Kapitel Dreiundzwanzig

»Das will ich jetzt ganz genau wissen«, beharrte Ty. »Ich dachte, während eines Sprungs verginge überhaupt keine Zeit.«

Gleich nach Beendigung des letzten Sprungs hatten sie sich wieder nach draußen begeben. Mit Sternen gespickte interstellare Nebel hingen hinter Olivarri in der Leere des Weltalls. Olivarri besaß die weißesten Zähne, die Ty je bei einem anderen Menschen gesehen hatte; wenn er grinste, blitzten sie buchstäblich, und im Augenblick waren sie das Einzige, was Ty durch das Helmvisier des anderen Mannes sehen konnte.

Ihr aus drei Personen bestehendes Reparaturteam wurde ergänzt durch Nancy, die eine Dornklammer instandsetzte, bevor ein neuer Antriebsdorn hineingesenkt wurde. Über Olivarris Schulter konnte Ty beobachten, wie sie sich abmühte.

Wir Männer sind wirklich faule Kreaturen, dachte er, stehen hier herum und lassen die Frau schuften. Die Realität sah allerdings so aus, dass Nancy niemandem außer sich selbst zutraute, bestimmte Arbeiten auch sorgfältig genug zu verrichten. Er ertappte sich dabei, wie er sich an die vergangene Nacht erinnerte; in Gedanken erlebte er noch einmal, wie ihre Hände sich in sein Haar gruben und ihr schlanker, geschmeidiger Körper sich über ihm wölbte, während sie den Mund aufriss und geräuschvoll zum Höhepunkt kam.

»Virtuelle Zeit vergeht.« Wieder entblößte er grinsend sein strahlend weißes Gebiss. »«Es ist die virtuelle Zeit, die dafür sorgt, dass physische Materie anfängt sich abzubauen.«

»Aber das ist reine Theorie, oder? Exakte Fakten sind ja nicht bekannt.«

Olivarri stand da, und eine Hand ruhte auf der unteren Krümmung eines Antriebsdorns. Er hob die andere Hand und wedelte damit hin und her. »Nein, doch vorläufig gibt es keine bessere Erklärung. Mag sein, dass die Shoal mehr wissen als wir und es uns bislang nur nicht mitgeteilt haben. Jetzt sind sie ja ohnehin von der Bildfläche verschwunden. Aber die virtuelle Zeit erklärt zumindest, warum die Materialentartung von außen beginnt …« Er hob den Kopf, um zur Spitze des Antriebsdorns hinaufzuspähen. »… und sich dann bis zur Hülle weiter fortpflanzt, anstatt jedes Atom der Fregatte gleichzeitig anzugreifen. Man muss den Faktor Zeit einbringen, selbst wenn es sich um virtuelle Zeit handelt, will man diese Tatsache verstehen.«

»Als würde diese winzige Blase aus Raum-Zeit, in der wir gefangen sind, anfangen zu schrumpfen.«

»Exakt. Und weil die virtuelle Zeit, die verstreicht, verschwindend gering ist …«

»Kommen wir mit relativ kleinen Materialschäden aus dieser Blase heraus.«

»Sie haben’s erfasst.« Schon wieder lächelte er und zeigte seine blitzenden Zähne.

Ty drehte sich um und blickte in Richtung Heck. Er konnte nicht einmal mehr den Hyaden-Cluster ausmachen, und erst vor sechs Tagen hatten sie Redstone verlassen. Hundert Meter vor ihm umkreisten zwei Spinnen einen anderen Antriebsdorn und bereiteten alles darauf vor, die Materialschäden, von denen gerade die Rede war, auszubessern.

Er und Olivarri hatten den defekten Antriebsdorn abgekoppelt; an verschiedenen Stellen hatte sich ein halbes Dutzend Spinnen mit ihren ausziehbaren Armen daran verankert; sie hielten sich bereit, ihn von der Außenhülle zu heben, sobald die Klammern, die ihn am Rumpf festhielten, gelöst wurden.

In der Nähe befand sich der Ersatzdorn, getragen von einem separaten Team Spinnen-Mechaniker. Das Auswechseln von Antriebsdornen war eine knifflige und gefährliche Angelegenheit, und deshalb wahrten die drei Menschen, die an dieser Operation beteiligt waren, fürs Erste eine sichere Distanz; sie überließen den Spinnen den größten Teil der Arbeit und griffen nur ein, wenn es absolut unumgänglich war.

Trotz der Vorsichtsmaßnahmen hätte es fast ein paar tödliche Unfälle gegeben. Um ein Haar wäre Lamoureaux gegrillt worden, als er zu dicht an ein paar abgenutzte Energieleitungen herankam. Eine Platte der Außenhülle hatte sich beim Abmontieren selbstständig gemacht, zwei Spinnen demoliert und Corso beinahe mit sich gerissen. Und das allergrößte Risiko bestand darin, dass die Ersatzdorne explodieren konnten, sobald man sie an den Plasmafluss der Fregatte anschloss, falls sie nicht hundertprozentig korrekt konfiguriert waren.

Angesichts dieser Gefahren war es vom Prinzip her eine gute Idee, grundsätzlich die Spinnen arbeiten zu lassen und nur wenige Menschen in Bereitschaft zu halten, die notfalls selbst Hand anlegen konnten; aber in der Praxis sah es so aus, dass das Team bei nahezu jeder Gelegenheit die Spinnen ersetzen musste. Die Roboter eigneten sich ideal für einfache Einsätze, die kein Nachdenken erforderten, doch die komplizierteren Aspekte dieses Jobs erforderten menschliche Gehirne und Hände.

»Okay«, meldete sich Nancy. »Ich löse die Klammern … jetzt

Die Verbindungen, die die Antriebsdorne festhielten, glitten in die Außenhülle hinein, und die rings um die Stelle platzierten Spinnen stießen kleine Gasströme aus. Langsam, schwerfällig, hob sich der Dorn vom Rumpf und neigte sich schräg zur Seite, während die Spinnen ihre Aktionen aufeinander abstimmten. Der neue Antriebsdorn bewegte sich vorwärts, als sein eigenes Spinnen-Team ihn zu der Einbuchtung lavierte.

Diese Arbeitsphase war so stumpfsinnig, dass sich längere Gespräche wie von selbst ergaben. Nancy und Leo hatten den größten Teil dieser Schicht damit verbracht, über Politik zu diskutieren, und sie griffen dieses Thema sofort wieder auf, als die Spinnen-Mechaniker die beiden Antriebsdorne in unterschiedliche Richtungen schleppten.

»Stimmt es«, fragte Olivarri, »dass bei den Freistaatlern nur die Leute wählen oder politische Ämter bekleiden dürfen, die beim Militär gedient haben?«

»Ja, generell schon«, bestätigte Nancy. »Warum sollte jemand, der nicht gewillt ist, mit der Waffe aktiv seine Gesellschaft zu verteidigen, das Recht haben zu bestimmen, wie diese Gesellschaft geführt werden muss?«

»Na ja … ich weiß nicht, ob ich ausgerechnet den Menschen, die aufgrund eines solchen Arguments bereit sind, zur Waffe zu greifen, Entscheidungen überlassen möchte, die mein persönliches Leben berühren.«

»Und warum nicht?«

»Weil ich immer wieder festgestellt habe, dass ich mich vor Typen mit genau dieser Gesinnung schützen muss.« Olivarri lachte schallend.

Nancy gab einen empörten Laut von sich. »Sie verstehen das nicht.«

»Was gibt es da nicht zu verstehen?«, schoss Olivarri zurück. »Diese Einstellung ist doch der Grund, weshalb man die Freistaatler dauernd irgendwo rausgeschmissen und von einer Welt zur anderen abgeschoben hat.«

»Leo, ganz im Ernst. Sie haben aber auch nicht die geringste Ahnung von den historischen Zusammenhängen. Dass wir auf Redstone landeten, hat nichts mit unserer Beziehung zum Konsortium zu tun. Den Freistaatlern geht es um Unabhängigkeit. Es geht um das Recht, dass das Individuum sich verteidigen darf. Wir lehnen es ab, irgendeiner Behörde untertan zu sein, die einem Menschen das Grundrecht zur Selbstbestimmung verweigert.«

Ty stöhnte innerlich auf. Leo schien es darauf anzulegen, Nancy mit Sticheleien zu reizen, und offenbar konnte sie gar nicht anders, als den Köder jedes Mal zu schlucken.

»Okay«, erwiderte Olivarri. »Und was wurde aus all diesen Idealen? In gut zwei Jahren hattet ihr zwei Staatsstreiche.«

»Das kam daher, weil …« Nancy seufzte. »Nun, es sind die verkehrten Leute an der Macht.«

»Die Leute, die so bereitwillig zu den Waffen greifen, meinen Sie wohl.«

Ty war zutiefst dankbar, als sie alle ein automatisches Signal erhielten, dass die neuen Antriebsdorne nun montiert werden konnten. Nancy begab sich dicht an die fragliche Stelle heran, kontrollierte schon zwanghaft akribisch die Klammern der Außenhülle und scannte ein letztes Mal die Systeme. Nach ein paar Minuten trat sie zurück, und dann sahen sie zu, wie die Spinnen langsam den neuen Antriebsdorn in die Öffnung absenkten und die Klammern sich problemlos wieder schlossen.

»Schön«, freute sich Leo. »Ausnahmsweise einmal lief alles glatt.«

Ty dachte darüber nach, wie oft die Antriebsdorne versagten, und wie viele von ihnen noch ersetzt werden mussten, ehe sie das Ende ihrer Reise erreichten. Sie unternahmen häufige und lange Sprünge, die die Mjollnir wesentlich weiter und schneller irgendwohin beförderten, als es bei ihrem Jungfernflug durch den Transluminalraum der Fall gewesen war. Bei dem Tempo, das sie vorlegten, würde es noch dazu kommen, dass sie das Schiff selbst ausschlachten mussten, um an das erforderliche Rohmaterial für die Ersatzteile zu gelangen.

 

Nachdem sie wieder drinnen waren, befand sich Nancy in einer überschwänglichen Stimmung.

»Sei doch nicht so, Nathan, komm mit uns in die Zentrifuge. Du kannst dich nicht ewig vor uns anderen verstecken.«

Ty stülpte seinen Helm über ein Gestell im Umkleideraum und kletterte aus seinem Druckanzug; als er seinen eigenen Mief roch, rümpfte er die Nase. Langsam ließ er seinen Kopf kreisen, und als er die Hände im Nacken verschränkte und sich ein wenig streckte, hörte er das Knirschen seiner strapazierten Muskeln.

»Mal sehen, vielleicht«, wich er aus. Aber angesichts ihrer sich entwickelnden Beziehung interpretierte Nancy diese zögernde Antwort als ein definitives Ja.

Ty warf einen Blick auf Olivarri, der vorgab, nicht zu lauschen. Er hatte keine Ahnung, was er Corso möglicherweise zutragen würde, aber er hielt es für das Beste, vorsichtig zu sein. »Aber nicht jetzt«, fügte er deshalb hinzu. »Eventuell beim nächsten Mal.«

»Was meinst du mit ›nächstem Mal‹?«, zog Nancy ihn auf und klatschte ihm einen Handschuh, den sie gerade abgestreift hatte, gegen die Brust, ehe sie ihn in eine Kiste unter dem Helmständer warf. Sie grinste, aber Ty bemerkte die Unsicherheit in ihrem Lächeln.

»Bald.« Er formte das Wort unhörbar mit den Lippen, dann schielte er zu Olivarri hinüber, um sich zu überzeugen, dass der nichts bemerkt hatte. Nur wenn er sich ziemlich sicher fühlte, unterwegs niemandem zu begegnen, würde er sich zu Nancys Quartier schleichen.

»Dusche!«, brüllte Olivarri, stemmte sich von ihnen weg und steuerte auf die Waschgelegenheiten zu. »Was ich jetzt am dringendsten brauche, ist eine verdammte Dusche

 

Eine dünne, durchlässige Maske über Nase und Mund, stöhnte Ty vor Wonne, als nadeldünne Strahlen aus heißem Wasser die Verspannungen zwischen seinen Schultern wegspülten. Nach zwei Minuten hörte das Wasser auf zu strömen und wurde rasch aus der Duschkabine gesogen, während er sich gegen deren Tür lehnte.

Er betrachtete die Stellen an seinem Körper, an denen das stundenlange Tragen des Druckanzugs die Haut gerötet und wundgescheuert hatte. Jedes Mal, wenn er die Augen schloss, sah er nichts außer Sternen, die wie Diamantstaub die schwarze Leere sprenkelten.

Gerade als sein Blick zu dem Ring wanderte, den er immer noch an der rechten Hand trug, entriegelte sich die Tür der Duschkabine mit einem Klicken. Die Begegnung mit dem Avatar in Unity kam ihm immer surrealer vor, je weiter sich die Mjollnir von zu Hause entfernte; doch der Ring erinnerte ihn stets daran, dass er sich dieses Treffen nicht nur eingebildet hatte.

Er schnappte sich ein Handtuch und verließ die Dusche. Bevor er einen Satz sauberer Bekleidung aus dem Spind zog, rubbelte er sich hastig trocken. Auf welche Weise, grübelte er, hätte er selbst wohl diese seltsame Zusammenkunft arrangiert, wenn er in den Schuhen der Person gesteckt hätte, die sich hinter dem Avatar verbarg. Welche Mittel hätte er gebraucht?

Als Erstes hätte er sich Sprengstoff beschaffen müssen. Während Ty nachdachte, kämmte er sich mit den Fingern das feuchte Haar. Wenn man nur wirklich wollte, konnte man sich ohne besondere Mühe die entsprechenden Chemikalien besorgen. Während seiner Zeit bei Peralta hatte er gelernt, wie sich billige Fabrikatoren so umprogrammieren ließen, dass sie die richtigen Ingredienzien zusammenmixten. Unbemannte Taxis waren ebenso berüchtigt für ihre leichte Manipulierbarkeit. Die Imager-Ausrüstung, die der Agent benutzt hatte, um mit ihm zu sprechen, war teuer, aber eine Standardausführung. Man musste nur jemanden anheuern, der sie in einem leeren Büro installierte, ohne irgendwelche Fragen zu stellen. Ein Mann genügte völlig für diesen Job. Mit Hilfe moderner Tach-Net-Kommunikationstechnologie wäre ein einzelner Mann sogar imstande, all das zu organisieren, und brauchte sich nicht einmal auf demselben Planeten aufzuhalten.

Ty hielt inne, als sein Auge das Glitzern des Rings auffing. Der Avatar, sprich der Agent, hatte gedroht, ihn zu entlarven, wenn er den Ring nicht an sich nähme, dabei war seine Tarnung längst aufgeflogen. Zum einen hatte Rufus Weil ihn erkannt, und er hatte geplaudert. Es war gut möglich, dass Martinez und die anderen Crewmitglieder der Mjollnir die Einzigen waren, die nicht über seine wahre Identität Bescheid wussten. Im Grunde genommen war die Drohung des Avatars ein Witz.

In einer jähen Anwandlung von Entschlossenheit fasste Ty nach dem Ring und fing an, ihn vom Finger zu streifen. Bei seinem nächsten Außenbordeinsatz wollte er ihn in den Weltraum werfen.

Er zog den Ring bis zum Fingerknöchel, und dann erstarrte er, übermannt von der plötzlichen Überzeugung, dass etwas Entsetzliches passieren würde, wenn er den Ring abnähme. Verwirrt ob seines unerklärlichen Zögerns stand er einfach nur da.

»Hey.«

Ty wirbelte herum; das Herz klopfte ihm bis zum Hals. Hinter ihm stand Olivarri, dabei war er überzeugt gewesen, allein zu sein.

»Ist was mit Ihnen?«, erkundigte sich Olivarri. »Sie standen da und starrten ins Leere, als hätten Sie Ihren eigenen Geist gesehen.«

»Es geht mir gut. Ich bin nur …« Ty hob die Hand und merkte betroffen, dass sein Haar mittlerweile knochentrocken war. Wie lange hatte er reglos am selben Fleck verharrt? »Ich bin offenbar doch erschöpfter, als ich dachte«, stotterte er.

»Kein Wunder.« Olivarri nickte misstrauisch. »Diese Einsätze nehmen uns alle ganz schön mit. Ein paar von der Crew hatten in über zehn Jahren nicht so viele Raumspaziergänge, wie wir sie jetzt absolvieren müssen.«

Ty wollte nur noch eins – weg von diesem Ort. »Kann schon sein«, entgegnete er und schob sich an Olivarri vorbei.

»Warten Sie.«

Gereizt drehte Ty sich um.

»Wir müssen uns über etwas unterhalten«, sagte Olivarri.

Er trat an einen offenen Spind und holte eine schmale schwarze Box heraus. Nachdem er sie auf eine Ablage unter einem Spiegel gelegt hatte, berührte er einen an der Oberseite verborgenen Schalter. An einer Seite blinkte ein einzelnes orangefarbenes Licht.

Verdutzt starrte Ty das Gerät an. »Was ist das?«

»Ein Störsender. Ich sorge nur dafür, dass dieses Gespräch unter uns bleibt, für den Fall, dass uns jemand belauscht.«

Ty spähte in die Runde. »Was genau wollen Sie von mir, Leo?«

»Sie werden mir dabei helfen, dass der Mos Hadroch in die richtigen Hände gelangt, Mr. Whitecloud.«

Ty glotzte ihn an. »Wer sind Sie?«

Olivarri sprach schnell und in leisem Ton. »Ich arbeite für die Legislatur, Ty. Ich kann dafür sorgen, dass Sie in Sicherheit sind, wenn Sie ins Konsortium zurückkehren. Niemand wird Sie jemals finden, und das ist mehr, als Senator Corso Ihnen jemals garantieren könnte. Jeder wird nur wissen, dass Sie einfach verschwunden sind. Wenn Sie kooperieren, verschaffen wir Ihnen ein völlig neues Leben, und Sie brauchen nie wieder zu befürchten, dass man Sie aufspürt. Als einzige Gegenleistung müssen Sie nur bereit sein, mir zu helfen.«

»Und … Sie sind was? Ein Spion?«

»Ich arbeite für den Sicherheitsdienst des Konsortiums. Mein Auftrag lautete, Sie zusammen mit dem Mos Hadroch in Gewahrsam zu nehmen. Dann beschloss der Senator, die Fregatte zu kapern, und als ich davon erfuhr, war es zu spät, einen Alternativplan auszuarbeiten.«

Ty schüttelte den Kopf. »Und was genau verlangen Sie von mir?«

»Im Augenblick noch gar nichts«, entgegnete Olivarri. »Das hier ist lediglich eine Kontaktaufnahme. Wir wollten das Artefakt an einen Ort schaffen, an dem wir unsere eigenen Tests durchführen konnten, aber es sieht ganz danach aus, als hätten Merrick und Corso Zugang zu Informationen, die uns verwehrt sind. Vorerst lassen wir sie die Dinge so regeln, wie sie es für richtig erachten.«

Ty war wie vom Donner gerührt. »Und wozu brauchen Sie mich dann noch, verdammt nochmal?«

»Wir sind besorgt, was mit dem Artefakt passiert, nachdem es eingesetzt wurde. Es handelt sich um eine mächtige Waffe, die vermutlich dazu benutzt werden könnte, um den Tierra-Hort stillzulegen, sobald die Mjollnir ins Konsortiumgebiet zurückkehrt  – und jeden anderen Technologiehort obendrein. Das macht den Mos Hadroch viel zu wertvoll, dass man ihn anderen Leuten überlassen dürfte.«

Das ist es also. »Aber warum haben Sie mir das nicht alles schon früher erzählt … als Sie zum ersten Mal mit mir in Kontakt traten? Und was hat es mit diesem Ring auf sich?«, Er hob die Hand und zeigte ihn Olivarri. »Wozu soll der gut sein?«

»Was?« Olivarri starrte ihn verständnislos an. »Ty, wovon zum Teufel faseln Sie da?«

»Ich soll faseln?« Ty lachte. »Ihr vom Sicherheitsdienst habt euch doch an mich herangemacht!«

»Ty, außer mir hat niemand vom Sicherheitsdienst mit Ihnen Kontakt aufgenommen. Das können Sie mir glauben.«

»Aber …« Die Explosion, das Taxi, die Begegnung mit dem Avatar.

»Warten Sie«, hob Ty erneut an. »Das ergibt doch keinen Sinn. In Unity sprach ich mit einem Agenten des Konsortiums. Wer war dieser Mann?«

Jemand, der nur vorgab, für das Konsortium zu arbeiten, gab Ty sich selbst die Antwort. Er starrte auf den Ring an seinem Finger, als sähe er ihn zum ersten Mal. Plötzlich überkam ihn das Gefühl, er müsse sich an etwas ungeheuer Wichtiges erinnern.

»Ty, ich schwöre Ihnen, von meiner Seite hat niemand den Versuch gemacht, mit Ihnen zu reden. Dafür kann ich garantieren.«

Aber wer zum Teufel …?

Auf einmal packte Ty eine ungeheure Angst. Grob drängte er sich an Olivarri vorbei, der durch die jähe Bewegung zur Seite geschleudert wurde.

Ty prallte gegen die Tür und zog sich unbeholfen hindurch. Von einer Seite zur anderen pendelnd setzte er seinen Weg fort, einen Korridor nehmend, der zu der nächsten Transportstation führte. Erst als er die Station erreicht und sich in einen Wagen gehievt hatte, hielt er inne; er bekam kaum noch Luft, und seine Lungen schmerzten.

Unentwegt spähte er durch die offene Wagentür in die Richtung, in der sich der Eingang zur Nabe befand, aber noch war Olivarri ihm nicht gefolgt.

Ein lähmender Schmerz machte sich in seinem Kopf breit; er beugte sich vor, presste sich die Hände gegen die Schläfen und stieß einen überraschten Schrei aus. Als er die Augen zusammenkniff, nahm er am Rande seines Gesichtsfeldes einen winzigen, aber intensiven Lichtblitz wahr und …

Als er das Bewusstsein wiedererlangte, kauerte er immer noch in dem Transportwagen, doch seine Hände waren schmutzig, und er stank nach Schweiß, als hätte er niemals eine Dusche genommen.

Da gab es etwas, woran er sich erinnern musste … etwas sehr Wichtiges.

Doch so sehr er sein Gedächtnis auch anstrengte, es fiel ihm nicht ein.