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Als Gründer und Anführer des Ordens – Hölle noch mal, als Stammesvampir der Ersten Generation, der über neunhundert Jahre auf dem Buckel hatte – war Lucan Thorne nicht gewohnt, sich von anderen Vampiren Standpauken anzuhören.

Und doch lauschte er in wütendem Schweigen, als der ranghohe Agent namens Mathias Rowan ihm schilderte, was vor einigen Stunden in einem Nachtlokal der Agentur in Chinatown geschehen war. Genau dort, wo er heute Nacht zwei seiner Ordenskrieger, Chase und Hunter, auf Patrouille hingeschickt hatte. Eigentlich war er nicht sonderlich überrascht, dass die Lage eskaliert war und es dort einen regelrechten Tsunami der Gewalt gegeben hatte, und Chase mittendrin.

Laut Rowan hatte er das Ganze angefangen.

Unter normalen Umständen war es Lucan und den anderen Ordenskriegern herzlich egal, wenn die Agentur sich über sie beschwerte. Der Orden und die Agentur operierten seit ihrer Gründung nach ihren eigenen Gesetzen. Lucans Prämisse für den Orden waren Gerechtigkeit und Tatkraft gewesen; die Agentur war seit ihren Anfängen in dubiose politische Machenschaften verwickelt und in erster Linie am Ausbau ihrer Machtstrukturen interessiert.

Aber das bedeutete nicht, dass es bei ihnen keine guten, vertrauenswürdigen Männer gab, und Mathias Rowan war eine dieser bemerkenswerten Ausnahmen. Sterling Chase war eine weitere gewesen. Es war gerade mal ein Jahr her, dass Chase noch der Agenturelite angehört hatte, ein kultivierter junger Aufsteigertyp aus guter Familie mit guten Manieren und guten Verbindungen, der wahrscheinlich eine kometenhafte Karriere vor sich gehabt hatte.

Und jetzt?

Lucan presste grimmig die Lippen zusammen, während er allein im Wohnzimmer seiner Privatwohnung im unterirdischen Hauptquartier des Ordens auf und ab ging, wo er mit seiner Stammesgefährtin Gabrielle lebte. Chase war eine absolute Bereicherung für den Orden gewesen, seit er seine gestärkten weißen Hemden und schicken Maßanzüge der Agentur an den Nagel gehängt und die schlichte schwarze Kampfmontur und kompromisslosen Methoden der Krieger übernommen hatte. Er war an Bord gekommen, weil er sich mit den Zielen und Missionen des Ordens identifizierte. Auf Patrouille hatte er schnelle Auffassungsgabe bewiesen und den anderen Kriegern im Kampf unzählige Male Rückendeckung gegeben.

Aber Lucan musste auch zugeben, dass sich Chase in den letzten Monaten auf verdammt dünnem Eis bewegte. Manchmal waren ihm die Nerven durchgegangen, und dann hatte er seine Prioritäten aus den Augen verloren. Und nun stieg Lucans Ärger fast ins Unermessliche, als er Mathias Rowans Bericht von der wüsten Kneipenschlägerei lauschte, die Chase in der Innenstadt veranstaltet hatte.

»Laut meinen Berichten wurden drei Agenten fast totgeschlagen, und ein weiterer sieht aus, als hätte man ihn durch den Fleischwolf gedreht«, sagte Rowan ihm am Telefon. »Nicht mitgerechnet die Verletzten, die noch selbst gehen können, und auch die nicht, die seither verschwunden sind. Alle sagen einhellig, dass Ihre Krieger in den Club kamen und Streit suchten. Vor allem Chase.«

Lucan zischte einen leisen Fluch. Er hatte ein ungutes Gefühl gehabt, Chase heute Nacht nach Chinatown auf Patrouille zu schicken. Darum hatte er ihm auch Hunter als Partner zugeteilt – der kühlste Kopf des Ordens sollte das wandelnde Pulverfass begleiten. Dass keiner von ihnen sich in der letzten Stunde zurückgemeldet hatte, ließ nichts Gutes vermuten.

»Hören Sie«, sagte Rowan und stieß einen tiefen Seufzer aus. »Chase ist mein Freund, und das seit langer Zeit. Darum habe ich zugestimmt, als er mit der Bitte zu mir kam, V-Mann des Ordens in der Agentur zu sein. Was seine persönlichen Probleme angeht, kann ich nicht sagen, woher diese Veränderungen kommen, aber in seinem ureigenen Interesse sollte er besser anfangen, das herauszufinden. Es liegt mir weiß Gott fern, Ihnen zu sagen, wie Sie Ihre Operationen führen sollen, Lucan …«

»Ja«, unterbrach der ihn knapp. »Das will ich auch hoffen, Agent Rowan.«

Am anderen Ende herrschte einen Augenblick Schweigen. Lucan spürte einen Luftzug und sah auf. Eben trat Gabrielle in den Raum.

Praktisch ohne Vorwarnung legte er Rowan in die Warteschleife, einfach nur, weil er zusehen wollte, wie sich seine atemberaubende Gefährtin bewegte. Sie kam mit einem Teetablett aus der Bibliothek und stellte es leise in der Küche ab. Es war für zwei Personen gedeckt gewesen, für Gabrielle und eine weitere Frau, die vorhin im Hauptquartier angekommen war. Nur eine der eleganten Teetassen war benutzt worden, und nur eines der winzigen Schokoladentörtchen und diversen anderen Leckereien war von ihrem Porzellanteller verschwunden.

Lucan brauchte nicht zu raten, welche der beiden Frauen das gewesen war. Seine Gefährtin mit dem kastanienbraunen Haar hatte immer noch einen Hauch Schokoladenpulver auf ihrem sinnlichen, perfekten Mund. Er leckte sich die Lippen, als er Gabrielle beobachtete, wie immer ausgehungert nach ihr. Wenn diese beunruhigende Angelegenheit nicht wäre – ganz zu schweigen von dem anderen, kleineren Problem, das im Nebenraum auf seine Entscheidung wartete –, hätte Lucan vielleicht alle seine Verpflichtungen abgesagt und sich schleunigst mit seiner Frau ins Bett verzogen.

Der schnelle Blick, den sie ihm zuwarf, besagte, dass sie genau wusste, was ihm eben durch den Kopf ging. Aber es stand ihm vermutlich auch ins Gesicht geschrieben. Mit der Zunge spürte er die scharfen Spitzen seiner Fänge, die sich ausgefahren hatten, und so, wie sich sein Sehvermögen jetzt schärfte, mussten seine Augen eher bernsteingelb als grau sein. Sein Begehren transformierte ihn zu seiner wahren Natur, so wie auch der Durst nach Blut es tat.

Auf Gabrielles Gesicht breitete sich ein Lächeln aus, als sie auf ihn zukam. Ihre großen braunen Augen waren sanft und tief, ihre Finger einladend, als sie die Hand hob und ihm über die angespannte Wange strich. Ihre Berührung beruhigte ihn wie immer, und sein Knurren klang eher wie ein Schnurren, als sie ihm mit den Fingern durch sein dunkles Haar fuhr.

Mit Mathias Rowan in der Warteschleife hielt Lucan das Telefon von sich fort und senkte den Kopf zu Gabrielle. Er streifte ihren Mund und leckte ihr sachte das Kakaopulver von den Lippen.

»Lecker«, flüsterte er und sah, wie der Hunger in seinen Augen sich in den unergründlichen Tiefen ihrer Augen spiegelte.

Gabrielle schlang die Arme um ihn, aber sie sah ihn mit einem Stirnrunzeln an. Sie sprach absichtlich leise, formte die Worte unhörbar mit den Lippen. »Alles okay mit Hunter und Chase?«

Er nickte und drückte ihr einen Kuss auf die Stirn. Es fühlte sich nicht gut an, ihre Besorgnis so abzutun. In den anderthalb Jahren, die er mit Gabrielle in einer Blutsverbindung lebte, hatten sie immer alles miteinander geteilt, und in seinem ganzen jahrhundertelangen Leben hatte er noch nie jemandem so vertraut wie ihr.

Sie war seine Gefährtin, seine Partnerin, seine Liebste. Als seine engste und wichtigste Vertraute hatte sie ein Recht darauf zu wissen, was er fühlte, all seine Ängste und Sorgen zu kennen als Leiter dieses Hauptquartiers, das irgendwann begonnen hatte, sich eher wie ein Zuhause anzufühlen als die strategische Kriegszentrale, wo der Orden seine Missionen plante.

Während seine Krieger sich täglich mit ihren persönlichen Dämonen herumschlugen, während der Orden einige Tiefschläge hatte einstecken müssen und einige vernichtende Verluste, aber auch viele wichtige Triumphe zu verzeichnen hatte – während die Belegschaft des Hauptquartiers sich fast verdoppelt hatte in den knapp zwei Jahren, seit einige der Krieger sich verliebt und ihre Gefährtinnen gefunden hatten –, blieb eine beunruhigende Tatsache unverändert.

Es war ihnen noch nicht gelungen, Dragos und seinen Wahnsinn zu stoppen.

Dass Dragos immer noch lebte, immer noch Blutvergießen und Zerstörung von solchen Ausmaßen anrichten konnte – wie letzte Woche die Entführung eines Jungen aus einer mächtigen Stammesfamilie und die anschließende Vernichtung ihres Dunklen Hafens, bei der alle seine Bewohner umgekommen waren –, war eine Schlappe, die Lucan äußerst persönlich nahm.

Das war eine Realität, die ihm schon viel zu naheging.

Aber das wollte er Gabrielle jetzt nicht anvertrauen. Er konnte den Gedanken nicht ertragen, dass sie dieselben Ängste quälten wie ihn. Er hatte immer versucht, seine Last möglichst alleine zu tragen. Bis er nicht alle Antworten hatte, bis seine Pläne nicht fertig waren und praktisch umgesetzt werden konnten, musste er alleine damit fertig werden.

»Mach dir keine Sorgen, Liebste. Ist alles unter Kontrolle.« Er drückte ihr einen weiteren zärtlichen Kuss auf die Stirn. »Wie ist die Lage nebenan?«

Gabrielle zuckte leicht mit den Schultern und schüttelte den Kopf. »Sie redet nicht viel, aber ist ja kein Wunder, wenn man bedenkt, was sie alles durchgemacht hat. Sie will jetzt einfach nur nach Hause zu ihrer Familie. Ist natürlich auch nur zu verständlich.«

Lucan knurrte seine völlige Zustimmung. Er wünschte sich nichts sehnlicher, als ihren Gast nach Hause schicken zu können. So viel Mitgefühl er für die Frau auch aufbringen konnte, das Letzte, was er derzeit brauchte, war noch eine lästige Zivilistin im Hauptquartier. »Wir haben noch nichts von ihrer Mitfahrgelegenheit gehört, oder?«

»Nicht in der letzten Stunde. Brock hat gesagt, er oder Jenna rufen sofort an, wenn das Wetter in Fairbanks so weit aufklart, dass sie aufbrechen können.«

Lucan fluchte. »Selbst wenn sich der Schneesturm sofort legt, sind sie frühestens in einem Tag da. Ich werde jemand anderen dafür einteilen müssen. Vielleicht ist das eine gute Gelegenheit, Chase eine Weile loszuwerden. Verdammt, nach dem, was ich eben gehört habe, ist das womöglich das Einzige, was mir übrig bleibt, damit ich dem Kerl nicht eigenhändig den Hals umdrehe.«

Gabrielle sah ihn aus schmalen Augen an, schlagartig ernüchtert. »Kommt überhaupt nicht infrage, dass du diese arme Frau mit Chase als Begleitung nach Detroit schickst. Auf gar keinen Fall, Lucan. Bevor ich das zulasse, bringe ich sie lieber selbst hin.«

Er hatte es eigentlich gar nicht ernst gemeint, aber er würde nicht mit ihr streiten. Nicht, wenn sie ihr Kinn so störrisch reckte, was hieß, dass sie absolut null Absicht hatte nachzugeben. »Na gut, vergiss, dass ich das gesagt habe. Du hast gewonnen.« Mit einem Arm zog er sie an sich und ließ seine Hand über ihren Po wandern. »Wie kommt das bloß, dass immer du das letzte Wort hast?«

»Weil du weißt, dass ich recht habe.« Sie schmiegte sich enger an ihn und stellte sich auf die Zehenspitzen, bis ihr Mund seinen streifte. »Und weil – gib’s zu, Vampir – du mich gar nicht anders haben willst.«

Sie hob eine schmale Augenbraue und biss ihm leicht in die Unterlippe, dann schlüpfte sie aus seiner Umarmung, bevor er reagieren konnte. Dafür reagierte sein Körper umso deutlicher. Gabrielle lächelte, sie wusste ganz genau, wie es um ihn stand. Sie drehte sich schwungvoll um und ging in die Bibliothek zurück, wo ihr Gast auf sie wartete.

Lucan wartete, bis sie aus dem Zimmer gegangen war, und sortierte mühevoll seine Gedanken. Dann räusperte er sich, nahm Rowan aus der Warteschleife und hob wieder den Hörer ans Ohr. Er hatte den Agenten jetzt lange genug schmoren lassen.

»Mathias«, sagte er, »ich will, dass Sie wissen, dass der Orden zu schätzen weiß, was Sie bisher für uns getan haben. Was die Geschehnisse von heute Nacht angeht, versichere ich Ihnen, dass das alles ohne meine Anweisung oder Zustimmung geschehen ist. Mir ist klar, dass wir Sie als regionalen Agenturdirektor in eine unangenehme Position gebracht haben.«

Das war so ziemlich das Äußerste an Entschuldigung, was er aufbringen konnte. Obwohl die alte, wenn auch ungeschriebene Regel zwischen Lucans Kriegern und den Mitgliedern der Agentur lautete, den anderen möglichst aus dem Weg zu gehen und sie nicht unnötig zu provozieren, hatten sich die Umstände in letzter Zeit geändert.

Und zwar grundlegend geändert.

»Um mich mache ich mir keine Sorgen«, antwortete Rowan. »Und ich bereue meine Entscheidung nicht, dem Orden zu helfen. Ich will so sehr wie ihr, dass Dragos gefasst wird, und zwar mit allen Mitteln. Selbst wenn das bedeutet, dass ich mir ein paar eigene Feinde innerhalb der Agentur mache.«

Lucan quittierte dieses Gelübde mit einem anerkennenden Knurren. »Sie sind ein guter Mann, Mathias.«

»Nach allem, was dieser Bastard getan hat, will ich genauso wie Sie und Ihre Krieger, dass er gestoppt wird, besonders nach dem Terroranschlag von letzter Woche.« In Rowans Stimme schwang eine Leidenschaft mit, die Lucan nur zu gut verstand. »Es schockiert mich nicht, dass es in der Agentur schwarze Schafe gibt, und schon gar nicht, dass so ein Neandertaler wie Freyne sich mit einem Wahnsinnigen wie Dragos verbündet. Ich wünsche mir nur, ich hätte diese Möglichkeit früher in Betracht gezogen, und nicht erst, als Kellan Archers Rettung eskaliert ist.«

»Da sind Sie nicht der Einzige«, antwortete Lucan nüchtern. Auch er hatte mehrere Krieger auf diese Mission ausgeschickt, als zusätzliche Maßnahme, um den Jungen aus dem Dunklen Hafen, der von drei Gen-Eins-Killern auf Dragos’ Befehl entführt worden war, sicher nach Hause zu bringen. Dieses Ziel war zwar erreicht worden, aber nur mit einer Menge Kollateralschäden und nicht, ohne beunruhigende Fragen aufzuwerfen.

»Wie geht es dem Jungen?«, fragte Rowan.

»Er erholt sich noch in unserer Krankenstation.« Kellan Archer war schwer misshandelt worden, aber es war vor allem das psychische Trauma, das der junge Stammesvampir bei und nach seiner Entführung erlitten hatte, das Lucan Sorgen machte. Denn das konnte ernste Spätfolgen haben.

»Und sein Großvater?«

Einen Augenblick lang dachte Lucan in grimmigem Schweigen über den älteren Archer nach. Lazaro Archer war einer der wenigen verbleibenden Gen Eins der Vampirbevölkerung, und ein wirklich alter dazu. In seinem fast tausend Jahre langen Leben hatte er ein geachtetes, friedliches Leben geführt, die letzten paar Jahrhunderte als Oberhaupt des Dunklen Hafens seiner Familie in Neuengland. Er hatte starke Söhne großgezogen, die wiederum ihre eigenen Söhne hatten – Lucan war nicht einmal sicher, wie groß die Nachkommenschaft von Lazaro und seiner lebenslangen Stammesgefährtin überhaupt war.

Nicht dass es noch etwas bedeutete.

Nicht mehr.

Lazaros Gefährtin und seine ganze Familie waren in einer einzigen Nacht in ihrem Dunklen Hafen in Boston ausgelöscht worden. Einer von Lazaros Söhnen, der Vater des Jungen, Christophe, war aus nächster Nähe von Freyne erschossen worden, dem Verräter, der zu Kellans Rettungseinheit der Agentur gehört hatte. Von der ganzen Familie Archer hatten nur Lazaro und Kellan überlebt, wovon die Öffentlichkeit aber nichts wusste.

»Sowohl dem Jungen als auch seinem Großvater geht es den Umständen entsprechend gut«, antwortete Lucan. »Bis wir nicht wissen, warum Dragos ausgerechnet sie angegriffen hat, sind sie nur hier im Hauptquartier wirklich in Sicherheit.«

»Natürlich«, antwortete Rowan. Er schwieg eine Weile, dann holte er leise Atem. »Wie ich Chase kenne, gibt er sich mit die Schuld dafür, was bei der Rettungsmission schiefgelaufen ist …«

Lucan spürte, wie er die Stirn runzelte, als Rowan ihn an eine weitere von Chases Pannen im Dienst erinnerte. »Lassen Sie meine Männer meine Sache sein, Mathias. Haben Sie ein Auge auf Ihre eigenen.«

»Selbstverständlich werde ich das«, antwortete er, ruhig und professionell. »Um die möglichen negativen Konsequenzen des Zwischenfalls kümmere ich mich. Und wenn ich in der Zwischenzeit irgendetwas Interessantes über Freyne oder seine Verbindung zu Dragos höre, seien Sie versichert, dass ich mich bei Ihnen melde.«

Lucan murmelte eine Dankesfloskel. Wenn sich Rowan nicht eine so solide Karriere in der Führungsriege der Agentur erarbeitet hätte, hätte er einen hervorragenden Krieger abgegeben. Der Orden konnte einige zusätzliche Hände und kühle Köpfe weiß Gott gebrauchen, wenn ihr Krieg mit Dragos noch weiter eskalierte.

Oder wenn ein gewisses Mitglied seines Teams sich weiter so gehen ließ.

Kaum hatte Lucan bei diesem Gedanken die Zähne zusammengebissen, da summte die Gegensprechanlage des Hauptquartiers; es war Gideon aus dem Techniklabor. Er beendete sein Gespräch mit Rowan und drückte auf den Knopf.

»Sie sind da«, verkündete Gideon, bevor Lucan die Chance hatte, ein Hallo zu bellen. »Hab sie eben oben durchs Tor reinfahren sehen. Hab sie auf dem Monitor, sie fahren eben nach hinten zur Garage.«

»Wird auch Zeit, verdammt noch mal«, fauchte Lucan.

Er stellte die Gegensprechanlage ab und stapfte aus seinem Quartier. Das Dröhnen seiner schwarzen Kampfstiefel hallte durch die langen weißen Marmorkorridore, die sich wie ein zentrales Nervensystem durch das Herz des unterirdischen Hauptquartiers wanden. Er ging um eine Ecke und auf das Techniklabor zu, wo Gideon in den letzten Tagen praktisch rund um die Uhr auf Posten war.

Unterwegs fing sein scharfes Gehör das leise hydraulische Zischen des gesicherten Aufzuges auf, der sich eben auf seinen über hundert Meter langen Weg von der Garage ins Hauptquartier gemacht hatte.

Als er am Techniklabor vorbeiging, kam Gideon zu ihm auf den Gang hinaus. Der gebürtige Brite, das Universalgenie des Hauptquartiers, war heute ganz der Computerfreak, in seinen ausgebeulten grauen Jeans, grünen Chucks und dem gelben Hellboy-T-Shirt. Sein kurzer blonder Schopf war zerzauster als gewöhnlich, als hätte er sich beim Warten auf Neuigkeiten von Hunter und Chase öfters wild das Haar gerauft.

»Diesen mordlustigen Blick habe ich ja lange nicht gesehen«, sagte Gideon, dessen blaue Augen lebhaft über die getönten Gläser seiner randlosen Sonnenbrille linsten. »Ich sehe schon, du hast vor, den beiden den Kopf abzureißen.«

»Dem Geruch nach war ein anderer schneller«, knurrte Lucan, und seine Nase kribbelte vom Geruch von frischem Stammesblut, noch bevor die polierten Stahltüren des Lifts vor den beiden Kriegern auf Abwegen aufglitten.