Epilog

Hier unten sah er überhaupt nichts. Das Wasser war kalt, abgestanden und reichte ihm bis zu den Hüften. Weed konnte noch immer nicht fassen, dass ihn der fette Wichser in dieses verdammte Loch gestoßen hatte.

Als er ins Dunkel gefallen war, hatte er fest damit gerechnet, einen qualvollen und langsamen Tod erleiden zu müssen. Er hatte sich während des Sturzes sogar die Hose nassgemacht. Gelandet war er allerdings in diesem Wasser – einer schwarzen, beschissen kalten Brühe – und komplett untergetaucht, wobei er nur eines hatte denken können, nämlich, dass er definitiv am Arsch war.

Hoch über sich sah er im Schein des Mondes einen breiten Ausschnitt des Nachthimmels. Er glaubte, Sterne zu sehen, war sich aber nicht sicher. Ringsum herrschte Finsternis. Als sich seine Augen den dürftigen Lichtverhältnissen angepasst hatten, sah er etwa drei Fuß vor sich einen reglosen Zombie schwimmen.

»Na toll.«

Er konnte mit jedem verstreichenden Moment mehr erkennen, sodass sich ihm schlussendlich Hunderte Leiber offenbarten, die um ihn herumtrieben.

»Ganz mordsspitzenmäßig supertoll«, flüsterte er, während er sich nach einem Ausweg umschaute.

An den Wänden befanden sich verschiedene Öffnungen, doch keine war groß genug, um hindurchzukriechen. Außerdem standen sie halb unter Wasser. Weed würde seinen Kopf kaum über der Brühe halten können, falls er sich in einen dieser Tunnel zwängte.

Gerade als er begonnen hatte, durchs Wasser zu waten, erschreckte ihn ein Platschen, das sich rasch mehrmals wiederholte. Es rührte von Leichen her – vielen Leichen – die von oben herabfielen. Wie gut, dass er bereits ein Stück gelaufen war, denn andernfalls wäre er unter ihnen begraben worden.

Die herabfallenden Körper machten Weed Beine. Er fand eine Stiege an der Wand und kletterte hinauf. Dann stand er in einem Tunnel etwa vier Fuß über dem hüfthohen Wasser und beobachtete, wie die Toten hineinstürzten, bis sie sich stapelten. Einige rafften sich auf und schlurften in seine Richtung, schafften es aber nicht, in den Tunnel zu steigen. Weed fühlte sich sicher. Er drehte sich um und begann, einen Weg hinaus zu suchen.

Stundenlang tappte er durch tiefste Dunkelheit und orientierte sich an schmierigen Wänden. Hin und wieder tat sich über ihm ein schwaches Licht auf. Er würde das fette Schwein kaltmachen, das ihn ins Loch gestoßen hatte. Weed war jemand, der nicht lange fackelte. Verdammt, letzten Endes konnte es darauf hinauslaufen, dass er die anderen beiden Angels ebenfalls um die Ecke bringen musste. Seine Brüder würden ihm beistehen, sobald sie erfahren hatten, was geschehen war.

Endlich fand er einen Ausstieg, der weder vernietet noch zu schwer war, um ihn anzuheben. Weed kletterte aus einem dicken Betonrohr in einen sehr breiten Abflussgraben. Er ging an den schrägen Seiten dieser übergroßen Zementmulde hinauf. Hundemüde war er. Im Augenblick hätte er sich den kleinen Finger für einen heißen Kaffee und Rührei abgehackt.

Als er über die Kante des Betongrabens stieg, lachte er vor sich hin und schüttelte den Kopf. »Leck mich am Arsch, es gibt bestimmt keinen zweiten alten Sack auf der Welt, der so viel Schwein hat wie ich.« Er blickte auf die Hinterseite des Parkhauses.

Weed ging unter dem Gebäude hindurch bis zum Rand des gewaltigen Lochs und schloss damit den Kreis endgültig, der in der vergangenen Nacht begonnen hatte. Er fand sowohl seine toten Brüder als auch die Leichen des fetten Bastards und von Jeeter. Von Jack oder Banjo war nichts zu sehen. Während er am Parkhaus hinaufschaute, durchdachte er seine Situation langsam und gründlich.

Dass er so äußerst entspannt war, rührte von seinem Alter, den Drogen und dem Alkohol her, wurde aber vornehmlich durch eine erwiesene Persönlichkeitsstörung bedingt. Er hatte vergessen, wie diese hieß, die Diagnose lag schon so weit zurück. Als er nun grübelte, betrachtete er das kleine Shangri-La, das diese Spießer hier für sich aufbauten.

Weed legte den weiten Weg zu Costco zu Fuß zurück. Die beiden anderen fand er immer noch nicht. Falls Jack noch lebte und in der Gegend war, würde er sich bemerkbar machen, und Weed wusste genau, wo er nach ihm suchen musste.

Nachdem er seine Kutte abgestreift hatte, zog er sich ein feines Langarmhemd an, um seine Tätowierungen zu verbergen. Dann stöberte er eine halbe Stunde lang im Markt, um eine passende Kopfbedeckung für einen Mann seines Alters zu finden. Letztlich begnügte er sich mit einer Baseballmütze, die ihm passte. Nun entledigte er sich seines Schmuckes, der Silberschädelringe, seiner verchromten Antriebskette sowie der Malteser- und Hakenkreuze – alles Stücke, über deren Anschaffung er verflixt spannende Geschichten erzählen konnte. Den ganzen Schmuck versteckte er in einem lauschigen Winkel des Marktes, den er auch für seine Weste auserkoren hatte. Mann, jetzt kam er sich federleicht vor. Er hatte nie bemerkt, wie schwer all das Zeug war. Schließlich besah er sich in einem Spiegel.

»Francis Fucking Burwell.« Er zuckte zusammen, als ihm sein Geburtsname – selbstverständlich abzüglich des Schimpfwortes an zweiter Stelle – über die Lippen kam. »Hätte ich nicht schon so viele Arschlöcher gesehen, würde ich sagen, du bist das größte, Burwell, altes Haus.«

Weed kicherte, ein tiefes, grimmiges Geräusch. Vielleicht würde er sich als Frank ausgeben, wenn er sich den Deppen drüben in Shangri-La vorstellte. Er kehrte noch einmal in die Mitte des Marktes zurück, um nach seinen Taschen zu suchen.

Bevor sich irgendetwas Neues ergeben sollte, musste er sobald wie menschenmöglich einen richtig fetten Dübel rauchen.

E N D E

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