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Cooper genoss die freie Fahrt auf dem Highway, obwohl er sich in einer dichtbevölkerten Gegend befand, doch eine 20 Fuß hohe Betonmauer trennte die Fahrbahn von den großen Wohngebieten.

Diese Stadtautobahn war enorm – die größte, auf der er je gefahren war. Sie bestand aus mehreren Spuren mit breiten Randstreifen und einer Leitplanke in der Mitte. Seit er eine Menschenseele gesehen hatte – ob lebendig oder tot –, war eine ganze Weile vergangen.

Am höchsten Punkt einer Überführung hielt er an und schaute sich um. Im Gegensatz zum stillen, leeren Highway gab es mehrere Gegenden mit Legionen von Toten, deren Zahl in die Tausende ging. Cooper hoffte, es vermeiden zu können, sich mit einer solchen Vielzahl auseinandersetzen zu müssen. Um sich einen genaueren Überblick zu verschaffen, zückte er wieder sein Fernrohr.

Die Zombies schienen sich rings um ein zentrales Gebiet zu tummeln und zu den Rändern dieses Kreises hin auszudünnen. Es gab Anzeichen mehrerer größerer Brandherde, die jedoch erloschen waren.

Auf einigen Dächern hatten Überlebende Spuren hinterlassen, insbesondere mit ›HILFE‹ beschriebene Schilder. Während Cooper den Blick durch die Umgebung schweifen ließ, machte er unzählige Gesichter aus, doch eines veranlasste ihn zum Zurückschwenken, weil er zu erkennen glaubte, dass es einer lebenden Person gehörte.

Als er das Rohr herunternahm, schüttelte er langsam den Kopf und seufzte frustriert. Es war Lisa, die ungefähr eine Viertelmeile vom Highway entfernt in einem Minivan saß, umringt von unzähligen Toten. Falls wir das hier überleben, können wir irgendwann vielleicht über diese Geschichte lachen, dachte er.

Er lief weiter – fast eine Viertelmeile, um zurück zur Straße zu gelangen. Am Fuß der Brücke befand sich direkt am Highway ein großer, eingezäunter Parkplatz, auf dem etwa ein Dutzend Notfallfahrzeuge standen. Cooper wollte nachsehen, ob er eines davon für Lisas Rettung nutzen könnte. Zunächst stöberte er ein breites Stück Pappe auf. Das brauchte er, um über den hohen Zaun zu steigen, der oben mit gerolltem Stacheldraht verstärkt war.

Sobald er auf dem Platz stand, begann er, die Wagen nacheinander zu untersuchen. Es handelte sich um schwere Kleinlaster für den Sanitätsdienst. Er hatte einige von ihnen überprüft – alle abgeschlossen –, bis er daran dachte, nach den Schlüsseln im Gebäude zu suchen. Er zog seinen Schlagstock aus, um eine Fensterscheibe einzuschlagen, doch das war ein kläglicher Versuch. Die Scheibe bestand aus dickem Sekuritglas mit eingefasstem Drahtgeflecht. Also probierte er es mit einer Pistole. Dazu stellte er sich schräg ans Fenster, damit die Kugel nicht auf ihn zurückprallte, zog seine Kapuze hoch, drehte den Kopf beiseite und schloss die Augen. Drei Schüsse gab er ab, bis er hörte, dass Scherben zu Boden fielen.

Schließlich trat er gegen die Scheibe, woraufhin weitere Splitter auf den Boden klirrten, allerdings blieb das Sicherheitsnetz intakt. Er trat fester zu, aber der Draht hielt stand. Das frustrierte Cooper, ehe ihm das Multifunktionswerkzeug aus dem Waffengeschäft wieder einfiel. Binnen weniger Sekunden hatte er den Draht damit durchschnitten und kletterte ins Gebäude. Die Schlüssel der Fahrzeuge hingen an Haken hinter einer Theke.

Nach Verlassen des Büros, stieß er auf die wandelnde Leiche eines Wächters. Dieser torkelte auf ihn zu, doch Cooper hatte genügend Zeit, um erneut seinen Schlagstock zu zücken und ihm den Schädel zu zertrümmern. Während der Tote stürzte, bemerkte Cooper einen fetten Wachmann, der sich ihm näherte. Er sprang in einen Wagen und startete ihn. Der Bolide erwachte mit einem tiefen Brummen zum Leben. Als der dicke Wächter das laute Geräusch hörte, stand er gerade vor dem Wagen und drehte sich zur Windschutzscheibe um.

»Sorry, Sportsfreund«, sagte Cooper, legte den Schaltknüppel in Fahrstellung und gab Gas. Das Fahrzeug machte einen Satz nach vorne, woraufhin der Fettklops unter die Räder geriet.

Nachdem Cooper die Hauptstraße erreicht hatte, die unter der Brücke durchführte, bog er nach rechts ab. Bald fräste er sich durch ein Meer aus Leibern. Das Plock-Plock-Plock von Schädeln krachte gegen die Motorhaube. Dass er die Zombies überrollte, machte sich in dem schweren Vehikel kaum bemerkbar.

Cooper musste nach einer Weile langsamer fahren, da der Andrang zunahm. Plättete er mehrere Untote auf einmal, wurde es unangenehm holprig, und die Reifen drehten durch. Während die Zahl der Zombies wuchs, kamen ihm Bedenken, er könnte es vielleicht nicht bis zu Lisa zu schaffen und sich selbst in eine ähnliche Zwangslage bugsieren. Dennoch kämpfte er sich weiter vor, so behutsam wie möglich.

Diese Strategie behielt er bei, bis er die Kreuzung erreichte, an der Lisa stand. Sie machte ein bestürztes und gleichzeitig erleichtertes Gesicht, während sie Cooper winkte. Er fuhr möglichst dicht neben dem Minivan vor und ließ seine Scheibe herunter. Die Toten konnten sich zwar nicht zwischen die beiden Wagen zwängen, brachten sie aber zum Wackeln.

Lisa öffnete ihr Fenster zur Hälfte. »Wir sind hier, um dich zu retten«, rief sie freudestrahlend. Ana saß am Steuer und winkte ihm.

Cooper schmunzelte bloß. Nachdem er sich den Minivan angeschaut hatte, wusste er, dass er die beiden nicht sicher herausholen konnte, solange sie auf der Kreuzung standen.

»Passt auf, ich werde eure Kiste von hier wegschieben. Seht euch nach einer Stelle um, an der ihr gefahrlos aussteigen könnt. Ich habe aber noch keine Ahnung, wie das klappen soll.«

»Ich weiß was«, bemerkte Ana. »Fang schon mal an, uns zu schieben.«

Cooper setzte mit dem Krankenwagen zurück, um sich genau hinter den Van zu stellen. Ein paar Zombies wollten nicht weichen, also wurden sie vorm Kühler eingequetscht, während er schob. Sie schienen nicht wahrzunehmen, dass sie erdrückt wurden. Der kraftvolle Motor hatte keine Schwierigkeiten damit, das kleinere Fahrzeug zu bewegen.

Ana passte jeweils die Richtung an, während Cooper sie mehrere Häuserblocks weit schob. Dann lenkte sie in eine Tankstelleneinfahrt ein und steuerte eine Waschanlage an. Sie verschwand darin, während Cooper schnell ans andere Ende fuhr, ehe die Toten dort hingelangten.

Die beiden Frauen kamen heraus, gerade als er eine der Hecktüren aufstieß. Da stöhnte ein Zombie sehr nahe. Er kam um die Ecke der Waschanlage und steuerte direkt auf Lisa zu.

Ein Arm schnellte an ihr vorbei, und der Schädel der Leiche klaffte in der Mitte auf. Ein Brocken verwesenden Fleisches klatschte gegen ihre Wange.

»Das war zu knapp«, sagte sie, als sie sich Cooper zukehrte.

»Ja, er hätte dich beinahe erwischt.«

»Nein, ich meinte, das war zu knapp.« Lisa zeigte auf die Hirnmasse an ihrer Wange. »Zu dicht an meinem Mund.«

Ana brachte einem breiten Streifen Stoff aus dem Krankenwagen. Diesen gab sie Lisa, damit sie sich das Gesicht abwischen konnte. Cooper nahm einen Zipfel zur Hand, säuberte seinen Schlagstock und schob ihn wieder zusammen. Zwei weitere Zombies erschienen hinter der Waschanlage.

»Verdammt, wofür hab’ ich das Ding jetzt sauber gemacht?« Er zog den Schlagstock wieder auseinander, knöpfte sich einen stämmigen Schwarzen vor und drosch auf dessen Kopf. Der Kerl kippte um wie ein Kegel. Sogleich schwenkte er mit seiner Waffe zur kleineren der zwei dreckigen Gestalten um. Der Stock traf deren Schädel mit einem lauten Knall, brach ihn aber nicht auf. Der Zombie näherte sich weiter. Cooper war sich so sicher gewesen, ihn zu fällen, dass er gar nicht auf den Angriff gefasst war.

Die Tote packte seine Schultern. Diese Biester waren verblüffend stark. Cooper hatte zu wenig Platz, um den Stock zu benutzen oder den Zombie wegzutreten, also drückte er mit beiden Händen gegen seinen Brustkorb. Er hörte es krachen, während sein Gegner fester zerrte und sich bemühte, seinen Mund dichter an die verführerische Mahlzeit zu führen.

Unverhofft gaben seine Rippen nach, sodass Coopers Hände im Hohlraum der Brust verschwanden. Er spürte die rauen Bruchstellen der Knochen, während die Organe über seine Finger glitschten und schwarze Flüssigkeit an seinen Armen herunterströmte. Die Tote drängte weiter, war nur wenige Zoll von seinem Gesicht entfernt, zischte und klapperte mit dem Gebiss. Cooper bemerkte mit Schrecken, dass er gleich die Rippen am Rücken durchstoßen würde.

Plötzlich erschlaffte die Tote und sackte auf dem Boden zusammen. Cooper wich zurück.

Lisa hielt eine seiner Pistolen in der Hand und ließ sie wieder fallen, sodass sie an ihrem Gurt baumelte. »Da kommen noch mehr. Wir müssen abhauen.«

Sie stiegen in den Wagen. Cooper nahm auf dem Fahrersitz Platz und griff zum Lenkrad. »Danke, dass du mir das Leben gerettet hast«, sagte er zu Lisa, während er das Fahrzeug zurück in Richtung 101 manövrierte.

»Ich war dir etwas schuldig, bin ich noch immer.«

Ein paar Minuten später fuhren sie auf eine weitere Überführung zu. Sie kamen nur beschwerlich voran, weil die Zahl der Toten wuchs. Langsam drückte Cooper sie beiseite, nicht ohne immer noch viele zu überfahren. Auf einmal blieb er stehen und schaltete den Motor ab.

»Was hast du vor?«, fragte Ana.

»Ich dachte, ich hätte was gehört – einen Motor, Motorräder vielleicht.« Sie blieben still sitzen. Während sie lauschten, begannen die Toten, sich von ihnen zu entfernen, um zum Highway zu ziehen.

Nach wenigen Augenblicken hörten sie ein Brummen aus der Ferne. Während es anschwoll, wurden die Zombies unruhiger. Sie strömten auf den Lärm zu.

Das Brummen ging von mehreren Motorrädern aus, die den Highway herunterrasten. Die Toten liefen direkt auf das Geräusch zu. Während sie zwischen die Gebäude drängten und verschwanden, wartete Cooper noch etwas, bis die Luft rein war. Dann betätigte er die Zündung erneut. Wenige Tote drehten sich wieder um, doch das Röhren zog die Mehrheit von ihnen stärker an.

Cooper nutzte die Gelegenheit und sie setzten sich einige Meilen weit ab. An einem großen Geschäftspark hielt er an. Hier waren keine Toten zu sehen und keine Motorräder mehr zu hören. Nachdem er den Motor ausgeschaltet hatte, blieben sie eine Weile ruhig sitzen und horchten. Alles war still.

»Was jetzt?« Ana schaute sich um. Sie glaubte noch nicht, dass sie sicher waren.

Cooper kratzte sich am Kinn. »Ich denke, wir sollten über Nacht hierbleiben – uns ausruhen und entscheiden, was wir als nächstes tun.«

Seine Begleiterinnen pflichteten ihm bei.

»Was mir vorschwebt, wird euch allerdings nicht gefallen. Es wird hart sein, aber notwendig, schätze ich.«