8

Gregors Blick schien mich zu durchbohren. Aus dieser Entfernung konnte ich zwar nicht sehen, welche Farbe seine Augen hatten, aber ich wusste, dass sie grau-grün waren. Sein goldenes Haar war von dunkleren Strähnen durchzogen, sodass es einen aschfarbenen Ton bekam. Es war, als wäre Gregor zu strahlend gewesen, und jemand hätte ihn mit Staub bepudert, um die Farben abzuschwächen.

»Hopscotch, Band-Aid. Zu mir, sofort.«

Bones sprach nicht laut, also waren die beiden Vampire wohl in der Nähe gewesen. Sie lösten sich aus der Menge und nahmen ihre Positionen ein, der eine rechts, der andere links von uns. Mit einer Kopfbewegung wies Bones auf die reglose Gestalt in der Ferne und stieß einen leisen Fluch aus.

»Das verdammte Schwein steht quasi direkt vor meiner Haustür. Hat der etwa vorgehabt, einfach zu klingeln und nach dir zu fragen?«

Seine Hand umklammerte meine. Ich gab ein leises Jaulen von mir. Er lockerte seinen Griff, aber nur ein bisschen. Selbst aus der Ferne sah ich, wie Gregors Augen schmal wurden und grün aufleuchteten, dann setzte er sich in unsere Richtung in Bewegung.

Bones gab meine Hand frei. Er ließ den Kopf auf den Schultern kreisen und die Fingerknöchel knacken, während er mordlüstern auf Gregor zuging. Ich wäre ihm hinterhergelaufen, aber Hopscotch und Band-Aid hielten mich fest.

»Bones!«

Er ignorierte mich und ging weiter. Gregor ebenfalls. Beide waren eindeutig nicht zum Plaudern aufgelegt. Von kalter Angst ergriffen, kämpfte ich gegen die beiden Männer an, die mich festhielten. Sie hatten mich gepackt, als ich gerade nicht aufgepasst hatte.

Als Bones und Gregor weniger als sechs Meter voneinander entfernt waren, trat Jacques mit ausgebreiteten Armen zwischen sie.

»Keinen Schritt weiter, ihr beiden.«

Sie ignorierten ihn. Vielleicht hätten sie ihn sogar beiseitegestoßen, aber dann meldete sich donnernd eine zweite Stimme zu Wort.

»In meiner Stadt wird nicht gekämpft!«

Bones blieb stehen. Gregor wurde langsamer und hielt knapp vor Jacques’ ausgebreiteten Armen an.

Marie lief nicht, sie schwebte eher herbei. Bones sah sie mit einem Blick an, den man nur als frustriert bezeichnen konnte.

»Um Himmels willen, Majestic, warum hast du ihm gesagt, dass wir hier sind, wenn du keinen Kampf willst?«

Während unsere Bodyguards sich auf das Drama konzentrierten, das sich vor ihren Augen abspielte, schaffte ich es, Band-Aid den Ellbogen ins Auge zu stoßen und mich geduckt aus Hopscotchs lockerer gewordenem Griff zu befreien.

»Macht das nicht noch einmal«, warnte ich sie, während ich losrannte.

»Ich habe ihm nichts gesagt«, antwortete Marie. »Und meine Leute auch nicht.«

Kurz huschte ein arroganter Zug über Gregors Gesicht. In Wirklichkeit war er sogar noch imposanter als in meinen Träumen. Er hatte etwas Beunruhigendes an sich, obwohl in dem Blick, den er mir zuwarf, keine Feindseligkeit lag. Wenn überhaupt, war da ein sehnsüchtiger Ausdruck in seinem Gesicht, der mich auf der Stelle innehalten ließ. Mit kleinen Nadelstichen begannen wieder diese Kopfschmerzen.

»… ich bin auch auf einem Bauernhof aufgewachsen. In Südfrankreich, aber dort gab es keine Kirschen …«

Ich griff mir an die Schläfen. Gregors Nasenlöcher blähten sich. Gemächlich, provozierend und hörbar sog er die Luft ein.

»Catherine.«

»Sieh meine Frau nicht an.«

Bones’ Stimme war knurrend, voll kaum verhohlener Wut. Die Energie, die von ihm ausging, war selbst einige Meter entfernt zu spüren. Gregor ließ ein nicht minder aufgebrachtes Knurren hören und trat einen Schritt vor.

»Ich sehe meine Frau an.«

Als Gregor seine Macht auffächerte wie ein Pfau sein Rad, unterdrückte ich ein Keuchen.

Schon in meinen Träumen war Gregor mir stark vorgekommen, aber das war wohl nur ein schwacher Abglanz gewesen. Die Energie, die in immer stärkeren Wellen von ihm ausging, hätte das gesamte French Quarter mit Strom versorgen können. O Scheiße. Er ist fast so stark wie Bones, wenn nicht sogar stärker …

In der Nähe kreischten Bremsen, aber die beiden Männer ließen sich nicht aus den Augen. Als ich mich umsah, tauchte gerade Liza hinter der sich senkenden Fensterscheibe eines Vans auf. Ihre Augen waren geweitet, und sie winkte mir zu.

»Bitte, Cat, steig ein.«

»Nicht ohne Bones.«

Das war sowohl an sie als auch an Gregor gerichtet. Dass die Erinnerung an Gregors Stimme mein Unterbewusstsein durchdrungen hatte wie ein Messer, war unwichtig. Dass für den Bruchteil einer Sekunde, als sein Blick sich in meinen gebohrt hatte, Verlangen in mir aufgeflackert war, ebenfalls. Ob im Wachen oder im Schlafen, ich gehörte Bones und sonst niemandem.

»Siehst du? Sie hat ihre Wahl getroffen«, sagte Bones. Jede Silbe seiner Worte troff vor Hass. Er hatte mir zwar den Rücken zugekehrt, aber ich konnte mir gut vorstellen, dass er ein spöttisches Lächeln auf den Lippen hatte. Gregors Gesichtsausdruck nach zu schließen, täuschte ich mich nicht.

»Du widerlicher Hurensohn, die Wahl, die sie getroffen hat, ist von Mencheres aus ihrem Gedächtnis gelöscht worden. Schreiend hat er sie mir aus den Armen gerissen, eine halbe Stunde nachdem wir den Bluteid geleistet hatten!«

»Von mir aus kann Mencheres sie dir direkt von deiner fetten Latte runtergezerrt haben, das interessiert mich einen Scheiß«, fauchte Bones. »Träum weiter, Arschloch.«

Marie würde eine handfeste Auseinandersetzung zwischen den beiden nicht viel länger verhindern können. Abgesehen davon, dass Bones hätte draufgehen können – es waren auch zu viele Unbeteiligte in der Nähe. Bei einem Kampf zwischen den beiden Vampiren würde es Verletzte oder sogar Tote geben. Aus dem Augenwinkel sah ich Fabian in den Van huschen.

»Bones«, ich sprach mit ruhiger Stimme. Die tollwütige Bestie jetzt bloß nicht noch mehr reizen. »Wenn er weiß, dass wir hier sind, wissen andere das auch. Wir müssen weg.«

»Nur durch seine blinde Arroganz bist du in Gefahr«, mischte Gregor sich ein. »Komm zu mir, Catherine. Ich beschütze dich.«

»Unverschämter Bastard«, fauchte Bones. »Einem Mann, der versucht, einem anderen die Frau auszuspannen, bevor er sie überhaupt kennengelernt hat, ist wohl gar nichts heilig.«

»Bones, geh.« Marie hatte die Stimme nicht erhoben, aber ihr Tonfall war drohend. »Gregor, du bleibst hier bis zur nächsten Dämmerung. Du kamst ungebeten in meine Stadt, um Hader und Zwietracht zu säen. Was uns auch verbindet – du solltest dich hüten.«

»Marie …«

»Du hältst dich in meinem Viertel auf«, schnitt sie Gregor das Wort ab. »Gerade du solltest es besser wissen.«

Gregors Hände zuckten. Kurz dachte ich, er wollte Marie schlagen. Tu’s nicht, Kumpel. Die hat dich in null Komma nix unter ihrer Veranda verscharrt!

»Wenn du darauf bestehst«, antwortete Gregor schließlich gepresst.

Bones neigte den Kopf, drehte sich aber nicht um. »Steig in den Van, Kätzchen. Hopscotch, Band-Aid, ihr auch. Majestic, ich hoffe sehr, dass du dich von Gregors dummem Geschwätz auch weiterhin nicht beeinflussen lässt.«

Während ich in den Wagen stieg, vermied ich es, Gregor in die rauchig grünen Augen zu sehen.

»Und du lebe wohl, Traumräuber«, fuhr Bones fort, als er in den Van stieg. »Hoffentlich hast du den heutigen Abend genossen, denn es war das letzte Mal, dass du Cat zu Gesicht bekommen hast.«

»Catherine.« Ich spürte Gregors Blick, ohne ihn anzusehen. »Deine Erinnerung ist in meinem Blut. Sie wartet auf dich, ma bien-aimée, und ich werde meinen Schwur halten …«

Die zuschlagende Autotür schnitt Gregor das Wort ab. Und dann schoss Liza auch schon aus der engen Straße wie ein Rennfahrer im Vollsuff. Ich schloss die Augen, um nicht in Versuchung zu geraten zurückzublicken.

 

»Wie, glaubst du, hat er uns gefunden?«

Es war bereits einige Zeit vergangen, als ich die Frage stellte. Ehrlich gesagt war ich nach der Begegnung mit Gregor nicht gerade zum Plaudern aufgelegt gewesen. Seinem grimmigen Schweigen nach zu urteilen, ging es Bones nicht anders. Die Sonne war aufgegangen. Liza fuhr unermüdlich weiter. Ghule wurden nicht so sehr von morgendlicher Mattigkeit geplagt wie Vampire. Hopscotch und Band-Aid schliefen, dunkle Sonnenbrillen über den Augen.

In dem neuen SUV, in dem wir jetzt saßen, hatten wir wenigstens mehr Platz als in den letzten beiden Autos. Wir hatten dreimal die Fahrzeuge gewechselt für den Fall, dass uns jemand folgte. Bones hatte die Fahrer mit seinem Vampirblick gefügig gemacht, während wir ihnen die Autos abgeknöpft hatten. Alles geschah so schnell, dass uns ein Spitzel schon direkt im Nacken hätte sitzen müssen, um irgendetwas mitzubekommen. Bisher war von Gregor nichts zu sehen, und wir waren schon fast in Fort Worth.

Bones schnaubte verärgert. »Wenn Marie nicht von ihren eigenen Leuten hintergangen wurde, was sehr unwahrscheinlich ist, und auch keiner von meinen hinter der Sache steckt, kann ich mir das alles nicht erklären.« Seine Finger trommelten auf seinen Oberschenkel. »Vielleicht hatte Don die Hand im Spiel. Auf welchen Namen hat er die Pillen ausliefern lassen, Kätzchen?«

»Kathleen Smith.« Mein Tonfall war spöttisch. Wie konnte er bloß glauben, mein Onkel wäre so dumm, meinen echten Namen anzugeben. »Und denk mal an den Zeitrahmen: ein Tag nachdem ich ihm gesagt habe, wo wir sind – das passt nicht. Wir wissen, dass Gregor zur gleichen Zeit wie wir in Paris und London war, er muss also gleich nach uns aufgebrochen sein, um rechtzeitig hier anzukommen. Damit ist Don aus dem Spiel.«

Bones sah mich durchdringend an. »Du hast recht. Nur Charles wusste, wo wir von ihm aus hinwollten. Er dürfte wohl kaum eine Zeitungsannonce geschaltet haben. Marie wurde erst nach unserer Ankunft eingeweiht. Bleibt nur noch eine Handvoll Leute, die Gregor informiert haben könnten, und die sitzen alle in diesem Wagen.«

Auf Bones’ Bemerkung hin kam Leben in Band-Aid und Hopscotch. Liza warf einen erschrockenen Blick in den Rückspiegel. Auch ich war in Alarmbereitschaft, weil ich mich fragte, ob einer unserer Bodyguards plötzlich zum Angriff übergehen würde.

Was sie nicht taten. Sie sahen Bones an, und er erwiderte ihren Blick, seine Miene war kalt und unergründlich. Obwohl er nichts sagte, wusste ich, dass er mit dem Gedanken spielte, die beiden umzubringen.

»Herr«, sagte Band-Aid.

»Klappe«, fuhr Bones ihn an. »Nach der Sache mit Rattler traue ich jedem einen Verrat zu, drei Leute ausgenommen, und ihr gehört nicht dazu. Aber ich will nichts überstürzen. Bis wir angekommen sind, werde ich keinen von euch aus den Augen lassen, dann kommt ihr in Sicherheitsverwahrung. Findet Gregor uns danach immer noch, wissen wir, dass ihr nichts mit der Sache zu tun habt.«

Die Vampire machten einen leicht verdutzten Eindruck. Hopscotch fasste sich als Erster wieder und nickte.

»Ich würde dich nie hintergehen. Ich freue mich über die Chance, es dir zu beweisen.«

»Ich auch«, schloss Band-Aid sich an und warf Liza einen verstohlenen Blick zu.

»Wenn’s sein muss«, sagte sie leise.

»Ich zwinge dich nicht.« Bones’ Stimme war fast ein Seufzen. »Aber ich würde dich bitten, es zu tun.«

Ihr Lächeln war so traurig, dass es sogar mich schmerzte. »Wenn du dich dann sicherer fühlst. Es ist das Mindeste, was ich für dich tun kann.«

Wie ätzend, ständig jeden um sich herum verdächtigen zu müssen. Eine große dunkle Höhle. Die Vorstellung wurde immer verlockender.

»Ich weiß, dass ich sie gerade erst kennengelernt habe, aber irgendwie glaube ich nicht, dass es Marie war«, sagte ich.

Bones zog die Brauen hoch. »Warum nicht?«

»Na ja … sie hat mir so eine komische Geschichte über ihren Mann erzählt, den sie vergiftet hat. Zuerst dachte ich, sie wollte mir damit Angst einjagen, aber sie hat es erzählt, nachdem sie gesagt hat, sie würde für Gregor Partei ergreifen, wenn ich mit ihm verheiratet wäre, weil es bei Vampiren keine Scheidung gibt.«

»Wirklich?«, sagte Bones. »Das ist interessant. Oh, jeder weiß, dass Marie als Sterbliche ihren Mann ermordet hat. Bisher war mir bloß nicht klar, wie sie es gemacht hat.«

»Ich dachte, sie hätte ihn mit einer Axt erschlagen«, mischte Liza sich ein. »Das habe ich zumindest mal gehört.«

»Interessant«, sagte Bones noch einmal. »Warum, glaubst du, zeigt sie dir damit, dass sie auf unserer Seite ist, Süße? Sie hat doch deutlich gesagt, für wen sie ist.«

Das würde ich lieber nicht sagen.

Ich rutschte auf dem Sitz hin und her und wünschte mir, ich hätte die Klappe gehalten.

»Du blockst mich.« Bones’ Augen leuchteten grün auf.

Ja, ich verschloss meine Gedanken vor ihm, mit allem, was mir an geistigen Kräften zur Verfügung stand. Schwatzmaul. Warum kannst du es nicht einmal gut sein lassen?

Nicht Bones war gemeint; ich machte mir selbst Vorwürfe. Es gab so einiges, das ich nach dem Treffen mit Majestic gern unter vier Augen mit Bones besprochen hätte. Und hier waren wir alles andere als unter uns.

»Wir hatten ausgemacht, dass du das sein lässt«, fuhr Bones fort. »Dass du mir nichts mehr vorenthältst. Was es auch ist, Kätzchen, sag es mir.«

Ich atmete einmal tief durch. Was er jetzt gleich zu hören bekam, würde ihm nicht gefallen.

»Marie hat mir erzählt, Gregor könnte mir meine Erinnerungen zurückgeben, und dass ihr das wüsstet, Mencheres und du. Sie hat sich gefragt, warum ihr nicht wollt, dass ich mich an das Geschehene erinnere. Vorhin, da auf der Straße, hätte sie verlangen können, dass mir meine Erinnerungen zurückgegeben werden. Wir waren auf ihrem Terrain, ihre Leute waren in der Überzahl, sie hätte darauf bestehen können. Aber sie hat uns gehen lassen. Ich glaube, sie hat es getan … weil sie denkt, dass ich an Gregor gebunden bin, und sie weiß, dass sie ihn unterstützen muss, wenn es herauskommt.«

Bones erstarrte vollkommen. Sein Blick wurde immer intensiver, bis ich das Gefühl hatte, von smargadfarbenen Laserstrahlen getroffen zu werden.

»Willst du dich an die Zeit mit ihm erinnern?«

Ich atmete noch einmal tief durch, diesmal länger als zuvor.

»Es beunruhigt mich, dass über ein Monat meines Lebens aus meinem Gedächtnis gelöscht wurde. Du hättest es mir sagen müssen, Bones. Auch du hast mir versprochen, dass du mir nichts mehr verheimlichen würdest, aber ich musste das von Marie erfahren.«

»Ich habe es dir nicht erzählt, weil ich mir nicht sicher war. Ich werde jedenfalls nicht zulassen, dass dieses miese Schwein Hand an dich legt, dich dazu bringt, ihn mit den Lippen zu berühren …«

»Ist das dein Ernst?«, unterbrach ich ihn. »Wie kommst du bloß darauf, dass ich ihn küssen würde?«

Bones warf mir einen strengen Blick zu. »Die Macht, in deine Gedanken einzudringen, ist an Gregors Blut gebunden, genau wie er gesagt hat. Du würdest ihn beißen müssen.«

»Ich wusste nicht, wie das funktioniert.«

»Stimmt, aber du würdest es tun, wenn du die Gelegenheit dazu hättest«, stellte Bones fest. Sein Tonfall war so anklagend, dass ich die Hände zu Fäusten ballte, sonst hätte ich ihn geschüttelt.

»Wenn jemand über einen Monat aus deinem Gedächtnis gelöscht hätte, würdest du auch wissen wollen, was in der Zeit passiert ist.« Ich hatte nicht geschrien. Sehr gut.

»Nein, würde ich nicht.«

Sein Tonfall war alles andere als gelassen. Er fauchte beinahe.

»Wenn jemand etwas aus meinem Gedächtnis gelöscht hätte, das eventuell zur Auflösung unserer Ehe führen könnte, würde ich es niemals wissen wollen, aber vielleicht bedeutet mir unsere Ehe ja auch mehr als dir.«

Da war es auch schon wieder vorbei mit meiner buddhistischen Gelassenheit. Ich war stinkwütend.

»Die einzige Gefahr für unsere Ehe bist du. Mal angenommen, ich finde tatsächlich heraus, dass ich Gregor geheiratet habe. Ist die Chance, wieder Single sein zu können, so verlockend für dich?«

»Du bist es doch, die zugibt, nach einem Hintertürchen zu suchen, um von mir abhauen zu können«, gab Bones ebenso aufgebracht zurück. »Gefällt dir Gregor? Vielleicht war der Sex mit ihm ja auch besser als mit mir? Ist es das, woran du dich erinnern willst?«

Ich war so gekränkt, dass ich an die Decke ging.

»Du hast den Verstand verloren!«

Ich versetzte ihm einen Stoß, aber er rührte sich nicht. »Ich habe geblutet, als ich mit Danny Sex hatte, sagt dir das was? Oder muss ich noch deutlicher werden?«

Unter normalen Umständen hätte ich etwas derart Persönliches niemals vor so vielen Leuten gesagt, aber mit der Wut ist das so eine Sache. Sie bringt einen dazu, die gesamte Umgebung zu vergessen.

Bones kam mit seinem Gesicht ganz nah an meins heran. »Der Typ hätte es die ganze Nacht mit dir treiben können, und du hättest bei Danny trotzdem geblutet. Mencheres hätte dir nur von seinem Blut zu trinken geben müssen, als er dich gefunden hat. Heilt alle Wunden, nicht wahr? Hätten sie dich Gregor kurz nach dem Akt weggenommen, hättest du eine einfache Verletzung gehabt, die man hätte heilen können.«

»Das ist …« Ich war so entsetzt über die Vorstellung, dass mir gar keine Antwort einfiel. »Das ist doch Schwachsinn!«, platzte es schließlich aus mir heraus.

»Wirklich?« Bones beugte sich vor. »Ich weiß es zufällig besser, weil ich es schon so gemacht habe.«

Die sanfte Art, in der er die Worte sagte, unterstrich noch ihre Wirkung. Wut, Unwille und Eifersucht ließen mich reagieren, bevor ich nachdachte.

»Du verfluchter, gewissenloser Stricher.«

Bones wandte den Blick nicht von mir ab, und er erhob auch nicht die Stimme, als er antwortete.

»Das hast du geheiratet, Kätzchen. Einen gewissenlosen Stricher. Aber wie du ja weißt, habe ich nie vorgegeben, etwas anderes zu sein.«

Ja, ich wusste, dass er als Sterblicher ein Gigolo gewesen war, aber das war es nicht, was so wehtat. Hätte er mit dem Herumgehure doch nur aufgehört, als er das Geld nicht mehr zum Überleben gebraucht hat, dachte ich bitter. Aber nein. Nach seiner Verwandlung zum Vampir hat er aus Spaß weitergemacht, das hat er mir ja gerade noch einmal unter die Nase gerieben.

Ich wollte ihn nicht wissen lassen, wie sehr seine Vergangenheit mir noch zusetzte, also mauerte ich meine Gedanken wieder zu. Nur so konnte ich ihn aus meinem Kopf aussperren. Dann sah ich aus dem Fenster. Im Augenblick konnte ich den Anblick seines schönen Gesichts nicht ertragen.

Bones ließ mich los und lehnte sich wieder in den Sitz zurück. Den Rest der Fahrt über redeten wir kein Wort miteinander.