Kapitel Dreiunddreißig
Das Komm-Terminal in Dakotas Quartier fing beharrlich an zu piepsen. Sie verschaffte sich Zugang zum Datenraum und stellte fest, dass Corso ihr ein Signal der höchsten Dringlichkeitsstufe schickte. Nach kurzer mentaler Navigation ortete sie ihn auf Deck C, ganz in der Nähe des Labors.
Lucas. Was gibt’s?
›Dakota. Wo steckst du?‹
In seiner Stimme schwang eine Spur von Panik mit.
In meinem Quartier.
›Ich brauche dich sofort auf Deck C, die nächste Transportstation ist die Nummer 55. Du musst dir was ansehen.‹<
Warum erzählst du mir nicht einfach, was es ist?
›Komm hier herunter, Dakota. Beeil dich.‹
Er kappte die Verbindung. Dakota prüfte die Zeit und vergegenwärtigte sich mit einem leisen Stöhnen, dass sie nicht einmal zwei Stunden geschlafen hatte.
Bei ihrer Ankunft traf sie Lamoureaux an, der vor dem Eingang zu einem Stauraum auf sie wartete; das Lager befand sich auf halber Strecke zwischen der Transportstation und dem Laborkomplex.
Mit grimmiger Miene deutete er auf die offene Tür. »Werfen Sie mal einen Blick rein.«
Sie betrat den Raum, doch ihre Nase hatte ihr bereits alles verraten, was sie wissen musste. Die Schotten waren mit Blutspritzern besudelt, und die Luft roch nach Kupfer und Rost.
Sie sah Corso und Martinez, die zu beiden Seiten von Willis knieten, der in die Lücke zwischen zwei großen Kästen mit Metallgegenständen gezwängt worden war. Die tiefen Schnittwunden in Hals und Brust ließen keinen Zweifel daran, dass er nicht mehr lebte.
Corso blickte hoch, als sie eintrat. »Hast du unterwegs jemanden gesehen?«
»Nein. Mir ist niemand begegnet. Ich habe auch keinen Umweg gemacht, sondern kam schnurstracks hierher.«
Corso und Martinez tauschten einen Blick. »Vier von uns sind hier …«
»Und Dan ist auf der Brücke«, beendete Martinez den Satz. »Wir sollten schleunigst dorthin zurück.«
Nur noch fünf von uns sind übrig, dachte Dakota betroffen. Ray, Nancy, Leo – alle tot.
»Was ist … was ist mit Driscoll?«, fragte sie. Um ein Haar hätte sie sich verplappert und »Whitecloud« gesagt.
»Tja, das wüsste ich auch gern«, erwiderte Martinez, während er sich wieder aufrichtete. Er hielt sich an einer Seite des Frachtmoduls fest, um nicht abzudriften. »Er ist verschwunden.«
»Nicht nur das. Wie es scheint, hat er den Mos Hadroch mitgenommen«, fügte Corso hinzu. »Und … Dakota, Eduard ist über Whitecloud im Bilde. Jetzt jedenfalls.«
»Bitte sagen Sie mir, dass Sie das erst kürzlich erfahren haben«, warf Martinez ein. Seine Stimme klang ruhig, aber an der Art, wie er sie ansah, merkte sie, dass in ihm ein ungeheurer Zorn brodelte.
»Ich schwöre, ich weiß es auch noch nicht lange.« Sie blickte zu Corso hinüber. »Weißt du, vielleicht hättest du uns alle schon viel früher informieren sollen.«
»Ja, vielleicht habe ich einen Fehler gemacht«, pflichtete Corso ihr bei, aber sie merkte ihm an, dass er log.
Sie konnte den Blick nicht von Willis’ Gesicht abwenden. Auf seinen Zügen lag ein Ausdruck gelinder Überraschung, der überhaupt nicht zu seinem gewaltsamen Tod passte. Die Verletzungen waren entsetzlich, und trotzdem musste sie unentwegt hinschauen.
»Wir können wohl mit ziemlicher Sicherheit davon ausgehen, dass Whitecloud Olivarri getötet hat«, stellte sie fest.
»Ich lasse mich auf keinerlei Spekulationen ein, ehe wir ihn gefunden haben«, gab Martinez zurück.
»Wer hat Willis eigentlich entdeckt?«
»Wir maßen unerklärliche hohe Spannungsspitzen aus dem Laborkomplex«, erklärte Corso. »Driscoll … Whitecloud«, korrigierte er sich, »meldete sich nicht auf unsere Anfragen, deshalb ging Ray hier herunter, um nach dem Rechten zu sehen. Danach hörten wir nichts mehr von ihm.«
Dakota tauchte in den Datenraum ein und checkte die Yacht des Händlers.
»Der Händler befindet sich genau dort, wo er sein sollte«, verkündete sie. »Seine Yacht hat sich nicht von der Stelle bewegt, und es gab auch keinen Versuch, sie mit einer der Luftschleusen zu verbinden.«
Lamoureaux beugte sich durch die Tür und fing ihren Blick au. »Glauben Sie, Whitecloud könnte sich auf den Weg zum Hangar gemacht haben?«
»Wie zum Teufel ist der Händler in die Sache verwickelt?«, knurrte Martinez.
»Was hat Lucas Ihnen über Whitecloud erzählt?«, wollte Dakota von ihm wissen.
»Genug, um mir verdammte Kopfschmerzen zu bereiten, Miss Merrick.«
»Nun … er besitzt maßgeschneiderte Uchidanische Implantate, und es ist möglich, dass der Händler sie dazu benutzt, um ihn auf irgendeine Weise zu steuern. Und man kann keinesfalls ausschließen, dass er nicht die geringste Ahnung hat, was mit ihm passiert.«
»Das mag ja sein«, schnauzte Martinez, »aber wenn ich diesem Dreckskerl rein zufällig den Kopf wegpuste, werde ich nicht anfangen zu weinen.« Er deutete auf den Korridor hinter dem Raum. »Ganz in der Nähe gibt es einen Waffenschrank. Wir bewaffnen uns, und dann werden wir nach diesem Bastard suchen.«
»Nein. Keine Feuerwaffen«, lehnte Corso energisch ab. »Wir können es nicht riskieren, dass das Artefakt beschädigt wird.«
Martinez zog sich in eine aufrechte Position, griff nach einem Metallsims, das am Schott hinter ihm befestigt war, nutzte die Hebelwirkung aus und verpasste Corso einen Tritt gegen die Schulter. Corso schlitterte über den Boden, bis er an das hintere Schott prallte.
»Ich sollte Sie jetzt umbringen!«, brüllte der Commander. »Sie haben mich immer und immer wieder belogen, Lucas, und durch Ihre Unaufrichtigkeit kommen Menschen ums Leben! Das ist immer noch mein Kommando, mein Schiff, meine Crew! Und deshalb werden wir uns bewaffnen!«
Mit einem Ausdruck des Abscheus blickte er sie der Reihe nach an. »Am liebsten würde ich euch alle aus der nächsten Luftschleuse werfen und zusehen, wie ihr elend krepiert. Aber jetzt werdet ihr euch erst mal mit Waffen ausrüsten, und dann macht ihr Jagd auf Whitecloud. Es ist mir egal, wie groß das verdammte Schiff ist, ich will, dass man ihn findet!«
Als Dakota etliche Stunden später auf die Brücke zurückkehrte, hatte Lamoureaux gerade den letzten einer Folge von Sprüngen beendet, die die Fregatte tief in das Innere des Perseusarms beförderten. Jetzt waren sie nur noch zwölfhundert Lichtjahre von ihrem angestrebten Ziel entfernt.
Sie ließ sich auf eine Couch neben Martinez und Perez sinken, und sie merkte, dass sie ausnahmsweise alle zusammen waren – bis auf den Händler und Whitecloud natürlich. Lamoureaux hing in dem Interface-Sessel und wirkte so erschöpft, dass sie befürchtete, er könnte ohnmächtig werden. Corso hockte auf der Kante des Podests, zu Teds Füßen, und hielt den Blick auf sie, Martinez und Perez gerichtet. Jeder Einzelne von ihnen machte den Eindruck, als könnte er jeden Moment vor Entkräftung zusammenbrechen.
Corso nickte ihr zu. »Denkst du, du kannst noch ein paar Minuten länger wach bleiben?«
»Sicher«, murmelte Dakota heiser. Ein Gefühl der Benommenheit, das ihren Kopf füllte wie dicke schwarze Watte, drohte ihre Gedanken aufzusaugen. Während der letzten zweiundsiebzig Stunden hatte sie kaum geschlafen. Ihre Implantate konnten ihre Hormon- und Adrenalinspiegel beeinflussen und ihr gelegentlich frischen Auftrieb geben, aber auf Dauer würde dies ihren Körper schädigen.
Lamoureaux hangelte sich von seinem Interface-Sessel herunter und setzte sich neben sie. Corso stand auf und sah sie alle an.
»Erstens«, begann er, »gibt es von Whitecloud immer noch keine Spur. Das Problem kennen wir bereits – das Schiff ist einfach zu groß. Wir haben die Fabrikatoren programmiert, zwei Dutzend nur mit dem Notwendigsten ausgestattete Spinnen zu produzieren, die dann die Suche fortsetzen, aber diese Roboter werden im Grunde nichts weiter sein als eine Kamera auf einer Navigationsplattform. Sie sollen das Schiff vom Bug bis zum Heck schnell und systematisch durchkämmen.«
»Wer steuert sie?«, erkundigte sich Dan Perez.
»Keiner«, antwortete Martinez. »Wir können niemand entbehren, nicht, wenn nur noch fünf von uns die ganze Arbeit erledigen müssen. Die Spinnen erhalten ihr eigenes Netzwerk und zeigen alles an, was auch nur halbwegs ungewöhnlich ist.«
»Trotzdem wird das noch viel zu lange dauern«, protestierte Lamoureaux.
»Dem stimme ich zu.« Corso nickte. »Wir sollten lieber unseren Verstand benutzen und einen anderen Weg austüfteln, wie wir Whitecloud und das Artefakt finden können. Als Dan in den Laborcomputern herumschnüffelte, entdeckte er etwas, das ihr euch unbedingt ansehen müsst. Machen Sie jetzt weiter, Ted?«
Lamoureaux nickte, und kurz darauf erschien über ihren Köpfen ein Bild das Mos Hadroch, wie er in der Imager-Anlage des Labors steckte.
Dakota beugte sich vor. Mit dem Artefakt schien etwas nicht zu stimmen; es schien, als sei die Luft, die es umgab, irgendwie verzerrt.
»Das Video, das Sie jetzt sehen, wurde natürlich gemacht, bevor der Mos Hadroch aus dem Labor entfernt wurde«, erläuterte Corso. »Während wir anderen das Schiff durchsuchten, stieß Dan auf mehrere zerstörte Kameras, die aus Bordfabrikatoren stammen. Er fand noch mehr Kameras, intakte Apparate, die offensichtlich in Ecken und Winkeln des Labors versteckt wurden, wo man sie bei einer oberflächlichen Suche niemals vermutet hätte. Außerdem entdeckte Dan ein paar Videodateien, die Whitecloud allem Anschein nach bewusst über die Datenspeicher des Schiffs verteilt hatte. Lassen Sie das erste Band laufen, Ted.«
Fasziniert beobachtete Dakota, wie der Mos Hadroch in extremem Zeitlupentempo zu explodieren schien; von seinem zentralen Körper aus verteilten sich glitzernde Splitter unter leichten Drehungen nach außen. Der Kern – das Artefakt selbst – veränderte derweil seine Form; es sah aus, als würde es sich alle paar Sekunden auflösen und dann wieder zusammenfalten, und das auf eine Weise, die ihre Sinne überforderte. Allein das Zuschauen tat ihren Augen weh.
Es gab Anzeichen von möglichen Schatten, als sei das Artefakt gefangen inmitten eines Gewirrs aus Streben und Mechanismen, von denen die meisten unsichtbar oder fast nicht zu erkennen waren. Ein unheimliches und überwältigendes seltsames Pochen begleitete diese Verzerrungen.
Schließlich riss Dakota sich von dem Anblick los und drückte die Finger gegen ihre Augen. Als sie wieder hinsah, hatte Lamoureaux das Video gestoppt.
»Wir fanden auch noch dies hier«, sagte Lamoureaux. »Lucas?«
»Abspielen, Ted.«
Eine neue Videoaufzeichnung lief ab. Dieses Mal starrte Whitecloud mit wildem Blick in das Objektiv der Hauptkonsole des Labors.
»Mein Name – mein richtiger Name – lautet Ty Whitecloud«, begann er. »Wenn Sie das hier sehen, bin ich vermutlich schon tot. Die Dateien, die ich dieser Nachricht hinzugefügt habe, enthalten eine Kommandostruktur, mit deren Hilfe man meiner Ansicht nach das Artefakt kontrollieren kann. Ich …«
Das Bild ruckte kurz, als Lamoureaux es vorspulte. »… Artefakt setzt sich zusammen aus einer Form von nicht baryonischem Material, das auf einem stringenten, sich selbst ordnenden Prinzip beruht. Möglicherweise ist es von hylozoischer Natur, im Wesentlichen ein klassisches Modell einer Wheeler-Korsh-Maschine. Nur wenn ich diese Prämissen zugrunde lege, kann ich anfangen zu verstehen, wie sich die Kommunikation zwischen mir und dem Mos Hadroch gestaltet.«
»Kommunikation?«, platzte Perez heraus.
Dakota setzte sich aufrecht hin; ihre Müdigkeit war verflogen.
»Man muss begreifen, dass es sich bei dem Mos Hadroch nicht nur um eine simple Waffe handelt. Er funktioniert nicht bei jedem, der ihn zufällig in seinen Besitz gebracht hat. Die Art und Weise, in der er mit mir kommunizierte, lässt den Schluss zu, dass er absolut fähig ist, eigene Entscheidungen zu treffen. Er weiß alles über uns – er weiß über die Shoal Bescheid, dass sie mit den Emissären Krieg führen, er weiß sogar, weshalb wir hier sind.«
»Er faselt sinnloses Zeug«, meinte Perez. »Das ist doch absurd.«
»Halten Sie den Mund«, schnappte Corso.
»Jemand – oder etwas – hat gegen meinen Willen die Kontrolle über mich erlangt, und das nur, weil er – es – uns das Artefakt wegnehmen will. Aber Sie müssen verstehen …« Whitecloud brach ab, um sich zu räuspern. Er war eindeutig am Ende seiner Kräfte. »… Sie müssen verstehen, dass das Funktionieren des Artefakts davon abhängt, wie es denjenigen beurteilt, der es aktivieren will. Ob es seine Bestimmung erfüllt oder nicht, wird es selbst entscheiden.«
Whitecloud sackte über der Konsole zusammen und fuhr sich mit einer zitternden Hand durch die strubbeligen Haare. »Und Sie müssen darauf gefasst sein, dass das Artefakt uns vernichten wird, falls es einen ausreichenden Grund dafür zu haben glaubt.«
Einen Moment lang schien es, als wolle er noch etwas sagen, doch dann besann er sich anders und rückte von der Konsole ab.
»Er ist verrückt«, meinte Perez.
»Das glaube ich auch«, stimmte Martinez zu. »Er hat eindeutig den Verstand verloren.«
»Da bin ich mir nicht so sicher«, wandte Dakota ein.
Lamoureaux zeigte nach oben. »Das ist noch nicht alles.«
Dakota schaute wieder hin und sah, dass Whitecloud eine Hand mit abgespreizten Fingern auf die Konsole legte; in der anderen hielt er ein Messer, dessen Klinge auf einen der Finger zeigte.
Jesus und Buddha, dachte sie entsetzt, konnte den Blick jedoch nicht abwenden. Whitecloud zitterte heftig, murmelte etwas vor sich hin und war offensichtlich verzweifelt.
Mehrere Sekunden lang stand er so da, dann änderte sich abrupt sein Verhalten. Sein Gesicht wurde ausdruckslos, und das in einer Weise, die Dakota einen kalten Schauer über den Rücken jagte.
Er starrte in Richtung des Laboreingangs, der von dem Objektiv an der Konsole nicht erfasst wurde, und trat selbst aus dem Erfassungsbereich der Kamera.
»Das nenne ich Timing«, brummte Perez. »In diesem Moment muss Ray aufgetaucht sein.«
»Ja, ich denke, da haben Sie Recht«, pflichtete Corso ihm bei. »Whitecloud brachte ihn um, ehe er sehen konnte, was mit dem Artefakt passiert.«
»Nein, der Händler brachte ihn um«, berichtigte Dakota und blickte ihn vielsagend an. »Die Tatsache, dass Whitecloud derjenige war, der mit dem Messer zustach, hat überhaupt nichts zu bedeuten. Du hast doch selbst gesehen, wie er mit sich kämpfte.«
»Ich lasse die Aufzeichnung ein paar Minuten vorlaufen«, kündigte Lamoureaux an, und Whitecloud erschien wieder über ihren Köpfen. Nun war er mit Blut besudelt, das nicht von ihm selbst stammte, und er keuchte so schwer, dass seine Brust sich hob und senkte. Ein Mann wie Ray Willis war nicht so leicht umzubringen, auch dann nicht, wenn er überrumpelt wurde.
Whitecloud zog den Mos Hadroch aus dem Gestell und stopfte ihn in eine Tasche. In seinen Augen lag ein grausiger Blick; sie hatten nichts Menschliches mehr an sich.
»Heißt das, dass er die Kommandostruktur für den Mos Hadroch die ganze Zeit über kannte?«, fragte Perez mit leiser Stimme.
»Ein bisschen früher gibt es eine Passage, in der er schildert, wie er sie gefunden hat … sie war tief in den Speichern versteckt. Wie sie dorthin kam, weiß er allerdings nicht.«
In diesem Moment ging Dakota ein Licht auf. »Aber ich weiß es!«, rief sie, fieberhaft nachdenkend.
Corso starrte sie an. »Woher willst du das wissen?«
»Indem ich zwei und zwei zusammenzähle. Ich hege nicht mehr den geringsten Zweifel daran, dass er vom Händler gesteuert wird. Aber jetzt kommt’s. Wir ließen den Händler nicht an Bord, weil wir verhindern wollten, dass er auch nur in die Nähe des Mos Hadroch gelangt, richtig? Auf gar keinen Fall sollte er persönlich Zugang zu dem Artefakt bekommen.«
»Und um sich trotz allem Zugriff zu verschaffen, benutzte er Whitecloud?«, schlussfolgerte Lamoureaux mit vor Verblüffung geweiteten Augen.
»Klar. Obendrein benutzte er ihn, um seine eigenen Experimente mit dem Artefakt zu veranstalten«, fuhr Dakota fort. »Er übertrug Kopien der Kommandostruktur ins Labor, wo er sie testen und ausprobieren konnte, ob sie funktionierten. Irgendwie muss Whitecloud dann über die Kommandostruktur gestolpert sein und kam darauf, was gespielt wurde.«
»Und warum hat sich der Händler ausgerechnet jetzt den Mos Hadroch angeeignet? Wieso nicht schon früher?«
»Dafür habe ich keine Erklärung«, gestand Dakota. »Aber als der Händler merkte, dass Whitecloud Kopien der Kommandostruktur über das ganze Schiff verteilt hat, muss er sich darüber klargeworden sein, dass wir ihn nicht länger brauchten.«
Mit grimmiger Miene stand Martinez auf. »Daraus folgt, dass Whitecloud in diesem Augenblick unterwegs zur Yacht des Händlers ist – falls er sie nicht schon erreicht hat.«
Er trat an eine Konsole, und im nächsten Moment schwebte über ihnen ein Drahtgittermodell der Fregatte. »Wir nehmen die Suche wieder auf, doch dieses Mal konzentrieren wir uns ausschließlich auf die Luftschleusen achtern und auf jede Zugangsroute, die zum Haupthangar und zum Händler führt.«
»Er könnte längst da sein«, hielt Perez entgegen. »Nachdem er Ray ermordet hat, ging er wahrscheinlich auf schnellstem Weg dorthin.«
»Nicht unbedingt«, wandte Corso ein. »Als wir Ray fanden, programmierte ich sofort die Überwachungssysteme darauf, mich zu warnen, sobald Whitecloud von einer Kamera erfasst würde.«
»Der Haken ist, dass die Kameras nicht das gesamte Schiff überwachen«, wandte Martinez ein. »Nur die Hauptkorridore und Hangare.«
»Und jeden Zugangspunkt, den man passieren muss, um direkt in den Haupthangar zu gelangen«, ergänzte Corso. »Allerdings hat ihn noch keine Kamera erwischt, was bedeutet, dass er – und damit meine ich den Händler – die Bereiche des Schiffs meidet, die überwacht werden.«
»Dann muss er sich immer noch irgendwo an Bord der Fregatte verstecken«, folgerte Dakota.
»Hören Sie«, ergriff Perez wieder das Wort, »ehe wir losrennen und ihn suchen, sollten wir noch etwas berücksichtigen. Im Augenblick liegt unsere Sprungkapazität unter fünfzig Prozent. Außerdem gibt es Schäden an der Außenhülle, die sofort behoben werden müssen. Wenn wir in diesem Zustand versuchen, in das Zielsystem zu springen, müssen wir mit erheblichen Problemen rechnen.«
»Dan hat Recht«, wandte sich Dakota an Martinez. »Ich kann verstehen, dass Sie die Spinnen eigenständig nach Whitecloud suchen lassen wollen, damit wir anderen uns den Reparaturarbeiten widmen können, aber wir hätten eine viele bessere Chance, ihn zu fangen, wenn Sie mir oder Ted die Steuerung der Spinnen übertragen. Die gewissenhaftesten Reparaturen werden uns nichts nützen, wenn wir den Technologiehort ohne das Artefakt erreichen.«
Martinez schloss für eine kurze Weile die Augen und holte tief Luft, ehe er sie wieder aufmachte. »Also schön, ich bin einverstanden. Ich schätze, uns bleibt gar keine andere Wahl.« Er fixierte Dakota mit einem warnenden Blick. »Sie sind sich doch darüber im Klaren, dass uns die Zeit davonläuft?«
Dakota nickte ernst. »Und ob. Aber wenn wir genug Spinnen losschicken, die nach Whitecloud forschen, müssten wir ihn früher oder später aufspüren.«