KAPITEL 16

NEW YORK CITY

Noch immer stand Torben wie vom Donner gerührt vor dem Fremden. Er hatte nie ein Foto im Netz hinterlassen, war in keiner Social Community. Und das aus gutem Grund.

Nur für den Sicherheitsausweis bei Saicom hatte er sich fotografieren lassen.

»Woher weißt du, wer ich bin?«

»Berufsgeheimnis«, grinste der Farbige. »Wir haben dich schon länger auf dem Schirm. Du bist nicht der Einzige, der was draufhat. Ich bin übrigens Jackson.«

Abweisend verschränkte Torben die Arme vor der Brust. »Okay, Jackson, was willst du von mir? Aber mach’s kurz.«

Der Farbige checkte die Straße und den Bürgersteig, bevor er weitersprach. »Die kurze Version existiert leider nicht. Lass uns ins Restaurant gehen, da sind wir sicherer als hier draußen.«

Er ging vor. Torben folgte ihm widerstrebend. Immerhin, solange sie sich in der Öffentlichkeit befanden, konnte ihm nicht viel passieren.

Das Trinity Place war ein piekfeines Lokal, das sah Torben auf den ersten Blick. Die violett gestrichenen Wände und das schwarze Mobiliar schufen eine minimalistische, aber auch angenehm cleane Atmosphäre.

Sofort kam ein Ober im schwarzen Anzug mit Fliege auf sie zu.

»Haben die Herren reserviert?«

»Selbstverständlich, auf den Namen Miller, Frank Miller«, erwiderte Torbens Begleiter lässig. »Ich hatte um einen ruhigen Tisch gebeten.«

Der Ober verzog keine Miene, während er auf seinem iPad die Reservierungen durchging. »Natürlich, folgen Sie mir bitte.«

Durch nichts ließ er erkennen, dass er den hochgewachsenen Gast in seiner martialischen Ledermontur für eine unangemessene Erscheinung in diesem Lokal halten könnte. Er platzierte das ungleiche Duo an einem Tisch, der etwas abseits in einer Nische stand.

Torben sank auf seinen Stuhl. Er spürte einen tierischen Hunger. Das Flugzeugdinner hatte er verschlafen, und seither war an Essen nicht zu denken gewesen. Gierig griff er zu dem warmen Weißbrot, das ein Kellner zusammen mit einer Karaffe Eiswasser brachte.

Jackson füllte die Gläser, dann schob er seine Sonnenbrille auf die Stirn. Seine Augen waren gerötet. Aha, dachte Torben, auch einer, der seine Nächte am Rechner totschlägt.

»Kommen wir gleich zur Sache«, sagte Jackson, nachdem er einen Schluck Wasser getrunken hatte. »Du weißt ja selbst, was du angerichtet hast. Dein Programm und dein Wurm sind sicher der Hammer. Doch das alles durchkreuzt unsere Pläne.«

Torben hörte auf zu kauen. »Welche Pläne?«

Sofort verschwand der freundliche Ausdruck aus Jacksons Gesicht.

»Willst du mich verladen? Du weißt doch, was läuft.«

»Moment mal. Du wolltest was von mir, nicht umgekehrt. Ich habe eine Menge Probleme an der Hacke. Entweder du sagst mir jetzt, worum es sich handelt, oder ich gehe.«

Wieder kam der Kellner. Er reichte ihnen die Speisekarten. Jackson winkte ab.

»Die Karte brauchen wir nicht. Zwei Hamburger New York Style und dazu Diet Coke, bitte. Mein Gast liebt nämlich Hamburger. Und es wäre toll, wenn es schnell gehen könnte.«

Der Ober verneigte sich unmerklich. »Natürlich, Sir. Haben Sie sonst noch einen Wunsch?«

Jackson grinste ihn an. »Ja, ein bisschen Privatsphäre wäre super.« Torben wunderte sich über gar nichts mehr. Offenbar wusste man alles über ihn, sogar seine Essgewohnheiten.

Während sich der Ober zurückzog, begann Jackson das Brot zu zerkrümeln.

»Wir sind so was wie der Club der aufrechten Hacker. Die glorreichen Widerstandskämpfer, wenn du willst. Das System will die Weltregierung, dagegen wollen wir was unternehmen. Aber wenn du als Einzelkämpfer rumturnst, blasen sie dir hier das Hirn schneller weg, als du bis drei zählen kannst. Da kannst du so viel auf coolen Hacker machen, wie du willst.«

Die Burger wurden serviert. Torben ließ das Besteck liegen und aß mit den Händen. Er schmeckte besser als alles, was er jemals gegessen hatte. Kein Vergleich mit den schlappen Fastfood-Dingern, von denen er sich sonst ernährte.

Mit der Stoffserviette wischte er sich den Mund ab. »Dieses Räuber-und-Gendarm-Spiel führt zu nichts. Eure Ambitionen sind bestimmt ehrenwert. Aber ich will mehr: Ich will den Krieg im Netz beenden. Und zwar durch absolute Transparenz. Mein Programm habe ich geschrieben, damit nichts mehr geheim gehalten werden kann. Kein Datenstrom, der verdeckt bleibt. Verstehst du?«

Jackson hatte schweigend zugehört, ohne seinen Burger anzurühren. »Es gibt einige hier, die das nicht witzig finden. Du sabotierst unsere Arbeit. Da verstehen wir keinen Spaß.«

Grollend sah Torben ihn an. »Von Spaß war auch nicht die Rede. Erzähl mir lieber, was für ein komischer Verein ihr seid. Ich denke du bist ein Anonymous. Habt ihr diesen Hackerkonvent organisiert?«

Jackson nickte. Er stürzte die Diet Coke hinunter und wickelte seinen Burger in die Serviette.

»Wir sind alle Anonymous. Schon vergessen? Was ist, kommst du mit? Die Jungs warten schon auf dich.«

Torben kämpfte innerlich mit sich selbst. Sollte er sich darauf einlassen? Oder war das Risiko zu groß?

»Okay«, sagte er schließlich. Hastig schlang er die Reste seines Burgers in sich hinein. »Aber keine miesen Tricks. Es gibt ein paar Leute, die gut auf mich aufpassen.«

Das war reiner Bluff. Torben wollte diesem Jackson nicht das Gefühl geben, dass er sich einfach so auslieferte.

»Lass mal stecken«, erwiderte Jackson lächelnd. Er legte ein paar Geldscheine auf den Tisch und stand auf. »Wir haben nicht vor, dich zu liquidieren.«

Zurück auf der Straße, pfiff Jackson ein Taxi heran und stieg ein.

Torben setzte sich zu ihm auf den Rücksitz und sah in das Gesicht eines Inders, der sich freundlich zu ihm umdrehte.

»Wohin soll die Reise gehen, Sahib?«

»Fordham Street, City Island«, antwortete Jackson. Er lehnte sich zurück und wickelte seinen Burger aus. »Kennst du die Bronx?«

Torben schüttelte den Kopf. Er hatte nur davon gehört. Und er wusste, dass es keine ungefährliche Gegend war.

Der Inder hatte einen höchst eigenwilligen Fahrstil. Unablässig hupend, nahm er anderen Wagen die Vorfahrt, hielt eisern auf Fußgänger zu und drängte Radfahrer an die Bordsteinkante. Der Vorteil dieser Fahrweise war, dass es schnell ging.

Neugierig sah Torben aus dem Fenster, während Jackson seinen Hamburger verspeiste. Als sie den nördlichsten der fünf New Yorker Bezirke erreichten, war Torben überrascht, wie viele architektonische Schmuckstücke es hier in der Bronx gab. City Island wirkte idyllisch, fast wie ein Dorf. Im Vergleich zum Rest der Stadt existierten noch viele Mom&Pop-Stores und kleine Restaurants, die offensichtlich schon seit Jahrzehnten hier ansässig waren.

»Willkommen im Mekka der abgestiegenen Yuppies«, erklärte Jackson im Tonfall eines Fremdenführers. »Hier wohnen Typen, die sich noch vor Kurzem Lofts für zehntausend Dollar im Monat leisten konnten.«

Die Sonne war inzwischen untergegangen. Torbens Mut sank, als das Taxi vor einem heruntergekommenen Backsteinbau aus den Fünfzigerjahren hielt. Die Gegend sah übel aus, ganz anders als noch ein paar Querstraßen zuvor. Wenn ihm hier etwas zustieß, war er verloren.

»Okay, gehen wir in die Hölle«, lachte Jackson, der Torbens besorgte Miene registriert hatte.

Mit gemischten Gefühlen folgte Torben dem Riesen zu einer angerosteten Stahltür. Jackson klopfte mit seiner Faust in einem abgezirkelten Rhythmus dagegen. Als sich die Tür öffnete, wurde Torben von hämmernden Basssounds empfangen. Er erkannte den Beat von Detroit Techno, einer Musik, die ihn durch seine Jugend begleitet hatte. Erinnerungen an die sorglose Zeit in Stockholmer Clubs stiegen in ihm auf. Wie Amphetamine schossen sie durch seine Adern. Er war jetzt richtig aufgekratzt.

Sie gingen eine lange Treppe hinunter, die in den Keller des Gebäudes führte. Unten angekommen, sah Torben eine Halle vor sich, so groß wie ein halbes Fußballfeld. In der Mitte stand ein Turm aus Stahlgittern, auf dem in etwa drei Meter Höhe zwei Glatzen den härtesten Beat auflegten, den er je gehört hatte. Einige Hundert Leute tanzten ausgelassen im zuckenden Schwarzlicht, das ihre Bewegungen wie in Zeitlupe wirken ließ.

Im Halbkreis zog sich ein scheinbar endloser Tresen durch den Raum. Dahinter war ein Dutzend Leute damit beschäftigt, Drinks zu mixen. Auch sie bewegten sich im Rhythmus der alles durchdringenden Sounds, die Torben bis in den Magen spürte.

»Wow«, sagte er anerkennend. »Geile Location.«

Jackson nickte zufrieden. »Aber das ist noch nicht alles. Komm mit.«

Sie wühlten sich durch halb nackte, schwitzende Körper, die wie ein sich gleichmäßig bewegender Schwarm mal zur einen, mal zur anderen Seite schwankten. Alle schienen in Trance zu sein. Menschen in allen Hautfarben, Schwarze, Latinos und Asiaten, manche im Triballook mit Rastalocken, gaben sich selbstvergessen ihrer Ekstase hin.

Am Ende der Halle führte eine Tür in einen weiteren, kleineren Raum. Zwei schwarz gekleidete Typen standen davor, die trotz der schummrigen Beleuchtung Sonnenbrillen trugen. Sie musterten Torben von oben bis unten.

Jackson boxte einen von ihnen auf den Brustkasten.

»Hey, Chui, alles in Ordnung, der gehört zu mir.«

»Egal, trotzdem kommt der hier nicht so einfach rein«, erwiderte der Typ unwirsch. »Und den Rucksack muss er abgeben«, sagte der andere Türsteher.

Torben zögerte. Nur ungern überließ er seinen Rucksack diesen finsteren Gestalten. Auch wenn er alles Wichtige direkt am Körper trug, ihm gefiel die rüde Behandlung nicht.

»Mach schon«, sagte Jackson ungeduldig. »Kriegst alles wieder zurück, versprochen. Oder sind da Goldbarren drin?«

Also gut. Torben hielt seinen Rucksack einem der Türsteher hin, der ihn in einem Regal ablegte. Der andere zog einen Metalldetektor heraus und fuhr damit über Torbens Körper.

»Kein Handy?«, fragte Jackson.

»Liegt in einer Mülltonne in Stockholm.« Jetzt hätte er es gern gehabt. Nur für alle Fälle.

»Okay, der ist sauber«, sagte der Typ mit dem Metalldetektor.

Schon öffnete sich die Tür, und Torben wich unwillkürlich zurück. Der Raum vor ihm wirkte wie eine Höhle. Die Wände waren mit neonfarbenen Graffiti übersät, und an der Decke hing ein Transparent mit dem Emblem von Anonymous. Auf alten Sofas lungerten einige Männer und Frauen herum. Die meisten wirkten abgerissen, aber auf eine kunstvolle Art. Manche trugen düsteren Grungelook, andere zerfetzte Jeans und Logo-Shirts, wieder andere hatten sich Fantasieuniformen aus Second-Hand-Armeekleidung zusammengestellt. Zwischen den Freaks saßen stinknormale Nerds, so unauffällig wie Torben selbst. Auf den Tischen türmten sich Unmengen von Bierdosen, Fastfood-Verpackungen und alten Zeitschriften. Die Luft war stickig und verraucht.

Nicht ganz mein Planet, dachte Torben. Und das nennen die Hackerkonvent?

Jackson zog ihn weiter mit sich zu einem freien Rechner an der Stirnwand.

Sie ließen sich auf zwei abgewetzte Sessel fallen. Jackson ging in einen Blog. Gereizt deutete er auf den Monitor.

»Shit happens.«

Torben riss die Augen auf.

Nach Angaben des Pentagons ist der Rückgang der Internetgeschwindigkeit auf die Attacke eines neuartigen Wurms auf die DNS-Server zurückzuführen. Die Experten rätseln derzeit sowohl über den Sinn und Zweck des Schädlings wie auch über ein verschlüsseltes Programm, das eine bisher unbekannte Zahl von Rechnern weltweit infiziert haben dürfte.

»Das ist wohl dein Programm, du Hirni«, knurrte Jackson. »Na, bist du jetzt zufrieden?«

Torben bekam weiche Knie. Dass Spygate die Geschwindigkeit des Datenstroms derart verlangsamen würde, hatte er unterschätzt. Gebannt starrten sie weiter auf den Monitor.

Seit ein zweites Programm ins Netz gestellt wurde, hat sich die Geschwindigkeit wieder normalisiert. Ein Sprecher des Pentagons sagte, offenbar gebe es bei Anonymous konkurrierende Hacker, die sich gegenseitig bekämpfen. Schon allein das zeige die Notwendigkeit, die Gesetze weiter zu verschärfen.

Schuldbewusst knetete Torben seine Hände. Jetzt war genau das geschehen, was er hatte verhindern wollen: Er selbst hatte den Vorwand für weitergehende Maßnahmen zur Regulierung des Netzes geliefert. Ihm wurde flau. Mit brennenden Augen las er weiter.

Aus dem Pentagon verlautet: Man müsse handeln, bevor sensiblere Bereiche des öffentlichen Lebens betroffen seien. Pat Wimmer vom zuständigen Untersuchungsausschuss im Kongress gab folgende Erklärung ab: »Wer unsere Infrastruktur gefährdet, muss mit Gefängnis oder Bootcamps rechnen. Wir werden nicht tatenlos zusehen, wie Kriminelle das System unterminieren.«

Jackson schloss den Blog. Er griff sich eine der herumstehenden Bierdosen, öffnete sie und nahm einen kräftigen Schluck.

»Tja, sieht ganz danach aus, dass du demnächst in einem Bootcamp übernachtest. Aber jetzt mal im Ernst: Die tun ja so, als müssten sie Fort Knox bewachen. Wer so überreagiert, hat was Brisantes zu verbergen. Klartext: Was kann dein Programm?«

Mittlerweile hatten sich einige Leute um Torben und Jackson geschart. Jeder hier schien zu wissen, wer Torben war. Und dass er hier ein Fremdkörper war, jemand, der nicht dazugehörte.

Torben verzog den Mund. Er dachte gar nicht daran, diesem wilden Haufen seine Geheimnisse anzuvertrauen. Resolut stand er auf.

»War nett hier. Aber ich gehe mal besser.«

»Sorry, du bleibst«, sagte Jackson kalt.

Torben beobachtete entsetzt, dass sich ein paar der Männer vor der Tür postierten. Plötzlich wurde ihm bewusst, wie schutzlos er sich seinem vermeintlichen neuen Freund ausgeliefert hatte. Er musste vollkommen verrückt gewesen sein.

Auch Jackson hatte sich erhoben und tanzte mit der Bierdose in der Hand um ihn herum.

»Ist’n Cooler, ’n Hacker, ’n richtig geiler Checker«, rappte er drauflos. »Pass mal auf, Nerd, du bist raus, Nerd, wenn du diese Scheiße hypst, die Programme weiter schreibst …«

Fassungslos hörte Torben ihm zu. Mein Gott, der Typ war ja völlig durchgeknallt. Ganz abgesehen von den Verschwörungstheorien einer drohenden Weltregierung.

Und ihr wollt die berühmten Anonymous sein?

»Okay, Waffenstillstand«, lenkte Torben ein und schlug mit einer Hand knallend auf den Tisch. »Mit Spygate werde ich den Waffenstillstand sogar erzwingen. In zwei Wochen gibt es keinen Datenstrom mehr, dessen Herkunft und Ziel nicht sofort sichtbar ist.«

Jackson fing an zu lachen. »Spygate – hübscher Name. Sonst noch was, Mr. Größenwahn? Du hast eine neue Programmiersprache entwickelt, okay. Gute Arbeit. Aber das gesamte Programm? Vergiss es, das hast du nie allein zustande gebracht. Niemand schafft das allein. Also spuck’s aus: Für wen arbeitest du?«

Trotz der bedrohlichen Situation fühlte sich Torben auf einmal überlegen. Er spürte, dass sich die Feindseligkeit der Umstehenden mit Respekt mischte.

»Ich arbeite für niemanden. Ist mein eigenes Ding.«

Jackson hielt inne. »Toll, du Schlauberger. Nicht, dass ich dir das glaube. Bleiben wir bei den Fakten: Die werden das Netz abschalten, die Websites spiegeln und alles neu aufsetzen. Das wird allerdings so lange dauern, dass bis dahin alles zusammengebrochen ist. Die Wirtschaft, die Banken, die Verwaltung. Du bist tot, Mann. Die werden dich so lange grillen, bis du Spygate freiwillig wieder rückgängig machst. Falls sie es nicht selber können.«

»Können sie nicht.« Torben setzte sich wieder in den Sessel und schlug die Beine übereinander. »Der Wurm erschafft sich immer wieder neu.«

In diesem Moment wurde die Tür aufgestoßen. Einer der Türsteher stürmte herein.

»Die Bullen laufen ein!«, schrie er. »Ihr müsst sofort …«

Weiter kam er nicht. Zwei behelmte Männer in schwarzer Uniform stürzten sich auf ihn und rissen ihn zu Boden. Hinter ihnen drängten weitere Angehörige eines SWAT-Kommandos in den Raum.

Das Licht ging aus. Alle kreischten auf. Ein heilloses Durcheinander entstand. Torben spürte, wie ihn jemand mit sich zerrte. Also doch, dachte Torben. Sie sind hinter mir her!

»Lauf, so schnell du kannst«, zischte Jackson ihm zu.

Ohne etwas zu sehen, wühlten sie sich durch den Tumult. Torben drehte sich um. Hinter ihm irrlichterten grelle Lichtkegel durch den Raum. Im flackernden Schein sah er, wie Jackson eine unauffällige Tür aufzog. Sie stolperten in den Keller dahinter. Jackson verriegelte die Tür. Jetzt war es stockdunkel.

»Was hast du vor?«, flüsterte Torben atemlos.

»Die Biege machen, was sonst? Es gibt hier irgendwo ein Fenster!«

Torben hörte das Klirren von berstendem Glas. Er folgte dem Geräusch und kletterte hinter Jackson durch einen Fensterrahmen, den er im Dunkeln ertasten konnte. Hechelnd standen sie in der kühlen Nachtluft. Eine trübe Laterne beleuchtete den vollgemüllten Hinterhof, auf den sie gelangt waren.

Jackson hielt den Atem an und lauschte. Offenbar war ihnen niemand auf den Fersen.

»Ich weiß, dass du kein Bulle bist«, flüsterte er. »Aber vielleicht hattest du die Bullen im Gepäck, als du hierhergekommen bist. Wer zum Teufel ist noch hinter dir her?«

Torben hielt sich an der Mauer fest. Ihm war schwindelig. Jetzt ging alles wieder von vorn los. Nicht nur in Schweden verfolgte man ihn, auch hier.

»Ich bin völlig unerkannt eingereist. Verdammt noch mal, ich arbeite doch auf eigene Rechnung.«

»Darüber reden wir noch. Aber jetzt lass uns abhauen.«

Sie rannten über den Hinterhof auf einen großen, offenen Platz, der zu einem Fabrikgelände führte. Von dort aus erreichten sie eine unbeleuchtete Seitenstraße. Als sie um die Ecke bogen, kam ihnen einer der Türsteher entgegen.

»Chui, wie bist du rausgekommen?«, fragte Jackson entgeistert.

»Frag nicht, aber den Typen hier sollten wir loswerden.« Er deutete auf Torben. »Der ist sicher verwanzt.«

Jackson überlegte nicht lange. Er gab Torben einen kleinen Schubs.

»Hast du nicht gehört? Wir müssen uns trennen. Du kommst schon irgendwie durch. Wir treffen uns morgen um zehn Uhr im Club Cielo, 18 Little West 12th Street. Merk dir die Adresse. Ich häng dort öfter ab, falls wir uns verpassen. Ich kann dich nicht mehr anmailen, die kontrollieren alles. Und jetzt hau endlich ab!«

Geduckt lief Torben los. Als er nach einem weiten Bogen die nächste größere Straße erreichte, rollte ein Polizeiwagen lautlos an ihm vorbei. Er presste sich in den Schatten eines Mauervorsprungs. Der Polizeiwagen fuhr weiter, ohne anzuhalten. Von fern hörte er Sirenen.

Anscheinend war er vorerst in Sicherheit. Am Ende der Straße sah Torben den Schriftzug eines Motels aufblinken. Sein Rucksack war unerreichbar, doch er hatte wenigstens noch das Geld und seine Papiere. Rasch checkte er, ob das Kuvert mit den Dollarnoten noch in der Hosentasche war. Dann fasste er in die Brusttasche seines Hemdes und erstarrte.

Wo ist mein Pass?