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AUF DIE HARTE TOUR

Nachdem der Styroporbecher endlich kühl genug war, um ihn anzufassen, nippte Heather an ihrem Milchkaffee. Der Sonnenaufgang verlieh dem grauen Horizont einen orangerosa Anstrich und vergoldete die Unterseite der Wolken. Sie gähnte und rieb sich das Gesicht. Der Durchsuchungsbefehl flatterte auf der Entlüftung des Armaturenbretts des Subaru Legacy. Sie schaltete die Heizung aus. Der Motor ihres Wagens klickte und brummte, als er sich abkühlte.

Heather parkte gegenüber von Dantes Plantagenhaus, mehrere Kilometer von New Orleans entfernt. Alte, rundgewaschene Steinblöcke und schwarzes Eisengitter umgaben das Haus. Auf dem Papier gehörte auch dieses Grundstück Lucien De Noir, doch ebenso wie der Club war es in Wahrheit Dantes, wie Heather vermutete. Dichtes Laubwerk und duftende Blüten rankten sich entlang der Mauern. Riesige Eichen spendeten dem Anwesen Schatten. Das schwarze Eisentor stand offen. In der runden Auffahrt parkten ein schwarzer Van, ein Harley-Chopper und ein kleiner schwarzer MG.

Heather sah auf die Uhr. Sechs Uhr dreißig. Etwa eine Stunde zuvor hatte sie gesehen, wie der Van in die Einfahrt gebogen war, gefolgt von Von auf der Harley. Der hübsche Punker war aus dem Van geklettert. De Noir hatte Dante wie ein Kind auf den Armen getragen. War er betrunken gewesen? Hatte sich seine Migräne noch verschlimmert? Alle waren ins Haus gegangen. Die Tür hatte sich hinter ihnen geschlossen, und seitdem hatte sie niemanden mehr gesehen.

Der Anflug eines schlechten Gewissens quälte Heather. Migräne … sie erinnerte sich an Annies schmerzgeweitete Pupillen und ihre völlige Verzweiflung. Kopfschüttelnd blickte sie auf den Kaffeebecher in ihrer Hand und sah dann aus dem Fenster. Dante war nicht Annie, und sie konnte nichts daran ändern. Er hatte ihr keine Wahl gelassen.

Die Beziehung zwischen De Noir und Dante hatte etwas Bizarres an sich. Waren die beiden ein Paar? Sie hielt sich noch einmal die Ereignisse im Club Hell vor Augen und suchte nach Hinweisen. De Noir hatte gelogen, was Dantes Anwesenheit im Club betraf, und war zudem hinter diesem absurden Thron hervorgestürzt, als der Typ im Armani-Anzug die Stufen hinaufgerannt kam. Sie erinnerte sich, wie De Noir gesagt hatte: »Er leidet unter Migräne« und hörte wieder den fürsorglichen Tonfall seiner tiefen Stimme.

Nein, entschied Heather schließlich. Kein Paar. De Noir war fürsorglich und liebevoll gewesen, aber sie hatte zwischen den beiden keine sexuelle Spannung oder ein erotisches Knistern bemerkt. Sie schienen sich in der Gegenwart des anderen einfach wohlzufühlen. Wie alte Freunde.

Heather seufzte und nahm einen weiteren Schluck des rasch kälter werdenden Kaffees. Nein, da war etwas anderes zwischen De Noir und Dante. Unerfüllte Liebe? Möglicherweise. Geheim und niemals ausgesprochen – und zwar von De Noir. Er hatte Dante die ganze Zeit im Auge behalten, als sie zusammen gewesen war. Zumindest in der vergangenen Nacht.

Heather trank ihren Kaffee aus und warf den Becher auf den Boden vor dem Beifahrersitz. Sie hatte ziemlich viel Zeit und ihren ganzen Charme aufwenden müssen, um einen Richter von der Notwendigkeit eines Durchsuchungsbefehls zu überzeugen. Wenn sie ehrlich war, nahm sie an, dass der Erfolg weniger mit ihrem Charme als mit Detective Collins zu tun hatte. Trotz dieses Aufwands galt der Durchsuchungsbefehl nur für den Innenhof.

Heather sah zu dem still daliegenden Plantagenhaus hinüber. Dunkle Vorhänge waren vor alle Fenster gezogen. Inzwischen mussten alle tief schlafen. Eine gute Zeit, um den Durchsuchungsbefehl zu präsentieren. Dante wollte schwierig sein – na gut. Das konnte er haben. Kies knirschte unter ihren Skechers, als sie ausstieg und die Straße überquerte, um das Grundstück durch das offene Tor zu betreten. Dort folgte sie dem Weg, aus dem anscheinend vor kurzem Baumwurzeln herausgerissen worden waren, um das Haus herum zum Vordereingang. Die Stufen knarzten unter ihrem Gewicht, als sie zur breiten Veranda hinaufstieg. Sie ergriff den schmiedeeisernen Gargoylentürklopfer und schlug damit mehrmals gegen das massive Eichenholz. Das Geräusch hallte in dem stillen Haus wider.

Erneut ergriff sie das kalte Metall und pochte drei weitere Male gegen die Tür. Der Laut hallte wieder durch das Plantagenhaus und verstummte dann.

Heather griff erneut nach dem Klopfer, als sie hörte, wie auf der anderen Seite der Tür mehrere Riegel beiseitegeschoben wurden. Dann öffnete sich knarrend die Tür. De Noir sah heraus. Kalt fixierte er Heather. Er trug noch dieselben Klamotten wie in der Nacht zuvor. Vermutlich war er noch nicht zum Schlafen gekommen. Das X mit den rauen Rändern baumelte um seinen Hals und fing das rosa Licht der aufgehenden Sonne ein.

»Was kann ich für Sie tun?«, fragte er, seine tiefe Stimme ruhig und gefasst.

Heather hielt den Durchsuchungsbefehl hoch. »Wecken Sie Dante.«

De Noir runzelte die Stirn. »Können Sie die Durchsuchung nicht zu einer etwas humaneren Zeit durchführen? Zum Beispiel abends?«

»Nein.«

Goldene Funken blitzten in De Noirs schmalen Augen auf. Er schlug die Tür zu. Schob die Riegel wieder vor.

Entspannt lächelnd lehnte sich Heather an den Türrahmen. Sie sah erneut auf ihre Uhr. Sie würde ihm eine Viertelstunde geben. Dann wollte sie den Gargoylentürklopfer erneut betätigen. Wenn nötig, würde sie alle in diesem verdammten Haus aus den Federn dröhnen.

Hören Sie, wir müssen das nicht auf die harte Tour machen.

Das ist die einzige, die ich kenne.

Seine Entscheidung. Heather schob den Durchsuchungsbefehl in die Tasche. Seine Worte.

Fünfzehn Minuten vergingen, und Heather donnerte den Klopfer erneut gegen die Tür. »In einer weiteren Viertelstunde haue ich nochmal zwanzigmal dagegen«, dachte sie und lehnte sich wieder an den Türrahmen. Der Himmel wurde langsam heller und verwandelte den taunassen Rasen in ein Meer aus funkelnden Juwelen.

Gerade als Heather wieder nach der Gargoyle greifen wollte, wurden die Riegel beiseitegeschoben, und die Tür öffnete sich. Dante trat aus dem Haus auf die Veranda, wobei er noch seinen Gürtel schloss. Offensichtlich war er tatsächlich aus dem Bett geholt worden.

Heather betrachtete unverhofft atemlos sein blasses Gesicht. Sie musterte seine dunklen Augen, unter denen der Kajal der Nacht zuvor verschmiert war, die hohen Wangenknochen, die volle Unterlippe … wie konnte sie sich nur so von seinem guten Aussehen blenden lassen?

»Lucien hält nicht viel von Ihnen«, sagte er und ging an ihr vorbei die Stufen hinab. Er zog die Kapuze seines schwarzen Sweatshirts über den Kopf, das er unter der Lederjacke trug, um so sein Gesicht zu verdecken.

Heather folgte ihm auf die unebenen Steinplatten. »Das tut mir leid. Guten Morgen übrigens«, sagte sie. »Ich habe den Durchsuchungsbefehl.«

Dante hob eine Hand, die in einem Handschuh steckte; sein Zeigefinger kreiste in der Luft. Währenddessen ging er ungerührt weiter.

»Mein Wagen steht auf der anderen Straßenseite«, sagte Heather.

Dante schritt durch das schmiedeeiserne Tor.

Heather schüttelte amüsiert den Kopf. Selbst am frühen Morgen sah Dante so aus, als hätte er sich für einen Goth-Con hergerichtet: trendige Sonnenbrille, Lederhandschuhe, Lederhose und ein schwarzes, langärmeliges Netzhemd unter dem schwarzen Sweatshirt – natürlich nur halb in der Hose – sowie schwarze Motorradstiefel mit Silberschnallen. Auf dem Rücken seiner Lederjacke stand MAD EDGAR; die Buchstaben waren mit Sicherheitsnadeln befestigt und wirkten, als hätte man sie aus einem Magazin ausgeschnitten – eine Löse-geldforderung auf zwei Beinen.

Sie beeilte sich, um Dante zu überholen und vor ihm die Straße zu überqueren. Dann schloss sie ihren Subaru auf und wartete, bis sich Dante auf den Beifahrersitz geworfen hatte, ehe sie sich hinter das Lenkrad setzte.

»Sicherheitsgurt«, sagte sie und schnallte sich an.

»Haben Sie dafür auch eine Vollmacht?«

»Nein«, sagte Heather leise. »Wollen Sie so weitermachen?«

»Höchstwahrscheinlich.«

Sie starrte ihn einen Augenblick lang an. Öffnete den Mund. Schloss ihn wieder. Wähle deine Feinde mit Bedacht. Er ist es nicht wert.

»Gut zu wissen«, sagte sie schließlich.

Heather drehte den Zündschlüssel im Schloss und stellte den Schalthebel auf D. Dann fuhr sie auf die Straße, wobei die Autoreifen Kies aufspritzen ließen. Dante klappte die Sonnenblende herunter.

Heather schwieg. Sie fuhr so lange schweigend, bis sie ihre Wut und Irritation unter Kontrolle hatte. Er ist müde. Ich bin müde. Griesgrämig ist wohl das Wort des Tages. Sie bemühte sich, das Lenkrad nicht ganz so fest zu umklammern, als sie den Subaru auf den Interstate-Highway lenkte und Richtung New Orleans weiterfuhr.

Als ihr ein ölig-cremiger Geruch in die Nase stieg, der stark an Sonnenschutzlotion erinnerte und jetzt den Wagen erfüllte, begann sie zu schnuppern. »Ist das etwa Sonnencreme?«, wollte sie wissen.

»Hmm.«

Heather sah ihren Begleiter an. »Sie wollen wohl den Gerüchten, Sie seien ein Vampir, auch noch Nahrung geben?«

»Sind keine Gerüchte«, flüsterte Dante.

»Klar.«

Heather starrte geradeaus und richtete ihre Aufmerksamkeit auf die Fahrbahn. Irgendwie hatte sie das Gefühl, als scherze Dante nicht. Seine müde Stimme klang eigentümlich ernst.

Sie hatte bereits in einer psychiatrischen Klinik außerhalb von Boise mit dieser Sorte Mensch zu tun gehabt, wo sie ein Praktikum absolviert hatte, um die Unterschiede zwischen einem geistig Verwirrten und einem echten Psychopathen zu lernen. In der Hoffnung, auch Annie besser verstehen zu können. Goths, angebliche Untote … die Sehnsucht danach, etwas Besonderes zu sein, war bei vielen stark ausgeprägt. Wahrscheinlich hatte auch Dante Zahnimplantate und Blutkonserven im Kühlschrank, um sich ganz seiner Wahnvorstellung hingeben zu können.

Heather sah zu Dante hinüber. Er schlief, den Kopf an die Nackenstütze gelehnt und zur Seite gewandt, die Kapuze verbarg sein Gesicht, die behandschuhten Hände ruhten entspannt und geöffnet auf den Schenkeln.

»He, Dante, wachen Sie auf!«

Er rührte sich nicht, sondern schien tot zu sein. Ohne den Blick von der Straße zu wenden, gab sie ihm einen Klaps auf die Schulter. »Kommen Sie, wachen Sie auf.«

»Tais toi«, murmelte Dante, wandte das Gesicht ab und verschränkte die Arme, um es sich dann zum Schlafen noch bequemer zu machen.

Er sprach Französisch. Oder war es Cajun? Er kam schließlich aus Lafayette, einem Gebiet der Cajuns, und einen leichten französischen Akzent hatte er auch, wenn er Englisch redete.

Regentropfen fielen auf die Windschutzscheibe. Nur ein kleiner Schauer. Heather schaltete die Scheibenwischer an. Was war nur mit dieser Stadt los? Vampire. Voodoo. Totenstädte. Sie warf erneut einen Blick auf Dante. Er saß noch immer zusammengesunken da und atmete so leise, dass er kaum zu hören war.

»Glauben Sie wirklich, ein Vampir zu sein?«, fragte sie.

Zu ihrer Verblüffung regte sich Dante und setzte sich auf. Er zog die Kapuze tiefer ins Gesicht. »Nachtgeschöpf«, sagte er gähnend. »Mit Glauben hat das nichts zu tun. Sind Sie etwa sterblich, nur weil Sie es zu sein glauben?«

»Sterblich? Natürlich nicht«, erwiderte Heather und warf ihm wieder einen Blick zu. Sie versuchte, unter seine Kapuze zu sehen. »Ich bin sterblich geboren. Genau wie alle anderen. «

Er sank wieder tiefer in den Sitz, verschränkte die Arme vor der Brust und wandte dann den Kopf ab, um aus dem Fenster zu blicken. »Mhm. Gut, dass Sie das so genau wissen.«

Heather verfiel wieder in Schweigen. Sie kam bei diesem Kerl nicht weiter. Vielleicht glaubte er wirklich an dieses Vampirzeug, oder vielleicht wollte er auch, dass sie ihn durchschaute. Oder vielleicht, nur vielleicht, war das alles nur eine Masche, ein Spiel, das nichts zu bedeuten hatte.

Sie war zerschlagen, und das beeinträchtigte ihre Urteilskraft. Ein weiterer Blick auf Dante zeigte ihr, dass er schon wieder eingeschlafen war – oder zumindest so tat.

Als sie New Orleans erreichten, lenkte Heather den Wagen in die Canal Street und dann die Royal hinunter, bis sie schließlich auf die St. Peter stieß. Auf dem regennassen Kopfsteinpflaster lagen noch überall Überreste der Nacht zuvor: buntes Papier, Glasperlen, leere Plastikbecher, ein schwarzer BH. Nach dem Wahnsinn und dem wilden Nachtleben wirkte das Viertel jetzt seltsam ausgestorben und verlassen.

Heather parkte vor dem Club. Sie beugte sich hinüber und wollte Dante gerade an der Schulter packen und schütteln, als er sich plötzlich aufsetzte und seine Augen hinter den dunklen Gläsern auf die Balkone im ersten Stock richtete. Heather beugte sich nach vorn und blickte ebenfalls aus dem Beifahrerfenster, um zu sehen, was seine Aufmerksamkeit erregt hatte. Im ersten Stock stand eine Balkontür offen.

Sie erinnerte sich an das flackernde, orangefarbene Kerzenlicht, das sie in der Nacht zuvor dort bemerkt hatte. »Stimmt etwas nicht?«

»Ich hoffe nicht.« Dante riss am Türgriff.

Heather blinzelte konsterniert. Er stand bereits auf dem Bürgersteig und sah wieder zu der Balkontür hinauf. Sie hatte weder gesehen, wie er die Tür geöffnet hatte, noch wie er ausgestiegen war! Das Einzige, was sie beobachtet hatte, waren seine Finger gewesen, die an dem Schnappriegel gerissen hatten. Dann hatte sie gehört, wie die Tür ins Schloss fiel.

Was zum Teufel war hier los? Heather rieb sich die Augen. Sekundenschlaf? War sie wirklich so müde? Sie stieg auch aus und trat neben Dante auf den Bürgersteig. Dann folgte ihr Blick dem seinen nach oben. Dort wehte eine Gardine aus der Balkontür.

»Wer war dort eigentlich letzte Nacht?«, fragte sie.

»Ich«, antwortete Dante, aber seine Stimme klang seltsam fern.

Als Heather neben sich blickte, musste sie feststellen, dass er bereits am Eingang des Clubs stand und den Schlüssel ins Schloss schob.

Wach auf, Wallace – Mann. Sie eilte ihm nach, als er die schwere Tür öffnete und eintrat.

Der Geruch von abgestandenem Rauch, schalem Bier und Sex hing in dem dunklen Gang. Dante stand neben einer Kontrolltafel für die Alarmanlage des Clubs. Rotes Licht von dem BRENNE-Schild weiter vorn im Korridor flackerte über den Hinterkopf seiner Kapuze. Stirnrunzelnd schob er sie zurück und seine Sonnenbrille nach oben. Grüne Kontrolllampen leuchteten auf der Anzeigetafel auf. Er wirkte jetzt alles andere als schläfrig.

»Was ist los?«, fragte Heather und trat neben ihn.

»Die Alarmanlage ist aus«, antwortete er. Er warf einen Blick über die Schulter auf das grelle Neonschild. Rotes Licht tanzte auf seinem bleichen Gesicht. »Ich kann mir nicht vorstellen, dass Lucien vergessen hat, sie anzumachen.«

Heather richtete sich auf. Adrenalin pumpte durch ihre Adern. Ihr Herz begann, schneller zu schlagen. Sie fasste in die Tasche ihres Trenchcoats und zog ihre Achtunddreißiger.

»Bleiben Sie hier«, befahl sie.

»Sie können mich mal«, meinte Dante und war verschwunden.

»Dante, nein!«, zischte sie in der rötlich erleuchteten Dunkelheit, doch er hörte sie nicht. Wieso konnte er sich so schnell bewegen? Das Ergebnis einer Medikamentenbehandlung? Zur Leistungssteigerung?

Sie entsicherte die Waffe und rannte durch den Gang, mit dem Rücken stets an der Wand, bis sie den Club erreichte. Auf der anderen Seite des Raums mit den unheimlich rot beleuchteten Tischen, Stühlen, dem Käfig und dem Thron sah sie Dante, wie dieser bereits die Treppe hinaufeilte und dann den ersten Stock betrat.

Sie bahnte sich einen Weg zwischen den Tischen hindurch, während sie versuchte, alles im Blick zu haben, bis sie an der Treppe war. Das eisige Gefühl, dass etwas nicht stimmte, das sie bereits beim Anblick der Alarmanzeigetafel gehabt hatte, ließ sie nicht los. Etwas stimmte hier ganz und gar nicht, und Dante war im Begriff, mitten hineinzulaufen. Laufen, pah. – Teleportieren traf es wohl eher. Aber er war trotzdem ein Zivilist, der sich in ihrer Obhut befand, ihre Verantwortung.

Heather begann, die Treppe hinaufzugehen, den Rücken an der Wand, die Waffe mit beiden Händen umklammert. Ihr Schatten eilte vor ihr her, und sie zuckte jedesmal zusammen, wenn eine Stufe unter ihrem Fuß knarzte. Als sie den ersten Absatz erreichte, riss sie die Waffe hoch und ging in die Hocke, um zuerst nach links und rechts und dann wieder nach vorne zu blicken. Sie lauschte. Das alte Bauwerk gab alle möglichen Geräusche von sich. Einen Augenblick lang waren leise Schritte über ihr zu hören. Dann hielten sie inne.

Sie stieg die nächste Treppe hinauf, wo ihr Blick von dem dunklen Absatz nach unten in den rot beleuchteten Club wanderte. Dort schien sich nichts zu rühren. Keiner der Schatten regte sich.

Wieder ging sie in die Hocke und richtete die Waffe zuerst nach rechts und dann nach links. Dante stand in einer offenen Tür und hielt sich mit einer behandschuhten Hand am Rahmen fest. Heather richtete sich auf. Gargoylen-Wandkerzenleuchter bewachten die gerahmten Bilder an den Wänden. Ein antiker Orientläufer dämpfte ihren Schritt auf dem Flur. Dante rührte sich nicht und gab kein Zeichen von sich, um ihr zu verstehen zu geben, dass er sie hörte oder sich ihrer Gegenwart überhaupt bewusst war.

Ein durchdringender Kupfergeruch, den sie nur allzu gut kannte, stieg Heather in die Nase. Ihr Magen verkrampfte sich. Je näher sie dem Zimmer kam, desto lauter wurde ein stetiges Tropfen. Sie trat neben Dante, die Waffe noch immer in beiden Händen, und sah in das Zimmer.

Es war schlimmer, als sie sich hätte träumen lassen.

Viel schlimmer.