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Gordy und ich hatten bereits eine ganze Weile bewegungslos nebeneinander verharrt, und die Stille im Raum begann allmählich, unerträglich zu werden, da ließ uns ein energisches Klopfen an der Zimmertür zusammenfahren, und ehe ich einen Gedanken fassen, geschweige denn agieren konnte, war Gordian schon ins Bad gehuscht.

»Dürfen wir reinkommen?«, hörte ich Rubys Stimme.

Ich sah auf meine Armbanduhr und atmete erleichtert auf. Natürlich! Es war zehn nach vier. Wie absurd zu denken, dass es Tante Grace wäre!

»Ähm … Ja klar!«, rief ich und gleich darauf flog die Tür auf. »Elodie!«, rief Ruby und stürzte auf mich zu. »Was zum Teufel hast du mit Cyril gemacht?«

»Wieso?«, fragte ich, während ich ihre flüchtige Umarmung erwiderte und meinen Blick zu Ashton hinüberwandern ließ, der die Tür hinter sich zudrückte, ein paar Schritte in den Raum hinein machte und dann, mit dem rechten Arm hin und her zuckend, stehen blieb.

»Er war bei mir zu Hause«, schrie Ruby mich geradezu an. »Er hat mit meinem Vater gesprochen. Er hat …« Sie brach ab und schüttelte den Kopf.

Eine böse Ahnung zog mir die Magenwände zusammen. »Was?«

»Er hat gesagt, dass er mich warnen müsse. Alle Mädchen auf Guernsey seien in Lebensgefahr. Die Fischer hätten das falsche Monster erwischt.«

Ich hatte das Gefühl, dass mir der Boden unter den Füßen wegbrach. Augenblicklich schaute ich zur Badezimmertür. »Und?«, hauchte ich. »Hat er deinem Vater gesagt, wie das echte Monster aussieht?« Aus dem, was sie da erzählte, konnte ich eigentlich nur schließen, dass Cyril nun versuchen würde, die Menschen auf Gordy zu hetzen.

»Nein.« Ruby löste sich von mir und machte ein paar Schritte auf und ab. »Dad hat es gar nicht so weit kommen lassen. Er muss Cyril ganz schön zusammengefaltet haben, nach dem Motto, wer er überhaupt sei und wie er dazu käme, solche Dinge zu verbreiten. Und dann hat er ihm die Tür vor der Nase zugeknallt. Na ja, so ist er eben.« Ruby verdrehte die Augen. »Immer ein wenig impulsiv. Aber jetzt erzähl mal«, forderte sie mich auf. »Wie war dein Treffen mit Cyril?«

Ich zog eine Grimasse.

»Na ja, er hat mir gestanden, dass er ein Hainix ist«, sagte ich schließlich.

Ruby drehte sich zu Ashton um. »Haben wir es nicht gewusst! «, rief sie triumphierend.

»Kein Grund, die Sektkorken knallen zu lassen«, grummelte ich. »Haie sind die natürlichen Feinde der Delfine.«

»Die Nixe auch?«, fragte Ashton. Mit leicht ruckelndem Kopf kam er auf mich zu, berührte mich flüchtig am Arm und ließ sich in einen Sessel fallen.

»Ja«, sagte ich. »Cyril hat versucht, mir einzureden, dass Gordy gefährlich ist, nachdem ich ihm erzählt hatte, dass in der Nacht jemand in meinem Zimmer war …«

Rubys Augen weiteten sich vor Entsetzen. »Es ist jemand hier drin gewesen?«

Ich nickte. Eigentlich war es nicht okay, Ruby gegenüber eine derart ernste Sache nur so nebenbei zu erwähnen. Ich wusste doch, wie schnell sie sich sorgte. »Ja, es sieht zumindest danach aus.«

»Was soll das heißen?«, fuhr sie mich an. »Würdest du mir das vielleicht mal etwas näher erklären!«

»M-mir bitte auch«, meldete sich Ashton zu Wort und zwinkerte mir ein wenig linkisch zu. »… Sackgesicht!«

»Also …« Unsicher sah ich zwischen den beiden hin und her. »Ich habe geträumt«, begann ich. »Es war irgendwas mit Gordy, der von Kyan gejagt wurde. Ich bin ebenfalls im Wasser gewesen und hatte plötzlich das Gefühl zu ertrinken.«

»Okay«, sagte Ruby ungeduldig. »Und davon bist du dann wach geworden?«

Ich nickte abermals. »Genau.«

»Und jemand stand neben deinem Bett?«, bohrte sie weiter.

»Nein«, sagte ich und versuchte nun, die Sache ein wenig herunterzuspielen. »Nur mein T-Shirt und das Bettzeug waren ein bisschen nass.«

Mittlerweile war ich mir nämlich tatsächlich nicht mehr sicher, ob ich mir das mit dem geöffneten Fensterspalt nicht vielleicht doch bloß eingebildet hatte und die Gestalt auf den Klippen womöglich nur eine Projektion meiner Angst gewesen sein könnte.

Ruby starrte mich an. »Aber dann wäre dir ja beinahe das Gleiche passiert wie Lauren und Bethany«, stieß sie hervor.

»Ich wurde nicht vergewaltigt«, stellte ich klar. »Nicht mal im Traum.«

»O-offenbar wollte sich d-dieser N-Nix nicht lange aufhalten «, sagte Ashton, »sondern dich gleich …«

»Ertränken«, ergänzte Ruby. Sie war leichenblass geworden und ihre hellen Augen flackerten vor Erregung. »Cyril liegt also gar nicht so falsch. Es war richtig von ihm, uns zu warnen. «

»Cyril ist ein Hai!«, blaffte ich sie an. »Kein Wunder, dass er den Delfinen so etwas unterstellt.«

»So würde ich das nicht ausdrücken«, erwiderte Ruby. »Cyril kennt die Delfinnixe besser als wir. Er weiß, wie sie ticken, und deshalb …«

»Er hasst sie!«, unterbrach ich sie.

»Und sie ihn«, sagte Ruby.

»Gordy hätte jedenfalls allen Grund dazu.«

»Klar, weil Cyril versucht hat, euch auseinanderzubringen.«

»Und das nicht nur einmal«, entgegnete ich. »Heute Morgen hat er mich geküsst. Ich betone: richtig geküsst!«

Rubys Augenbrauen schoben sich über der Nasenwurzel zusammen und ihr Blick verdunkelte sich. »Das heißt im Umkehrschluss: Du hast dich küssen lassen, oder?«

»Ja, leider. Nixe haben nämlich gewisse magische Fähigkeiten, musst du wissen, und die setzen sie auch ein, wenn du verstehst, was ich meine …«

»Nicht ganz.«

Ashton hob seine Hand. »Ich übrigens auch nicht.«

»Cyril kann Gedanken lesen …«

Jetzt wurden Rubys Augen riesengroß. »Was?«

»… und Gefühle beeinflussen«, fuhr ich fort. »Er hat mich total eingelullt. Und er hat es einzig und allein aus dem Grund getan, weil er wusste, dass Gordy in der Nähe war.«

Rubys Blick wanderte kurz zu Ashton hinüber und schließlich wieder zu mir. »Heißt das, Gordian ist wieder da?«

»Jep.«

»Und er hat gesehen, wie Cyril und du … wie ihr euch geküsst habt?«

»Ja«, sagte ich. »Leider. Mittlerweile ist aber alles okay. Wir haben uns ausgesprochen«, fügte ich hastig hinzu, um weiteren Fragen vorzubeugen. Und solch unwesentliche Details wie beispielsweise den Umstand, dass ich halbnackt ins tosende Meer gesprungen war, würde ich Ruby gegenüber ohnehin besser nicht erwähnen.

»Und wo ist er jetzt?«, wollte sie wissen.

»Im Bad«, sagte ich.

»Im …« Ruby schluckte und deutete auf die Tür am anderen Ende des Raumes. »Hier?« Die Neugier stand ihr in Leuchtbuchstaben auf die Stirn geschrieben.

»Ja«, sagte ich und konnte ein Lächeln nicht unterdrücken.

»Ähm …«, stammelte sie. »Und wieso ist er im Bad?«

»Er liegt in der Wanne und pflegt seine Schwanzflosse«, erwiderte ich trocken.

»D-das will ich sehen«, sagte Ashton und arbeitete sich zuckend aus seinem Sessel hoch.

»Mann, das war doch nur Spaß«, meinte Ruby kichernd.

»D-danke, Einstein«, entgegnete Ashton und schlenkerte extra übertrieben mit dem rechten Arm. Er grinste Ruby an und drückte ihr einen Kuss auf die Wange. »K-kann man ihn besichtigen?«, fragte er an mich gewandt.

Ich grinste ebenfalls. »Ich werde ihn fragen.«

Die Aufregung von Ruby und Ashton war auf mich übergesprungen, mein Herz pochte schnell und fest, als ich die Badezimmertür öffnete und meinen Kopf durch den Spalt steckte.

Gordian saß auf dem Wannenrand und sah mich fragend an.

»Hey«, sagte ich leise. »Es war nicht Tante Grace. Es sind Ruby und Ashton. Sie würden dich gern kennenlernen.« Ich drückte die Tür ganz auf und ging langsam auf ihn zu. »Sie sind meine Freunde«, setzte ich hinzu. »Sie wissen alles. Ich bin sicher, du wirst sie mögen.«

Gordy erhob sich ebenso langsam. »Elodie«, flüsterte er, legte die Hände um mein Gesicht und sah mir tief in die Augen.

»Keine Angst«, wisperte ich. »Natürlich sind sie sehr gespannt auf dich, aber sie werden dich nicht beglotzen.«

Er lächelte sein Grübchenlächeln, in seinen Pupillen blitzte es und sofort war ich vollkommen gelassen und wie immer auch ein bisschen benebelt.

»Ich verspreche dir, ich werde sie ebenfalls nicht beglotzen«, murmelte Gordy, »diese komischen Menschen.«

Ich hauchte ihm einen Kuss auf die Nase und einen auf den Mund, dann schnappte ich mir seine Hand und zog ihn in den Wohnraum hinüber.

Ruby und Ashton hatten sich auf dem Sofa niedergelassen und auch Ashton hatte seinen Arm um Ruby geschlungen. Sie versuchten, lässig zu wirken, doch ihre Anspannung war deutlich zu spüren.

»Hallo!«, platzte Ruby heraus. Sie schnellte hoch und streckte Gordy ihre Hand entgegen. »Ich bin Ruby. Und dieser verrückte Kerl dort ist mein über alles geliebter Freund Ashton.«

Gordians Augen glänzten vor Freude. Lächelnd ergriff er ihre Hand und betrachtete sie eingehend.

Ruby errötete zart. »Ja, ähm … also …«, stammelte sie sichtlich verlegen.

»Na komm, lass sie wieder los«, forderte ich ihn auf. »Du hast mir versprochen, sie nicht anzustarren.«

Gordy runzelte die Stirn und sah nicht weniger verunsichert aus als Ruby. Und plötzlich fiel bei mir der Groschen.

»Oh, also, jaaa … so begrüßt man sich bei uns«, erklärte ich ihm. »Man reicht sich die Hand.«

»Ach so«, sagte Gordy, hielt Ruby aber weiter fest. »Und wie lange?«

»Eigentlich nur ganz kurz«, sagte ich.

»Ach, du kannst mich ruhig noch eine Weile festhalten«, kicherte Ruby. »Ich finde es sehr angenehm.«

»Das bedeutet, sie mag dich«, übersetzte ich für Gordy.

Es war schon verrückt: Er beherrschte unsere Sprache und bewegte sich beinahe so, als ob er schon immer an Land lebte. So vieles schien vollkommen selbstverständlich für ihn zu sein, dafür waren ihm manche, eigentlich ganz banale Dinge völlig fremd. Er musste wirklich noch eine Menge lernen, wenn er nicht als fremdartig angesehen werden wollte.

»Oh«, sagte Gordy. Ein wenig erschrocken ließ er Rubys Hand los und wandte sich Ashton zu. »Hallo, Ashton, ich bin Gordy.«

»H-hallo«, sagte Ashton und erhob sich ein wenig umständlich aus dem Sofa. Sein Kopf zuckte hin und her und sein Arm schlenkerte heftig, aber im Gegensatz zu eben war das jetzt ganz eindeutig keine Show. »Arschloch!«, presste er hervor und stieß Gordy seine Hand gegen die Brust.

Mir stockte das Blut in den Adern, und ich registrierte, dass sich auch auf Rubys Gesicht ein Ausdruck des Erschreckens legte. Sie öffnete den Mund, doch ehe sie zu einer Erklärung ansetzen konnte, hatte Gordy bereits Ashtons Handgelenke ergriffen.

Ganz locker hielt er sie umfasst und sah Ashton dabei lächelnd in die Augen. Der gab ein lang gezogenes Seufzen von sich, ruckte noch einmal mit dem Kopf, dann lächelte er ebenfalls und nur einen Lidschlag später stand er absolut ruhig und breit grinsend da.

Ich konnte es kaum glauben. Es war wie im Traum und zugleich so wunderbar echt und wahrhaftig, dass mir vor Rührung der Atem stockte.

»Wow«, sagte Ruby leise und wischte sich verstohlen eine Träne aus dem Augenwinkel.

»Hey, Kumpel«, sagte Ashton, »ist ja cool. Wie hast du das gemacht?«

Gordy grinste ebenso breit wie er. Anstatt einer Antwort knuffte er Ashton in die Seite und schloss ihn anschließend fest in seine Arme.

»Noch drei Nächte«, sagte Kyan. »Dann ist es so weit.«

»Wir werden sehen«, erwiderte Liam skeptisch. »Ich glaube es jedenfalls erst, wenn es tatsächlich ohne Gordian gelingt.«

»Frag doch die Alten«, knurrte Kyan, der seinen Freunden voraus auf Little Sark zuglitt, den südlichen Teil des Eilands, der nur durch einen schmalen Felsgrat, La Coupé, mit der Hauptinsel verbunden war. Die Sonne war inzwischen untergegangen und das Meer in tiefe Dunkelheit getaucht. Auf der Wasseroberfläche, nur wenige Körperlängen über ihnen, spiegelte sich die schmale Sichel des Mondes.

»Die einen sagen so, die anderen so«, brummte Zak. »Niemand scheint es genau zu wissen.«

»Wundert dich das?«, gab Liam zurück. »Bisher hat niemand jemals einen leibhaftigen Plonx zu Gesicht bekommen. Es sind Legenden, nichts als Legenden. Das ist auch Kyan klar.« Ein kräftiger Schlag mit der Schwanzflosse ließ ihn zu seinem Anführer aufschließen.

»Sieht Gordian vielleicht wie eine Legende aus?«, zischte Kyan ihm ins Gesicht.

Kopfschüttelnd wich Liam zurück. Er hatte rotblonde Locken und goldfarbene Augen. Die Haut seines menschlichen Oberkörpers war weniger dunkel als die seiner Freunde. Sie schimmerte in einem sahnigen Karamell unter seiner hauchzarten durchscheinenden Delfinhülle. »Wie auch immer. Ich werde mich jedenfalls nicht mehr daran beteiligen.«

»Du wirst tun, was ich dir sage«, fuhr Kyan ihn an. »In Zukunft suche ich die Mädchen für euch aus.«

»Moment mal …«, sagte Zak. Seine hellblauen Augen blitzten und seine dunklen Haare standen ihm wie elektrisiert vom Kopf ab.

»Keine Angst«, unterbrach Kyan ihn. »Deine Joelle interessiert mich nicht.«

»Meine Joelle … meine Joelle …« Zak verdrehte die Augen. »Ich hab doch schon gesagt, dass mir nichts daran liegt, ihr etwas anzutun.«

»Das musst du auch nicht«, entgegnete Kyan überraschend sanft. »Es reicht vollkommen aus, sie zu treffen, mit ihr zu reden, ihr zu sagen, wie hübsch sie ist und wie anziehend du sie findest. Und wenn du es schaffst, dich zu kontrollieren, darfst du sie sogar berühren.«

»Willst du damit sagen, dass wir keine mehr töten werden?«, wunderte sich Liam.

»Genau das«, brummte Kyan. »Zumindest vorläufig.«

»Aha?« Zak war nicht weniger verblüfft. »Und woher kommt dieser plötzliche Sinneswandel?«

»Nicht plötzlich«, sagte Kyan. »Ich habe bloß ein bisschen nachgedacht. «

Liam musterte seinen Anführer abschätzend. »Und wie sollen wir uns das konkret vorstellen?«

»Nun«, sagte Kyan gedehnt, »für dich bedeutet es, dass du dich weiterhin um die kleine Olivia kümmern wirst. Du kannst mit ihr tun, was dir gefällt. Du darfst sie sogar küssen …«

Liams Augen wurden schmal.

»Solange du sie nicht ertränkst«, fügte Kyan hastig hinzu, bevor Liam etwas einwenden konnte. »Und je intensiver du dich um sie kümmerst, desto mehr wird sie dich lieben und umso größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie nie wieder einen Menschenmann an sich heranlässt.« Ein heimtückisches Lächeln huschte über sein Gesicht. »Und deshalb wird die süße kleine Olivia bedauerlicherweise auch niemals Nachkommen empfangen.«

Liam schüttelte den Kopf. »Und du denkst, das funktioniert?«

Kyan sah seinen Freund herausfordernd an. »Sollen wir wetten?«

»Um was?«

»Jetzt hört schon auf«, ging Zak genervt dazwischen. »Solange wir nicht wissen, ob wir auch ohne den Plonx an Land gehen können, brauchen wir um gar nichts zu wetten.«

»Schsch!«, machte Kyan. »Abtauchen!«

»Was ist denn?«, murrte Zak.

»Folgt mir«, sagte Kyan nur und stieß urplötzlich steil hinunter auf den Meeresgrund zu.

Zak und Liam tauschten einen fragenden Blick, schossen aber sogleich hinter ihrem Anführer her.

Mit wenigen kräftigen Flossenschlägen erreichten sie die Ausläufer der Klippen von Sark. Dunkel ragte die zerklüftete Insel vor ihnen auf. Kyan tauchte bis zum Grund und schwamm dann langsam im Schutz zweier Felsgrate auf sie zu. Seine Bewegungen waren äußerst vorsichtig, Zak und Liam spürten die Anspannung, die von ihm ausging.

»Was hat er nur?«, raunte Liam, nachdem er in den engen Zwischenraum der Felsen geglitten war. »Kannst du irgendetwas erkennen? «

Zak schwieg und an seiner Stelle antwortete Kyan: Achtung, Liam, jetzt kommt es auf dich an!

Der Nix spannte unwillkürlich seine Muskeln. Ihm blieb keine Zeit nachzufragen, denn in diesem Moment löste sich eine schlanke schwarze Gestalt aus einer der Inselhöhlen. Sie war länger und größer als die Delfine, und unter ihrer nahezu undurchsichtigen Haut waren der olivfarbene Körper und das flächige Gesicht mit den hohen Wangenknochen, den funkelnden schwarzen Augen und den kräftigen Zähnen, die schneeweiß hinter den geschwungenen Lippen hervorblitzten, nur schemenhaft zu erkennen.

Worauf wartest du noch!

Kyans Befehl löste einen Impuls in Liam aus. Ohne zu zögern oder gar nachzudenken, arbeitete er sich rückwärts aus den Felsen heraus und stob pfeilschnell auf den Schwarzen zu.

Zak und Kyan folgten, doch ehe sie ihren Freund erreichten, hatte Liam dem Hai bereits seine Zähne in die Flanke geschlagen. Ein Schwall dunkelrotes Blut wuchs in Sekundenbruchteilen zu einer mächtigen Wolke heran. Der Hai wand sich, drehte sich einmal um sich selbst und schnappte nach Liams Rückenflosse, erwischte sie aber nicht und wurde im nächsten Augenblick bereits von Zak und Kyan gegen einen Felsen gerammt.

Zuckend sank er dem Boden entgegen, wo er schließlich reglos liegen blieb.

»Das haben sie nun davon«, sagte Kyan abfällig. »Wer zu lange an Land lebt und sich die Menschen zu Freunden macht, ist dem Meer und seinen wahren Herrschern nicht mehr gewachsen.«