38
Banjo bog mit dem Pickup auf den Parkplatz von Costco ein. Die Toten drängten sich dicht rings um das Gebäude. Er hupte mehrmals, damit Jeeter wusste, dass er da war, und um die Zombies von der Tür zu vertreiben. Dann fuhr er langsam wieder weg. Er brauchte 30 Minuten, um sich der Menge zu entledigen. Als er zurückkehrte, wartete Jeeter bereits und hielt die Tür offen. Als dieser die beiden Wild Savages erblickte, starrte er seinen Kameraden ungläubig an.
Banjo trat vor ihn. »Hey Jeet, das sind Acid und Jack.«
»Ja, ja, schon klar.« Jeeter nickte, wich aber nicht zur Seite.
»Alles cool, Kumpel? Sorry, dass ich es dir nicht früher sagen konnte, aber ich war unterwegs, und diese Jungs …«
Jeeter winkte ab, damit Banjo schwieg. »Ach was, ich bin froh, dass du wieder zurück bist.« Er drehte sich um und ging in den Markt. Acid und Jack folgten Banjo in die Dunkelheit.
Während er weg gewesen war, hatte der Gestank von faulendem Obst und Gemüse sowie verderbendem Fleisch zugenommen. Nicht mehr lange, und das Zeug in den Kühltruhen auf der anderen Seite der Verkaufsfläche würde ebenfalls verderben.
Seit Tagen fehlte ihnen der Strom. Hunderte Gallonen Milch und Backwaren zogen bereits Fliegen an, was bald zu Problemen führen musste – denn dann schlüpften Maden. Falls Banjo in absehbarer Zeit nichts unternahm, waren sie gezwungen, diesen Posten und die Nahrungsmittel aufzugeben, die eigentlich jahrelang hielten. Bislang hatte er keine Lösung gefunden, die keinen beschwerlichen Kraftakt nach sich zog, doch sein Hirn brütete weiter.
Jeeter führte die Männer in den hinteren Teil des Marktes, wo sich jeder eine Flasche seiner Wahl aus dem umfassenden Angebot alkoholischer Getränke schnappte. Sie zählten zu ihren wertvollsten Waren. Die Regale für Spirituosen waren vier Fuß hoch, zehn Fuß breit und 40 Fuß lang, und in dieser neuen Welt kostbarer als Gold.
Die Männer begaben sich in die Mitte der großen Halle, wo es Stühle, ein paar Sofas, Matratzen und eine Feuerstelle gab. Dort machten sie es sich bequem.
Jack sprach zuerst: »Hey, Jeeter, geht das klar mit dir, Mann?« Er beugte sich nach vorne, bedacht darauf, die ernsten Angelegenheiten schnell vom Tisch zu schaffen.
Jeeter wirkte abgelenkt, irgendwie von der Rolle. »Ja, ja. ‘Tschuldigung, aber ich bin in letzter Zeit ziemlich durcheinander. Keine Welt mehr, keine Gangs … kein nichts, kein gar nichts.«
»Von uns waren nur noch vier übrig, und wir haben den Club offiziell aufgelöst, um ein Zeichen zu setzen. Die Kutten behalten wir als persönliche Erinnerungsstücke, aber sie sagen nichts mehr aus. Ist das okay für dich?«
»Ja, ja, absolut okay.« Jeeter schien allmählich zurückzukehren, wo auch immer er geistig gewesen war. »Und du, Banjo, ist das auch für dich okay?«
»Klar doch, diese Jungs sind ehrlich gewesen. Ich würde sagen, wir lösen die Angels auch auf, einfach der Bequemlichkeit halber, und gehen dazu über, uns ein lauschiges Leben zu machen.« Banjo beobachtete Jeeter. Falls der noch ausflippte, dann genau jetzt.
»Gut, okay. Wir stimmen also ab, ob wir uns auflösen? Ich sage ja.«
Banjo nickte. »Ja.«
»So, das wäre die Mehrheit, offiziell gibt es uns nicht mehr.« Jeeter umarmte die beiden anderen Männer wie Brüder.
Henry lag im Dunkeln auf einer Couch und schmunzelte. Hey, ich durfte gar nicht mit abstimmen. Für ihn hörte es sich an, als stünde ihnen der Sinn nach einer fetten Party.
Banjo ging und holte die Tänzerinnen, die letzten drei von ihnen, da zwei in ihren Käfigen an einer Überdosis gestorben waren. Daraufhin ließen es die Biker krachen. Jack und Banjo blieben am längsten wach, doch Sex, Junkfood und eine Menge harter Alkohol forderten letztlich ihren Tribut.
Henry stand das ein oder andere Mal auf, um zur Toilette zu gehen, aß etwas und griff zu einer Flasche, um so zu tun, als saufe er mit. Außerdem schaute er nach Ralph. Der Arzt verbrachte viel Zeit damit, im Markt herumzugehen. Die Biker waren so ausgelassen, laut und faul, dass er nicht befürchten musste, ihnen zu begegnen.
Henry bemerkte, dass sie ihn in Ruhe ließen, solange er nur ins Leere glotzte.
***
Er wurde vor Schmerz wach. Man trat Henry in den Schritt, doch zum Glück nicht gezielt. Als er die Augen aufschlug, versuchte Banjo, ihn vom Boden hochzuziehen. An der Tür klopfte es laut, Jeeter und die Savages standen bereits. Gemeinsam gingen sie zum Eingang.
Banjo zog die Tür ruckartig auf. Davor warteten Muscle und Weed.
»Was soll das?« Banjo blickte misstrauisch drein.
Weed hielt seine Hände hoch. »Na ja, ich könnte lügen und irgendeinen Grund dafür nennen, dass wir hier sind, aber ehrlich gesagt, folgten wir euch. Wir hielten Abstand, um sicherzugehen, dass ihr kein falsches Spiel treibt. Unsere Brüder wussten nichts davon.«
Muscle hinter ihm verschränkte die Arme über seinem dicken Wanst. »Das stimmt.«
Banjo sah Jack an. Der sagte: »Ich wusste wirklich von nichts. Außerdem habt ihr uns alle eingeladen, also ist es doch egal, dass sie ein bisschen später nachgekommen sind, oder?«
»Ja, ich schätze, das geht klar.« Banjo trat zur Seite. »Kommt rein, Leute.« Alle umarmten einander, womit ihr gegenseitiges Vertrauen besiegelt war. Die Party konnte weitergehen. Mit drei Tänzerinnen und nunmehr sieben Bikern wurde es interessant.
»Wir brauchen mehr Weiber!« Das verlangte Muscle. »Wie gehen wir vor, um welche zu finden?«
Banjo war besoffen. Er hatte die ganze Zeit auf den passenden Moment gewartet, um den Schwarzen und sein Gefolge aufzustöbern. »Ich weiß, wo es welche geben könnte.«
»Ach ja, der Schwarze Mann«, merkte Jack auf und unterbreitete seinen eben eingetroffenen Brüdern die Geschichte.
Banjo weihte alle in seine Vermutungen bezüglich des Parkhauses ein. Man einigte sich darauf, noch in dieser Nacht hinüberzufahren.
Ihr Plan bestand darin, in der Nähe zu parken, zu Fuß bis zur Hinterseite des Gebäudes vorzustoßen und die Gruppe im Dunkeln zu überraschen. Obwohl sie nicht wussten, dass die Auffahrten und Treppen niedergerissen worden waren, waren diese Männer fest entschlossen und dürsteten nach Vergeltung. Nichtigkeiten würden sie nicht aufhalten.
Nun zogen sie Henry – beziehungsweise Fats – auf die Beine. Er geriet in Panik. Erstens wollten sie ihn mitnehmen, um jemanden zu töten, und zweitens wusste er nicht, wie man Motorrad fuhr.
Als sie dann draußen in einen großen Pickup-Truck stiegen, war Henry ein wenig erleichtert. Nachdem man ihm auf die Ladefläche geholfen hatte, setzte er sich dort in die Mitte. Weed nahm hinterm Steuer Platz, Jeeter auf der Beifahrerseite. Banjo, Muscle, Jack und Acid gesellten sich zu Henry. Sie fuhren schnell durch die Dunkelheit. Henry hatte keine Ahnung, was er tun sollte, nicht nur in unmittelbarer Zukunft, sondern auch langfristig. Es gab niemanden und nichts für ihn, ganz zu schweigen von seinem Körper, der von jahrelangem Missbrauch und Vernachlässigung krank war.
***
Ralph wartete im Dunkeln hinter einer hohen Palette Frühstückszerealien, bis die Tür zufiel. Dann lugte er hervor, um sich zu vergewissern, dass alle Biker fort waren. Als er bemerkte, dass Henry sie begleitete, machte er sich Sorgen. Am Eingang horchte er, während das Brummen eines Motors verklang.
Danach eilte er zu den eingesperrten Mädchen, bekam den Käfig aber nicht auf. Eine, die bei Bewusstsein war, zeigte Ralph, wo die Schlüssel hingen. Nachdem er das Gitter geöffnet hatte, kam sie alleine heraus, die beiden anderen waren ohnmächtig, zwei weitere tot. Diese fingen bereits an, streng zu riechen.
Ralph schaffte es, die beiden Besinnungslosen zu wecken. Dann half er ihnen auf die Toilette, wo sie sich waschen und Kleidung anziehen konnten, die er für sie besorgte. Grauschwarze Jogginghosen, billige Laufschuhe und Kapuzenpullover. Die Mädchen waren ihm dankbar. Ralph gab ihnen zu essen und zu trinken.
Schließlich überlegte er, ob sie aus dem Markt fliehen sollten. Auf die Annehmlichkeiten von Costco wollte er aber nicht verzichten. Die elenden Motorradfahrer würden das Geschäft über kurz oder lang vermutlich niederbrennen, doch es musste für andere Überlebende erhalten bleiben. Allerdings waren die Mädchen und er hier nicht sicher. Sie liefen Gefahr, entdeckt zu werden. Ralph hatte gesehen, wie die Kerle Frauen behandelten. Wie dem auch sei, die Mädchen brauchten Ruhe. Auch wollte er auf Henry warten. Er baute darauf, dass der Junge es schaffen würde, den Halunken zu entwischen.
Während es sich die Mädchen in dem Großraumbüro auf Decken und Kissen bequem machten, begab sich Ralph zum Eingang. Hoffentlich, so dachte er, waren die Biker lange genug fort, damit sich die Mädchen etwas erholen konnten, ehe er mit ihnen floh. Sie durften nicht mehr im Gebäude sein, wenn die Kerle zurückkehrten. Er hatte eine Liste mit Aufgaben erstellt, die er noch erledigen musste, brauchte aber zunächst von irgendwoher einen fahrbaren Untersatz, der obendrein vor der Tür stehen musste, um schnell fliehen zu können.
Derart in Gedanken versunken, lief Ralph nach draußen, als ihm im Bruchteil einer Sekunde, nachdem er den letzten Schritt getan hatte und ehe die Tür zufiel, mit Grausen bewusst wurde, was dies bedeutete: Er trug keine Waffe bei sich und es gab keinen Weg zurück hinein. Außerdem hatte er den Mädchen nicht einmal gesagt, wohin er gegangen war. Er hörte Stöhnen und schleifende Schritte in der Finsternis und rüttelte noch einmal an der Tür, falls sie sich wie durch ein Wunder doch noch öffnen ließ. Dem war aber nicht so.