Kapitel Eins

Konsortium-Standardjahr 2544

 

 

Siebzehntausend Lichtjahre von der Heimat entfernt, durch einen nicht kartographierten Sternhaufen am Rande des galaktischen Zentrums treibend, spürte Dakota Merrick endlich die ersten schwachen Signale auf, die den Aufenthaltsort des Schöpfers verrieten.

Die Signale benutzten eine unglaublich komplizierte Kompressionstechnik, um die größtmögliche Menge an Informationen mit einem minimalen Energiestoß zu übermitteln. Ein Schiff, das nicht über die raffinierte Technologie des Sternenschiffs der Weisen verfügte, hätte die Signale vermutlich nicht von zufälligen Geräuschen unterscheiden können.

Sie verfolgte die Transmissionen zu ihrer Quelle zurück, wobei sie eine dichte Wolke aus kosmischem Staub passierte, die angefüllt war mit so jungen Sternen, dass deren Planeten sich noch kaum ausgebildet hatten. Als ihr Schiff schließlich den Cluster verließ, traf sie auf Dutzende von zerstörten Zweigwelten der Atn, die in einem weiten Orbit an den Rändern wesentlich älterer Systeme kreisten.

Weitere vereinzelte Transmissionen führten sie in Richtung eines Halo-Clusters tausend Lichtjahre über der ekliptikalen Ebene der Galaxis. Sie flog mit ihrem Sternenschiff so weit, bis die Milchstraße allmählich achtern in ihrer Gesamtheit zu sehen war, das Zentrum ein gleißender Lichtbalken, umrankt von schwarzem Rauch.

Im Laufe der Zeit fing sie die Signale uralter Notsender auf, die nach über einhundertfünfzigtausend Jahren immer noch aktiv waren. Und schon bald stellte sie fest, dass sie auf die Überreste der Expedition des Händlers gestoßen war, die vor langer Zeit stattgefunden hatte. Sie fand Kernschiffe, mittlerweile nur noch luftleere Hüllen, deren Meldesysteme weiterhin immer schwächer werdende Hilferufe aussandten, nachdem ihre Crews längst zu Staub zerfallen waren.

Die Transmissionen verdichteten sich, und Dakotas Aufmerksamkeit richtete sich zunehmend auf die nähere Umgebung eines Roten Riesen am Rande eines Sternhaufens. Langstreckensensoren enthüllten schließlich die Eigenart des Schöpfers: Es handelte sich nicht um ein einziges Wesen, sondern entpuppte sich als gigantischer Schwarm von Objekten, die durch zeitlich nicht verzögerte, überlichtschnelle Tach-Net-Transmissionen miteinander verbunden waren. Es gab Millionen davon, die sich über ein mehrere Lichtjahre umfassendes Areal verteilten, in dessen Mitte sich der Rote Riese befand.

Der Schwarm erfüllte den superluminalen Äther mit kurzen Ausstößen von Daten, eine Kakophonie aus unartikulierten Stimmen, die alle einander über enorme Entfernungen hinweg anbrüllten.

 

Wahrend sich das Schiff annäherte, verbrachte Dakota ihre Zeit damit, durch die endlosen virtuellen Welten zu driften, die in den Speicher-Stacks ihres Schiffs enthalten waren; subjektiv vergingen Tage und Monate, wenn draußen im Universum lediglich Sekunden vorbeihuschten. Sie verwandelte sich in eine Schar vogelähnlicher Kreaturen, die durch die dichte Luft einer Welt mit hoher Schwerkraft flogen und auf der Jagd nach Beute ins Wasser hinabtauchten. Sie erfuhr, wie sich das Leben als Krümmung von mit Bewusstsein ausgestatteten magnetischen Wirbeln in der Photosphäre eines Sterns gestaltet, dann erforschte sie die Ruinen einer ertrunkenen Stadt im Körper eines aalgleichen Lebewesens, dessen entfernte Vorfahren sie gebaut und später ihre Vergangenheit vergessen hatten. Ihr eigener Körper fühlte sich an wie eine verblasste Erinnerung; in Wirklichkeit war er schon seit langem mit dem Organismus des Schiffs verschmolzen, wodurch ihr Geist die Freiheit gewann, nach Belieben umherzustreifen.

Ein Teil von ihr wäre am liebsten bis in alle Ewigkeit in diesen Welten geblieben, während ein anderer Teil sie beharrlich daran erinnerte, was es hieß, ein Mensch zu sein.

 

Dakota merkte, dass sie von Gespenstern heimgesucht wurde.

Anfangs konnte sie die Geister noch nicht sehen, vage Präsenzen, die sie höchstens als flüchtige Schemen wahrnahm, doch mit der Zeit gewannen sie an Substanz und wirkten immer realer. Sie besaßen die Stimmen und die Gesichter von Menschen, die sie gekannt und geliebt hatte und die ihretwegen sterben mussten. Sie ertappte sich bei der Frage, ob das bedeutete, dass sie den Verstand verlor.

»Siehst du?«, rief eines der Gespenster, das sie durch ein Labyrinth aus Daten verfolgte. Es trug Josefs Antlitz. »Der Schwarm ist nicht nur eine Wolke aus miteinander vernetzten Objekten; sie stellen ein einziges Wesen dar. Wenn wir den Transmissionen lauschen, hören wir die Gedanken dieses Individuums.«

»Verschwinde!«, kreischte sie, weil sie sich vor den Erinnerungen fürchtete, die er in ihr auslöste. Doch selbst als sich Josefs Geist verflüchtigte, vergegenwärtigte sie sich, dass er Recht hatte. Jedes Mitglied dieses Schwarms – jede Komponente – war ein einzelnes Neuron in einem ungeheuer weit verteilten Gehirn. Der Schöpfer war fremdartig in einer Art und Weise, wie sie ihr noch nie zuvor begegnet war; er hatte die Prinzipien der ohne Zeitverlust funktionierenden Kommunikation über Tach-Net-Signale angewandt und so eine neue Form von Maschinenleben geschaffen. Aber dann fiel ihr ein, in was sie sich verwandelt hatte, und sie fragte sich, ob sie wirklich so viel anders war. Ein paar Tage später – jedenfalls nach Zeitmaßstäben, die im äußeren Universum gültig waren – steuerte Dakota das Schiff in ein Rendezvousmanöver mit einer der Schwarmkomponenten. Vorsichtig näherte sie sich an, argwöhnisch, wie das Objekt auf die Anwesenheit ihres Schiffs oder auf das behutsame Sondieren seiner internen Systeme reagieren würde. Als es schien, dass kein Widerstand zu erwarten war, ließ sie die Komponente von ihrem Schiff hereinholen.

Zum ersten Mal seit über einem Jahr formte Dakota ihren physischen Körper wieder aus und schuf an Bord einen Raum für sich und für die soeben geborgene Komponente. Ihr schwarzes Haar fiel ihr tief in die Stirn, und über den dunkelbraunen Augen wölbten sich wieder die dichten schwarzen Brauen.

Die Schwarmkomponente war ungefähr zehn Meter lang; feine Sensoren und neuronale Leitungen verbargen sich unter einer Reihe von robusten Platten, die vom jahrhundertelangen Bombardement durch mikroskopisch kleine Partikel zerschrammt und eingedellt waren. Es handelte sich eindeutig um eine Von-Neumann-Maschine, die imstande war, sich unendlich oft selbst zu replizieren; Isotopen-Messungen und eine Analyse der Außenhülle zeigten, dass das Rohmaterial zu ihrer Konstruktion von Asteroiden und durch den Raum treibenden interstellaren Körpern stammte.

Seit ihrer Ankunft in der Umgebung des Roten Riesen hatte Dakota unterschiedliche Typen von Komponenten ausgemacht. Einige schienen in erster Linie als Relais für Transmissionen innerhalb des Schwarms zu fungieren, während andere ausschließlich Reparaturen an anderen Komponenten ausführten, entweder indem sie Teile herstellten oder ältere Maschinen zerlegten, um neue zu konstruieren. Noch mehr Objekte schienen Scouts zu sein, die weit entfernt vom Hauptkörper agierten, vielleicht um Ressourcen zu lokalisieren. Dakota vermutete, dass die spezielle Komponente, die sie sich zu Studienzwecken ausgesucht hatte, fast am Ende ihrer Nutzungsdauer angelangt war.

Sie bog ihre Finger durch, spürte das halbvergessene Spiel der Muskeln und gewahrte, dass sie Gesellschaft hatte – sie war nicht mehr allein. Ein eiskalter Schauer überlief sie, als der Geist hinter dem blatternarbigen Objekt hervortrat und sie mit ruhigen, grauen Augen betrachtete.

Natürlich war es kein richtiges Gespenst, nur ein Doppelgängers ihres toten Liebhabers, Josef Marados, der kraft ihrer eigenen Erinnerungen eine stoffliche Gestalt angenommen hatte. Vielleicht bediente sich ihr Unterbewusstsein, das immer stärker rebellierte, dieser Methode, um gegen das wachsende Gefühl von Einsamkeit anzukämpfen, das so weit entfernt von zu Hause in ihr aufkeimte.

Zumindest war das die rationale Erklärung.

»Das Ding ist lebendig«, kommentierte er lässig, als greife er den Faden einer Konversation auf. »Das weißt du, nicht wahr? Aber es scheint keine Ahnung zu haben, dass wir hier sind.«

Plötzlich überkam Dakota eine lebhafte Erinnerung an Josefs blutigen Leichnam, der zusammengekrümmt auf dem Boden seines Büros in Mesa Verde gelegen hatte. An seinem Tod trug sie keine Schuld – nicht im eigentlichen Sinne; damals stand sie unter der mörderischen Kontrolle des Fäkalienhändlers, eines Agenten der Shoal. Er hatte fatale Schwachstellen in ihren Maschinenkopf-Implantaten dazu benutzt, sie in seine willenlose Marionette zu verwandeln. Das wusste sie, und dennoch vermochte sie die Schuldgefühle nicht abzuschütteln.

Wenn ich mich so benehme, als sei das Gespenst real, dann kann das nur bedeuten, dass ich tatsächlich verrückt bin.

Sie tat es trotzdem. Sie konnte gar nicht anders.

»Ich … ich glaube, mit etwas Zeit und Mühe könnte ich versuchen, über dieses Objekt mit dem Rest des Schwarms Kontakt aufzunehmen.«

Der Geist lachte und sah sie mit einem halben Lächeln an, welches verriet, dass er sie bis auf den Grund ihrer Seele durchschaute und sehr wohl über ihre Unsicherheit Bescheid wusste. »Zeit«, entgegnete er, »ist vielleicht das Einzige, was du nicht hast.«

Er spielte natürlich auf den Roten Riesen an. Bis zu seinem Tod waren es nur noch Wochen, möglicherweise sogar wenige Tage. Eine neue und gänzlich natürliche Nova würde entstehen, wenn er den Großteil seiner Masse in einer einzigen kataklysmischen Explosion ins All schleuderte. Trotz der offenkundigen Gefahr blieben zig Milliarden der Schwarmkomponenten in der Nähe des Sterns, wie Glühwürmchen, die am Rand eines Waldbrandes tanzen.

»Lass es lieber.«

Verdutzt starrte Dakota den Geist an. »Was soll ich lieber lassen?«

»Du wolltest gerade um Verzeihung bitten. Sag nicht, dass es dir leidtut, mich getötet zu haben.«

»Ich hatte nicht die Absicht …«

»Du hast mich gemacht, mich aus deinen Erinnerungen zusammengesponnen, und das heißt, dass ich jeden Gedanken in deinem Kopf kenne, noch bevor er auftaucht. Nanu«, fuhr er fort, sich mit auf die Knie gestützten Händen herunterbeugend, um die Hülle der Komponente zu inspizieren, »das ist ja hochinteressant …«

Am liebsten hätte sie seinen Nacken berührt, um herauszufinden, ob seine Haut immer noch warm und weich war und nach dem Mann duftete, den sie gekannt hatte. Stattdessen ließ sie sich von ihrem Schiff stark vergrößerte Bilder vom Äußeren des Objektes geben. Die Hülle war gespickt mit Millionen extrem miniaturisierter Tach-Net-Transceiver, samt und sonders vollgestopft mit molekularen Schaltkreisen.

Anscheinend besaß diese besondere Komponente eine relativ simple Funktion; sie speicherte und analysierte Daten aus dem gesamten elektromagnetischen Spektrum und darüber hinaus noch exotischere Phänomene wie Schwerkraftfluktuationen und die superluminale Tachyonendrift. Falls der Schwarm von einer übergreifenden Intelligenz gesteuert wurde, wovon sie ausging, handelte es sich höchstwahrscheinlich um eine sich weiterentwickelnde Eigenschaft, die allein schon aus seiner hohen Komplexität resultierte.

Dakota legte leicht die Finger einer Hand auf die Hülle der Komponente und schloss die Augen, wobei sie sich unwillkürlich anspannte. Sie konnte das Wispern der Transceiver hören und spürte, dass das Objekt immer noch mit seinesgleichen kommunizierte.

Vielleicht konnte sie sich in diesen Fluss einklinken und direkt zu dem Schwarm sprechen …

Nach kurzem Zögern zog sie die Hand zurück.

»Mach weiter«, ermutigte sie der Geist. »Jetzt hast du die Gelegenheit, mit etwas zu reden, das seit Milliarden Jahren lebt.«

»Es hat aber auch die Technologiehorte geschaffen. Diejenigen, welche die Weisen vernichteten und auch für uns noch eine tödliche Gefahr darstellen. Was ist … wenn ich es verärgere?«

»Das Leben, Dakota, besteht aus einer Reihe von Chancen, denen Risiken vorangehen. Nun bietet sich uns die Möglichkeit, herauszufinden, worauf der Schwarm letztendlich abzielt, was seine ultimative Bestimmung ist. Also fass dir ein Herz und probiere es einfach mal aus.«

Sie nickte und legte die Finger abermals auf die Hülle der Komponente, während sie dem Plappern des Schwarms lauschte. Plötzlich ergaben die unverständlichen Geräusche einen Sinn, und was sie erfuhr, war so schockierend, dass sie einen leisen Schrei von sich gab und ihre Hand zurückzuckte.

»Es versucht …«

»Das Universum neu zu formen, es zu überarbeiten«, beendete das Gespenst für sie den Satz. »Und es rechnet damit, dass es dieses Projekt erst in ein paar Milliarden Jahren beenden wird.«

»Das ist ja nicht zu fassen«, staunte sie. »Aber wie hilft uns das weiter?«

»Sieh dir das einmal an«, erwiderte der Geist und lenkte ihre Aufmerksamkeit auf einen ganz bestimmten Datenstrang. »Hier … ein Weg, um den Nova-Krieg zu beenden.«

Abermals legte sie ihre Hand auf die Hülle der Komponente. Noch mehr Daten strömten hindurch und drohten ihren Verstand zu überschwemmen.

Der Geist grinste triumphierend. »Hast du es gesehen?«

Sie nickte. »Ja. Ich hab’s gesehen. Wir sind tatsächlich auf etwas gestoßen.«

Ein Name, herausgefischt aus den Tiefen der kollektiven Intelligenz des Schöpfers, und sogar noch ein bisschen mehr.

 

»Mos Hadroch.« Severn ließ den Begriff auf der Zunge zergehen.

Sie spazierten Seite an Seite durch eine Simulation der Straßen von Erkinning, auf Dakotas Heimatwelt Bellhaven. Der winterliche Wind fühlte sich so echt an, dass sie ihre Hände zu Fäusten geballt und tief in die Taschen ihrer mit Daunen gefütterten Jacke gestemmt hatte; der gepolsterte Kragen war bis zu den Ohren und über das Kinn gezogen. Von der Stadtmauer her drangen die Essensgerüche und der Klang von Stimmen bis zu ihnen herüber; dort hatten Grover-Flüchtlinge, eine günstige Gelegenheit nutzend, einen Markt eingerichtet.

Dakota hatte Chris Severn ermordet, während er sich in einer Klinik in Ascension erholte; sie hatte ihm das Herz aus dem Leib geschnitten und zugesehen, wie seine Lebenszeichen auf den Überwachungsmonitoren erloschen. Noch eine Ausgeburt ihrer Fantasie, die eine quasi reale Gestalt angenommen hatte  – ob sie es nun wollte oder nicht –, in die Haut eines Menschen geschlüpft, der gestorben war, weil er den Fehler begangen hatte, sie zu lieben.

»Was immer es ist, dem Schwarm bedeutet es sehr viel«, sinnierte Dakota. »Und für die Weisen muss es ebenfalls von großer Bedeutung gewesen sein, nur haben wir bis jetzt keine Ahnung, was es mit diesem Mos Hadroch auf sich hat.«

»Der Mos Hadroch ist eine Legende«, behauptete Josef und blieb vor einem Stand stehen, um für sie beide heißen Tee zu kaufen. »Jedenfalls etwas in der Art. Es gibt keine überlieferten Berichte, die seine Existenz beweisen. Vermutlich handelt es sich um eine Waffe, konstruiert von einer früheren Zivilisation in der Großen Magellanschen Wolke.«

Dakota schlürfte den bitteren schwarzen Tee und spürte, wie sich seine Wärme in ihrer Kehle ausbreitete. »Wenn der Schwarm so erpicht darauf ist, den Mos Hadroch zu finden, kann er gar kein Mythos sein. Wir müssen versuchen, noch mehr darüber herauszubekommen.«

Severn runzelte die Stirn. »Du solltest vorsichtig sein. Der Händler hat auf die harte Tour erfahren, dass der Schwarm tödlich sein kann.«

»Für Bedachtsamkeit ist es zu spät«, murmelte sie gereizt. »Wir müssen so viel wie möglich herausfinden.«

»Das ganze Wissen nützt dir auch nichts, wenn du bei der Beschaffung der Informationen draufgehst. Der Schwarm verhält sich, als befänden wir uns unterhalb seiner Wahrnehmungsschwelle, aber wir können nicht sicher sein, ob er uns tatsächlich ignoriert.«

 

Weitere Tage vergingen, und das Sternenschiff lernte, immer mehr der Daten zu entschlüsseln, die durch die Transceiver der gekaperten Komponente strömten. Zum ersten Mal begann sich ein akkurates Bild von den Ursprüngen des Schwarms zu formen, nachdem Dakota lediglich unzusammenhängende Fragmente gewährt wurden, die sie mit Hilfe von Spekulationen versucht hatte, zu einem vagen Gesamteindruck zu kombinieren.

Nachdem das Sternenschiff erst einmal die Fähigkeit erworben hatte, die Sinne des Schwarms anzuzapfen, war Dakota imstande, das Universum durch unzählige Augen zu betrachten.

Sie erfuhr, dass der Schwarm uralt war – und er war nicht der einzige seiner Art. Es gab noch mehr Schwärme, über ferne Galaxien verteilt, die sich über unvorstellbar große Zeiträume hinweg selbst im gesamten Universum ausgesät hatten. Der Ursprung dieses speziellen Schwarms lag in einer Epoche, als sich die Sonne der Erde noch kaum aus interstellarem Staub verdichtet hatte.

Offenkundig hielten diese Schwärme untereinander Kontakt, trotz der enormen Distanzen, die sie voneinander trennten, obwohl Dakota noch nicht begriff, welchen Mediums sie sich dabei bedienten. Zwar fand eine Tach-Net-Kommunikation ohne Zeitverzögerung statt, doch die erforderliche Energiemenge, um ein Signal so unglaublich weit zu senden, war schwindelerregend hoch. Wie es dem Schwarm gelang, diese Energie aufzubringen, blieb eine Frage, die sie zumindest vorläufig nicht beantworten konnte.

Mos Hadroch. Dieser Begriff tauchte immer wieder auf, und bald wurde ersichtlich, dass der Schwarm dieses wie auch immer geartete Ding als eine große Bedrohung für seine vorrangige Mission betrachtete, auch wenn nach wie vor frustrierend unklar blieb, worin genau die Aufgabe des Schwarms bestand.

 

»Sämtliche unserer Versuche herauszufinden, was es mit diesem Mos Hadroch auf sich hat, führen zu nichts«, erklärte Dakota. »Ich werde mit den anderen Navigatoren zu Hause in Kontakt treten; mal sehen, ob sie uns weiterhelfen können.«

Sie stand mit Josefs Geist auf dem Dach eines mehrere Kilometer hohen Gebäudes, auf einer ansonsten verlassenen Welt, die aus dem Memory-Speicher des Schiffs stammte. Über ihnen schwebte ein Realzeit-Bild des Roten Riesen, der gewaltige Schleifen aus feurigem Plasma von seiner Oberfläche ins All schleuderte, welche den Verlauf seiner Magnetfelder anzeigten.

Mit zweifelnder Miene blickte Josefs Geist sie an. »Was könnten sie denn tun? Nach allem, was wir wissen, befindet sich der Mos Hadroch möglicherweise irgendwo innerhalb der Großen Magellanschen Wolke – falls er überhaupt noch existiert. Vielleicht sollten wir uns etwas völlig Neues einfallen lassen.«

»Nein, du verstehst mich nicht. Die Shoal gaben ein Kernschiff auf, ehe sie unseren Teil der Galaxis verließen. Angenommen, in dessen Datenbanken gibt es einen Hinweis auf den Mos Hadroch. Oder in dem Wrack des Godkillers im Ocean’s-Deep-System? Daheim gibt es Navigatoren, die mittlerweile seit ein paar Jahren ihre eigenen Sternenschiffe der Weisen fliegen. Wenn ich denen sämtliche Informationen schicke, über die wir verfügen, finden sie womöglich binnen weniger Minuten eine Korrelation.«

Ich spreche mit mir selbst, dachte Dakota, während sie den Geist ansah. Denn genau das stellt er dar – einen Teil von mir, der glaubt, er gehöre zu jemand anders. Ein weiteres Indiz dafür, dass sie langsam durchdrehte.

»Das Risiko, mit der Heimat Kontakt aufzunehmen, ist enorm, Dakota. Es läuft auf Selbstmord hinaus.«

»Wie meinst du das?«

Der Geist wandte ihr sein Gesicht zu. »Denk doch nur, wie viel Energie nötig ist, um ein Signal über eine Entfernung von siebzehntausend Lichtjahren bis nach Ocean’s Deep zu senden. Reicht die Energie nicht aus, wird es sich in ein bedeutungsloses Geräusch auflösen, noch ehe es sein Ziel erreicht hat. Um sicherzugehen, dass die Navigatoren daheim deine Botschaft erhalten, wirst du die Energiereserven des Antriebs voll aufbrauchen müssen.«

»Ja, und?«

»Das Schiff braucht dann etliche Tage, ehe es neue Energie aus dem Vakuum ziehen kann, und so lange kann es keine überlichtschnellen Sprünge durchführen. Sollte der Schwarm sich dazu entschließen, uns anzugreifen, sind wir ihm schutzlos ausgeliefert.«

»Wir sind ohnehin an einem toten Punkt angelangt«, beharrte Dakota. »Wir müssen handeln, und zwar sofort.«

»Es ist ein Fehler«, warnte der Geist.

»Nein. Es ist ein Risiko, aber wir müssen es eingehen.«