|50|Ein letzter Versuch

Auch beim Berliner Raubdezernat machte man sich die DNA-Analyse zunutze. Vermeintliche Spurenträger wurden überprüft und eingedenk möglicher künftiger wissenschaftlicher Erkenntnisse vorsorglich selbst dann aufgehoben, wenn eine DNA-Analyse erfolglos war. So schlummerten die Masken aus dem Überfall auf den kleinen Laden von Erika und Werner L., sorgfältig in Plastiktüten verschweißt, seit zwei Jahren in einer Asservatenkiste vor sich hin.

Kriminaloberkommissar Konrad legte seine Fachzeitschrift grübelnd zur Seite. Längst war es üblich, sich laufend über neueste Entwicklungen auf dem Gebiet der Kriminaltechnik zu informieren. Und da gab es so einiges. Zum Beispiel diese neue Möglichkeit der Vermehrung einzelner DNA-Moleküle, mit der man aus deutlich kleineren Spuren als früher brauchbare DNA-Mengen gewinnen konnte. Bei Spurenträgern wie Handschuhen, Mützen oder Masken werde man in der Regel fündig, hieß es da. Es bedürfe nur einer intensiven Suche. Konrad druckte sich eine lange Liste seiner alten ungelösten (und eigentlich hoffnungslosen) Ermittlungsverfahren aus. Aus den Augen heißt eben nicht aus dem Sinn. Es kam öfter vor, dass er sich plötzlich an den einen oder anderen alten Fall erinnerte. Als er die Liste überflog, wusste er bei vielen Delikten gleich, worum |51|es ging. Ab und zu hatte er sogar noch die Gesichter der Geschädigten vor Augen, die ihn fragend ansahen. Am Wochenende würde er herkommen und die Fälle nochmals einzeln durchforsten. Seit seiner Scheidung hatte er ohnehin viel Zeit. Seinen Sohn Lukas würde er erst nächstes Wochenende sehen. Er plante, eine kleinere Liste mit erfolgversprechenden Spurenträgern zusammenzustellen und sie seinem Chef vorzulegen. Der würde ihm wieder einen Vortrag über die erheblichen Kosten (gut 500 Euro pro Untersuchung), die geringe Erfolgsquote bei Zweituntersuchungen und die langen Wartezeiten bei den Labors halten. Es gebe schließlich auch frische Spuren, die schnellstmöglich untersucht werden müssten. Letztlich würde er den Antrag aber genehmigen.

Dann musste er »nur« noch auf die Ergebnisse warten. Die polizeitechnische Untersuchungsstelle der Berliner Polizei (PTU) war hoffnungslos ausgebucht. Die Polizei weigerte sich aus Kostengründen, Aufträge extern an die gerichtsmedizinischen Institute der Universitäten zu vergeben. Fälle, in denen es sich um Mord handelte oder Beschuldigte bereits in Untersuchungshaft saßen, wurden natürlich vorgezogen. Alte Fälle hingegen wie die von Kriminaloberkommissar Konrad standen ganz hinten auf der Warteliste. Die Wartezeiten waren teilweise auf vier Jahre angewachsen.