26.

 

E

twa zwei Stunden später machte sich Thomas auf den Weg zum Kaufhaus. Die Stofffetzen an den Füßen trugen ihm fragende Blicke ein, während er über den Marktplatz lief. Was mit seinen Füßen passiert sei, fragte ihn eine junge Frau im Vorbeigehen.

»Ich tue Buße«, erwiderte er. »Auch für dich und deine Sünden. Dies Werk ist dem Herrn wohlgefällig.«

Sie gab ihm eine Münze, und er kaufte sich in einem kleinen Bäckerladen neben dem Zunfthaus der Krämer zwei Brötchen. Sie schmeckten besser als alle, die er in seinem Leben gegessen hatte.

Beim Kaufhaus herrschte Geschäftigkeit; vor dem Haupteingang standen Karren, die be- und entladen wurden. Auf einem der Wagen stapelten sich Ballen mit Stoffen, und ein Tuchhändler trat seinem Tagelöhner in den Hintern, weil er Ware hatte fallen lassen. Kinder und Jugendliche waren unter den Arbeitern, und drei Männer rollten Weinfässer über eine Rampe in die Halle.

Thomas ging an den Lastträgern vorbei. »Vorsicht, ehrwürdiger Bruder!«, sagte ein Mann, der ihn beinahe mit seiner Holzkiste umgerannt hätte.

»Nicht so stürmisch, mein Sohn«, erwiderte Thomas. »Übertriebener Eifer ist Sünde.«

Der Tagelöhner kämpfte sich die Stufen zum Kaufhaus empor. »Sagt das dem Mann, der mich bezahlt!«

Thomas betrat die Halle, die Kapuze seiner Mönchskutte tief ins Gesicht gezogen. Die Händler waren noch damit beschäftigt, ihre Stände aufzubauen und herzurichten; ein Mann mit Händen so groß wie Schaufeln ordnete Fische in einem rechteckigen Korb nach einheitlichem Muster, und die Tiere starrten Thomas mit ihren kalten, toten Augen an.

»Ehrwürdiger Vater, wie wäre es mit einer gebratenen Forelle heut Abend?«

»Mein lieber Sohn«, antwortete Thomas, »nichts käme mir gelegener. Doch schau auf meine Kleidung und mein Schuhwerk. Ich habe das Gelübde der Armut abgelegt und besitze nichts, womit ich dich entlohnen könnte als den Segen des Herrn.« Er schaute sich um, während er sprach. »Wenn du also, Gott zur Ehre und deinem Seelenheil zuliebe, mir eines dieser schönen Exemplare opfern möchtest, so werde ich dich in meine Gebete einschließen, und deine Sünden der letzten Zeit seien dir vergeben.«

Die Kutte und der Respekt, den man ihm entgegenbrachte, inspirierten Thomas. Der Händler reichte ihm einen der Fische mit der Bitte, seine bescheidene Gabe anzunehmen. »Gesegnet seiest du«, sagte Thomas. »Der Herr wird es dir vergelten!«

Er lief mit dem Fisch in der Hand durch die Halle. Wo steckte Katharina? Sie war nirgends zu sehen. War sie aufgehalten worden? Und würden seine Verfolger ins Kaufhaus kommen? Hoffentlich, dachte er, trauen sie mir das nicht zu, denn ich muss verrückt sein, mich hier herumzutreiben. Andererseits ist es vielleicht der Ort, wo sie mich am wenigsten vermuten. Wo bleibt sie?

Endlich sah er Katharina beim Eingang. Er bemerkte zuerst den roten Mantel, dann ihre kleine Gestalt. Sie ging eilig zwischen den Ständen entlang und erweckte nicht den Anschein, als suche sie jemanden. Sie sah Thomas, ihre Blicke begegneten sich. Er folgte ihr mit Abstand. Sie ging ans Ende der Halle.

Dort saß ein Mann auf einem klapprigen Stuhl neben einer Tür. Thomas schaute sich um. Er bemerkte einen schmächtigen Mann, der in die gleiche Richtung ging wie Katharina. Er trug eine Mütze mit Pelzbesatz. Wahrscheinlich, überlegte Thomas, kommt mir im Moment jeder verdächtig vor.

Katharina sprach mit dem alten Mann an der Tür. Er fing an zu lachen, und dann ging er mit ihr weg. Thomas beobachtete den Mann mit der Pelzmütze, der sich bei einem Stand herumtrieb, aber fortwährend in Katharinas Richtung schaute. Es nützte nichts, sich weiter darüber Gedanken zu machen; Thomas hatte nur wenige Augenblicke, um hinter der Tür zu verschwinden. Ausgerechnet jetzt blieben zwei Männer nahe bei der Tür stehen und fingen an zu diskutieren. Er zögerte und hoffte, dass sie weggehen würden. Sie fuchtelten mit den Händen in der Luft herum. Thomas schnappte einige Wortfetzen auf, es ging um Zahlen.

Wenn er noch lange wartete, würde der alte Mann, der den Eingang bewachte, zurückkommen; sicher konnte Katharina ihn nur kurze Zeit weglocken. Ich muss es riskieren, dachte er, hier hilft nur Frechheit. Er ging mit festem Schritt auf die Tür zu …

Einer der beiden Händler wandte den Kopf zur Seite, aber Thomas schaute geradeaus. Es muss selbstverständlich wirken, schoss es ihm durch den Kopf; man muss glauben, ich sei berechtigt, da hineinzugehen.

Er stand vor der Tür und drückte die Klinke. Die beiden Geschäftsleute diskutierten noch immer ihre Zahlen, die stark voneinander abwichen; der eine lachte über den Vorschlag des andern so laut, als habe man ihm einen guten Witz erzählt. Thomas öffnete die Tür, sah die Treppe, von der Katharina gesprochen hatte, ging auf sie zu, schloss die Tür und vermied es, hastig zu wirken.

Das Treppenhaus war leer, und Thomas fand Zeit. Es schien ihm ratsam, nicht bei der Tür zu bleiben, damit man ihn nicht sah, wenn Katharina hereinkam. Die Treppe war aus Holz gebaut, sehr hoch und nach einer Folge von Stufen kam immer ein Absatz. Thomas ging hinauf zum ersten Absatz, der sich oberhalb des Eingangs befand; dort blieb er stehen und wartete.

Bald darauf hörte er Schritte, die Tür öffnete sich: Es war Katharina. Er wartete, bis sie sie wieder verschlossen hatte und rief leise ihren Namen. Sie legte den Kopf in den Nacken, sah ihn, stieg die Stufen empor und legte den Zeigefinger an ihre Lippen, wobei sie einen befremdeten Blick auf den Fisch warf. Dann ging sie an ihm vorbei und bedeutete ihm, ihr zu folgen. Sie ließen die Türen zum ersten und zweiten Stockwerk hinter sich. Da man durch das Geländer und selbst die Stufen hindurchschauen konnte, kämpfte Thomas gegen ein Gefühl von Schwindel an: Die Erinnerung an die letzte Nacht kam zurück. Schließlich erreichten sie das dritte, dicht unterhalb des Daches gelegene Geschoss; hier gab es keine Tür, auch keine Abtrennung zur Treppe hin.

»In der Regel hält sich hier kein Mensch auf«, flüsterte Katharina, »aber es ist besser, wenn wir vorsichtig sind.«

Sie lief voraus und er folgte ihr; die Dielen waren dick mit Staub bedeckt, manchmal wirbelten graue Flocken auf. Hier lagerten Gegenstände von geringem Wert: Materialien, die zum Bau des Kaufhauses gedient hatten, alte Möbelstücke, Truhen und verschnürte Säcke.

»Das sieht aus«, sagte Thomas, »als wäre seit Jahren keiner mehr hier gewesen.«

»Ein kleines Labyrinth«, erwiderte Katharina. »Und ich weiß ein Fleckchen, wo uns bestimmt keiner stört.«

Sie ging nach rechts, wo das Dach schräg abfiel. »Schau! Das ist wie ein kleines Zimmer.«

Die Ecke, in die sie ihn führte, war durch zwei Bretterwände abgetrennt; jemand hatte hier Möbel abgestellt, mit Spinnweben überzogene Schränke, Truhen, Stühle, ein Bettgestell.

Thomas nahm sich einen Stuhl, befreite ihn notdürftig vom Staub und setzte sich. Das Treppensteigen hatte seinem Knie zugesetzt. Katharina blieb stehen. Er legte den Fisch neben sich auf eine Eichenholztruhe.

»Was ist das?«, fragte Katharina.

»Eine Forelle.«

»Und wo kommt die her?«

»Vom Fischhändler natürlich. – Aber ich denke, wir sind nicht hier, um uns über Fische zu unterhalten«, sagte er. »Was ist das für ein Zeug?« Er machte eine vage Handbewegung in Richtung der Möbelstücke.

Sie betrachtete weiter kritisch den Fisch. »Die Sachen gehören einem Weinhändler, einem begnadeten Geizhals, der sich von nichts trennen kann.« Sie legte den Kopf auf die Seite, und nach einer Weile fragte sie mit gedämpfter Stimme: »Hast du was gehört?«

»Nein«, sagte er.

»Dann habe ich mich wohl getäuscht!«

Sicher schien sie sich ihrer Sache aber nicht zu sein. Thomas streckte das Bein weit von sich. »Hast du die Pläne in Sicherheit gebracht?«

»Niemand wird das Versteck entdecken«, sagte sie.

»Wir müssen den Mann finden, mit dem deine Schwester ein Verhältnis hatte – sehr wahrscheinlich ein Mitarbeiter Gutenbergs.«

»Ich habe mich über Gutenberg und seine Leute umgehört«, sagte Katharina. »Die Mitarbeiter haben einen guten Ruf in der Stadt, gelten als anständig und fleißig. Niemand weiß etwas davon, dass einer von ihnen ein Verhältnis mit meiner Schwester gehabt haben soll.«

»Nicht mal ein Gerücht?«, fragte Thomas.

»Absolut nichts. – Wäre es nicht besser, wenn du vorübergehend aus der Stadt verschwindest?«

»Nein, aber ich muss irgendwo Unterschlupf finden.«

Sie betrachtete aufmerksam sein Gesicht und bemerkte seine unnatürliche Haltung. »Was ist mit deinem Bein?«, fragte sie.

»Es ist vom Treppensteigen.«

In der Kaufhalle waren die Schmerzen erträglich gewesen. Am schlimmsten fand er die Ungewissheit, wie schwerwiegend die Verletzung war. »Was hast du über Gutenberg und seine Werkstatt herausbekommen?«, fragte er.

»Ich habe mich mit meinem Vater über Gutenberg unterhalten. Er hat Kontakte zu Geschäftsleuten aus ganz Deutschland, und ein Kaufmann aus Straßburg hat ihm vor längerer Zeit über Gutenbergs Zeit dort berichtet. Es scheint, dass Gutenberg in der Stadt für Aufsehen gesorgt hat. Er war mehrfach in Streitfälle verwickelt, und es kam zu Prozessen.«

»Um was ging es dabei?«, fragte Thomas.

»Eine Frau hat ihn angeklagt, die behauptete, er habe ihr die Ehe versprochen. Sie fühlte sich von ihm betrogen, weil er sein Versprechen nicht einlöste. Gutenberg bestritt das, und auch vor Gericht konnte die Sache nicht geklärt werden, weil Aussage gegen Aussage stand.«

»Wovon lebte er in Straßburg?«

»Er hatte Verwandte in der Stadt, wahrscheinlich halfen sie ihm anfangs finanziell. Er war mit verschiedenen Projekten beschäftigt. So soll er lange Zeit sein Geld mit dem Polieren und Schleifen von Edelsteinen verdient haben. Mein Vater erinnert sich, dass er sich schon in Mainz mit Goldschmiedearbeiten beschäftigte. Sein Status innerhalb der Straßburger Bürgerschaft war unklar. Er gehörte nicht zu den Patriziern, aber auch nicht zu den Zünften, denn er betrieb kein hergebrachtes Handwerk.« Sie hielt inne und schien wieder zu lauschen. Erst nach einiger Zeit fuhr sie fort: »Ich hielt Gutenberg früher für einen Taugenichts, der zwar ständig Ideen im Kopf hat, aber zu unbeständig ist, sie zu realisieren. Mit seiner Person verband ich immer etwas Anrüchiges, Unehrenhaftes. Aber in Wahrheit ist er ein gebildeter, kenntnisreicher Mann, der andere für seine Pläne begeistern kann. In Straßburg ließ er sich dafür bezahlen, einem reichen Bürger seine Edelsteinkünste beizubringen. Und er gründete eine Genossenschaft.«

»Zu welchem Zweck?«, fragte Thomas.

»Die Gründung der Genossenschaft hängt mit einem Heiligen Jahr zusammen und Wallfahrten nach Aachen. Die Aachener besitzen wertvolle Reliquien.«

»Die Windeln Christi zum Beispiel, ich habe davon gehört. Aber was hatte die Genossenschaft mit den Wallfahrten zu tun?«

»Bei den Wallfahrten bekommen die Pilger oft die Reliquien nicht zu Gesicht«, sagte Katharina. »Damit für sie die weite Reise nicht umsonst war, zeigt man die Heiligtümer exponiert, auf einem Gerüst zum Beispiel. Die Wallfahrer können dann mit einem Spiegel die Strahlen auffangen, die von der Reliquie ausgehen.«

»Das war ein besonders findiger Theologe«, meinte Thomas und nickte anerkennend.

»Der Spiegel«, sagte Katharina, »hält die Strahlen fest, und man kann sie nach Hause tragen und von ihrem heiligen Wert zehren. Gutenberg hat solche Spiegel in großer Zahl hergestellt, und die Genossenschaft hat ihm das nötige Kapital geliefert. Das Unternehmen war ein finanzieller Erfolg. Sie müssen unzählige von diesen Metallspiegeln verkauft haben.«

»Hat Gutenberg schon in Straßburg Bücher gedruckt?«

»Gut möglich«, sagte Katharina, »dass er es versucht hat. Die Leute erzählten sich, er arbeite an einer geheimen Erfindung. Falls es tatsächlich um Buchdruck ging, dann war er damals nicht so weit wie jetzt in Mainz.«

»Warum hat er Straßburg verlassen?«

»Es gab Streit zwischen Gutenberg und seinen Geschäftspartnern. Die ständige Bedrohung durch die Armagnaken mag ein weiterer Grund gewesen sein, weshalb die Stadt zu einem gefährlichen Pflaster wurde. Sicher hatte er Angst, in Kriegswirren hineingezogen zu werden.«

»Hast du etwas über seine Geldgeber in Mainz herausbekommen?«

»Es gibt nur einen Geldgeber: Johannes Fust – wenn man von kleineren Beträgen absieht, die man vernachlässigen kann.«

»Wer ist das?«

»Ein sehr wohlhabender Bürger«, sagte Katharina, »von Beruf Kaufmann; in den letzten Jahren spezialisiert auf Geldverleih. Mein Vater kennt ihn gut. Fust gilt als Mann, der scharf kalkuliert. Es geht das Gerücht, er habe Gutenberg zwei riesige Darlehen gegeben, im Umfang von etwa anderthalb tausend Gulden. Es muss Gutenberg gelungen sein, diesen in Gelddingen extrem skeptischen Mann von seiner Erfindung zu überzeugen. Wenn Fust sich daran beteiligt und so weit aus dem Fenster lehnt, sagt mein Vater, dann hat die Sache Hand und Fuß. Wahrscheinlich hat ihm Gutenberg kleine Proben seiner Kunst vorgelegt. Er soll lateinische Grammatiken gedruckt haben und Kalender mit astronomischen Angaben. Außerdem ein Sibyllenbuch, das vom Untergang der Welt berichtet und Kalender, die den Kampf gegen die Türken unterstützen. Momentan arbeitet Gutenberg am Druck der Bibel.«

Thomas verstand, warum Gutenberg sich hoch verschulden musste. Er hatte einmal in einer Klosterbibliothek eine Handschrift gesehen, die den Text der gesamten Bibel umfasste, zwei riesige, in edles Leder gebundene Bücher, die ihn allein von der Größe und vom Gewicht her beeindruckten.

Katharina, die sich zwischenzeitlich auf den anderen Stuhl gesetzt hatte, fuhr mit der Hand über seinen Oberschenkel. »Tut es hier weh?«, fragte sie.

»Es geht.«

Ihre Hand fuhr höher. »Hier?«

»Etwas.«

Er vergaß Gutenberg und seine Erfindung. Auch die Verletzung ängstigte ihn nicht länger. »Ich habe auch an der Schulter eine Verletzung«, sagte er, stand auf, zog sich die Mönchskleidung über den Kopf und ließ sie zu Boden fallen.

»Wenn es dich beruhigt«, sagte sie, »schaue ich gern mal nach. Die Schulter ist aber auf der anderen Seite.«

»Das verwechsle ich immer.« Er drehte sich um und wandte ihr den Rücken zu. Ihre Hand berührte seinen Hals und die Schulter.

»Die Stelle ist besonders empfindlich«, sagte er.

Aber sie schien seine Verletzung nicht sonderlich ernst zu nehmen. Er fragte sich, ob nicht bei allem, was sie sagte oder tat, ein leiser Spott mitschwang. War es vielleicht ihre Art, Zuneigung auszudrücken?

Er dachte an die Nacht, als sie gestört wurden. Der Gedanke an ihren Körper erregte ihn. Sie drängte sich an ihn, und er spürte ihr Kleid an seiner Haut; es war sehr dünn. Sie spielte mit ihren Fingern an seiner Brust. Er senkte den Kopf und schaute ihr zu. Sie wusste, wie sie ihn berühren musste. Sie erfasste seine Wünsche, bevor er selbst sich ihrer bewusst wurde. Aber er fühlte auch einen Missklang. Schon beim letzten Mal hatte er sich gefragt, wie es kam, dass sie so selbstsicher wirkte.

Sein Atem ging schneller. Sie löste sich von ihm und streifte ebenfalls ihre Kleidung ab. Er drehte sich nicht um und sie schmiegte ihre Brust an seinen Rücken.

Die Kutte erwies sich als passable Unterlage. »Hast du nicht ein Keuschheitsgelübde abgelegt?«, fragte sie. »Ich hätte mich früher für Geistliche interessieren sollen.«

»Das Kontemplative hat Vorteile.«

Sie drückte seinen wunden Rücken fester auf den Boden und flüsterte ihm etwas ins Ohr. Ihr Haar rieselte auf seine Brust. Sie presste die Lippen zusammen, als müsse sie Schmerz unterdrücken.

Später lagen sie nebeneinander und schauten sich in die Augen. Er verlor das Empfinden von Fremdheit ihr gegenüber. Er hatte sie zu Unrecht verdächtigt und schämte sich deswegen.

»Was ist das?«, fragte sie plötzlich.

Er hob den Kopf. Es waren Schritte. Sie schauten sich an, ihre Arme und Beine verschlungen. Sie lösten sich voneinander. Er dachte an den Mann in der Halle.

Die Schritte pochten von der Treppe her. Wer immer dort kam, er kam allein, soviel ließ sich ausmachen. Thomas suchte nach etwas, womit sie sich verteidigen konnten. Er wollte den Stuhl heranziehen, aber Katharina hielt ihn zurück.

Die Schritte näherten sich. Sie wirkten suchend und zögerlich. Thomas und Katharina hielten den Atem an. Aber die Geräusche entfernten sich in den hinteren Teil des Dachbodens. Katharina hielt Thomas zurück, der aufstehen wollte. Sie lauschten, hörten manchmal ein Rumpeln. Eine Weile war es still, dann kamen die Schritte zurück und bewegten sich direkt auf die Treppe zu. Die Stufen knarrten, und schließlich war nichts mehr zu hören.

»Gibt es noch einen anderen Ausgang?«, fragte Thomas.

»Eine Tür, die von innen verriegelt ist, im ersten Stock. Von dort führt eine Außentreppe nach unten.«

Thomas glaubte nicht daran, dass ihr Verfolger aufgegeben hatte. Aber er wusste nicht, in welchem Stockwerk er suchen musste.

»Er kann nicht beide Ausgänge gleichzeitig bewachen«, sagte Thomas, »den im Erdgeschoss und den im ersten Stock.«

»Wenn er sich im Treppenhaus aufhält«, erwiderte Katharina, »wird er uns trotzdem erwischen.«

»Was sollen wir tun?«

»Hier bleiben.«

»Und wenn er zurückkommt und Verstärkung mitbringt?«

»Das Risiko müssen wir eingehen.«

Sie suchten ihre Kleider zusammen. Thomas beobachtete sie verstohlen. Er fragte sich, ob Katharina Recht hatte.

»Wir bleiben hier«, sagte sie noch einmal. »Wir warten, bis es dunkel wird, und dann verschwinden wir. Ich glaube nicht, dass er Verstärkung holt. Er hat Angst, dass wir in der Zwischenzeit verschwinden. Ich an seiner Stelle würde das Kaufhaus nicht verlassen.«

»Du setzt voraus, dass er allein ist.«

»Eine andere Chance haben wir nicht.«