15

»Du bist wach.«

Ich blinzelte und sah, dass Cannelle sich über mich gebeugt hatte. Sie richtete sich auf und deutete auf ein Tablett.

»Hier. Essen und eine Eisentablette. Beides kannst du brauchen. Dir bleiben nur noch ein paar Stunden bis Sonnenuntergang. «

»Was?«

Ich setzte mich gänzlich im Bett auf. Ein Elektroschock hätte eine ähnliche Wirkung auf mich gehabt. Während die Bedeutung ihrer Worte noch zu mir durchdrang, überkam mich ein Schwindelanfall. Cannelle beobachtete mich mitleidlos.

»Er hat viel von dir getrunken«, sagte sie und murmelte dann leise etwas auf Französisch.

Ich beherrschte die Sprache zwar noch nicht perfekt, verstand aber die Worte für »knochig« und »Ziege«.

»Was hast du, Cannelle?«, fragte ich sie, alles andere als gut gelaunt. »Weißt du nicht, dass es unhöflich ist, jemanden in einer fremden Sprache zu beleidigen, sodass er nichts erwidern kann?«

Sie stellte das Tablett so nachlässig auf dem Bett ab, dass der Tee überschwappte. »Ich habe gesagt, dass ich keine Ahnung habe, warum er einem knochigen Zicklein wie dir so viel Blut aussaugt«, fasste sie ungerührt zusammen. »Und jetzt solltest du etwas essen. Gregor wird es nicht gefallen, wenn du unter ihm liegst und außer Bluten nichts zustande bringst.«

Auf ihre drastischen Worte hin wurde ich bleich vor Angst. Schließlich hatte ich keine Ahnung, wie ich meinem Schicksal entrinnen sollte. Gregor war nicht der Typ, der ein »Ich habe meine Meinung geändert« einfach so hinnehmen würde.

Also blieb mir nur eine Alternative: Ich musste die Sache durchziehen. Vielleicht war es sogar besser so, auch wenn ich Angst hatte. Gregor würde nicht sauer werden, ich würde nicht fortgeschickt, und ihm zufolge müsste ich auch nicht befürchten, schwanger oder krank zu werden. Ja, ich hätte mit diesem Schritt lieber noch ein wenig länger gewartet, sehr viel länger, um genau zu sein, aber anscheinend war meine Zeit abgelaufen.

»Cannelle.« Ich hatte die Stimme gesenkt und bedeutete ihr, näher zu kommen. Was sie mit hochnäsigem Gesichtsausdruck tat. »Ich dachte, du könntest mir vielleicht erzählen, äh, was auf mich zukommt.«

Ich konnte mich an niemanden sonst wenden. Was hätte ich auch machen sollen? Meine Mutter anrufen und sie um Rat bitten? Wohl kaum. Ich hatte nie Freundinnen gehabt, und das, was ich in der Schule mitbekommen hatte, würde mir jetzt nicht helfen. Natürlich wusste ich, wie Sex ablief. Aber Details über Sex mit einem Vampir? Keine Ahnung.

»Was auf dich zukommt?«, wiederholte sie meine Worte. Ich bedeutete ihr, leiser zu sprechen, aber sie ignorierte mich. »Er fickt dich, du kleiner Einfaltspinsel!«

Ich war zwar extrem peinlich berührt, hatte aber trotzdem einen Geistesblitz. »Gregor hat mir erzählt, du wärst schon seit sechzig Jahren mit ihm zusammen. Er würde dir Blut von sich geben, damit du jung bleibst, aber die ganz große Beförderung steht noch aus, nicht wahr? Du willst zum Vampir werden, und mich hasst du, weil er mich auf der Stelle verwandeln würde, wenn ich ihn darum bitte. Dir hat er das noch nicht angeboten.«

Ihre himmelblauen Augen wurden schmal. Sie beugte sich mit einem gehässigen kleinen Lächeln auf den Lippen zu mir herunter.

»Du willst wissen, was beim ersten Mal auf dich zukommt? « Jetzt war ihre Stimme sanft. Fast unhörbar. »Viel Schmerz. Bon appétit

Sie ging. Ich starrte kein bisschen hungrig auf das Tablett voller Essen und schob es dann von mir.

 

Das Klopfen kam zwei Stunden später. Es ertönte nicht an der Tür zu meinem Schlafzimmer, wo ich gebannt auf die Uhr gestarrt hatte wie eine Gefangene, die ihre Bestrafung erwartet. Es kam von der Eingangstür.

Gregor öffnete, während ich einen verstohlenen Blick nach unten warf. Wir bekamen nie Besuch. Als ich sah, dass nicht weniger als sechs Leute eintraten, ging ich bis ans Ende des Flurs. Man unterhielt sich auf Französisch, so schnell, dass ich nichts verstand.

»Merde!«, fluchte Gregor, dann folgte eine Litanei anderer Ausdrücke, wohl ebenfalls Beschimpfungen. »Heute Abend? Wenn er glaubt, er kann sie entführen, hat er mich wirklich unterschätzt. Catherine. Komm sofort runter!«

Ich folgte seinem Befehl und fragte mich, wie viel Ärger ich mir wohl mit meiner Lauschaktion eingehandelt hatte. Zu meiner Überraschung schien es Gregor nicht zu stören, dass ich zugehört hatte. Er öffnete den Schrank und gab mir einen Mantel.

»Zieh dich an. Wir gehen.«

»Jetzt?«, fragte ich. Ein Teil von mir frohlockte über den unerwarteten Aufschub, der mir gewährt wurde. »Was ist los?«

»Das erzähle ich dir unterwegs«, antwortete er, packte mich am Arm und zerrte mich fast durch die Haustür ins Freie. »Wir haben keine Zeit zu verlieren.«

Zwei weitere Vampire warteten vor einem schwarzen Mercedes. Wir stiegen ein und rauschten auch gleich davon. Durch die Beschleunigung wurde ich nach hinten geworfen. Ich hatte nicht mal Zeit gehabt, mich anzuschnallen. Okay, wir waren offenbar in großer Eile.

»Was ist passiert?«, fragte ich noch einmal.

Gregor starrte mich einen scheinbar endlosen Augenblick lang an. Er sah aus, als versuchte er, eine Entscheidung zu fällen.

»Catherine«, verkündete er schließlich, »man hat dich entdeckt. Während wir hier sprechen, durchkämmen Bones’ Verbündete die Stadt auf der Suche nach dir. Wenn sie dich finden, machen sie dich zu einem Monster, wie ich es dir prophezeit habe.«

Ich war schockiert. »O bitte, lass das nicht zu! Ich will keine Mörderin sein. Ich will keine … keine Hure oder so werden.«

Einen Sekundenbruchteil lang hätte ich fast geschworen, dass ein triumphierender Ausdruck über sein Gesicht gehuscht war. Aber dann zog er die Stirn kraus und schüttelte den Kopf.

»Es gibt nur eine Möglichkeit, das zu verhindern, ma chérie. Du musst dich an mich binden. Nur so können wir nicht mehr getrennt werden.«

»Klar, binden wir uns.« Was immer das auch heißen mochte. »Binde mich wie verrückt, nur überlasse mich nicht diesen Monstern!«

»Lucius, zum Ritz«, bellte er. Der Wagen machte einen Schlenker, bei dem ich schon glaubte, mein letztes Stündlein habe geschlagen, dann fuhren wir wieder normal. »Sag den anderen, sie sollen auch kommen. Ich werde das Bündnis nicht auf einer verdammten Autorückbank besiegeln.«

Schließlich wandte er sich mir zu. »Catherine, wenn du den Bund mit mir eingehst, wirst du dein ganzes Leben lang geschützt sein. Wenn nicht, kann ich weder dich noch deine Familie retten. Wenn es also so weit ist, darfst du nicht zögern. «

Das klang bedrohlich. Mir fiel ein, dass ich ihn vielleicht erst einmal fragen sollte, was »sich binden« eigentlich bedeutete. »Äh, was muss ich machen?«

Er nahm meine Hand und fuhr mit dem Finger über meine Handfläche. »Du schneidest dich hier«, sagte er einfach, »dann drückst du meine Hand und erklärst, dass du mir gehörst. Ich schneide mir auch in die Hand und tue das Gleiche. «

»Das ist alles?« Ich hatte schon befürchtet, ich müsste zum Vampir werden. »Jesses, gib mir ein Messer, wir machen es gleich!«

Er lächelte und hielt weiter meine Hand. »Wir brauchen Zeugen, und Lucius ist nicht genug. Außerdem ist das nicht der richtige Ort für unsere erste Vereinigung, und wenn du erst mir gehörst, werde ich damit nicht mehr warten wollen.«

Diese Worte brauchten keine Übersetzung. Na ja, in Anbetracht der Alternative würde ich den Preis zahlen.

»Das wird also so eine Art vampirische … Verlobung, bei der wir erklären, dass wir einander gehören wollen?« Ich konnte ihn nicht ansehen, als ich die Frage stellte. Das ging alles so schnell.

Gregor schwieg kurz, als versuchte er, die richtigen Worte zu finden. »So etwas gibt es unter Vampiren nicht. Wenn du unbedingt einen menschlichen Vergleich brauchst, wäre Hochzeit der richtige Begriff.«

Hochzeit? Ich hatte immerhin so viel Verstand, nicht zu kreischen: Aber ich bin noch nicht alt genug! Hier ging es um die Gesetze der Untoten, nicht um die der Menschen.

»Ist ja nicht so, dass ich was unterschreiben und einen anderen Namen annehmen muss, oder?« Ich lachte nervös auf. »Ist bloß so eine Vampirsache, nicht wahr?«

Lucius warf einen Blick zu uns nach hinten. Gregor sagte etwas in barschem Tonfall zu ihm, und er wandte seine Aufmerksamkeit wieder der Straße zu. Dann lächelte Gregor.

»Genau. In eurer Religion und Gesellschaft hat es keinerlei Bedeutung.«

»Oh.« Jetzt hatte ich nur noch Angst vor den bösen Buben und meiner Entjungferung. »Na dann.«

Zwei von Gregors Leuten meldeten uns in dem vornehmen Hotel an. Gregor stand mit sechs anderen unserer vampirischen Begleiter zusammen, während ich mich in einer nahen Modeboutique umsehen sollte. Gregor redete sehr leise, und das Grüppchen stand dicht beisammen. Bei all den Hintergrundgeräuschen konnte ich kein Wort von dem verstehen, was sie sagten.

Ich befühlte das Kleid vor mir. Es war pfauenblau und seidig, mit Perlenstickerei an der Seite. Neben mir besah sich eine junge Blondine ebenfalls die Kleider, nur war sie mit mehr Begeisterung bei der Sache. Sie warf ein paar von der Stange, während sie das eine oder andere hochhielt und schließlich aussortierte.

»Immer, wenn man in Eile ist, findet man nichts Passendes«, bemerkte sie auf Englisch.

Ich sah mich um. »Reden Sie mit mir?«

Sie lachte. »Na klar. Ich spreche kein Französisch, und ich habe gehört, wie der Typ, mit dem Sie gekommen sind, auf Englisch zu Ihnen gesagt hat, Sie sollen nicht weggehen. Ich bin auch Amerikanerin. Sind Sie schon länger in Frankreich?«

Sie wirkte harmlos, aber Gregor würde nicht wollen, dass ich mit einer Fremden sprach. Ich sollte mich bedeckt halten.

»Nein«, antwortete ich und tat, als würde ich ein Kleid auf einem anderen Ständer begutachten.

Sie folgte mir. »Hey, sieht dieses Orange zu meiner Gesichtsfarbe scheußlich aus?«

Ich sah mir das Kleid an. »Ja«, antwortete ich wahrheitsgemäß.

»Finde ich auch!« Sie warf der Verkäuferin einen vorwurfsvollen Blick zu. »Die Franzosen können Amerikaner nicht ausstehen. Die würde mir eiskalt zu einem Müllsack raten und auch noch einen Tausender dafür abkassieren.«

Aus dem Augenwinkel sah ich, wie Gregor auf mich zukam. Er wirkte nicht glücklich. »Ähem, ich muss gehen. Mein Verlobter kommt. Wir, äh, sind spät dran für unser Probedinner.«

Sie war verblüfft. »Sie heiraten? Sie wirken so jung.«

Ich machte mich auf den Weg zu Gregor und murmelte: »Oil of Olaz. Ist ein echter Jungbrunnen!«

»Komm mit, Catherine«, wies Gregor mich mit einer ungeduldigen Handbewegung an und warf der jungen Frau einen düsteren Blick zu.

Ich eilte ihm hinterher und hörte sie noch »unfreundliches Franzosenpack« murmeln, während wir mit unseren Bewachern auf die Aufzüge zusteuerten.

Unser Zimmer lag im obersten Stock. Kaum waren wir drinnen, zogen die Wachleute alle Vorhänge zu, sodass uns der herrliche Ausblick auf die Pariser Skyline verwehrt blieb. Durch die geöffnete Tür uns gegenüber konnte ich das Schlafzimmer sehen und schauderte. Endstation, höhnte es in mir.

»Gebt mir das Messer«, befahl Gregor, der keine Zeit verschwendete.

Ein kleines Silbermesser mit eingeprägten Verzierungen am Griff wurde ihm gereicht. Gregor schnitt sich ohne zu zögern in die Handfläche und hob die Hand.

»Bei meinem Blut, sie ist mein Weib. Catherine.« Er gab mir das Messer. »Mach es wie ich. Sprich mir nach.«

Einen Augenblick lang zögerte ich. Sieben Augenpaare waren auf mich gerichtet. Gregors Lippen wurden bedrohlich schmal. Ich gab mir einen Ruck und schnitt mir die Handfläche auf, bevor er noch an die Decke ging.

»Bei meinem Blut, ich bin sein Weib«, plapperte ich ihm nach, voller Erleichterung und Angst, als Gregors Gesichtszüge sich entspannten. Er ergriff meine Hand, und das Kribbeln, das einsetzte, als sein Blut auf meine Wunde traf, überraschte mich.

Die sechs Männer brachen in Jubelrufe aus. Sie umarmten Gregor und gaben ihm Wangenküsse, um dann mit mir genauso zu verfahren. Gregor lächelte ebenfalls, noch immer meine Hand haltend. Grüne Pünktchen tauchten in seinen Augen auf.

»Genug, mes amis«, unterbrach er die Männer. »Etienne, Marcel, Lucius, lasst alle wissen, dass wir das Bündnis eingegangen sind. François, Tomas, ihr behaltet die Lobby im Auge. Bernard, du bleibst auf dieser Etage.«

Und damit gingen sie. Gregor wandte sich mir zu. Ich wich ein Stück zurück.

»M …meine Hand«, stammelte ich. »Ich sollte sie verbinden …«

»Nicht nötig«, fiel er mir ins Wort. »Sie ist bereits verheilt, Catherine, du kannst mich nicht länger aufhalten.«

Sein lüsterner Tonfall ließ mich erstarren. Genau wie die Tatsache, dass er sich die Schuhe von den Füßen trat und das Hemd auszog. Gregor ging dabei immer weiter auf mich zu, sogar noch, als er aus der Hose stieg und sie zu Boden fiel; nun war er völlig nackt.

Gregor war groß und muskulös. Sein Geschlecht war vollkommen erigiert, und der Anblick hätte mich ins Straucheln gebracht, wenn er mich nicht gepackt hätte. Er hob mich hoch und trug mich ins Schlafzimmer, wo er mich aufs Bett legte und unter seinem Körper begrub.

Ich versuchte, von ihm wegzurücken, aber er verhinderte es. »Nicht zappeln, chérie«, schalt er mich, während er mir das Kleid aufknöpfte. »Du weißt doch, dass du jetzt mir gehörst, warum sträubst du dich noch?«

»Könnten wir nicht, äh, noch ein bisschen warten?«

»Warten?«, wiederholte er fragend, als hätte er das Wort noch nie gehört. »Du willst mir die Hochzeitsnacht verweigern? «

Er sah aus, als würde er jeden Augenblick ausrasten. »Ich bin wirklich nervös«, bekannte ich.

Seine Hand strich über meine Flanke, während sein einer Schenkel noch immer über meinen Beinen lag. Im Vergleich zu seinem Körper wirkte meiner winzig. Gott, er war so groß.

»Es ist ganz normal, beim ersten Mal nervös zu sein, ma femme. Entspann dich einfach.«

So stark wie er war, blieb mir auch keine andere Wahl. Ich nickte, schloss die Augen und versuchte, ganz entspannt zu sein. Gregor fing wieder an mich zu küssen und knöpfte weiter mein Kleid auf. Bald spürte ich, wie er es mir ganz abstreifte.

»Wunderhübsch«, flüsterte er und fuhr mir mit der Hand über den Bauch, um schließlich meine Brust zu umfassen. Ich zitterte und hatte mich nie verletzlicher gefühlt.

Plötzlich sprang Gregor fluchend auf. Ich machte ein verdutztes Gesicht und rollte mich dann mit einem Aufschrei zur Seite. Durch die offene Schlafzimmertür waren zwei Männer eingetreten. Einer strahlte so viel Energie aus, dass sie mich zu ersticken schien.

»Du dummes Kind«, sagte der große, fremdländisch Aussehende.

Kurz dachte ich, er meinte mich. Aber sein Blick war auf Gregor gerichtet, als gäbe es mich gar nicht.

»Mencheres.« Gregors Tonfall war trotzig. »Du kommst zu spät.«

Der Vampir schüttelte den Kopf, während ich mich hastig bedeckte. »Gregor, du hast dich in Dinge eingemischt, die dich nichts angehen.«

»Das machst du doch die ganze Zeit«, schnauzte Gregor.

»Ich nutze meine Visionen, um zu verhindern, dass Leute sterben, nicht um mehr Macht zu erlangen. Du hast gewusst, dass du etwas Falsches tust, sonst hättest du dir nicht solche Mühe gegeben, es geheim zu halten.«

»Du willst sie aus dem gleichen Grund wie ich, aber sie gehört jetzt mir. Ich habe mich an sie gebunden.« Gregor packte mich, riss mich aus meiner zusammengekauerten Haltung, und schob mich nach vorn. »Sieh das Blut an ihrer Hand an. Ihre Kehle trägt ebenfalls mein Zeichen.«

Der andere Vampir ging ins Badezimmer und kam mit einem Morgenmantel wieder heraus. Er reichte ihn mir und sprach zum ersten Mal, seit er ins Schlafzimmer gekommen war.

»Hier, zieh das an.«

Ich trug nur noch BH und Höschen und war froh, etwas zu haben, mit dem ich meine Blöße bedecken konnte, aber Gregor schleuderte den Bademantel quer durchs Zimmer. »Sie bleibt, wie sie ist, wenn sie dem Mann ins Angesicht sieht, der sie seinem mordenden, lüsternen Spross opfern will!«

Ich hatte bereits vermutet, dass die beiden Komplizen des Vampirs waren, der hinter mir her war, aber es bestätigt zu wissen, machte alles noch schlimmer.

»Bitte nicht«, flehte ich. »Ich will bei Gregor bleiben. Warum könnt ihr uns nicht einfach in Ruhe lassen!«

Ich klammerte mich an Gregors Arm und starrte in die beiden reglosen Gesichter vor uns. Gregor warf den Vampiren einen triumphierenden Blick zu.

»Mit eigenen Worten weist sie euer Ansinnen zurück. Sie ist jetzt mein Weib, und daran könnt ihr nichts …«

Ein Energiestoß schleuderte mich rückwärts, sodass ich auf dem Bett landete. Verblüfft dachte ich zuerst, er hätte mir gegolten. Dann sah ich Gregor, der gegen etwas Unsichtbares ankämpfte, und merkte, auf wen die Energie gerichtet gewesen war. Seine Arme bewegten sich mit unnatürlicher Schwerfälligkeit, fast wie in Zeitlupe. Schließlich erstarrte er ganz.

»Was habt ihr ihm angetan?«, flüsterte ich entsetzt.

Mencheres hielt Gregor eine Hand entgegen. Ich konnte den Energietunnel nicht sehen, der von ihr ausging, aber ich konnte ihn spüren. Er war wie ein gewaltiger Blitz. Gregor konnte kaum sprechen.

»Du wirst für deine Einmischung bestraft werden«, sagte Mencheres. »Sie wird in ihr Zuhause zurückgebracht. Du hast verloren, Gregor. Sie war nie für dich bestimmt.«

»Das … das ist doch Schwachsinn«, rief ich. »Ich lasse mich nicht zu einer mordenden Hure machen, und wenn ich diesem Schlächter Bones je über den Weg laufen sollte, bringe ich ihn um … oder mich. Lieber sterbe ich, als mich zum Spielzeug irgendeines geisteskranken Blutsaugers machen zu lassen!«

Einer plötzlichen Eingebung folgend rannte ich in das angrenzende Zimmer. Die beiden Männer beobachteten mich beinahe neugierig. Was sich änderte, als ich mir das kleine Silbermesser schnappte, das Gregor zuvor benutzt hatte, und es mir an die Kehle hielt.

»Wenn einer von euch sich bewegt, schneide ich mir die Halsschlagader auf«, verkündete ich.

Die beiden wechselten einen Blick. Ich drückte mir das Messer drohend an den Hals. Ich bluffte nicht. Er wird deine Familie töten, damit niemand außer ihm dich mehr beschützen kann, hatte Gregor über diesen Bones gesagt. Nur über meine Leiche.

Und dann fühlte sich mein Arm an, als hätte er eine Ladung Flüssigstickstoff abbekommen. Meine Beine und der andere Arm ebenfalls. Nur Hals, Kopf und Oberkörper hatte ich noch unter Kontrolle. Ich konnte atmen. Ich konnte sprechen. Sonst nichts.

Mencheres kam auf mich zu, und ich spuckte ihn an, mehr konnte ich nicht tun, um mich zu verteidigen. Er löste das Messer aus meinen erstarrten Fingern.

»Siehst du?«, sagte er zu Gregor. »Du kannst sie aus ihrem Zuhause entführen, ihren Verstand mit Lügen vergiften, ihr einreden, du wärst ihr Retter, versuchen, sie vollständig unter deine Kontrolle zu bringen … und doch ist sie im Innern dieselbe geblieben. Was hat sie getan, als sie sich bedroht fühlte? Sich ein Messer genommen. Das ist mir Beweis genug, Gregor. Dein Wort ist so leer wie deine Absichten.«

»Ich hasse euch«, rief ich. »Ihr könnt mich nach Hause zurückbringen, aber ich kenne die Wahrheit. Meine Mutter kennt sie. Wir werden vor Bones und euch fliehen.«

Mencheres machte ein nachdenkliches Gesicht. »Ich glaube dir.«

»Du … kannst nicht …«

Gregor hatte Mühe, die Worte hervorzupressen. Mencheres warf ihm einen fragenden Blick zu und schnippte mit dem Finger. Es war, als hätte jemand Gregors Stimmbänder wieder eingeschaltet.

»Ihren Verstand kannst du nicht manipulieren«, verkündete er in wildem Triumph. »Ich habe es versucht, aber ihre Abstammung macht es unmöglich. Was du auch tust, sie wird mich nicht vergessen.«

Meinen Verstand manipulieren? Das hat Gregor versucht?

Mencheres stieß einen Laut aus, der fast wie ein tadelndes Zungenschnalzen klang. »Dass du etwas nicht kannst, bedeutet nicht, dass es unmöglich ist.«

Er wandte sich von Gregor ab, ein weiteres Fingerschnippen ließ Gregors Wutgeheul unvermittelt verstummen. Dann sah Mencheres mich an, als wäre ich ein Projekt, das er fertigstellen musste.

»Hau ab«, zischte ich.

Seine tiefdunklen Augen sahen unverwandt in meine. Einen Augenblick lang glaubte ich, Mitgefühl in ihnen zu erkennen. Dann trat er vor.

Ich hatte schreckliche Angst. Was würde er mir antun? Würde er mich zu diesem Vampir bringen, der irgendwann meine Familie ermorden würde? Würde man Gregor auch umbringen? Konnte ich irgendetwas tun, um das zu verhindern?

Ich starrte Gregor an und richtete ein paar letzte Worte an ihn, bevor kühle Hände sich um meine Stirn legten.

»Wenn ich fliehen kann, komme ich zu dir zurück. Wenn du fliehen kannst, versprich mir, dass du zu mir zurückkommst. «

Dann spürte und sah ich nichts mehr.