kauerstellung; noch während sie überlegte, in welche Richtung sie am besten flüchten sollte, hatte die Gestalt sich ihr so weit genähert, dass sie Einzelheiten ausmachen konnte.
Der Mann, der hinter ihr her war, hatte vier Arme; das zusätzliche Paar saß ein wenig unterhalb und hinter seinen natürlichen Gliedmaßen. Jede der vier Hände umklammerte eine Waffe; sie bemerkte eine gefährlich aussehende Klinge, eine Maschinenpistole und zwei Druckpistolen. In einem breiten, von der Schulter bis zur Hüfte reichenden Gurt steckten Patronen, Wurfmesser und weitere Pistolen. Als er die Maschinenpistole hob und auf den Abzug drückte, verzerrte sich sein Gesicht zu einer wütenden Fratze.
In diesem Moment fiel die lähmende Starre von ihr ab; sie flitzte zur Seite und steuerte eine Treppe an, die zu einer der Galerien hinaufführte. Ein dumpfes Klirren verfolgte sie, und es dauerte einen Augenblick, bis sie begriff, dass es von den Kugeln herrührte, die von ihrem Iso-Anzug abprallten und zu Boden fielen; der Anzug absorbierte die kinetische Energie der Geschosse und machte sie wirkungslos.
Drei Stufen auf einmal nehmend, hetzte sie nach oben. Zuschauer, die auf die Seitengalerien hinausgelaufen waren, um zu sehen, was sich da draußen abspielte, rannten in alle Richtungen davon, als sie sich ihnen näherte.
Der Vierarmige blieb in der Nähe des zertrümmerten Fahrzeugs, doch während sie hochkletterte, schoss er pausenlos auf sie. Die Kugeln schepperten in einem steten Strom zu Boden, was ihren Angreifer zu einem zornigen Gebrüll reizte.
Sowie sie die Galerie erreicht hatte, duckte sie sich und ging in Deckung. Mittlerweile war die Galerie leer, doch der gesamte Tunnel hallte wider vom Geschrei zu Tode erschrockener Menschen.
Dakota riskierte einen Blick über die hüfthohe hölzerne Balustrade der Galerie und sah, dass der Attentäter direkt unter einer der beiden Steinbrücken stand. Er feuerte wieder ein paar Schüsse auf sie ab, und hastig zog sie den Kopf ein.
Sich auf ein Knie stützend, richtete sie das Plastikgewehr auf der Balustrade aus und zielte auf einen Punkt der Brücke, der sich unmittelbar über dem Vierarmigen befand. Dann drückte sie auf den Abzug, wobei sie halb damit rechnete, dass die Waffe total versagte.
Einen Moment lang sah sie nur noch Schwarz vor ihren Augen, ehe ihr Iso-Anzug den gewaltigen Blitz kompensierte. Als sie wieder etwas erkennen konnte, konnte sie aus der Vogelperspektive beobachten, wie die zerstörte Brücke einstürzte.
Der Vierarmige hatte nicht die geringste Chance gehabt, sich rechtzeitig in Sicherheit zu bringen, und so verschwand er, zusammen mit dem Fahrzeug und Rivers’ Leiche, unter einem Berg aus Schutt und Geröll.
Dakota blickte nach unten auf die Stelle, wo ihr Gewehr hätte sein sollen, und stellte fest, dass von der Waffe nur noch der Handgriff mit der Batterie und ein paar Zentimeter des zerfetzten Plastiklaufs übrig geblieben waren.
So viel zu selbst gebastelten Waffen, sinnierte sie und rappelte sich wieder hoch. Zum Glück war die Batterie nicht auch noch explodiert.
Sie blickte sich um; immer noch hörte sie, wie Leute außerhalb ihres Gesichtskreises miteinander redeten und schrien. In der Ferne jaulte bereits eine Sirene. Sie wusste nicht, ob der Vierarmige allein gekommen war oder mit Komplizen, doch für den Fall, dass er Kumpane hatte, musste sie irgendetwas finden, womit sie sich verteidigen konnte. So wirksam der Iso-Anzug auch sein mochte, er würde ihr nicht ewig Schutz bieten.
Es lag klar auf der Hand, gestand Dakota sich mit einiger Verspätung ein, dass Hugh Moss sie zuerst gefunden hatte.
Sie hielt auf die noch intakte Brücke zu und überquerte sie rennend, ohne das kaputte Gewehr loszulassen. Zwar funktionierte es nicht mehr, doch aus der Entfernung konnte man das vielleicht nicht sofort erkennen. Ein weiterer langer, von Glühkuppeln erhellter Tunnel tat sich vor ihr auf.
Und wieder steuerte eine Gestalt schnurstracks auf sie zu; Flammen zuckten um die geballten Fäuste des Mannes. Sein Kopf war glattrasiert, und auf dem nackten Oberkörper trug er einen Tornister. Selbst aus dieser Distanz registrierte sie die seltsame Beschaffenheit seine Haut; sie glich ein bisschen der gepanzerten Epidermis eines urzeitlichen Raubtiers. Der Kerl blieb stehen, legte seinen Kopf in den Nacken und wölbte seine Brust vor, als wolle er tief Luft schöpfen. Als er den Kopf wieder senkte, schoss eine riesige Flammengarbe zwischen seinen Lippen hervor. Gleichzeitig holte er mit einer flammenden Hand aus, um etwas nach ihr zu werfen.
Dakota schwenkte herum und sauste in die entgegengesetzte Richtung los; im selben Moment gab es hinter ihr eine fürchterliche Explosion, begleitet von einem gleißenden Lichtblitz. Sie hechtete über eine Seite der Brücke und sprang in dem Moment nach unten, als ein Schwall aus Gluthitze sie einhüllte. Als sie auf dem Boden landete, spürte sie nicht einmal den Aufprall.
Dann rannte sie ständig abwärts; in Ermangelung einer besseren Idee folgte sie dem Verlauf der sich allmählich absenkenden schmalen Gasse. Heftig mit Armen und Beinen pumpend, sprintete sie einfach immer weiter, ohne auf die Gesichter zu achten, die hin und wieder aus dem trüben Licht der aufeinanderfolgenden Tunnel und Durchgänge auftauchten; doch die anfängliche Neugier der Leute wich jähem Entsetzen, als sie sahen, was hinter ihr her war. Sie brauchte nicht über die Schulter zu spähen, um zu wissen, dass der brennende Mann ihr immer noch auf den Fersen war. Obwohl sie die Detonation dank des Iso-Anzugs körperlich unbeschadet überstanden hatte, qualmte und glühte ihre Kleidung.
Die Straße bog in einem scharfen Knick nach rechts ab; sie warf sich um die Ecke und huschte in einen der ersten Türeingänge, die sie sah. Vielleicht konnte sie hier irgendwo untertauchen.
Sie befand sich an der Spitze eines steilen, schmalen Treppenschachts, sauste nach unten und gelangte in eine andere Passage mit gewölbter Decke und Brücken, welche die oberen Galerien miteinander verbanden. Auf ihrer verzweifelten Suche nach einem geeigneten Versteck schlüpfte sie durch mehrere Seiteneingänge, die sie immer weiter hinabführten.
Aus dem Inneren des Felsens drang nun ein Grummeln an ihre Ohren, das immer lauter wurde, je tiefer sie in das Labyrinth eindrang. Bald fand sie sich in einem engen Raum wieder, dessen Decke so niedrig hing, dass sie sich beinahe zusammenkrümmen musste, als sie ihn durchquerte. Dakota merkte, dass sie sich hoffnungslos verirrt hatte, und kämpfte gegen die aufsteigende Panik an. Mittels ihrer Implantate versuchte sie, sich in Derinkuyus Open-Access-Netzwerk einzuklinken, doch die reagierten nur mit Fehlermeldungen; vorher, als sie sich mit Rivers getroffen hatte, hatten ihre Implantate noch nicht verrücktgespielt.
Dafür konnte nur Moss verantwortlich sein. Irgendwie hatte er herausgefunden, dass sie in diesem System war und einen Absturz der Netzwerke ausgelöst, die von der örtlichen Bevölkerung benutzt wurden.
Sie schlüpfte durch eine Tür am hinteren Ende des kleinen Raums und stand auf einmal in einer gigantischen Kaverne, die fast so riesig war wie die Halle, in der sie Rivers zum ersten Mal begegnet war. Diese Höhle schien jedoch nicht bewohnt zu sein, und die Luft war angefüllt mit einem gewaltigen, donnernden Rauschen, das auf einen unterirdischen Wasserfall hindeutete.
Hoch über ihr wölbte sich eine mit kräftigen Farben bemalte Decke; das Gewimmel aus Sternen und Umrissen, mit dem sie verziert war, entpuppte sich nach und nach als Darstellungen von Kernschiffen und Planeten. Dieses monumentale Tableau schien die Frühgeschichte der menschlichen Besiedlung Derinkuyus wiederzugeben.
Auf der anderen Seite dieser kolossalen Kaverne stürzte ein Wasserfall aus einer Felswand und ergoss sich ein Dutzend Meter tiefer in einen unterirdischen See, der von einem mehrere Meter breiten Strudel aufgewühlt wurde. Ein Dutzend Laufstege aus Metall, in unterschiedlichen Höhen angebracht und durch Leitern verbunden, hing an Trossen von der Decke. Die Stege überquerten die Höhle von einer Seite zur anderen, und selbst von ihrem derzeitigen Standpunkt aus konnte Dakota erkennen, dass sie Zugang zu weiteren, überall verteilten Tunneln gewährten.
Direkt vor ihr befand sich der Einlass zu einem solchen Laufsteg, und mitten auf dieser Brücke stand Hugh Moss mit einem irren Grinsen auf seinem grausigen Gesicht.
Dakota schwenkte herum und sah, wie hinter ihr der Feuerspucker die immens große Kaverne betrat. Er blieb einen Moment lang stehen, wie um Atem zu schöpfen, dann grinste er sie breit an und begann, in den Tiefen seines Tornisters zu kramen. Kurz drauf zog er einen verschrumpelten schwarzen Klumpen heraus, der wie ein großes Samenkorn aussah.
Plötzlich leckten Flammen um seine Hände und Unterarme; das Samenkorn platzte zischend auf und fing an zu glühen.
Er riss den Arm hoch, holte Schwung und schleudert das brennende Samenkorn in Dakotas Richtung. Eine Sekunde lang beobachtete sie wie hypnotisiert die Bahn des Geschosses, das im Bogen durch die Luft auf sie zuflog. Dann wirbelte sie herum und sauste auf den nahen Laufsteg, dessen metallene Oberfläche unter ihren rennenden Schritten laut schepperte.
Die Explosion riss sie von den Füßen und schmetterte sie der Länge nach zu Boden. Dakota stieß einen Schrei aus, rollte sich schnell auf den Rücken und sah, wie der Feuerspucker sich anschickte, den Laufsteg zu betreten. Moss hatte sich noch nicht von der Stelle gerührt.
Ohne nachzudenken pfefferte sie die zertrümmerten Reste des Impulsgewehrs auf den Feuerspucker.
Die darauffolgende Detonation fegte den Teil der Plattform weg, auf dem der Mann gestanden hatte. Dakota klammerte sich an das Geländer, während der gesamte Steg sich unter ihr aufbäumte und wild ins Schaukeln geriet, als ein paar der Trossen, an denen er hing, zerrissen. Nachdem die zierliche Brücke aufgehört hatte zu schwingen und zu hüpfen, erhaschte sie einen letzten Blick auf die zerschmetterte Leiche des Feuerspuckers, die in das unter ihr schäumende Wasser hinabgesogen wurde.
Prüfend schaute sie zu dem Felsband zurück, an dem der Brückenaufgang verankert gewesen war, doch zum Springen war die Entfernung zu groß. Und auf gar keinen Fall würde sie sich in den Strudel hineinwagen.
»Dakota Merrick!«, kreischte Moss. »Erinnern Sie sich an unser letztes Gespräch?«
»Sie müssen meinem Gedächtnis schon auf die Sprünge helfen, Hugh!«, schrie sie zurück, wobei ihre Stimme fast im Tosen des brodelnden Wassers unterging.
»Ich schwor Ihnen, wenn Sie sich jemals zwischen mich und den, Der-mit-tierischen-Fäkalien-Handelt, stellten, würde ich Ihnen schreckliche Dinge antun – bis Sie sich den Tod herbeisehnten. Ich glaube, ich sagte, ich würde eine Sinfonie aus Ihren Schmerzen machen.«
»Nun, genau darüber müssen wir reden, Hugh.«
»Was gibt es da zu besprechen?«
»Ich will, dass Sie sich zurückhalten. Ich brauche den Händler, weil er mir helfen kann, den Krieg zwischen den Shoal und den Emissären zu beenden. Wenn Sie sich dagegen sperren, kann es sehr gut sein, dass wir alle draufgehen!«
Sie hörte ihn lachen und sah, dass er ein paar Schritte näher an sie heranrückte. »Appellieren Sie an meinen Sinn für Anstand? Sie enttäuschen mich, Miss Merrick. Ich dachte, Sie würden mich besser kennen.«
»Wenn es sein muss, bringe ich Sie um, Hugh.«
»Sie müssen doch merken, dass der Händler Sie manipuliert.« Moss kam noch näher. »Er hat sich noch nie in seinem Leben an eine Abmachung gehalten. Wissen Sie, ich hätte eher damit gerechnet, dass er letzten Endes einen Weg finden würde, Sie auf mich zu hetzen. Offen gestanden, hatte ich mir beinahe gewünscht, dass dieser Tag kommen würde.«
Scheiße, dachte Dakota, dann stürzte sie sich mit einem lauten Schrei auf ihn.
Fast augenblicklich durchzuckte sie ein entsetzlicher Schlag, ein Stromstoß, der ihre Nervenenden in Brand steckte. Etwas knisterte schwach vor ihr und färbte die Luft mit einem kaum wahrnehmbaren Blauton.
Der Schmerz flaute ab, und sie stellte fest, dass sie in einer Energiefeldblase gefangen war. Ohne es zu merken, war sie direkt über einen am Boden des Laufstegs angebrachten Satz Feldgeneratoren gelaufen.
Dakota versuchte aufzustehen, aber der darauf erfolgende Schmerz war so stark, dass sie wieder in die Knie sank.
Mit einem schweren, kalten Gefühl in der Magengrube wartete sie ab, bis Moss neben ihr niederkniete. Beinahe im selben Moment, als ihr Iso-Anzug sich endgültig wieder in ihren Körper zurückzog, schalteten sich die Energiefelder ab. Moss streckte die Hand aus und berührte ihre Schulter. Sie prallte zurück, als sie an dieser Stelle einen stechenden Schmerz verspürte.
»Bringen Sie es zu Ende!«, schäumte Dakota. »Wenn Sie mich töten wollen, dann tun Sie es. Hocken Sie nur nicht herum und weiden sich an meinen Qualen!«
»Ich soll Sie umbringen?« Moss mimte Verblüffung. »Immer diese Todessehnsucht. Warum sollte ich Sie töten wollen?« Er gönnte ihr ein schiefes Grinsen. »Verraten Sie mir, ob ich richtig getippt habe? Hat der Händler Sie eigens hierhergeschickt, damit Sie mich daran hindern sollen, ihn zu jagen?«
»Wie kommen Sie darauf?«
»Ich kann mir keinen anderen Grund vorstellen, weshalb Sie sich sonst die Mühe gegeben hätten, ausgerechnet an diesen Ort zu kommen. Bei unserem letzten Zusammentreffen versprach ich Ihnen, Ocean’s Deep zu verschonen, und im Gegenzug lieferten Sie mir den Händler aus. Danach hätten wir uns nie wieder begegnen sollen – und trotzdem sind Sie hier.«
»Ich nannte Ihnen bereits den Grund, Hugh. Ich habe nicht vor, mich zu wiederholen.«
Moss lehnte sich auf seinen Fersen zurück, und ein nachdenklicher Ausdruck huschte über seine Züge. Jetzt sah Dakota deutlich das lange Messer, das er lässig in einer Hand hielt, nahe genug, um ihre ungeschützte Kehle durchzuschneiden.
»Würden Sie sagen, dass ich ein Mann bin, der zu seinem Wort steht, Miss Merrick?«
»Ich verstehe nicht, was Sie damit meinen.«
»Dann lassen Sie es mich erklären. Einmal gab ich Ihnen ein Versprechen bezüglich Ocean’s Deep. Habe ich mich an unsere Abmachung gehalten?«
»Ja«, gab Dakota gezwungenermaßen zu.
»Dann gestatten Sie mir bitte noch eine Frage. Glauben Sie, dass der Händler jemand ist, der seine Versprechen einlöst?«
Dakota knirschte mit den Zähnen. Eine falsche Bewegung, und er konnte ihr im Nu die Kehle aufschlitzen. »Nein … nein, das glaube ich nicht.«
»Dann will ich Ihnen meinerseits ein Abkommen vorschlagen, eine Vereinbarung, die uns beide am Leben lässt und uns obendrein zufriedenstellt.«
Sie starrte ihn an wie ein in der Falle sitzendes Tier und schwieg.
»Was immer der Händler Ihnen erzählt hat«, fuhr er unbeirrt fort, »er wird Sie verraten. Das liegt in seiner Natur. Und ist dieser Zeitpunkt gekommen, sollten Sie wirklich einen Trumpf gegen ihn in der Hand haben. Nun, Sie gaben mir die Mittel, die ich brauchte, um sein Schiff an jedem beliebigen Ort in unserer Galaxis aufzuspüren.«
Mit der Zungenspitze befeuchtete sie ihre Lippen. »Sprechen Sie weiter.«
»Erlauben Sie mir, Dakota, dass ich mich jetzt dafür bei Ihnen revanchiere. Als Gegenleistung verschaffe ich Ihnen die Möglichkeit, sein Schiff Ihren Wünschen entsprechend zu kontrollieren. Geben Sie acht.«
Dakota fühlte das vertraute Prickeln in ihrem Hinterkopf; es zeigte an, dass ein großes Datenpaket gerade in ihre Implantate geladen wurde. Ihr fiel ein, dass Moss mittlerweile ja selbst ein Maschinenkopf war. Im nächsten Moment stellte sie fest, dass sie in den Besitz einer kompletten Kommandostruktur für eine Shoal-Yacht gelangt war, die sie an ihre persönlichen Bedürfnisse anpassen konnte.
Erstaunt blickte sie ihn an. »Warum tun Sie das, Hugh? Wieso überlassen Sie mir diese Informationen?«
»Es ist ja nicht umsonst. Im Austausch verlange ich von Ihnen, dass Sie mir versprechen, nie wieder zurückzukehren und mich von jetzt an immer, immer in Ruhe zu lassen. Ich denke, Sie werden mir Ihr Wort geben, und ich glaube, dass Sie es halten werden, ungeachtet dieser jüngsten Verfehlung.«
»Nein!« Sie schüttelte den Kopf. »So einfach geht das nicht. Da ist noch etwas, das Sie mir verheimlichen.«
Er stand auf und schaute auf sie hinunter. »Also gut, ich will es mal so ausdrücken. Der Händler ist ein Meister darin, durch Verrat und Lügen sein eigenes Überleben zu sichern. Früher war ich nahe daran, ihn zu stellen, aber er findet stets ein Schlupfloch, durch das er mir entkommt. Wenn er Sie im Stich lässt – und das wird er –, sind Sie ihm überlegen. Nutzen Sie Ihren Vorteil, um ihn zu vernichten, Dakota. Sie ersparen der Galaxie viel Unheil, wenn Sie sein Leben beenden.«
»Und wenn er mich nicht verrät?«
Moss lachte. »Versprechen Sie mir eines, Dakota? Wenn er sich gegen Sie wendet, werden Sie ihn dann töten, damit er nie wieder die Gelegenheit erhält, Sie reinzulegen?«
»Und dann lassen Sie mich gehen?«
»Selbstverständlich.« Moss klang beinahe großzügig. Er rückte von ihr ab und steckte das Messer wieder in das Futteral.
Schwer atmend rappelte sie sich schwankend wieder auf.
»Nun, was ist?« Wieder lächelte er, und das Grinsen, das sein ledriges Gesicht spaltete, erinnerte an das klaffende Maul einer hungrigen Schlange. »Haben wir eine Abmachung?«
Fieberhaft dachte sie über ihre Optionen nach. Würde der Händler es überhaupt merken, wenn sie ihn belog?
»Es ist Ihnen ernst damit?«, vergewisserte sie sich, ihre spröden Lippen befeuchtend.
»Sogar sehr ernst.«
»Gut, dann bin ich einverstanden«, erwiderte sie und vergegenwärtigte sich zu ihrem Schreck, dass sie die Wahrheit sprach.