Um kurz vor vier gingen wir ins Haus zurück. Ich stibitzte ein Stück vom frisch gebackenen Schokoladenkuchen, der in der Küche auf dem Tisch stand – weniger weil ich Hunger hatte, sondern eher, um meine Großtante bei Laune zu halten – und lief hinter Gordy her die Treppe in mein Zimmer hinauf.
Auf meinem Handy, das ich inzwischen beim
Blumengießen im Topf der Yucca-Palme wiedergefunden hatte,
registrierte ich eine Nachricht von Ruby und eine von Sina. Ich
öffnete Sinas zuerst.
Was ist
los?,
schrieb sie. Warum meldest du
dich nicht mehr?
Es hat doch
hoffentlich nichts damit zu tun, dass frederik und ich
jetzt
zusammen
sind?
Natürlich
nicht,
beruhigte ich sie.
Gordy und ich
sind nur sehr beschäftigt ;-)
hdl:***
Danach las ich Rubys SMS. Sie hatte sie
vor einer Viertelstunde geschickt.
Wir sind
heute am strand. Hast du lust? Ashton und ich vermissen
dich.
Wir sind so froh,
dass dir nichts passiert ist. Du bist ein Wunder,
Elodie,
weißt du das?
Ach, scheiße, du hast keine Ahnung, was du mir
bedeutest
… was du und
gordian uns bedeuten.
Eine Welle der Rührung durchflutete mich. Und der Anflug eines schlechten Gewissens meldete sich ebenfalls. Ruby musste Höllenqualen gelitten haben, als sie mich im Meer versinken und nicht wieder auftauchen sah.
»Und?« Gordy schlang seine Arme um meine Taille und linste neugierig über meine Schulter. »Welche Nachrichten schickt der kleine Funkkasten?«
»Rubys«, sagte ich und meine Stimme hörte sich ziemlich belegt an. »Sie möchte uns treffen. In der Cobo Bay.«
»Uns?«
»Ja, ich glaube schon.«
»Siehst du.« Gordy umschlang mich ein wenig fester und küsste meinen Hals. »Ich wusste doch gleich, dass es richtig ist, wenn ich dich begleite.«
»Es ist nicht richtig«, widersprach ich. »Aber ich habe mittlerweile kapiert, dass ich dich ohnehin nicht davon abhalten kann mitzukommen. Wahrscheinlich könnte ich dir nicht einmal davonlaufen.«
»Nein, ganz bestimmt nicht.« Gordy lachte leise und sein warmer Atem fuhr in den Ausschnitt meines T-Shirts. »Im Gegensatz zu mir bist du so langsam wie eine Seegurke.«
Ich drehte mich in seinem Arm und legte die Hände um seinen Nacken. »Seegurken bewegen sich überhaupt nicht, hab ich recht?«
»Na ja …« Er grinste noch breiter.
»Duuu!« Ich schob meine Finger in seine Haare und spielte mit seinen Locken.
»Was?«
»Ich bin echt nicht bereit, mir noch mehr von diesen Beleidigungen anzuhören«, sagte ich entschieden. »Wenn du nämlich glaubst, dass ich mir noch immer nicht darüber bewusst bin, dass auch in meinen Adern Nixenblut fließt und ich längst nicht mehr so langsam bin wie ein Mensch …«
»Was dann?« In Gordians Augen blitzte es, doch noch ehe sein Lächeln mich außer Gefecht setzen konnte, hatte ich meine Lippen bereits auf seinen Mund gelegt.
Ich küsste ihn ebenso warm und zärtlich, wie er mich eben auf den Klippen geküsst hatte, und dieses Mal löste er sich in mir auf. Wir verschmolzen miteinander in diesem Kuss, ich verlor die Orientierung und wusste schon bald nicht mehr, ob ich lag oder stand und ob wir von Luft oder Meerwasser umgeben waren.
Meine Sehnsucht und meine Liebe strömten zu Gordy und seine Sehnsucht und seine Liebe strömten zu mir zurück.
Und plötzlich war ich ganz sicher: Egal, was heute noch geschah … in dieser Nacht würde es … endlich! … passieren.
Eine gute halbe Stunde später hatte sich der Himmel komplett zugezogen, worüber ich mehr als froh war. Niemandem würde auffallen, dass Gordian keinen Schatten warf, und ich würde mich voll und ganz auf die Leute aus der Clique konzentrieren können.
Wieder nahmen wir die Räder, und diesmal musste ich mich mächtig zusammenreißen, um nicht wesentlich schneller zu fahren, als es für einen Menschen möglich war.
Ich hatte Ruby geantwortet, dass wir gegen fünf Uhr in der Bay sein würden, und noch bevor wir die Bootszufahrt erreichten, kam sie uns bereits entgegengelaufen.
Ich schaffte es so gerade eben, mein Fahrrad zu stoppen, da riss sie mich auch schon in ihre Arme und presste mich an sich.
»Warum, Elodie, warum?«, stammelte sie unter Tränen.
»Ich verstehe nicht, wie du das tun konntest. Nie und nimmer hätte ich gedacht, dass du das überlebst. Dabei hätte ich mir eigentlich denken können, dass du eine von ihnen bist.«
»Hättest du nicht«, wisperte ich. »Ich hab es ja selber nicht wahrhaben wollen.«
»Aber du hast es geahnt.«
»Ja, das habe ich«, gab ich leise seufzend zu. »Allerdings hatte ich es ziemlich erfolgreich verdrängt.«
»Mann, das hätte ich wahrscheinlich auch«, stieß Ruby aus.
»Wenn ich mir nur vorstelle, ich könnte eine Nixe sein …« Sie warf ihren Kopf zurück und verdrehte die Augen. »Das ist einfach unglaublich … Das muss man doch erst mal begreifen! Apropos …«, setzte sie ein wenig atemlos hinzu. »Was ich tatsächlich nicht kapiere, ist, dass du einfach so ins Meer gesprungen bist.«
»Bin ich doch gar nicht«, erwiderte ich. »Ich dachte, dass Gordy etwas zugestoßen sei.« Ich drückte meine Stirn gegen Rubys und sah ihr fest in die Augen. »Mir ist schon klar, dass das jetzt furchtbar kitschig klingt, aber ich kann ohne ihn nicht leben«, krächzte ich. »Verstehst du das?«
»Und wie«, antwortete sie. »Glaub mir, es gibt kaum etwas, das ich besser verstehe.« Einen Moment lang standen wir noch so da, doch schließlich löste sie sich aus meinem Arm und wischte sich energisch die Tränen aus dem Gesicht. »So, jetzt ist es aber gut!«, ermahnte sie sich selbst, ergriff den Lenker meines Fahrrads, das Gordy die ganze Zeit über festgehalten hatte, und schob es in Richtung Bootszufahrt.
»He, das ist meins!«, sagte ich lachend. »Auch wenn ich nun eine Hainixe bin … ein Fahrrad schieben kann ich schon noch.«
»Nix da«, brummte Ruby. »Ich brauche jetzt etwas, an dem ich mich festhalten kann.«
»Hey!« Gordy berührte sie sanft an der Schulter und lächelte sie an. »Ich verspreche dir, dass ich Elodie nie wieder aus den Augen lasse.«
»Gut.« Ruby wischte sich eine letzte Träne fort und plötzlich wirkte sie ganz entspannt. »Ich verlass mich drauf«, sagte sie und knuffte ihn freundschaftlich in die Seite.
Diesmal stellten wir die Räder gleich oben neben dem Weg an der Befestigungsmauer ab und liefen zum Strand hinunter, wo uns Ashton wild mit dem Arm schlenkernd entgegenkam. Auch er war offensichtlich erleichtert darüber, mich wohlauf zu sehen, noch mehr schien er sich jedoch darüber zu freuen, dass Gordy mitgekommen war.
»Mensch … Kackfresse … d-das ist j-ja vielleicht ein D-Ding«, rief er, während er Gordian seinen Arm gegen den Rücken schlug und heftig mit dem Kopf hin und her zuckte. »B-bin gespannt, w-was die anderen sagen.«
Das war ich allerdings auch. Je näher wir der kleinen Gruppe am hinteren Strandabschnitt kamen, desto schneller pochte mein Herz. Ich hatte meine Hand in die von Gordy geschoben und meine Finger mit seinen verwoben. Es war natürlich idiotisch, aber irgendwie gab es mir das Gefühl, uns auf diese Weise beide beschützen zu können.
»Sind es alle?«, fragte ich, während ich meinen Blick aus der Entfernung über die kleine Gruppe gleiten ließ.
»Jep.« Ashton nickte. »Bis auf Jerome. Der hat sich gestern Abend an einer Muschelsuppe den Magen verdorben und ist noch immer nicht wieder ganz auf der Höhe.«
Jerome? Neben Tyler war er der hübscheste, allerdings auch der unauffälligste von den Jungs. Eigentlich war der Gedanke, dass er zu den Nixen gehörte, gar nicht so abwegig.
»Arschloch!«, presste Ashton hervor, dann grinste er.
Irritiert sah ich ihn an. »Meinst du Jerome?«
»Nein«, antwortete Ruby an seiner Stelle. »Eher die Gesamtsituation. Die ist nämlich richtig scheiße. Ich fürchte, die Clique bricht auseinander.«
»Wieso?«, fragte ich.
»Joelle, Olivia und Aimee wollen eigentlich gar nichts mehr mit uns tun haben. Es ist eher ein Zufall, dass sie heute dabei sind.«
»Dann ist es immer noch wegen …« Ich traute mich kaum, die Namen der Delfinnixe auszusprechen.
»Ja«, sagte Ruby seufzend. »Es scheint tatsächlich so, als hätten sie die Mädchen verhext. Im Moment kann ich mir jedenfalls kaum vorstellen, dass sie sich jemals wieder auf einen normalen Menschenjungen einlassen werden.«
Gordy drückte meine Hand und ich erwiderte seine Geste.
»Ich kann mir nicht helfen, aber ich mache mir wirklich Sorgen, welche Konsequenzen das für uns alle haben könnte!«, fuhr Ruby aufgebracht fort. »Da steigen diese Nixe aus dem Meer, verführen ein paar unserer Mädels und danach darf sie kein Typ mehr anrühren. Ich frage mich allmählich ernsthaft, ob nicht ein Plan dahinterstecken könnte … Dann wäre das Ganze nicht bloß ein Versehen oder die Rache für das, was wir Menschen den Nixen durch die Meeresverschmutzung antun, sondern ein gezielter Angriff auf unsere Art.«
Ich stieß einen Schwall Luft aus. »Jetzt übertreibst du aber!«
»Tu ich nicht«, verteidigte Ruby sich.
»Kyan, Zak und Liam werden wohl kaum die ganze Menschheit ausrotten können, indem sie ein paar Mädchen … vielleicht! … daran hindern, sich zu paaren«, beharrte ich auf meinem Standpunkt.
»Und wenn die drei nicht die Einzigen sind?«, hielt Ruby dagegen. »Wenn sie beim nächsten Mal zu fünft, zehnt oder gleich zu mehreren Dutzend kommen? Oder irgendwo sonst auf der Welt ebenfalls Delfine an Land gehen?«
Mir stockte das Herz, denn etwas ganz Ähnliches war schon Tante Graces Befürchtung gewesen, auch wenn sie es nicht so bildlich formuliert hatte.
»Das wäre nur möglich, wenn es außer mir noch andere Plonxe gäbe«, sagte Gordy dunkel.
»Okay.« Ruby hatte sich umgewandt, sodass sie nun rückwärts weiterlief und Gordian, Ashton und mich anschauen konnte. »Aber für ausgeschlossen hältst du das Ganze nicht, oder?«
Gordian schüttelte kaum merklich den Kopf. Ich sah ihn kurz an, und plötzlich wusste ich, was er dachte: Hoffentlich sind Kyan, Zak und Liam nicht intelligent genug, um so etwas zu ersinnen.
Ein kühler Schauer rann meinen Rücken hinunter und ließ mich frösteln. War ich nun ebenfalls in der Lage, Gordys Gedanken zu lesen? Eigentlich hatte ich mir das gewünscht – wenn auch nur der Gerechtigkeit halber – und jetzt war es mir auf einmal nicht mehr geheuer. Noch wesentlich mehr beunruhigte mich allerdings Rubys Befürchtung. Was, wenn sie damit richtiglag – wenn Kyan tatsächlich etwas dermaßen Perfides plante?
»Ich wünschte, sie würden im Meer bleiben«, sagte Gordy.
»Ich hoffe es so sehr. Wenn nicht …«
Er brach ab und senkte den Blick, denn inzwischen hatten wir die Gruppe erreicht. Tyler, Isaac, Finley und Mike standen zusammen und diskutierten über das Wetter. Alle vier trugen ihre Neoprenanzüge, die Bretter lagen aber noch auf dem Anhänger.
Die Mädchen hockten schweigend auf den Felsen. Olivia trug Ohrstöpsel, ihr pinkfarbener i-Pod lugte aus der Brusttasche ihrer Jeansjacke. Sie hatte das Gesicht auf ihre Hände gestützt und wippte lustlos mit dem rechten Knie. Joelle zeichnete mit der Schuhspitze Dreiecke in den Sand und Aimee starrte gedankenverloren vor sich hin. Als sie uns bemerkte, kniff sie kurz die Augen zusammen, dann hellte sich ihre Miene auf.
Sie erhob sich und kam auf uns zu.
»Hallo, Elodie!«, rief sie, ohne ihren Blick von Gordy zu nehmen. »Ist das ein Freund von Elliot und Zak?«
»Nein«, sagte ich und versuchte, meiner Stimme einen festen Klang zu geben und ihr dieselbe Geschichte aufzutischen, die ich zuerst auch meiner Großtante erzählt hatte. »Das ist Gordian. Er ist Marathonschwimmer und plant, im Sommer den Ärmelkanal zu durchqueren.«
»Aha …?« Aimees linke Augenbraue bog sich nach oben.
»Du hast ihn dir also aus dem Meer gefischt?«
Ich nickte. »Sozusagen.«
»Na, hoffentlich verschwindet er nicht genauso schnell wieder wie die anderen vier«, meinte Joelle, die mittlerweile ebenfalls aufgestanden und zu uns herübergekommen war.
Isaac, Tyler, Finley und Mike hatten ihre Unterhaltung inzwischen beendet und fixierten Gordy nun offen feindselig.
»Er hat nichts mit ihnen zu tun«, betonte ich. »Gordian kennt sie überhaupt nicht.«
»Ist ja schön, dass du das so genau weißt«, spottete Mike. Er schob sein Kinn vor und nickte in Richtung Gordy. »Hat unser Anblick ihm die Sprache verschlagen oder kann er gar nicht sprechen?«
Ich öffnete den Mund, doch Gordy kam mir zuvor.
»Ich kann dir auch nichts anderes sagen«, entgegnete er.
»Ganz abgesehen davon, dass ich keine Ahnung habe, wovon ihr redet. Welche Typen meint ihr überhaupt? Und wieso sollte ich etwas mit ihnen zu tun haben?«
»Weil du genauso fremd hier bist wie die«, knurrte Isaac und machte einen Schritt auf Gordy zu.
»He, lass ihn in Ruhe!«, sagte Aimee. Sie fasste Isaac am Arm und versuchte, ihn von Gordian wegzuziehen. »Er sieht doch sympathisch aus.«
»Ja, klar«, höhnte Finley. »Genauso sympathisch wie die Sark-Typen … Bis sich einer von ihnen in eine Bestie verwandelte und Lauren und Bethany tötete.«
»Seht ihr keine Nachrichten?«, mischte Ruby sich ein. »Es gibt überhaupt keine Bestie.«
Ich musste mich verdammt zusammenreißen, um nicht herumzuschnellen. Ruby verblüffte mich immer wieder. Die Information, die die Polizei an die Presse gegeben hatte, irritierte sie hundertprozentig genauso sehr wie mich, im Augenblick kam diese Meldung uns allerdings äußerst gelegen. Und Joelle sprang auch sogleich darauf an.
»Genau«, sagte sie. »Es hat nie eine solche Mörderbestie gegeben, da ist einfach die Fantasie mit jemandem durchgegangen, der zu sehr an die alten Legenden glaubt. Fest steht lediglich: Lauren ist in Meerwasser ertrunken, ebenso wie Bethany. Beide haben kurz vorher mit jemandem geschlafen. Wer das war, weiß bis heute niemand. Und auch bei Bethany hat es nicht den Anschein, als wäre es mit Gewalt geschehen.«
»Sagt das dein Cousin?«, blaffte Mike sie an. »Oder hat er sein Praktikum in der Pathologie inzwischen beendet?«
»Nein, Louie ist immer noch dort«, gab Joelle aufgebracht zurück.
»Gut«, zischte Isaac. »Dann kannst du uns bestimmt auch erzählen, ob sie die DNA mittlerweile verglichen haben und es ein und derselbe Typ war, der die beiden auf dem Gewissen hat.«
»Nein, das kann ich nicht!« Joelles dunkle Augen funkelten vor Wut. »Und selbst wenn ich es könnte, würde ich es euch garantiert nicht auf die Nase binden. Ihr würdet doch sowieso nur wieder die falschen Schlüsse ziehen.«
Finley schüttelte den Kopf. »Ich glaub’s nicht«, stieß er hervor. »Ich glaub’s einfach nicht! Und wir sind mal Freunde gewesen. Hatten jede Menge Spaß miteinander und haben uns alles erzählt.« Sein Blick fiel auf Olivia, dann machte er eine wegwerfende Geste, wandte sich ab und stapfte davon.
Olivia sah ihm eine Weile nach.
»Ihr irrt euch«, sagte sie schließlich leise. »Okay, wir hatten Spaß und wir haben einander vertraut. Das Problem war nur, dass ihr Jungs uns Mädchen bereits unter euch aufgeteilt hattet. Ihr wolltet, dass wir alle Paare werden, so wie Tyler und Lauren. Aber die beiden waren eine Ausnahme. Und es hat ja auch nicht gehalten«, fügte sie kaum noch hörbar hinzu.
»Es hat nur deshalb nicht gehalten, weil irgend so ein Typ dahergelaufen kam und Lauren Tyler weggenommen hat«, fauchte Mike. »Schon vergessen?«
»Kyan, Zak, Elliot und Liam sind nicht irgendwelche dahergelaufenen Typen«, erwiderte Aimee kühl. »Sie sind etwas Besonderes. Ihr jedenfalls könnt ihnen nicht das Wasser reichen. Und mit Laurens und Bethanys Tod haben sie ganz sicher nichts zu tun. Dafür lege ich meine Hand ins Feuer.«
»Dann pass bloß auf, dass du dir nicht die Finger verbrennst.«
Mike fixierte Aimee mit zusammengekniffenen Augen. »Ihr alle!« Sein Blick wanderte über Olivia und Joelle und blieb schlussendlich an mir hängen. Sein Gesicht war so voller Hass, dass ich mich unwillkürlich an Gordy drückte. Plötzlich drehte auch Mike sich um und lief Finley hinterher, der die Bootszufahrt inzwischen fast erreicht hatte.
»Ach, so hattet ihr euch das also gedacht!«, rief Joelle und schlug sich böse lachend gegen die Stirn. »Ruby und Ashton, Lauren und Tyler, Olivia und Finley, Jerome und Aimee«, fing sie an aufzuzählen, »… und Elodie und ich für Mike und dich, Isaac. Stimmt’s, Isy-Baby? Ist es nicht so? Wen hättest du denn gewollt? Mich?« Sie trat auf Gordy und mich zu und legte mir ihren Arm um den Hals. »Oder lieber unsere bezaubernde Elodie? « Ihre Worte trieften nur so vor Spott. »Was hättet ihr bloß gemacht, wenn Mike und du euch nicht einig geworden wärt, he? Hättet ihr euch womöglich um sie geprügelt?«
Isaac schluckte. Er hatte Mühe, Joelle in die Augen zu sehen.
»Na ja«, fuhr sie höhnisch fort. »Das ist ja jetzt zum Glück nicht mehr nötig, da das Meer inzwischen einen weiteren Jüngling an Land gespült hat. Schau dir Gordy nur genau an«, forderte sie Isaac auf, »und du weißt, dass du niemals auch nur den Hauch einer Chance bei Elodie haben wirst.«
»Schluss jetzt!«, rief Ruby. »Reicht es nicht, dass du alles kaputt machst? Musst du die Jungs nun auch noch auf Gordian hetzen?«
Joelle nahm ihren Arm von meiner Schulter und trat zur Seite.
»Ich sage nur, wie es ist«, entgegnete sie. »Und wenn Isaac und Mike jetzt meinen, dass sie Gordian verkloppen müssen, kann ich ihnen auch nicht helfen. Damit würden sie den Graben nur vertiefen … und im Übrigen den Eindruck bestätigen, den ich in den letzten Wochen von ihnen gewonnen habe«, schloss sie abfällig, bevor sie sich bei Aimee und Olivia unterhakte und die beiden mit sich fortzog. »Kommt, Mädels, es wäre besser gewesen, wir wären gar nicht erst hergekommen. Höchste Zeit, dass wir uns einen anderen, ruhigeren Stammplatz suchen.«
Nachdem auch Isaac sich mit verbissenem Gesicht getrollt hatte, herrschte eine Weile Stille. Nur das Rauschen der Wellen, die gegen die Klippen schlugen, und das Kreischen der Möwen waren zu hören. Stumm starrte ich den Mädchen hinterher, die sich mit schnellen Schritten in Richtung Fort Hommet davonmachten. Erst als ich spürte, wie Luft durch meine Nase entwich, wurde mir klar, dass ich den Atem ziemlich lange angehalten haben musste.
Ashton drehte sich um sich selbst und schlenkerte wie wild mit seinem rechten Arm. »Arschlöcher! Hundeficker!«, stieß er hervor.
»Schon gut«, versuchte Ruby, ihn zu beruhigen. »Wir können es nicht ändern … Wir können es leider nicht ändern.«
Oh, Mann, dachte ich nur. Wenn jetzt sogar Ruby aufgab!
Unser Besuch am Strand hatte definitiv nichts gebracht – außer dass Mike, Finley und Isaac nun eines Tages womöglich tatsächlich auf Gordy losgehen würden. Aber diese Aussicht erschreckte mich nicht. Gordian war den dreien haushoch überlegen. Er müsste nicht einmal seine Stärke unter Beweis stellen, sondern nur einen Tick schneller rennen als sie.
Dann jedoch fiel mein Blick auf Tyler – und mir gefror das Blut in den Adern.