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»Ich glaube nicht, dass du jemals von diesem Dach steigen wirst«, sagte Cooper, der den Kopf nach hinten gelegt und die Augen geschlossen hatte.

»Du hast behauptet, es würde brutal sein.« Ana lag flach auf dem Rücken und schnappte Luft.

»Ihr seid echt ätzend.« Auch Lisa lag rücklings da und keuchte. »So vermittelt man niemandem Selbstwertgefühl.«

Sie waren klitschnass vom Schwitzen. Lisa aufs Dach zu bringen, hatte immense Kraft gekostet.

Sie hatten entschieden, dass Cooper die beiden jungen Frauen an einem sicheren Ort zurücklassen sollte, damit er schneller vorankam und seine Schwester finden konnte. Das Dach, so fand er, eignete sich bestens dafür. Ana zeigte ihm, dass sie, falls nötig, durch einen Schacht ins abgeschlossene Innere eindringen konnte.

Ferner legten sie fest, dass die beiden mindestens zehn Tage warten sollten und dann, falls Cooper bis dahin nicht zurück war, auf eigene Faust weiterziehen würden, nicht ohne besprochen zu haben, was sie tun wollten.

Er verbrachte mehrere Stunden damit, Bürohäuser in der Nähe zu durchsuchen, vornehmlich um Proviant zu sammeln, aber auch in Hinblick auf potenzielle Überlebende. Zombies begegneten ihm nicht. Cooper entdeckte etwas zu essen, Wasser und andere Getränke in Dosen. Er kehrte zurück, um Ana zu holen, damit sie ihm beim Tragen half. Außerdem nahmen sie verschiedene weitere Dinge mit: Sofakissen, Decken, Toilettenpapier, einen Stoß Zeitschriften und dergleichen. Da er die beiden tagelang alleinlassen würde, vielleicht eine Woche oder länger, wollte er, dass sie keinen Grund hätten, vom Dach zu steigen.

Einen weiteren Tag blieb er bei ihnen, um sich auszuruhen und sicherzugehen, dass es ihnen an nichts mangelte. Er verließ sie nur ungern und machte sich Sorgen, musste aber zu seiner Schwester gelangen. Am Abend aßen sie schweigsam und versuchten, früh einzuschlafen. Es dauerte nicht lange, bis Lisa leise schnarchte.

Am Morgen war er bereit zum Aufbruch. Als er vom Dach klettern wollte, umarmte ihn Ana und gab ihm einen langen, innigen Kuss. Lisa kicherte und zog sich zurück.

Er lächelte und betrachtete einen Moment lang ihr Gesicht. »Bis bald.«

Daraufhin ließ er sich vom Dach hinunter auf den Krankenwagen und schließlich den Boden. Dann fuhr er den dicken Wagen hinüber zu einer Lagerhalle und parkte rückwärts darin ein. Nachdem er das Tor heruntergezogen und von innen verriegelt hatte, kletterte er durch ein hohes Fenster nach draußen. Es war immer noch kalt und feucht von der vergangenen Nacht, doch die Sonne stieg bereits hinter den Bäumen auf. Er hoffte, heute eine weite Strecke zurückzulegen.

***

Obwohl er durch eher dicht besiedeltes Gebiet ging, konnte er auf breiten Straßen gefahrlos auf dem Mittelstreifen bleiben. Dabei gelang es ihm, Appartementkomplexe und städtische Wohnsiedlungen zu meiden, wo sich gewiss die meisten Zombies aufhielten. Oftmals machte er gewaltige Ansammlungen Toter aus, lange bevor er sie erreicht hätte.

Er geriet leicht in Versuchung, gedankenlos weiterzugehen, da über weite Streckenabschnitte nichts passierte. Cooper musste sich hin und wieder selbst darauf stoßen, dass er ohne weiteres um eine Ecke biegen und dort Hunderte oder Tausende von Toten auf engstem Raum antreffen konnte.

Ständig auf der Hut zu sein, ermüdete ihn. Cooper musste sich immerzu umsehen, stehenbleiben und horchen, sowie nicht selten einen längeren Umweg wählen. Er hatte nicht so viel gegessen und geschlafen, wie ihm lieb gewesen wäre.

Er gelangte an eine weitere Überführung. Die Straße, auf der er ging, führte über einen breiten Highway – nicht Nummer 101, sondern einen der vielen anderen, die kreuz und quer durch die Stadt verliefen. Wohin er auch schaute: Fahrzeuge verstopften alle Spuren. Tausende Leiber lagen auf dem Asphalt ringsum, in den Wagen oder sogar darauf. Alles war von unzähligen Einschusslöchern durchsiebt. Cooper verschaffte sich einen Überblick mit seinem Zielfernrohr, entdeckte jedoch keinerlei Bewegung.

Als die Sonne im Westen unterging, erreichte er ein Büroviertel. Cooper wusste, dass in den Büros massenweise Snacks, Getränke, Toilettenpapier und Ersthilfesets herumlagen.