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Wenn es mich schnappt, bin ich tot.

Ich rannte, so schnell ich konnte, an Bäumen vorbei, über verschlungene Wurzeln und Felsen im Wald. Fauchend verfolgte mich das Monster; es klang, als hätte es schon ein Stück aufgeholt. Ich konnte ihm nicht entkommen. Es wurde schneller, während meine Kräfte nachließen.

Vor mir lichtete sich der Wald und gab den Blick frei auf einen blonden Vampir, der in der Ferne auf einem Hügel stand. Ich erkannte ihn sofort. Hoffnung flammte in mir auf. Wenn ich es bis zu ihm schaffte, würde alles gut werden. Er liebte mich. Er würde mich vor dem Ungeheuer beschützen. Aber ich war noch so weit von ihm entfernt.

Nebel kroch den Hügel hinauf, hüllte den Vampir ein, sodass er fast geisterhaft wirkte. Ich schrie seinen Namen, während die Schritte des Monsters immer näher kamen. Panisch machte ich einen Satz nach vorn, entkam nur knapp den knochigen Fingern, die nach mir greifen und mich ins Grab ziehen wollten. Mit letzter Kraft rannte ich auf den Vampir zu. Er feuerte mich an, drohte mit knurrender Stimme dem Monster, das mir noch immer auf den Fersen war.

»Lass mich los«, kreischte ich, als ich mit unerbittlichem Griff von hinten gepackt wurde. »Nein!«

»Kätzchen!«

Nicht der Vampir vor mir hatte das gerufen; es war das Monster gewesen, das mich zu Boden ziehen wollte. Ich riss den Kopf herum, um den Vampir auf dem Hügel erspähen zu können, aber seine Gestalt löste sich in nichts auf, und er wurde vom Nebel verschluckt. Bevor er ganz verschwunden war, hörte ich seine Stimme.

»Er ist nicht dein Mann, Catherine.«

Jemand schüttelte mich heftig, der Traum verflüchtigte sich endgültig, und als ich erwachte, sah ich Bones, den Vampir, den ich liebte, über mich gebeugt.

»Was ist? Bist du verletzt?«

Eine seltsame Frage, hätte man meinen können, denn schließlich hatte ich nur schlecht geträumt. Für jemanden allerdings, der über entsprechende Macht und Magie verfügte, war es durchaus möglich, Alpträume in Waffen zu verwandeln. Vor einiger Zeit hätte mich das beinahe das Leben gekostet. Jetzt aber war alles anders. Ich hatte nur geträumt, wie lebhaft mein Traum mir auch vorgekommen sein mochte.

»Mir würde es schon besser gehen, wenn du aufhören würdest, mich zu schütteln.«

Bones ließ die Hände sinken und seufzte erleichtert auf. »Du bist einfach nicht aufgewacht und hast dich wie wild im Bett hin- und hergeworfen. Hat üble Erinnerungen geweckt.«

»Alles in Ordnung mit mir. Es war bloß ein … seltsamer Traum.«

Etwas an dem Vampir aus meinem Traum ließ mir keine Ruhe. Ich hatte das Gefühl, ich müsste ihn kennen. Was allerdings unlogisch war, weil es ihn schließlich nur in meiner Fantasie gab.

»Komisch, dass ich nichts von deinem Traum mitbekommen habe«, fuhr Bones fort. »Normalerweise höre ich deine Träume wie Hintergrundmusik.«

Bones war ein Meistervampir und einer der mächtigsten Blutsauger, die ich kannte. Unter anderem konnte er die Gedanken Sterblicher lesen. Ich war zwar Halbvampirin, aber in mir war noch so viel Mensch, dass Bones trotzdem hören konnte, was in meinem Kopf vor sich ging, es sei denn, ich schirmte mich bewusst dagegen ab. Was ich jetzt erfahren hatte, war mir allerdings neu.

»Du kannst meine Träume hören? Gott, dann hast du ja nie deine Ruhe. Ich an deiner Stelle würde mir die Kugel geben. «

Was in seinem Fall allerdings nicht viel gebracht hätte. Um einen Vampir zu töten, musste man ihm entweder das Herz mit Silber durchbohren oder den Kopf abschlagen. Ein Kopfschuss würde vielleicht mich in die ewigen Jagdgründe befördern, ihm allerdings höchstens fiese Kopfschmerzen bescheren.

Er ließ sich in die Kissen zurücksinken. »Keine Bange, Süße. Ich sagte, ich höre sie wie Hintergrundmusik, sie haben also eine recht beruhigende Wirkung auf mich. Und was die Ruhe anbelangt, ruhiger als hier draußen auf dem Ozean hatte ich es bisher nur, als ich halb verschrumpelt war.«

Auch ich legte mich wieder hin. Ich schauderte, als ich daran dachte, wie Bones beinahe umgekommen wäre. Sein Haar war damals ganz weiß geworden, so knapp war er dem Tod entronnen; jetzt hatte es wieder seine übliche sattbraune Farbe.

»Schippern wir deshalb auf dem Atlantik umher? Damit du deine Ruhe hast?«

»Ich wollte ein bisschen mit dir allein sein, Kätzchen. Unser Privatleben ist in letzter Zeit viel zu kurz gekommen.«

Eine Untertreibung. Ich hatte zwar meinen Job als Leiterin der Geheimabteilung des Ministeriums für Heimatschutz aufgegeben, die sich der Ausrottung krimineller Untoter verschrieben hatte, aber mein Leben war trotzdem alles andere als langweilig gewesen. Erst hatten wir uns von den Verlusten erholen müssen, die uns durch den Krieg mit einem anderen Meistervampir im letzten Jahr entstanden waren. Mehrere Freunde von Bones – und Randy, der Mann meiner besten Freundin Denise – waren damals umgekommen. Dann hatten wir monatelang die restlichen Übeltäter verfolgen und ausschalten müssen, damit sie uns nicht noch einmal gefährlich werden konnten. Eine Ersatzkraft für mich musste auch ausgebildet werden, damit mein Onkel Don jemanden hatte, der sich als Lockvogel zur Verfügung stellen konnte, wenn seine Leute den kriminellen Untoten zu Leibe rückten. Die meisten Vampire und Ghule brachten bei der Nahrungsaufnahme zwar niemanden um, aber es gab immer welche, die es aus Spaß taten. Oder aus Dummheit. Um die kümmerte sich mein Onkel. Er stellte auch sicher, dass der Durchschnittsbürger nichts von der Existenz Untoter mitbekam.

Als Bones mir also gesagt hatte, wir würden eine Schiffsreise machen, war ich der Meinung gewesen, wir würden wieder irgendjemanden ausschalten müssen. Einfach nur zum Spaß waren wir eigentlich noch nie verreist.

»Soll das ein Wochenendausflug werden?« Der Unglaube war meiner Stimme deutlich anzuhören.

Er fuhr mir mit dem Finger über die Unterlippe. »Wir machen Ferien, Kätzchen.«

Ich war immer noch ganz verdattert. »Was ist mit meinem Kater?« Ich hatte ihm zwar genug Futter für ein paar Tage dagelassen, aber nicht für eine längere Urlaubsreise.

»Keine Sorge. Darum habe ich mich gekümmert. Jemand kümmert sich um ihn. Wir können überall hinfahren und uns dabei Zeit lassen. Also sag, wo soll’s hingehen?«

»Paris.«

Meine Antwort überraschte mich selbst. Ich hatte noch nie das brennende Verlangen verspürt, Paris zu sehen, aber aus irgendeinem Grund war das jetzt der Fall. Vielleicht lag es daran, dass man Paris als Stadt der Liebe bezeichnete, obwohl ich Bones für gewöhnlich nur ansehen musste, um in romantische Stimmung zu kommen.

Er musste meine Gedanken gelesen haben, denn er lächelte, wodurch er meiner Meinung nach noch atemberaubender aussah. Im Kontrast zu der dunkelblauen Bettwäsche leuchtete seine Haut so seidig und alabasterweiß, dass sie geradezu übermenschlich perfekt aussah. Die zerwühlten Laken waren ihm über die Hüften gerutscht, sodass ich einen ungehinderten Blick auf seinen schlanken, straffen Bauch und die harte, muskulöse Brust hatte. Seine dunkelbraunen Augen begannen sich smaragdgrün zu verfärben, und unter seinen geschwungenen Lippen wurden die Fänge sichtbar, was mir bewusst machte, dass nicht nur mir plötzlich ganz heiß geworden war.

»Paris also«, flüsterte er und warf die Laken von sich.

 

»… wir sind bald da. Ja, ihr geht’s bestens, Mencheres. Mensch, du rufst ja schon fast täglich an … Okay, wir treffen uns am Kai.«

Kopfschüttelnd legte Bones auf. »Entweder verschweigt mein Ahnherr etwas, oder er hat ein geradezu krankhaftes Interesse an allem entwickelt, was du tust.«

Ich hatte es mir in der Hängematte an Deck bequem gemacht. »Nächstes Mal lässt du mich mit ihm reden. Dann sage ich ihm, dass es mir noch nie besser ging.«

Die vergangenen drei Wochen waren wundervoll gewesen. Ich hatte den Urlaub schon nötig gehabt, aber Bones noch mehr. Als Herr über eine große Sippe und Mitregent einer noch größeren war Bones ständig prüfenden Blicken ausgesetzt, musste Duelle bestreiten oder seine Leute beschützen. Die Verantwortung hatte ihren Tribut gefordert. Erst in den letzten Tagen hatte er sich so weit entspannen können, dass er länger als die üblichen paar Stunden geschlafen hatte.

Nur eins überschattete die sonst so angenehme Reise, aber das behielt ich für mich. Warum sollte ich uns die Ferien verderben, indem ich Bones sagte, dass ich wieder diese dummen, unbedeutenden Träume gehabt hatte?

Diesmal bekam er nichts davon mit. Vermutlich trat ich im Schlaf nicht mehr um mich. Beim Aufwachen konnte ich mich nicht mehr an viel erinnern. Nur, dass sie wieder von diesem gesichtslosen blonden Vampir gehandelt hatten, der schon in meinem ersten Alptraum aufgetaucht war. Dieser Vampir, der mich bei meinem echten Namen genannt hatte, Catherine, und der am Ende immer dieselben kryptischen Worte sprach: Er ist nicht dein Mann.

Nach dem Gesetz der Menschen war Bones das tatsächlich nicht. Allerdings hatten wir unsere Verbindung mit einem blutigen Handschlag besiegelt und waren somit aus vampirischer Sicht rechtmäßig verheiratet, und so etwas wie Scheidung war unter Vampiren unbekannt. Den Spruch »bis dass der Tod euch scheidet« fassten sie durchaus wörtlich auf. Vielleicht drückte sich in den Träumen mein unterbewusster Wunsch nach einer traditionellen Hochzeit aus. Als wir die das letzte Mal ins Auge gefasst hatten, war uns ein Krieg mit einer Vampirin dazwischengekommen, die todbringende Magie gegen uns einsetzen wollte.

Mencheres erwartete uns am Kai. Bones nannte ihn zwar Urahn, weil er seinen Erzeuger erschaffen hatte, doch er wirkte nicht älter als Bones selbst. Bei ihrer Verwandlung zum Vampir waren die beiden vermutlich fast gleich alt gewesen. Auch Mencheres war gut aussehend, aber auf exotische Weise, mit seinem würdevollen Auftreten, den ägyptischen Gesichtszügen und dem langen schwarzen Haar, das im leichten Wind wehte.

Das eigentlich Aufsehenerregende aber waren die acht Meistervampire, die ihn begleiteten. Noch an Bord hatte ich ihre geballte Energie spüren können, die in der Atmosphäre knisterte wie statische Elektrizität. Es war nichts Außergewöhnliches, dass Mencheres mit Gefolge reiste, aber die hier kamen mir eher vor wie Leibwächter, nicht wie untote Groupies.

Bones trat vor Mencheres und drückte ihm kurz die Hand.

»Hallo Urahn. Die hast du doch nicht nur mitgebracht, um Eindruck zu schinden«, sagte er mit einem Nicken in Richtung der wartenden Vampire. »Ich nehme also an, es gibt Ärger.«

Mencheres nickte. »Wir sollten gehen. Das Schiff ist auffällig genug.«

Gevatterin war in leuchtend roten Lettern auf den Bug gepinselt. Es sollte an meinen Spitznamen erinnern, die Gevatterin Tod, weil ich schon so viele Vampire auf dem Gewissen hatte.

An mich richtete Mencheres nur ein kurzes, höfliches Hallo, während wir vom Pier trotteten und in einen schwarzen Van stiegen, der schon für uns bereitstand. Sechs der Wachleute kletterten in einen zweiten, der uns in kurzem Abstand folgte, als wir davonbrausten.

»Erzähl mir von deinen Träumen, Cat«, bat mich Mencheres, kaum, dass wir unterwegs waren.

Ich sah ihn mit großen Augen an. »Woher weißt du davon?«

Auch Bones wirkte verblüfft. »Ich habe ihm nichts erzählt, Kätzchen.«

Mencheres ignorierte uns beide. »Wovon handelten sie? Erzähl es mir ganz genau.«

»Die Träume sind seltsam«, begann ich und sah, wie Bones beim Gebrauch des Plurals die Augenbrauen hochzog. »Alle handeln von demselben Vampir. Im Traum kenne ich ihn. Ich kann sogar hören, wie ich ihn beim Namen nenne, aber wenn ich aufwache, kann ich mich nicht mehr daran erinnern.«

Hätte ich es nicht besser gewusst, hätte ich gesagt, Mencheres wirkte besorgt. So genau kannte ich ihn natürlich nicht. Mencheres war über viertausend Jahre alt und verbarg seine Gefühle meisterhaft, aber es sah aus, als würde er ganz leicht die Lippen zusammenpressen. Vielleicht lag es auch nur am Lichteinfall.

»Wie oft hattest du diesen Traum schon?«, wollte Bones wissen. Er war alles andere als glücklich. Dass seine Lippen schmal wurden, war keine Einbildung.

»Viermal, und mach mir keine Vorhaltungen. Wenn ich dir davon erzählt hätte, hättest du sofort die nächste Festung angelaufen und wärst mir Tag und Nacht nicht mehr von der Pelle gerückt. Die Reise war so schön, da habe ich nichts gesagt. War schließlich nichts Dramatisches.«

Er schnaubte. »Nichts Dramatisches, sagt sie. Na dann wollen wir mal herausfinden, wie dramatisch es wirklich ist. Mit ein bisschen Glück bringt dich deine Unbesonnenheit diesmal nicht um.«

Er wandte sich an Mencheres. »Du wusstest, dass da was im Busch war. Warum zum Teufel hast du es mir nicht gleich gesagt?«

Mencheres beugte sich vor. »Cats Leben ist nicht in Gefahr. Aber es gibt da ein … Problem. Ich hatte gehofft, es würde nie zu dieser Unterhaltung kommen.«

»Könntest du vielleicht ausnahmsweise mal ohne viel Tamtam mit der Sprache herausrücken?« Mencheres war dafür bekannt, sich nicht kurz fassen zu können.

»Hast du je von einem Vampir namens Gregor gehört?«

Urplötzlich schoss mir ein stechender Schmerz in den Kopf und war dann so schnell wieder weg, dass ich einen Blick in die Runde warf, um zu sehen, ob die anderen das Gleiche gespürt hatten. Mencheres’ Blick war so durchdringend, als wollte er bis in mein Gehirn vordringen. An meiner Seite stieß Bones einen Fluch aus.

»Ich kenne einige Gregors, aber nur einen, den man den beschissenen Traumräuber nennt.« Seine Faust sauste herunter und schlug krachend die Armlehne ab. »So sieht für dich also ein angemessenes Maß an Sicherheit für meine Frau aus?«

»Ich bin nicht deine Frau.«

Bones warf mir einen ungläubigen Blick zu, während ich mir die Hand vor den Mund schlug. Wieso zum Teufel war mir das jetzt herausgerutscht?

»Was sagst du da?«, fragte Bones ungläubig.

Verdutzt fing ich zu stammeln an. »I …ich meinte bloß … ich kann mich nur daran erinnern, wie der Vampir in meinem Traum zu mir sagt: ›Er ist nicht dein Mann.‹ Und ich weiß, dass er dich damit meint, Bones. Das wollte ich sagen.«

Bones sah mich an, als hätte ich ihm gerade ein Messer in die Brust gestoßen, und Mencheres hatte wieder diesen kühlen, verschlossenen Gesichtsausdruck aufgesetzt. Völlig undurchschaubar.

»Es ist immer das Gleiche. Jedes Mal, wenn es zwischen uns richtig gut läuft, kommst du und machst alles kaputt!«, fuhr ich Mencheres an.

»Du wolltest doch unbedingt nach Paris«, gab Mencheres zurück.

»Ja und? Hast du was gegen Franzosen?« Ich verspürte plötzlich einen irrationalen Zorn auf Mencheres. Am liebsten hätte ich ihn angeschrien. Warum kannst du uns nicht einfach in Ruhe lassen?

Dann riss ich mich zusammen. Was war los mit mir? Bekam ich meine Tage oder was? War ich deshalb so schräg drauf?

Mencheres rieb sich die Stirn. Sein feingeschnittenes Gesicht war im Profil zu sehen, als er sich abwandte.

»Paris ist eine wundervolle Stadt. Ich wünsche dir viel Spaß. Besuche all die Sehenswürdigkeiten. Aber geh nie ohne Begleitung aus, und wenn du wieder von Gregor träumst, Cat, lass nicht zu, dass er dich anfasst. Wenn er wieder in deinen Träumen auftaucht, lauf weg.«

»Also so einfach kommst du mir nicht davon«, sagte ich. »Wer ist dieser Gregor, warum träume ich von ihm, und warum nennt man ihn den Traumräuber?«

»Und vor allem: Warum erscheint er gerade jetzt – und warum ihr?« Bones’ Stimme war kalt wie Eis. »Über zehn Jahre lang hat man weder etwas von Gregor gesehen noch gehört. Ich dachte schon, er wäre tot.«

»Er ist nicht tot«, bemerkte Mencheres mit leichter Bitterkeit in der Stimme. »Genau wie ich kann Gregor manchmal die Zukunft voraussehen. Eine seiner Visionen hat ihn dazu verleitet, sie ändern zu wollen. Als ich davon erfuhr, sperrte ich ihn zur Strafe ein.«

»Und was will er von meiner Frau

Die letzten beiden Worte betonte Bones absichtlich und sah mich dabei mit hochgezogenen Brauen an, als erwartete er meinen Widerspruch. Der nicht kam.

»In einer seiner Visionen ist ihm Cat erschienen, und von da an wollte er sie für sich gewinnen«, erzählte Mencheres in nüchternem Tonfall. »Dann erfuhr er, dass sie durch den Bluteid an dich gebunden sein würde. Als Cat ungefähr sechzehn Jahre alt war, wollte Gregor sie aufspüren und zu sich nehmen. Der Plan war ganz einfach: Wenn Cat dich nie kennenlernen würde, könnte sie sich nicht an dich binden.«

»Hinterhältiges Arschloch«, fluchte Bones, während ich mit offenem Mund dastand. »Dem werde ich zu seinem schlauen Schachzug gratulieren … während ich ihm das Herz mit Silber durchbohre.«

»Unterschätze Gregor nicht«, warnte Mencheres. »Vor einem Monat ist er mir entwischt, und ich habe keine Ahnung, wie. Cat scheint Gregor wichtiger zu sein als die Rache an mir. Seit seiner Flucht ist sie die Einzige, zu der er über Träume Kontakt aufgenommen hat.«

Warum sind diese verrückten Vampire bloß so scharf auf mich? Die Tatsache, dass ich einer der wenigen bekannten Vampirmischlinge war, hatte mir bisher fast nur Scherereien eingebracht. Gregor war nicht der Erste, der mich als eine Art exotisches Spielzeug haben wollte, aber ich gab ihm ein paar Punkte für den originellsten Plan.

»Und du hast Gregor über zehn Jahre lang eingesperrt, nur um ihn davon abzuhalten, in meine Zukunft mit Bones einzugreifen?«, fragte ich mit offener Skepsis in der Stimme. »Warum? Als Bones’ Erschaffer, Ian, das versucht hat, hast du dich doch auch nicht eingemischt?«

Mencheres’ stahlgraue Augen wanderten von mir zu Bones. »Es stand mehr auf dem Spiel«, sagte er schließlich. »Hättest du Bones nie kennengelernt, wäre er vielleicht weiter unter Ians Herrschaft geblieben, also nicht Oberhaupt seiner eigenen Sippe und mein Mitregent geworden, als ich ihn gebraucht habe. Das Risiko konnte ich nicht eingehen.«

Unsere immerwährende Liebe hatte er dabei also nicht im Sinn gehabt. War ja klar. Vampire handelten selten aus rein uneigennützigen Motiven.

»Was passiert, wenn Gregor mich im Traum berührt?«, erkundigte ich mich. »Was ist dann?«

Bones beantwortete meine Frage, und sein Blick war so durchdringend, dass er auf meinem Gesicht brannte.

»Wenn Gregor dich im Traum zu fassen bekommt, wirst du beim Aufwachen bei ihm sein. Darum nennt man ihn den Traumräuber. Er kann Menschen aus ihren Träumen entführen. «