V

Das graue Gebäude mit seinen endlosen Reihen gleichförmiger Fenster machte einen bedrückenden Eindruck. Wie ein Zentralkomitee in so einen abweisenden Bau einziehen konnte, schien Lorenz unbegreiflich. Wenigstens tünchen hätten sie ihn können, Zeit genug nach dem Krieg war ja vergangen. Das Neue sollte hell und froh sein. Aber sie ließen das Haus wohl so, wie es die Nazis verlassen hatten. Einst gehörte es der Reichsbank. Nach Geld sah es nicht mehr aus.

Kaden hatte ihn für zehn Uhr bestellt. Offiziell war die Parteizentrale noch nicht bezogen, aber einige Abteilungen des Apparats arbeiteten bereits dort. Lorenz meldete sich an der Pforte und durfte nach einem Rückruf passieren. Er stieg in den Paternoster. Polternd ging es nach oben. Eine Mitarbeiterin wartete schon. Er sah zunächst ihre Schuhe, mit halbhohen Absätzen, dann die Beine; sie trug diese neuen Strümpfe aus dem Westen, die keine Falten zogen. Das dünne Gewebe brachte ihre strammen Waden erst richtig zur Geltung. Nun war er mit den Augen auf Höhe ihrer Knie, die nur zwei Finger breit vom Rocksaum bedeckt waren. Gespannt wartete er auf den Fortgang der Dinge. Doch mit einem Mal ruckte der Kasten kräftig zur Seite und blieb stecken. Tüt, tüt, tüt, erklang das Notsignal. Lorenz starrte die Knie an und wusste einen langen Moment nicht, was zu tun sei.

Die Frau beugte sich nach unten, steckte den Kopf durch die Öffnung und fragte:

«Sind Sie der Genosse aus der Sowjetunion?»

«Ja», antwortete Lorenz, «da scheint etwas kaputt zu sein.»

«Das passiert öfter. Manchmal dauert es Stunden, bis sie das Ding wieder in Gang bringen. Ich habe mir angewöhnt, die paar Treppen zu laufen. Am besten, Sie versuchen, durch den Schlitz zu klettern. Kommen Sie, ich helfe Ihnen.»

Sie streckte die Hand aus, Lorenz war froh, dass Kaden bei der Auswahl seiner Mitarbeiter auf eine kräftige Statur wert gelegt hatte. Fast flog er wie ein Korken aus einer Sektflasche aus dem Paternoster. Er schüttelte sich den Staub von den Händen, bedankte sich für die Hilfe und folgte der Frau über den Flur. Die Genossin hatte nicht nur einen für die Arbeit im Parteiapparat, zumindest so, wie er ihn aus Russland kannte, etwas zu kurzen Rock, sondern der saß auch noch sehr eng. In Moskau wäre das undenkbar. Nicht weil es die Männer gestört hätte. Nein. Die anderen Frauen aber umso mehr, die verdienten Genossinnen, vornehmlich die mit besonders langer Parteimitgliedschaft. Ganze Scharen dieser Hyänen hielten bereits einen Lippenstift, selbst ein Spitzenkrägelchen für bourgeoises Teufelswerk. Dagegen schien Berlin schon sehr nahe beim restlichen Europa.

In Kadens schlauchartigem Büro standen außer dem Schreibtisch nur zwei Stühle und ein Aktenschrank mit halb geöffneten Türen. Als einziger Schmuck blickte das in Goldrahmen gefasste Porträt Walter Ulbrichts von der Wand. Kaden bat den Gast, Platz zu nehmen. Er selbst wälzte seinen Körper in einen abgenutzten Ledersessel.

«So, Genosse Lochthofen, nun erzähl mal, wie sehen deine Pläne aus?»

Lorenz hatte sich auf dem Weg hierher einiges überlegt, aber jetzt, direkt mit der zu erwartenden Frage konfrontiert, war es in seinem Kopf wie leergefegt. Krampfhaft dachte er nach, suchte Zeit zu gewinnen. Sollte er alles erzählen? Die Emigration nach Moskau, die Arbeit in der Redaktion an der Wolga, die Verhaftung, die Verhöre in den Kellern des NKWD, die Schrecken des Lageralltags. Wo sollte er anfangen? Was sollte er besser für sich behalten? Was konnte nützen? Was konnte schaden? Langsam tastete er sich in das Gespräch, von dem vieles, wenn nicht alles abhing.

«Als Erstes möchte ich mich bedanken, dass du dir die Zeit für mich genommen hast.» Er machte eine Pause.

«Das ist doch selbstverständlich.»

Kaden spürte die Unsicherheit seines Gastes, nun konnte er die Dinge selbst in die Hand nehmen. Was sollte ihm dieser Mann schon Neues von dort erzählen? Er kannte all ihre Geschichten, von denen eine unwahrscheinlicher klang als die andere. Kamen die Erzähler doch nicht aus Buchenwald oder Dachau, sondern vom kommunistischen Aufbau aus Karaganda, Magadan oder eben diesem Workuta. Namen, die eher nach einem Abenteuerroman als nach Wachtürmen, Tod und Vernichtung klangen. Nur bei den ersten drei, vier Fällen, damals vor Jahren, hatte er sich Notizen gemacht. Doch das, was er säuberlich mit blauer Tinte zu Papier brachte, Daten, Namen, Marschrouten, Paragraphen und Erklärungen, begann mit der ersten Zeile ein Eigenleben. Mehr als im Gespräch tat sich auf dem Papier eine bedrohliche Welt auf, die im genauen Gegensatz zur offiziellen Propaganda stand. Bald war ihm klar, dass von diesen Menschen, ja noch mehr von seinen Notizen Gefahr, äußerste Gefahr, ausging. Verbrennen, dachte er, am besten alles.

Er schob Lorenz eine Schachtel Orient-Zigaretten zu, die bevorzugte Marke der ostdeutschen Funktionäre, stark, ohne Filter.

«Wie ist es dir ergangen?»

«Nun, wie soll es mir in Workuta ergangen sein? Es war kalt.»

Lorenz zog langsam an seiner Zigarette.

«Es war sehr kalt», fuhr er nachdenklich fort, «aber das ist jetzt Geschichte. Jetzt will ich hier anpacken. Und arbeiten, darauf kannst du dich verlassen, das kann ich. Sonst hätte ich da nicht überlebt. Das werden dir die Genossen, die mit mir dort oben waren, bestätigen.»

«Ja, ja. Du meinst den Genossen Seydewitz und den Genossen Wissusek. Beide haben von dir nur Gutes berichtet. Das hat deine Sache hier beschleunigt.»

Er ließ seinerseits genussvoll den Zigarettenqualm über den Schreibtisch wehen.

«Beschleunigt?», fragte Lorenz mit leicht gereiztem Unterton zurück. All die Jahre der Ungewissheit, der Briefwechsel, der Bitten und Absagen – das nannten die hier «beschleunigt»? Fast wäre er laut geworden, doch er beherrschte sich. Er wusste, dass ihm sein Temperament böse Streiche spielen konnte. Auch wenn er tausendmal recht hatte, er musste jetzt die Nerven behalten.

«Beschleunigt?», wiederholte er das Wort um einige Drehzahlen ruhiger. «Wie man’s nimmt. Es sind über zehn Jahre ins Land gegangen, bis die mich endlich rausgelassen haben. Mein erster Brief an Pieck, gleich nachdem ich das Lager verlassen durfte, muss in den Akten liegen.»

«Nun, du sagst es selbst, das ist jetzt Geschichte», beeilte sich Kaden die unangenehme Wendung des Gesprächs zu beenden. «Du bist jetzt hier. Was schwebt dir vor?»

Ja, was schwebte ihm vor?

Natürlich war Lorenz bewusst, dass er ziemlich spät dran war. Die guten Plätze im neuen Deutschland besetzten längst andere. Es würde enorme Anstrengung kosten, sich nach vorn zu kämpfen, auch wenn er genau wusste, dass viele von denen, die heute in Berlin das große Wort führten, ihm an Erfahrung und Wissen um die Beschaffenheit dieser Welt, vor allem dieser besonderen, von den Russen geprägten Welt, nicht das Wasser reichen konnten. Aber darum ging es nicht. Wer als Letzter kam, musste sich hinten anstellen. So war das. So war das schon immer. Nicht nur im Arbeiter-und-Bauern-Staat. Er kannte die Spielregeln. Trotzdem startete er einen Versuch:

«Ich habe die Universität in Moskau absolviert. Mit sehr gutem Abschluss. Davon habt ihr ja bis heute nicht allzu viele. Ich bin Journalist. Ich habe auch literarisch gearbeitet.»

Lorenz überlegte, ob er etwas von dem Literaturpreis erwähnen sollte. Er ließ es, es schien ihm sinnlos, hier an dieser Stelle.

«Wer weiß, was ohne diesen, na, nennen wir es ‹Abstecher in die Tundra› aus mir geworden wäre? Aber Schreiben ist nicht das Einzige, was ich kann. Ich habe das Bergbautechnikum oben im Norden abgeschlossen. Hier würde man dazu wohl Ingenieurstudium sagen. Mein Vater, ein Bergmann, übrigens seit Gründung Mitglied im Spartakusbund, hätte sich darüber gefreut. Sein Junge an der Universität …»

Lorenz schaute Kaden triumphierend an. Der hatte mit Sicherheit keinen Universitätsabschluss und wälzte sich dennoch selbstgefällig im Sessel, seiner Bedeutung als «Mitarbeiter des ZK der SED» bewusst. Kein Zweifel, wenn solche Typen hier zu etwas kamen, dann war er spät dran.

«Und dann bin ich ja noch Schlosser, und wenn ein Schmied gebraucht wird, bitte sehr, auch das. Zuletzt war ich Oberingenieur eines geologischen Trusts. Die haben Kohle und Öl in der Tundra gesucht. Auch Gold. Bei minus fünfzig Grad – weißt du, was das bedeutet? Eine Bohranlage ohne Ersatzteile zu reparieren, Hunderte Kilometer weit von der nächsten Straße? Das kann nicht jeder. Also, es müsste schon mit dem Teufel zugehen, wenn sich da nicht etwas Passendes findet.»

Für einen Augenblick hielt er inne. Hätte er das mit dem Oberingenieur sagen sollen oder doch lieber schweigen? Sie hatten ihm wenige Monate vor der Abreise gekündigt. Er war arbeitslos, stand nackt da, ohne Verdienst. Arbeitslos in einem Land, in dem es angeblich keine Arbeitslosen gab. Er hatte den Konflikt kommen sehen. Und doch wich er nicht aus, er konnte es einfach nicht. Sein Verstand sagte ihm: Was geht dich die Sache an? Ob die Buchhalterin nun eine saubere Bilanz hat oder nicht, dein Verdienst stimmt. Also halt den Mund.

Aber nein, er folgte nicht seinem Verstand, sondern dem Anstand. Es konnte schließlich nicht sein, dass die draußen in der Tundra um das Nötigste bettelten und in der Zentrale alles doppelt und dreifach gebucht und verschoben wurde. Die Buchhalterin war schlau genug, nicht alles für sich zu behalten. Die gesamte Vertikale nach oben war geschmiert, natürlich, wie man in Russland sagt: direkt auf die Pfote. Jeden Monat eine runde Summe. Jeder in der goldenen Kette gab einen festen Betrag für die Chefs nach oben weiter. So waren alle zufrieden, die zu diesem System gehörten. Deshalb hielten die «Natschalniks» ihre schützende Hand über die findige Frau. Bis dieser Deutsche kam. Ein guter Fachmann war er ja. Aber dass er diese seltsame Art an sich hatte, kein Bakschisch nahm, auch anderen nichts gab, das verdarb alles.

Auf einer Versammlung platzte Lorenz der Kragen. Wieder drucksten alle herum, wieso die Verpflegung für die Geologen so beschissen sein konnte. Da stand er auf und sagte, was auch andere wussten. Der Staatsanwalt schaltete sich ein. Die Frau musste packen. Wenige Tage später auch er.

«Lorenz Lorenzowitsch, das haben Sie nun davon. Warum mussten Sie dem Teufel auf die Hörner kriechen? Jetzt kann Ihnen hier niemand mehr helfen.»

Mehr an Erklärung gab es von Ogijenko, dem Chef, nicht, nur sein schmieriges Grinsen. Wieder einmal stand er vor dem Nichts. Allein das Papier mit der Ausreiseerlaubnis gab ihm Hoffnung. Bis zum November mussten sie aus dem Land sein. Letztlich galt es, ein halbes Jahr bis zur Abreise zu überbrücken. Doch Lena wollte sich mit dem Gedanken noch immer nicht abfinden. Weggehen, neu anfangen, in einem Land, dessen Sprache sie nicht beherrschte und das einem nach diesem Krieg nur unheimlich und abstoßend vorkam? Sie hatten vom Ersparten – 25 000 Rubel, viel Geld – gerade ein Häuschen auf der Krim gekauft. Nicht groß, aber nicht weit vom Meer und mit herrlichem Blick auf Berge und Weinfelder. Konnte man so etwas aufgeben?

Es gab noch einen zweiten starken Grund, nicht nach Deutschland zurückzukehren. Die harte Arbeit im Lager, all die Jahre in der Arktis hatten seiner Gesundheit schwer zugesetzt. Krim-Sonne statt Berlin-Regen, das riet ihm auch sein Lagerfreund Professor Sternberg. Zumal inzwischen die Rente in greifbare Nähe gerückt war, die Arbeitsjahre hinter dem Polarkreis zählten doppelt, das galt auch für ihn. In ein paar Jahren würde er die volle Rente bekommen. Bei seiner Qualifikation wäre dazu ein Nebenverdienst im Dorf auf der Krim sicher kein Problem. Vielleicht ließe sich sogar in der Weinfabrik eine Arbeit als Ingenieur finden. Das Wein-Deputat kannte Lorenz. Sonne, keine Geldsorgen, so ließe sich gut alt werden.

Wäre da nicht dieses Ziehen, diese Unruhe im Innersten. Mit dreiundzwanzig war er nach Russland gegangen, nun war er über fünfzig. Er hatte mehr als die Hälfte seines Lebens in diesem Land zugebracht. Das ihn so herzlich und offen empfangen hatte, um ihn dann umso schlimmer zu erniedrigen und zu quälen. Konnte er sich in diesem Land je wieder sicher fühlen? Nein, das konnte er nicht. Sie würden ihn immer als einen Fremden, als einen «Ehemaligen» betrachten. So sehr er auch versuchte, nicht aufzufallen. Ha, nicht auffallen? Ein Häuschen auf der Krim fiel auf. Als das auf dem Rudnik bekannt wurde, hätte die Zahl der Neider ein Spalier bis zum 1. Schacht bilden können. Und das waren einige Kilometer. Der Deutsche hatte eine Datsche am Meer gekauft. Einige murmelten was von «Besatzer» und fragten: Wer hat eigentlich den Krieg verloren?

Nein, seine Zukunft lag in Deutschland. Für Lorenz stand fest, er würde den ersten Schritt nach Deutschland auch allein gehen. Ob dem ein zweiter, so wie ihn sich Lena vorstellte, dann überhaupt noch folgte, da war sie sich nicht mehr sicher. Ihr Verhältnis schwankte immer mehr zwischen romantischen Momenten und bösen Zerwürfnissen. Wobei Letztere an Oberhand gewannen. Ein Kampf um die Vorherrschaft in der Familie tobte. Lorenz brachte das Geld nach Hause, wofür er Freiheit nach außen und einen gewissen Komfort nach innen erwartete. Seine junge, attraktive Frau, die wenige Jahre nach der Geburt des ersten Sohns mit der Arbeit als technische Zeichnerin aufgehört hatte, konnte ihm das bieten. Wenn sie wollte. Sie war eine meisterhafte Köchin, nähte und stickte wie eine Künstlerin, und galt es, ein Fest auszurichten, waren die Gäste des Lobes voll. Aber immer vorausgesetzt, Lena hatte Lust, das zu tun. Wenn nicht, konnte Lorenz toben, soviel er wollte, sie las einfach weiter in ihrem Buch. Es wurde immer frostiger zwischen ihnen.

Eine vorübergehende Trennung, seine Abreise nach Deutschland, hätte das Ende der Ehe bedeuten können. Lena wollte das nicht riskieren. Und Lorenz war froh, dass sie es nicht auf eine finale Auseinandersetzung ankommen ließ. Beide Kinder hatten einen russischen Pass, er hätte sie zurücklassen müssen. Genau das konnte er sich nicht vorstellen. Er hatte schon einmal ein Kind verloren. Das noch einmal zu ertragen, es auch noch freiwillig zu tun, nein, das kam für ihn nicht in Frage.

 

Kaden wartete darauf, dass sein Gast fortfuhr. Doch der blieb stumm.

«Du verstehst schon, wir müssen erst sehen, wie du tickst.»

Lorenz erwachte aus seinen Erinnerungen.

«Wie ich ticke? Meinst du, ich habe einen Vogel?»

«Nein, nein, um Himmels willen, das wollte ich auf keinen Fall sagen. Aber du musst verstehen, ehe die Partei eine Entscheidung fällt, müssen wir klären …»

«Was müsst ihr?»

«Müssen wir sehen, was deine Stärken sind.»

«Meine Stärken? Das habe ich dir doch gerade gesagt. Ihr braucht nur auszuwählen. Und glaube mir, an meinem Einsatz wird es nicht scheitern. Wer von dort kommt, und du weißt, was ich damit meine, der ist hoch motiviert. Oder glaubst du mir etwa nicht?»

«Natürlich glauben wir dir. Aber du wirst verstehen, die sowjetischen Genossen haben ja nicht nur aus Jux und Tollerei so gehandelt, oft genug hatten auch sie ihre Gründe.»

«Jux und Tollerei? So würde ich das nicht nennen, wenn man für Jahre hinter Stacheldraht eingesperrt wird und ansehen muss, wie anständige Menschen krepieren. Traust du mir nicht? Traut die Partei mir nicht? Du weißt doch, ich habe auf der Fahndungsliste der Nazis gestanden. Und hätten die mich gekriegt, wir würden uns heute hier nicht unterhalten. Übrigens, 1938 wäre es mit der Hilfe der sowjetischen Freunde fast passiert …»

«Nein, natürlich trauen wir dir, wie könnten wir nicht, aber …»

Kaden machte mit dem Bleistift, ohne dass Lorenz es sehen konnte, auf dem Blatt hinter dem Namen Lochthofen ein dünnes, kaum sichtbares Fragezeichen. Der Gesprächspartner ließ gegenüber einem wichtigen Mitarbeiter des ZK eindeutig die nötige Ehrfurcht vermissen. Er hielt den Zeitpunkt für gekommen, den viel zu selbstbewussten Rückkehrer mit harten Fakten zu konfrontieren.

«Was aber?» griff Lorenz die Worte auf.

«Kennst du das?»

Der ZK-Mann schob Lorenz eine Broschüre zu. Ein zerschlissenes Heftchen, sah aus wie ein Groschenroman. Rot und weiß, verziert mit Stacheldraht, Hammer und Sichel. Dazu in fetten Lettern, quer darüber, der reißerische Titel: «Die größte Sklaverei der Weltgeschichte».

«Was habe ich damit zu tun?»

«Das ist eine berechtigte Frage. Was hat das Machwerk mit dir zu tun? Das Heft haben die Nazis in hoher Auflage unter die Massen gebracht. Schmutz und Lügen über die Sowjetunion. Und du kommst auch drin vor.»

«Ich?»

Lorenz schaute das Heft verständnislos an.

«Ja. Du. Lorenz Lochthofen. Als Zeuge. Vielmehr als einer der Zeugen. Kennst du einen Kajetan Klug?»

«Kajetan? Na klar, ein Mitgefangener in Workuta.»

Erst jetzt erkannte er auf der Titelseite unten, in deutlich kleinerer Schrift, den Namen des Autors.

Dass Kajetan die Flucht aus Russland gelungen war, wusste er. Die Mutter hatte Lorenz von einem Brief geschrieben, in dem Kajetan ihr das Schicksal des Sohnes schilderte. Lorenz war dem Freund dankbar, doch er fragte sich auch, wie es Kajetan gelungen war, die Sowjetunion zu verlassen. Von einer Propagandageschichte der Nazis wusste er nichts. Wie auch? Nun galt Kajetan nicht gerade als großer Denker, als geborener Schreiber erst recht nicht. Eher das Gegenteil. Einen Satz aufs Papier zu bringen war für ihn eine Qual. Jetzt sollte der Österreicher ein ganzes Heft vollgeschrieben haben? Da konnte etwas nicht stimmen.

«Da, wo der Zettel liegt, da taucht dein Name auf.»

Kaden stocherte mit dem Finger zwischen den Seiten. Lorenz las. Tatsächlich, der Fall, der dort geschildert wurde, betraf ihn und seine Familie. Schnell überflog er den Text. Auch wenn einiges verdreht, anderes dazugedichtet war, die Grundaussage stimmte.

 

«Ein weiterer erschütternder Fall von Menschenraub in meinem Bekanntenkreis ist das Schicksal der Familie Lochthofen. Dieser Lochthofen war aus seiner Heimat Purscholfen (Rhein) im Jahre 1929 nach Moskau gefahren, um als Arbeiterstudent an der Westuniversität zu studieren. Nach Beendigung seines Studiums wurde er als Redakteur der ‹Deutschen Zentralzeitung› in Moskau eingestellt und von dort aus im Jahre 1935 nach Engels kommandiert zur Übernahme der Leitung der wolgadeutschen Zeitung ‹Der Wolgadeutsche›.»

 

Hier hatte der Autor des Berichts einiges durcheinandergebracht, aber Lorenz hielt sich nicht an Details fest.

 

«Als Lochthofen sich wiederholt weigerte, vom sowjetischen Nachrichtendienst und von der Kommunistischen Partei gelieferte Falschmeldungen über Deutschland zu veröffentlichen, wurde er 1937 verhaftet und ins Untersuchungsgefängnis geworfen, wo er über ein Jahr verblieb. Während seiner Verhöre hat er öfters seine Frau in der Nähe schreien hören und ahnte auf diese Weise, daß sie gleichzeitig mit ihm verhaftet worden war. Man wollte ihn zu dem Geständnis zwingen, daß er im Auftrage der deutschen Regierung im Wolgadeutschen Gebiet Zersetzungsarbeit an der bolschewistischen Idee leisten sollte. Um ihn mürbe zu machen, trug ein Gefängniswärter sein sechs Monate altes Kind wiederholt vor seinen Augen im Gefängnis herum. Als das Geständnis ausblieb, verschickten ihn die G.P.U.-Gewaltigen ohne weitere Verurteilung für fünf Jahre nach Workuta, wo er sich heute noch befindet. Im Jahre 1939 lernte er zufällig in diesem Lager den ebenfalls dorthin verschickten damaligen Direktor des Engelsschen Gefängnisses kennen, der ihm erzählte, daß seine Frau ebenfalls verhaftet war und auch verschickt worden sei für acht Jahre. Glücklicherweise sei sein Kind Lotte damals im Gefängnis gestorben.»

 

Lorenz spürte, wie sein Atem langsamer und langsamer wurde, bis er ganz aussetzte. Von unten baute sich ein lähmender Druck auf, der ihm den Hals abschnürte. Natürlich wusste er, dass seine Tochter nicht mehr lebte. Aber es zu wissen oder es schwarz auf weiß zu lesen, das waren zwei ganz verschiedene Dinge. Auch wenn Kajetan die Namen seiner ersten Frau und des Kindes verwechselt hatte, es nicht der Gefängnisdirektor war, den er als Gefangenen zufällig in Workuta traf, sondern der Untersuchungsführer – im Grunde war es doch seine Geschichte und keine andere. Die Nazis mussten nicht einmal etwas dazudichten. Jedes Detail sprach für sich. Die Erfinder von Buchenwald ergötzten sich an der Unmenschlichkeit der Schöpfer von Workuta, wie die anderen nicht genug kriegen konnten von den Schilderungen der Genickschussanlage und des Krematoriums auf dem Ettersberg. Der eine lieferte das Alibi für den anderen.

Er starrte noch eine Zeitlang auf die Seiten. Dann kehrten seine Gedanken in die Gegenwart zurück. In Kadens Augen glaubte er, etwas zu erkennen, das ihm nicht gefiel. Langsam ging ihm ein Licht auf: Die denken doch nicht etwa, ich hätte etwas mit diesem Wisch zu tun? Dass ich mit den Nazis irgendwie …? Er fixierte sein Gegenüber, doch dessen Gesicht blieb starr wie eine Maske.

«Kajetan Klug hat das nie und nimmer selbst geschrieben.»

Er schüttelte demonstrativ den Kopf.

«Na bitte, hier steht es ja, auf dem Umschlag, im Kleingedruckten: Aufgezeichnet von Kurt Neuscheler, Korrespondent des ‹Völkischen Beobachters›. Das klärt einiges. Der hat den Kajetan ausgepresst und dann mit Hilfe eigener Zutaten ein Gebräu nach Art der Nazis fabriziert. Wer weiß, womit sie Kajetan gedroht haben. Der kam ja gerade aus der Hölle.»

«Der kam aus der Sowjetunion.» Lange Pause. «Und versteh mich bitte nicht falsch, aber es ist nicht gut, in diesem Zusammenhang genannt zu werden.»

«Du glaubst doch nicht, dass ich etwas damit zu tun habe?»

«Nein, sicher nicht. Aber du musst verstehen …»

«Weißt du, ich denke, ich weiß, worauf du hinauswillst: Du, die Partei, ihr wollt erst einmal sehen, wer da überhaupt mit euch spricht. Gut, was schlägst du vor? Was soll ich tun, um zu beweisen, dass ich der richtige Mann bin?»

«Weißt du, erst der Krieg, dann der Wiederaufbau, das Leben hier hat sich grundsätzlich verändert. Du musst dich erst einmal orientieren. Wie wäre es, wenn du fürs Erste in die Ausbildung gehst? Junge Menschen um dich herum, du verstehst schon. Sagen wir als Lehrmeister. Und während du dich umsiehst, haben wir sicherlich etwas anderes für dich. Ausbildung von Schlossern, zum Beispiel in Stalinstadt?»

«Stalinstadt? Du wirst verstehen, Genosse Kaden», Lorenz schob den Oberkörper nach vorn, als hätte er dem ZK-Mann etwas Vertrauensvolles zu sagen, «mit Stalin habe ich es nicht so sehr.»

«Gut, gut, das verstehe ich. Wir haben ja auch unsere Lektion hinter uns. Aber was sonst? Wir haben da eine Zeitung in Erfurt, ein Parteiorgan, versteht sich, die suchen einen Verlagsleiter. Wäre das nichts? Du sagst doch, du hast Journalistik studiert?»

«Verlagsleiter? Anzeigen, Papier bestellen, Löhne auszahlen – ich glaube, das ist mir zu weit weg vom Leben. Ich möchte zupacken, das Land verändern helfen. Du sagst Erfurt? Liegt das nicht in Thüringen? Das wäre gar nicht schlecht. Thüringer Wald. Das klingt nach Grün, viel Grün. Ich mag Grün. Sogar sehr. Weißt du, das viele Weiß all die Jahre da oben bekommt dem Menschen nicht so. Liegt da nicht Gotha? Da war ich schon einmal. Auf der Walz. Wir waren ein ganzer Trupp aus dem Ruhrgebiet, ordentlich ausgebildet. Sie haben uns dennoch abgewiesen. Wie hieß die Firma gleich? Lowa, glaube ich. Haben große Sachen gemacht, damals. Sogar Flugzeuge. Vielleicht haben sie ja heute etwas Passendes für mich? Gotha, da würde ich hingehen. Vor allem will ich wissen, wie es den Menschen geht. Unten.»

Das erste Mal in diesem Gespräch hatte Lorenz das Gefühl, endlich zum Kern vorzudringen; er verstand, sie wollten ihn hier in Berlin nicht. Sie wollten lieber unter sich bleiben. Ein «Ehemaliger» passte nicht dazu. Eigentlich wusste er das schon lange.

Kaden erstrahlte:

«Thüringen statt Berlin. Das ist gut. Auch wenn es Thüringen nicht mehr gibt, aufgelöst vor Jahren. Jetzt heißt es Bezirk. Das wirst du alles noch lernen. Der Bezirk Erfurt ist sicherlich zum Eingewöhnen eine gute Adresse. Um Gotha kümmere ich mich selbst. Du bist eine richtige Ausnahme. Alle wollen sie nach Berlin. Kommen vom anderen Ende der Welt und wollen gleich einen Posten in der Hauptstadt, am besten mit Aktentasche und Fahrer. Abteilungsleiter in einem Ministerium, das ist das Mindeste. Wenn es nach ihnen ginge, bestünde Berlin nur aus Aktenträgern. Du willst hören, was die Arbeiter sagen? Das ist ungewöhnlich. Aber du hast völlig recht. Schließlich sind wir ja ein Arbeiter-und-Bauern-Staat. Du bist eine Ausnahme. Obwohl, Thüringen? Hm. Ich glaube, da wollte schon mal jemand hin. Deine erste Frau, wie hieß sie doch gleich?»

«Lotte, hat sie auch bei dir vorgesprochen?»

«Ja, richtig, Lotte. Seltsam, nicht war? Das war noch im alten Haus. Aber so seltsam nun auch wieder nicht. Die meisten der kniffligen Fälle sind über meinen Tisch gegangen. Jedenfalls ging es bei ihr aus irgendwelchen Gründen nicht. So ist sie hiergeblieben.»

«Ich weiß. Ich hab mich mit ihr verabredet.»

«Gut, gut. Nun, da habt ihr ja viel zu erzählen. Übrigens decken sich eure Aussagen. Und ihr könnt euch ja noch nicht abgesprochen haben.»

Kaden schaute ihn mitten aus einer heiteren Erzählstimmung heraus scharf an. Er schien immer noch auf der Suche nach etwas zu sein, von dem er selbst nicht wusste, was es war. Nur eines hatte er für diesen Fall von der Partei gelernt: Es hieß wachsam bleiben. Ob man einen konkreten Anlass hatte oder nicht. Der Klassenfeind war ein Meister der Verstellung. Wie bei den Genossen in Moskau folgte auch in Berlin eine Säuberung der nächsten. Daran änderte auch dieser neuerdings so merkwürdig weiche Kurs des glatzköpfigen Bauern im Kreml nichts. Komme, was da wolle, man musste wachsam bleiben. Sonst wurde man selbst Gegenstand unangenehmer Befragungen.

«Gut, gut. Ich rufe in Erfurt an. Die sagen dann den Genossen in Gotha Bescheid. Das kannst du als erledigt ansehen.»

Er lachte.

«Wenn das ZK einen Wunsch äußert, wer sollte da schon nein sagen?»

Lorenz hörte dem Mann nur noch flüchtig zu. Das Gespräch ging dem Ende entgegen, und er hatte noch etwas Wichtiges unerwähnt gelassen. War es überhaupt richtig, damit anzufangen? Oder sollte er nicht doch lieber den Mund halten? «Meine Zunge ist mein Feind.» Er gab sich einen Ruck:

«Du weißt, dass ich voll rehabilitiert bin?»

«Ja, ja, so etwas steht in den Papieren.»

«Das steht nicht nur dort, das ist auch so! Das heißt, alles, was an Anschuldigungen gegen mich vorgebracht wurde, ist erstunken und erlogen. Das ist amtlich. Das gleiche Gericht in Saratow, das mich mit dem Workuta-Billett versorgt hat, musste alles zurücknehmen. Ich habe sie nicht wie die anderen um eine Richtigstellung gebeten, ich habe sie verklagt. Das kannten die Brüder bis dahin nicht.»

Der ZK-Mann schaute ungläubig. Dass ein Ehemaliger sich derart zur Wehr setzte, war nicht vorgesehen. Die Rehabilitierung galt als Akt der Gnade, eine Geste der wohlwollenden Milde der «Organe», eine, auf die man keinen Anspruch hatte, die einem gewährt wurde oder nicht. Dass jemand geklagt hätte, das hatte er bis dahin nicht gehört.

«Und was haben sie dir auf deine Klageschrift geantwortet?»

«Nichts. Sie haben sich beeilt, die Sache aus der Welt zu schaffen. Binnen weniger Monate war es erledigt. Wenn du die übliche Verfahrensweise dort kennst, weißt du, dass sie ganz schön aufgeregt sein mussten. Richtig, bei Stalin hätten sie mir dafür fünf weitere Jahre gegeben. Bei Nikita sind sie vorsichtiger geworden.»

«Du überraschst mich. Kein Wunder, dass es wegen deiner Ausreise so ein Hin und Her gab.»

«Und genau deshalb möchte ich einen klaren Schnitt. So schnell wie möglich. Wo kann ich die deutsche Staatsbürgerschaft beantragen?»

«Du meinst, die Staatsbürgerschaft der Deutschen Demokratischen Republik?»

Lorenz merkte an der Betonung, die sein Gesprächspartner auf jedes einzelne Wort legte, dass er in seinen Formulierungen vorsichtiger sein musste. Die moderne deutsche Sprache diente nicht nur der Verständigung, sondern zunehmend auch der Abgrenzung. Einzelne Begriffe waren nicht nur Information, sondern politischer Code, und je nachdem, welches Wort man verwendete, gehörte man dazu oder nicht. «Deutsche Staatsbürgerschaft» war zwar zu jenem Zeitpunkt auch in Ostberlin noch korrekt, aber politisch schon nicht mehr gelitten. Die sprachliche Teilung des Landes eilte der faktischen voraus.

«Und noch etwas, damit zwischen uns, ich meine zwischen der Partei und mir, nichts unausgesprochen bleibt: Der KGB wollte mich vor der Abreise anwerben. Ich sollte Berichte schreiben über alles, was hier so los ist. Stimmungen, Gespräche, Charakteristika.»

Kaden erstarrte.

«Ich habe klar und deutlich nein gesagt.»

Die Reaktion bestätigte Lorenz’ Befürchtungen: Mit der von ihm erhofften Selbständigkeit der deutschen Genossen konnte es nicht weit her sein.

«Die Freunde, die Freunde», entfuhr es Kaden.

Mehr traute er sich nicht zu sagen. Er machte sich auch keine Notiz. Doch Lorenz konnte sicher sein, das Gesagte würde schnell an die richtigen Stellen gelangen. Er knüpfte die Erwartung daran, dass man seine Offenheit zu schätzen wüsste und ihn in Ruhe ließ.

«Freunde», das sollte er schnell lernen, war das gängige Synonym für Russen – die Sowjetunion im Allgemeinen und die im Land stationierten Soldaten im Besonderen. Das Wort bot ein breites Spektrum an Betonungsmöglichkeiten, die von ehrlicher Zuneigung bis zu direkter Verachtung so ziemlich alles ausdrücken konnten, ohne dass man dem Sprechenden Feindseligkeit oder auch nur politische Unkorrektheit nachweisen konnte. Es klang selbst dann noch irgendwie harmlos, wenn man es offen gehässig meinte. Und das passierte oft. In offiziellen Papieren, wozu die vielen Reden auf Tagungen und Parteitagen zählten, gab es «die Freunde» selbstverständlich so nicht, allenfalls die «unverbrüchliche Freundschaft zum sowjetischen Brudervolk». Gern benutzt wurde neben «Freunde» auch der «große Bruder». Der hatte seine Anhänger vor allem in der politischen Oberschicht. Der «große Bruder» ließ sich sehr variabel nutzen, ohne dass dabei die wahren Verhältnisse verwischt wurden. Denn dass die Mächtigen in Moskau die «Großen» waren, wer wollte das in Ostberlin ernsthaft bezweifeln. Wer allerdings politisch nicht ganz so auf Linie lag, für den waren «die Russen» immer noch «die Russen». Auch wenn man es so klar nicht überall und schon gar nicht zu jedem sagen konnte. Hingegen blieb «Sowjets», der im Westen benutzte Kampfbegriff, die Ausnahme.

So deckten die drei Begriffe «Freunde», «großer Bruder» und «Russen» den sprachlichen Bedarf an Einordnung und Distanz einer unter russischer Vormundschaft stehenden Bevölkerung. Die Freunde waren somit nicht nur Freunde. Auch für einen Mitarbeiter des ZK nicht. Und wenn es oben so war, wie war es dann erst unten?

Lorenz war schon im Aufstehen, da kramte Kaden etwas aus seinem Schreibtischfach heraus:

«Ach ja, da ist noch was. Beinah hätte ich es vergessen. Hier ist ein Päckchen, darauf wartet ein Genosse. Drüben. Du weißt schon, in Westberlin.»

Kaden genoss die Wirkung seiner Worte.

«Ich soll rüber in den Westen?», fragte Lorenz ungläubig.

«Ja, aber nicht einfach so. Sondern im Auftrag der Partei, versteht sich. Es wäre gut, wenn du dich gleich auf den Weg machst. Mit der S-Bahn zum Bahnhof Zoo. Der Genosse erwartet dich» – er sah auf die Uhr – «na, sagen wir, in zwei Stunden. Gleich links neben dem Haupteingang steht er, hat eine Zeitung in der Hand. Sei so freundlich, bring ihm das Päckchen.»

Der ZK-Mann schob ein Paket über den Tisch.

«Das ist ein Parteiauftrag. Pass auf, dass es klappt.»

Das Paket war groß wie ein Schuhkarton und leicht. Fast schien es, Lorenz sollte nur Luft aus einem Sektor in den anderen bringen. So merkwürdig das Ganze anmutete, er stellte besser keine Fragen. Denn eines war klar: Mit der Partei hatte das nichts zu tun, umso mehr mit der Staatssicherheit. Sie wollten ihn testen. Und das hieß: Sie trauten ihm nicht. Er wusste es. Das Herz wünschte sich, endlich angenommen zu sein. Aber sein Verstand sagte: Sei auf der Hut. Es war genau so, wie er befürchtet hatte, das Mal eines «Ehemaligen» prangte weiterhin auf seiner Stirn. Was hätte er auch anderes erwarten können? Die Illusion, in diesem neuen Deutschland könnte es anders zugehen als in der zurückgelassenen alten Sowjetunion, war nur Wunschtraum, der verzweifelte Versuch, nach all dem Schrecklichen in der Normalität anzukommen. Einer Normalität, die es so nicht gab. Was konnte aus diesem Deutschland auch anderes werden, wenn sein Geburtshelfer Josef Stalin hieß?

«Bahnhof Zoo in zwei Stunden?», fragte Lorenz betont sachlich, als fürchte er, Kaden könnte seine Gedanken lesen. «Da ist ja noch Zeit. Wie lautet deine Telefonnummer, damit ich anrufen kann, wenn der Auftrag erledigt ist?»

«Keine Sorge, ob alles geklappt hat, erfahre ich auch so. Das kannst du mir glauben. Pass nur auf, dass dich die CIA nicht wegschnappt. Bei denen dort wimmelt es von Agenten. Es wäre gut, wenn du die Sache ohne Zwischenfälle erledigst. Und das mit deiner Zukunft, da bin ich überzeugt, sehen wir in einer Woche schon klarer. Übrigens, den Mann fragst du, wo es zum Ku’damm geht. Er wird antworten, dass du zu früh aus der S-Bahn gestiegen bist.»

Er hatte sich schon umgewandt, um endgültig den Raum zu verlassen, doch dann hielt Lorenz einen Moment inne und griff mit einer schnellen Bewegung das Heftchen mit dem Bericht über die russischen Lager vom Tisch:

«Den Kajetan, den borge ich mir mal aus. Geht das klar?»

Der ZK-Mann schaute ihn nur perplex an.

«Es ist das einzige Exemplar, das wir im Haus haben. Eigentlich geht das nicht. Da stehen ja auch noch andere Namen drin, also, gerne gebe ich es nicht raus …»

Lorenz ließ sich von dem Gestottere nicht beirren.

«Keine Sorge, du kriegst es noch diese Woche zurück. Aber ich muss das lesen. Es geht mich ja auch direkt an.»

Endlich schloss er die Tür hinter sich und eilte schnurstracks am Paternoster vorbei zur Treppe. Er war froh, dem unangenehmen Gespräch entronnen zu sein.

 

Irgendwo in einer Querstraße nahe beim Brandenburger Tor verlangsamte er an einem Imbiss den Schritt, kramte aus der Hosentasche fünf Mark hervor und ließ sich eine Bockwurst und ein Bier geben. Die Normalität des Vorgangs rührte ihn fast zu Tränen. Wie lange hatte er darauf gewartet, so ganz einfach, weil ihm danach war, an einem Kiosk ein Bier zu trinken, in deutscher Sprache zu bestellen, und als Antwort ein «Bitteschön» zu hören. Er schaute die Gruppe Bauarbeiter an, die eher lustlos ihre mitgebrachten Stullen kauten. Selbst wenn er es ihnen erklärt hätte, sie würden es nicht verstehen, warum er beim Anblick einer Bockwurst selig in sich hineinlächelte.

Er schlug das mitgebrachte Heft auf und vertiefte sich in die Schilderungen seines Lagerfreunds. Kajetan hatte es wirklich geschafft. Statt sich wie vom NKWD befohlen an den Ort seiner Verbannung in die Ukraine zu begeben, schlug er sich nach Moskau durch. Das war gefährlich, sogar lebensgefährlich. Wenn sie ihn geschnappt hätten, wäre ihm das Erschießungskommando sicher gewesen. Aber so schaffte er es nicht nur in die Hauptstadt, sondern wie durch ein Wunder an allen Wachen vorbei bis in die deutsche Botschaft, die nach dem «Anschluss ans Reich» auch für einen Österreicher zuständig war. Tage später durfte er gemeinsam mit dem Botschaftspersonal im Austausch gegen sowjetische Diplomaten der Berliner Mission das Land verlassen. Der Krieg hatte begonnen. Auf der langen Zugfahrt nach Deutschland geriet Kajetan in die Fänge des Moskauer Korrespondenten des «Völkischen Beobachters», der die Propagandaschrift abfasste und, wo es nur ging, gegen Juden und Bolschewiki hetzte. Als ob das, was Kajetan aus Workuta berichtete, nicht schlimm genug gewesen wäre. Hier offenbarte sich das unauflösliche Dilemma jeglicher Propaganda, die immer viel zu dick, viel zu überzogen aufträgt, um glaubwürdig zu sein.

Trotzdem las Lorenz jede Seite, jede Zeile, begierig zu erfahren, ob Kajetan vielleicht an einer weiteren Stelle von ihm berichtete. Das war nicht der Fall. Lorenz schaute auf die Uhr. Es war Zeit. Eine Viertelstunde später ratterte er aus dem schmutzigen Fenster blickend vom Bahnhof Friedrichstraße Richtung Bahnhof Zoo. Erst wollte er es sich selbst nicht eingestehen, aber wo der Osten endete und der Westen anfing, erkannte man nicht nur an den Wachposten. Auch im anderen Teil der Stadt sah man noch die Spuren des Krieges. Zerstörte Häuser und Einschüsse in den Wänden. Aber deutlich weniger. Die Straßen wirkten aufgeräumter, es fuhren mehr Autos auf den Straßen, und die waren nicht nur grau oder schwarz. Trotz der Düsternis des Novembers gab es mehr Farbe und Licht. Alles schien freundlicher. Die grelle Reklame ließ Lorenz kalt, aber dass überall gebaut wurde, die Bombenlücken mehr und mehr verschwanden, sprach von der Vitalität einer Stadt, die nach den geltenden ideologischen Leitsätzen eigentlich absterben musste. Das Leben richtete sich offensichtlich nicht nach Parteibeschlüssen.

Der Bahnhof Zoo machte allerdings keinen sonderlichen Eindruck. Niedrige Gänge und Hallen, im Vergleich zum Prunk der Moskauer Metro fast armselig, abgenutzt und grau. Überall hasteten Menschen, die ihn nichts angingen und die auch er nichts anging. Das war ganz gut so. Zur Sicherheit schlug er mehrere Haken, immer darauf achtend, ob ihm nicht doch jemand folgte. Er hatte den Karton unter den rechten Arm geklemmt, doch dort schien er mit jedem Schritt zu wachsen. Eigentlich musste das auffallen.

Schließlich ging er durch einen Nebenausgang hinaus auf die Jebenstraße, bog um das Gebäude, um dann entschlossen von der Seite des Hardenbergplatzes wieder im Menschengewühl des Bahnhofs zu verschwinden. Doch genau in jenem Moment, in dem er sich zur Sicherheit nochmals umdrehte, stieß er frontal mit zwei Polizisten zusammen. Das Paket flog ihm aus der Hand und landete direkt vor ihren Füßen. Sein Herz blieb stehen.

Das war’s.

Weder war er in der Lage, nach dem Paket zu greifen, noch, etwas zu sagen. Mehrfach setzte er an, eine Entschuldigung zu stammeln. Doch es kam nichts über seine Lippen. Eine Ewigkeit verging. Dann sah Lorenz, wie sich einer der Polizisten bückte, das Paket aufhob, einen Moment in der Hand wog und es freundlich lächelnd zurückgab.

«Sie haben etwas verloren. Ich hoffe, da war kein Glas drin?»

«Kein Glas?», fragte Lorenz automatisch zurück, um dann eiligst zu antworten: «Nein, nein, da ist kein Glas.»

«Na, dann ist’s ja gut.»

Die beiden Beamten verabschiedeten sich und gingen ihres Weges. Lorenz atmete tief durch. Er hatte sich innerlich schon darauf vorbereitet, eine lange Geschichte zu erzählen, warum er unbedingt heute hier sein musste. Doch das interessierte niemand. Die Polizisten verschwanden hinter der nächsten Ecke, sie drehten sich nicht einmal um. Lorenz war verwirrt: All seine Erfahrung sagte ihm, Männer in Uniform bedeuten Gefahr. Wenn nichts geschah, dann konnte es nur eine Falle sein, und schon hinter der nächsten Ecke würde sie zuschnappen.

Da sah er das Toilettenschild am Ende des Gangs. Die Rettung. Im Vorraum wartete er einen Moment, als wollte er zum Pinkeln alles nötige herauskramen, um dann schnell in einer gerade leer gewordene Kabine zu verschwinden. Der Geruch des Vorgängers schlug ihm in die Nase, aber das war nicht der Moment, wählerisch zu sein. Er schob den Riegel vor.

Geschafft.

Doch im gleichen Augenblick schoss es ihm durch den Kopf: Die Kabine war eine perfekte Falle. Hinter dem Spülkasten nur die Wand. Sie konnte ihn hier abpflücken wie einen Apfel. Hatten sie ihm an der Universität nicht beigebracht, dass man bei einem Versteck immer auf einen zweiten Ausgang achten müsse?

Es dauerte, bis sich Lorenz wieder unter Kontrolle hatte. Er setzte sich erschöpft, suchte in seinen Taschen nach etwas zu rauchen und tat einen tiefen Zug. Das beruhigte. Noch einen Zug, und noch einen.

«Pfui Deibel!», schrie es aus der Kabine nebenan. «Da raucht doch so’n Mistkerl Russenkraut! Das rieche ich selbst auf dem Scheißhaus. Fünf Jahr in Sibirien gab’s nur dieses Zeug. Pfui Deibel, und einer raucht das freiwillig!»

Tatsächlich. Lorenz hatte beim Griff in die Tasche statt der «Jubilar», der billigen Arbeiterzigarette im Osten, eine «Belomor»-Papirossa erwischt. Im Nu hatte er das verräterische Indiz runtergespült, dann wartete er, bis nebenan mehrfach die Tür auf und zu ging. Vorsichtig lugte er durch einen Spalt und hastete die Stufen zum ersten erreichbaren Bahnsteig hinauf. Er studierte den Aushang mit den Abfahrzeiten, zwischendurch sah er sich verstohlen um. Es schien, als sei ihm keiner gefolgt. Noch hatte er zehn Minuten bis zum Treffen. Als er die Zugverbindungen fast auswendig wusste, machte er sich auf den Weg zum vereinbarten Treffpunkt. Auf halber Strecke stockte sein Herz. Stufe für Stufe kamen ihm wieder die beiden Polizisten entgegen. Lorenz schossen die krudesten Gedanken durch den Kopf: Die sind mir doch gefolgt. Der Mann aus der Kabine nebenan hat mich gemeldet. Die holen gleich die Handschellen raus …

Er schaute nach oben zum Bahnsteig, gerade rollte ein Zug davon. Umdrehen? Hinaufrennen? Die Türklinge erwischen? Einen Augenblick hatte er das Bedürfnis, dem inneren Impuls nachzugeben. Doch das hieß, die ganze Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Wenn er überhaupt noch eine Chance hatte, und mochte sie noch so klein sein, damit hätte er sie endgültig verspielt. Dann saß er fest. Mit seinem russischen Pass wäre alles klar: Es konnte sich bei ihm nur um einen KGB-Agenten handeln. Mit unmenschlicher Anstrengung zwang er sich, seinen Weg fortzusetzen in die Arme der Polizisten.

Als er fast auf einer Höhe mit ihnen war, schaute ihm einer von beiden – genau jener, der das Paket vor wenigen Minuten vom Boden aufgehoben hatte – direkt in die Augen und lachte:

«Da ist ja unser Freund mit dem Päckchen wieder!»

Er blieb stehen. Lorenz auch. Der Polizist holte eine Schachtel Zigaretten aus der Tasche. Es waren HB. Der Hausmeister am Märkischen Ufer hatte Lorenz am Morgen die gleiche Marke gezeigt, um deutlich zu machen, worauf es in Berlin wirklich ankam. Der Polizist nahm sich eine Zigarette und bot Lorenz eine an.

«Haben Sie zufällig Feuer?»

Lorenz suchte in seiner Tasche, brannte unter der gekrümmten Handfläche ein Streichholz an. Der Beamte beugte sich nach unten, zog kräftig und hielt zu Lorenz’ Entsetzen seine Hand fest.

«Das ist aber ein lustiges Etikett.»

Erst jetzt sah Lorenz, dass er eine russische Schachtel hielt. Das Bildchen stammte aus einer Serie von Plakaten gegen den Alkoholismus. Ein Mann, dem eine Wodkaflasche aus der Hosentasche lugte, suhlte sich mit einem Schwein in einer Dreckpfütze. Darüber die Parole: «Ein Schwein unter Schweinen!»

Der Polizist schaute die Schachtel begeistert an:

«Toll. Russisch, nicht war? Brauchen Sie die noch?»

«N … Nein», antwortete Lorenz, ohne genau zu verstehen, wohin sich das Gespräch entwickelte. «Ein Fundstück, lag auf der Toilette. Sie können die Schachtel ruhig haben!»

«Das ist aber nett.»

Der Polizist ermunterte Lorenz, sich noch eine Zigarette zu nehmen.

«Sie müssen verstehen, ich sammle Streichholzschachteln, die Etiketten. Wie andere Briefmarken. Ist spannend. Danke.»

Lorenz schaut den Mann an, als wäre der nicht ganz bei Sinnen. Er verabschiedete sich und machte sich mit dem Paket schleunigst davon. Jetzt wurde die Zeit doch noch knapp. Er rannte auf den Vorplatz und sah, wie ein in Frage kommender Mann Richtung Zoo schritt. Mit wenigen Sätzen holte er ihn ein.

«Entschuldigen Sie, wo geht es hier zum Ku’damm?»

Der Mann musterte ihn ausgiebig. Fast hatte Lorenz das Gefühl, doch den Falschen aufgehalten zu haben, da kam die Antwort:

«Da sind Sie aber zu früh aus der S-Bahn gestiegen.»

«Na, ein Glück.»

Lorenz drückte dem Fremden das Paket in die Hand, drehte sich um und ging. Auf der Treppe zum Bahnsteig übersprang er vor Freude immer wieder mehrere Stufen. Oben angekommen, sah er schon die S-Bahn zur Friedrichstraße. Erschöpft ließ er sich auf einem Fensterplatz nieder. Es war geschafft. Der Zug ruckte, nahm Fahrt auf und zog in einem weiten Bogen Richtung Osten. Lorenz lehnte sich zurück und wischte mit dem Ärmel das beschlagene Fenster frei. Am Ende des Platzes, der langsam im Herbstdunst versank, sah er eine kleine Gestalt mit einem Paket unter dem Arm davoneilen. Ihr entgegen kamen zwei Polizisten.

Schwarzes Eis: Der Lebensroman meines Vaters
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