KAPITEL 28
MANHATTAN – HOTEL MANDARIN ORIENTAL
Nie zuvor war Torben in einem so exklusiven Hotel wie dem Mandarin Oriental New York gewesen. Schon die weitläufige helle Lobby mit ihrem dunklen Marmorboden wirkte überwältigend auf ihn. Und hier sollte er untergebracht werden?
Nachdem die beiden Agenten, die ihn am Flughafen abgeholt hatten, am Empfangstresen mit den Formalitäten fertig waren, begleiteten sie Torben in die 54. Etage. Neben der Tür, vor der sie haltmachten, hing ein diskretes Schild mit der Aufschrift Taipan Suite.
»Um neunzehn Uhr werden wir Sie abholen und zum Kongresssaal bringen«, sagte einer der Agenten, während er die Tür mit einer Chipkarte öffnete. »Und nur, dass Sie nicht auf dumme Gedanken kommen: Rund um die Uhr werden wir hier Wache halten.«
Das war eine klare Ansage. Auch in diesem exquisiten Hotel blieb Torben ein Gefangener. Neugierig betrat er die Suite und pfiff durch die Zähne. So viel kühle Eleganz, so viel Platz, so viel Luxus auf einmal hatte er selbst in einem Hotel dieser Kategorie nicht erwartet.
Sobald die Tür hinter ihm ins Schloss gefallen war, nahm er sein neues Domizil auf Zeit genauer in Augenschein. Vom großen Wohnsalon aus hatte man einen atemberaubenden Blick auf die Skyline Manhattans und den Central Park. Abgesehen vom Salon, gab es zwei Schlafzimmer, zwei Badezimmer sowie eine Gästetoilette. Alles in allem mochte die Suite etwa hundert Quadratmeter groß sein. Und das alles für ihn allein!
Während er seinen kleinen Palast und die Pracht der Räume bewunderte, fragte Torben sich, warum man ihn plötzlich so gut behandelte. Es war obskur, verrückt. Sicher würde er bei dem kleinsten Fehler wieder aus diesem Paradies vertrieben werden. Wie bei seiner ersten Begegnung mit diesem unberechenbaren Mann, könnte alles in Sekunden umschlagen, und er würde gefoltert oder gar getötet werden. Er traute Clark jederzeit eine Überreaktion zu, die sein Schicksal besiegeln würde, und das wäre in dem Augenblick, in dem er ihm nicht mehr nützlich erschien.
Was wollte Clark mit dieser Suite bezwecken? Ihn mit der Aussicht auf ein luxuriöses Leben bestechen? Ihn in Sicherheit wiegen?
Das Doppelbett in einem der Schlafzimmer war mit einer sonnengelben Seidendecke verhüllt, darauf lagen zwei Nackenrollen, die mit goldfarbener Seide bezogen waren. Vor der bodentiefen Fensterfront stand ein Mahagonitisch mit einer Messinglampe, deren weißer Schirm das Licht warm abblendete. Weinrot gemusterte Vorhänge rundeten das edle Ambiente ab. Nur eines fehlte: ein Laptop, wie es in solchen Hotels üblich war. Clark hatte auch daran gedacht, ihn vom Internet auszusperren.
Auf dem Bett entdeckte Torben einen dunklen Anzug, einen Karton mit nagelneuen schwarzen Boss-Schuhen, Größe 44, ein schneeweißes Hemd, eine silberne Krawatte, Boxershorts und einen Breitling-Chronometer. Daneben lag ein kleiner Umschlag mit einer Karte.
Ziehen Sie das bitte an. Sie werden später verstehen, warum.
June Madlow
Überrascht schaute er an sich herab. Warum waren Jeans und T-Shirt plötzlich nicht mehr gut genug? Ob das an dem dubiosen Kongress lag, von dem June Madlow erzählt hatte?
Während er noch darüber nachdachte, zog er sich aus und ging ins angrenzende Bad, das mit den Blumenbildern an der weißen Tapete fast wohnlich wirkte. Die Dusche war so geräumig, dass eine Großfamilie darin Platz gefunden hätte. Erschöpft lehnte er sich an die Wand der Duschkabine und hielt sein Gesicht in den heißen Wasserstrahl. Wenn auch nur ein paar Meter zwischen ihm und seinen Bewachern lagen, immerhin hatte er endlich einmal so etwas wie einen Hauch Privatsphäre.
Mit einem Handtuch um die Hüften kehrte er ins Schlafzimmer zurück. Zögernd betrachtete er noch einmal das Outfit, das June für ihn bereitgelegt hatte. Dann kleidete er sich mit geradezu meditativer Konzentration an und musterte sich anschließend im Badezimmerspiegel.
Alles saß perfekt. Selbst die Schuhe passten wie angegossen, als ob man heimlich seine Füße vermessen hätte. Der feine Stoff des Hemds schmiegte sich weich an seine Haut, der schwarze Anzug schimmerte edel. Zusammen mit der silbergrauen Seidenkrawatte und der teuren Uhr wirkte er jetzt wie ein wohlhabender Unternehmer oder ein Topbanker. Es war, als hätte er eine neue Identität angenommen. Unwillkürlich musste er lachen. Wenn Nova mich jetzt so sehen könnte!, dachte er. Vermutlich würde sie die Hände über dem Kopf zusammenschlagen, dass ich die Uniform des erklärten Klassenfeinds trage.
Nur widerstrebend gestand sich Torben ein, dass ihm gefiel, was er im Spiegel sah. Kleider machen Leute, hatte seine Großmutter immer gesagt. Nichts erinnerte mehr an den abgerissenen Nerd, der normalerweise in Secondhand-Läden einkaufen ging. Gehörte das zu Clarks Spiel? Wollte er ihn tatsächlich mit dieser Suite und den feinen Klamotten davon überzeugen, dass es sich lohnte, überzulaufen? Gleichzeitig fühlte er sich wie verkleidet. Der geschniegelte Typ im Spiegel, das war nicht er.
Nachdenklich ging er in den Salon und ließ sich auf eine weiche Couch fallen. Im Grunde war die Situation völlig grotesk. Innerhalb von drei Tagen war er nun zum dritten Mal mit einer neuen Strategie behandelt und zum dritten Mal neu eingekleidet worden. Zumindest Letzteres war ein Aufstieg.
Aus Stockholm flüchtete er wie ein Penner. In Hamburg konnte er sich etwas leisten, das ihm wieder das Gefühl gab, ein Mensch zu sein, und jetzt? Sollte er den Yuppie spielen? Aber wer war er? Noch nie drängte sich ihm diese Frage so auf wie jetzt. Wo gehörte er hin? Zu Kilian, der ihn mal eben wie ein Stück Scheiße an die Bullen verraten hatte? Sicher nicht! Und Nova? An sie wollte er jetzt gar nicht denken.
Er schob seine Fragen beiseite. Das geschmackvolle Ensemble, das er jetzt trug, könnte das Werk von June Madlow sein. Auch wenn es zweifellos zur veränderten Taktik gehörte, war es zugleich eine ungewöhnlich intime Geste. Nie zuvor hatte eine Frau Boxershorts für ihn gekauft. War sie es oder nur ein Standardprogramm irgendwelcher Agenten, die glaubten, das perfekte Manipulationsprogramm für Torben zu kennen?
Er nahm sich eine Cola aus der Minibar und trank sie direkt aus der Flasche. Komisch, er wurde einfach nicht schlau aus June. Ihr Job war es, Menschen auszuspionieren, vielleicht sogar zu töten. Doch es lag außerhalb seiner Vorstellungskraft, dass es ihr Spaß machen könnte, das Leben anderer zu zerstören. Wer war June Madlow? Sein Engel oder seine Henkerin?
Ein Gefühl der Einsamkeit übermannte ihn. Verloren sah er aus dem Fenster in den bereits grünenden Park, der vom Moloch Manhattan wie umzingelt wirkte. Ihm fehlte seine gewohnte Umgebung, ihm fehlte Nova und sogar Kilian. Nichts hätte er sich jetzt sehnlicher gewünscht, als wieder bei Saicom zu sitzen, irgendwelche Codes zu durchleuchten oder mit Nova in der Küche zu tratschen.
Die Isolation machte ihn halb wahnsinnig.
Jetzt wurde ihm bewusst, was Freundschaft wert ist und wie verletzt er sich durch Kilians Verrat fühlte. Enttäuschung gehörte wohl zum Leben. Aber er hatte zu wenig Freunde, um die Enttäuschung einfach wegzustecken und jemanden abzuschreiben. Ein Lichtblick blieb ihm noch: Nova.
Es klopfte. Er rückte seine Krawatte zurecht und stand auf.
»Mr. Arnström, es ist Zeit.«
Der kurze Moment der Entspannung war vorbei.
Der Ball Room des Mandarin Oriental war imposant. Torben schätzte, dass er gut siebenhundert Gäste fasste. Seine Bewacher schleusten ihn durch einen streng abgeschirmten Kontrollbereich, wo jeder Gast seine Anmeldebestätigung vorzeigen musste, denn der Kongress war nur für akkreditierte Teilnehmer zugänglich. Vor jedem Eingang stand zusätzliches Sicherheitspersonal, das die Ausweise überprüfte.
Als er die Kontrollen passiert hatte, kam June Madlow ihm entgegen. Das figurbetonte dunkelgraue Kostüm und ihr hochgestecktes Haar ließen sie weicher und weiblicher erscheinen. Eine ganz neue June.
»Ich muss zugeben, Sie gefallen mir ziemlich gut in dem Anzug.«
Ihr Tonfall war weitaus wärmer als noch am Morgen. Sie ergriff Torbens Hand und zog ihn an den fast voll besetzten Stuhlreihen vorbei bis ganz nach vorn, wo man zwei Plätze für sie reserviert hatte. Der Raum war von vielstimmigem Gemurmel erfüllt. »Kommen Sie, setzen Sie sich.«
Auf Anzugtypen steht sie also, dachte er. Aber was hatte er auch erwartet? Dass sie Männer in zerrissenen Jeans und verwaschenen T-Shirts mochte? Mürrisch platzierte er sich neben sie und betrachtete seine Schuhspitzen. Er vermisste schon jetzt seine abgelaufenen Sneakers, in denen er sich wesentlich wohler fühlte.
»Was soll meine Verkleidung?« fragte er kühl. »Wen wollen Sie damit beeindrucken? Mich oder die Kongressteilnehmer?«
»Warten Sie’s ab. Ich habe Ihnen doch gesagt, dass wir heute Abend mit Direktor Clark zum Essen verabredet sind. Und zwar in einem der besten Restaurants von New York.«
»Wozu? Ich habe keinen Schimmer, was er von mir will.«
Sie legte warnend einen Finger an die Lippen. »Psst, später.«
Eine Lautsprecherstimme bat alle Anwesenden, Platz zu nehmen. Als Ruhe eingekehrt war, erklomm ein älterer Mann mit kurzem, grau meliertem Haar und blauem Sakko das Podest mit dem Rednerpult, das an der Stirnwand des Saals aufgebaut war. Auf einer Leinwand hinter ihm leuchtete eine Zusammenfassung der Themen auf, die an diesem Tag bereits behandelt worden waren. Es ging um das Ausspähen von Daten, Verstöße gegen den Jugendschutz, Identitätsdiebstahl und Urheberrechtsverletzungen. Weitere Programmpunkte waren Cyber Mobbing, Wirtschaftsspionage und Volksverhetzung sowie das Verbreiten von Kinderpornografie.
Der Mann hinter dem Rednerpult stellte sich als leitender Angestellter des Pentagons vor. Die Themenliste an der Wand, so sagte er, sei kaum von Interesse im Vergleich zu den wirklich brisanten Attacken, die die Weltwirtschaft und ganze Nationen bedrohten. Eingehend schilderte er die Gefahren durch fremde Regierungen und kriminelle Hacker. Für Torben war all das nichts Neues. Gelangweilt kritzelte er auf dem Notizblock herum, den die Organisatoren des Kongresses auf den Stühlen verteilt hatten. Doch dann hob er alarmiert den Kopf.
»Solange wir nicht ausmachen können, ob ein Angriff aus dem Netz militärisch oder politisch intendiert ist, gilt eine neue Richtlinie des Pentagons«, verkündete der Redner gerade. »Hackerangriffe wie zuletzt an der Wall Street oder beim Diebstahl der Blaupausen des Stealth-Kampfjet 35 erfordern deutlich härtere Maßnahmen!«
Alle Teilnehmer hörten plötzlich gebannt zu. Die meisten hatten bis jetzt auf ihren Smartphones herumgetippt oder sich leise mit ihren Sitznachbarn unterhalten.
»Jedes Land, jede Person muss ab sofort mit empfindlichen Strafen rechnen«, fuhr der Pentagon-Beamte fort. »Wer zum Beispiel versucht, unsere Krankenhäuser oder unsere Energieversorgung durch einen Cyberangriff lahmzulegen, wird ohne Vorwarnung militärisch angegriffen.«
Die Drohung war unmissverständlich: Ab jetzt würde der Staat mit aller Macht zurückschlagen. Prompt reagierte ein jüngerer Mann in der ersten Reihe auf dieses demonstrative Säbelrasseln.
»Sir, schießen Sie hier nicht mit etwas zu großen Kanonen auf die Spatzen?«
Der Mann hinter dem Rednerpult machte eine abwehrende Handbewegung. »Absolut nicht. Wer unsere Rechnernetzwerke infiltriert, kann auch einen digitalen Erstschlag führen. Verstehen Sie. Ein digitaler Erstschlag hätte heute mindestens die gleichen dramatischen Auswirkungen wie eine Atombombe. Dieses Risiko dürfen und werden wir nicht eingehen.«
June Madlow tippte Torben auf die Schulter. »Verstehen Sie jetzt endlich, auf was für ein gefährliches Terrain Sie sich begeben haben?«
Allerdings, dachte Torben. Hacker wie Jackson würden ab jetzt als Terroristen abgestempelt werden. Ihr Leben war in Gefahr. Daran würde vermutlich auch sein Programm nichts ändern. Im Gegenteil, schließlich setzte es auf rückhaltlose Transparenz. Auf diese Weise geriet jeder, aber auch wirklich jeder noch so harmlose Hacker ins Visier der Staatsmacht. Langsam begriff Torben, dass Peter vermutlich vor einer Strategie warnen wollte, einen Teil der Bevölkerung komplett zu überwachen und jede Opposition ein für alle Mal mundtot zu machen. Er überlegte, dass er dringend irgendwie ins Internet gelangen und eine Warnung absetzen musste. Doch wie sollte er das schaffen? Seit seiner Ankunft in New York hatte man ihn nicht eine Sekunde aus den Augen gelassen. Für Clark war er ein Cyberterrorist. Seine Freiheit, vielleicht sogar sein Leben, hing von einem Countdown ab, dessen Ende absehbar war. Sobald dieser Miles das Spygate entschlüsselt hatte, gab es keine Hoffnung mehr. Dann wäre sein persönliches Ablaufdatum erreicht. Er würde hingerichtet werden, und das auch noch ganz legal!
Der Pentagon-Beamte holte noch weiter aus. »Wie sollen in einer gehackten Produktionsstraße noch Autos gebaut werden? Wie viel Geld geht verloren, wenn der Börsenhandel auch nur für einen weiteren Tag ausfällt? Sie alle hier wissen, dass es keine Alternative zu den neuen Maßnahmen gibt. Wir hängen einfach schon zu tief drin. Unsere gesellschaftlichen, politischen und vor allem ökonomischen Strukturen sind unmittelbar von einem sicheren Internet abhängig.«
Torben beobachtete das Publikum und wunderte sich über dessen Passivität. Warum protestierte hier niemand?
»Das ist der Gipfel des Zynismus«, flüsterte er. »Die Geheimdienste haben die Computerkids doch geradezu provoziert, Programme aufzuspüren und zu analysieren. Und alle sind drauf reingefallen.«
»Selbst schuld«, flüsterte die Agentin zurück.
Er schüttelte den Kopf. »Die Verlockung ist so groß, als wenn ein offener Ferrari mit Zündschlüssel an einer menschenleeren Straße steht.«
»Was wollen Sie eigentlich damit sagen?«
»Mehr als die Hälfte aller Viren im Netz stammen von Jugendlichen oder Black-Hat-Hackern«, erklärte Torben leise. »Für die waren hochkomplexe Viren wie Flame oder Stuxnet doch eine Einladung. Es reichten ein paar Änderungen, und schon waren neue Viren auf der Reise und verunsicherten die digitale Welt. Die aktuelle Bedrohung ist doch hausgemacht. Eine Inszenierung der Geheimdienste. Und ein perfekter Vorwand für die totale Überwachung.«
June Madlow schwieg.
Findet sie meine Sichtweise dumm oder ist sie nachdenklich geworden?, fragte sich Torben, während er sie verstohlen ansah.
»Jetzt mal Klartext«, versuchte er, ihr Schweigen zu brechen. »Was soll dieser Kongress? Das alles ist doch nur ein Ablenkungsmanöver.«
Zu Torbens Überraschung stand sie unvermittelt auf. »Kommen Sie, gehen wir hinaus.«
Er folgte ihr in einen kleinen Konferenzraum, der gegenüber des Ball Rooms lag. Dessen unpersönliche, nüchterne Atmosphäre wurde nur durch ein paar silberne Schalen mit weißen Orchideenpflanzen aufgelockert. Die Agentin setzte sich in einen der gepolsterten schwarzen Ledersessel, die um einen ovalen Tisch gruppiert waren.
»Ich weiß nicht, was mit Ihnen los ist!«, platzte es aus ihr heraus. »Sie tun so, als würde Sie das alles nichts angehen. Ich habe Ihnen heute Morgen gesagt, was Sie erwartet, wenn Sie sich weiter gegen uns stellen.«
Torben verdrehte die Augen. »Guantanamo oder elektrischer Stuhl. Und Sie finden das lustig, was?«
»Ich kann nichts für Sie tun«, sagte June abweisend. »Ich mache nur meinen Job und bin nicht dazu da, Sie zu irgendetwas zu zwingen.«
Unschlüssig stand Torben vor ihr. Er wusste nicht, wie er sich verhalten sollte. Doch sein Instinkt sagte ihm, dass er das Unmögliche versuchen und June Madlow auf seine Seite ziehen musste.
»Hören Sie, ich habe Ihnen die Wahrheit gesagt.« Er begann auf und ab zu gehen. »Ich weiß von Norris nicht viel mehr als alle anderen. Nur aus diesem Grund habe ich mich in die CIA-Datenbank gehackt. Ich wollte erfahren, was wirklich hinter seiner Person steckt.«
Die Agentin verzog unwillig den Mund, dann erhob sie sich. »Ich begleite Sie jetzt besser in Ihr Zimmer. Sie werden später abgeholt und …«
»Warum sagen Sie mir nicht, was ich angeblich von Norris erfahren haben soll? Ich komme doch sowieso nicht mehr aus der Sache raus! Oder wissen Sie es selbst nicht?«
»Verdammt, gar nichts weiß ich darüber.«
Mit einer fahrigen Geste fasste sie sich ins kunstvoll aufgesteckte Haar.
Bingo, dachte er. Das ist ihre Achillesferse. Selbst diese Topagentin war also nicht in alles eingeweiht. Und das wurmte sie.
Torben witterte eine Chance. »Sehen Sie, mir geht es nicht anders. Vielleicht hat Norris mich nur benutzt, mir bewusst nicht gesagt, worum es ging.«
Im selben Augenblick erschrak er über seine eigenen Worte. Dies war die bittere Wahrheit. Er musste davon ausgehen, dass Peter ihn missbraucht hatte. Hilflos sah er die Agentin an.
Sie wich seinem Blick aus.
Torben beschloss, aufs Ganze zu gehen. »Fragen Sie sich eigentlich nie, was hinter Ihren Aufträgen steht?«
Verdrossen starrte sie ihn an. Dann sagte sie statt einer Antwort: »Schluss jetzt. Ich bringe Sie nach oben. In einer Stunde brechen wir auf ins Restaurant.«
Doch so leicht ließ sich Torben nicht abspeisen. Er stemmte die Arme in die Hüften und schob angriffslustig sein Kinn vor.
»Hey, ich habe Sie etwas gefragt.«
Seine aggressive Körpersprache war ihr sichtlich unangenehm. Sie wich einen Schritt zurück, als würde sie mehr Raum brauchen, um Torben zu entgegnen.
»Ich habe es weit gebracht in diesem System. Es hat mich gefördert, und ich habe davon profitiert! Doch ich sage Ihnen noch etwas: Es hat keinen Sinn, das System verändern zu wollen. Irgendwann werde ich diese Arbeit hinter mir lassen. Das Leben ist kurz. Ich will es in vollen Zügen genießen, wenn ich hier fertig bin.«
Sie drehte sich abrupt um und stöckelte aus dem Konferenzraum.
Erschüttert über so viel Gleichgültigkeit und Egoismus, senkte Torben den Kopf. Schweigend folgte er der Agentin auf den Flur. Sein Leben würde vermutlich weitaus kürzer sein als ihres, wenn er weiter in den Fängen der CIA blieb. Er musste fliehen, irgendwie. Vielleicht könnte er zumindest die schwedische Botschaft erreichen. Doch wie sollte er das anstellen?
Auf dem Flur warteten schon seine beiden Bewacher, bereit, ihn und June in die Suite zu bringen. Sie waren durchtrainiert und bewaffnet, zwei gut ausgebildete Muskelberge, die nicht zögern würden, Gewalt anzuwenden. Er musste es schlauer anstellen. Aber wie?