II

«… der Mistkerl blutete wie eine angestochene Sau. Ich hatte ihm das Messer bis zum Anschlag unter die Rippen gejagt …»

Ein glatzköpfiger Fettwanst, der breitbeinig direkt auf dem Steinboden saß, machte trotz seiner Fülle eine blitzartige Bewegung, so als würde er gerade in diesem Augenblick jemanden abstechen. Auf seinem entblößten Oberkörper glänzte der Schweiß im fahlen Licht. Die Speckringe und der schwabbelige Bauch ließen vermuten, der Mann saß noch nicht lange hier. Um ihn herum hockten dicht gedrängt zehn oder zwölf weitere Gestalten, alle nur mit Hosen bekleidet. Das Ganze erinnerte an ein kannibalisches Ritual.

Lorenz starrte wie gelähmt auf die Gruppe. Da waren sie, die Urki, wie die Kriminellen im Volk hießen. Er hatte einiges von ihren grausamen Sitten gehört. Trotz des endlosen Geredes vom neuen sozialistischen Menschen blühte im Heimatland aller Werktätigen die Kriminalität. Menschen wurden für ein paar Rubel umgebracht, der Schwarzmarkt erreichte nie gekannte Ausmaße, von der Streichholzschachtel bis zum Professorentitel, alles wurde verschoben, und die Unterwelt verdiente daran. Kein Wunder, die Staatsmacht war mit dem täglichen Terror gegen die eigene Bevölkerung ausgelastet. Oft genug dienten die Kriminellen als Druckmittel gegen die Politischen. Wie zum Hohn hießen Mörder, Kinderschänder und Diebe im offiziellen Jargon der Partei «Freunde des Volkes», während jeder, der nach einem politischen Paragraphen verurteilt war, als «Feind des Volkes» galt. Dementsprechend fiel die Behandlung in den Gefängnissen und Lagern aus. Die Kriminellen bekamen Posten, die das Überleben sicherten. Sie herrschten über die Kammern, in denen die Sachen getrocknet wurden oder wachten darüber, dass das Feuer im Kanonenofen der Baracke nicht ausging. Die Politischen rückten aus in die vereiste Taiga, Holz einzuschlagen.

Die bevorzugte Stellung der Ganoven hinderte diese aber nicht daran, sich untereinander blutig zu befehden. Die Urki teilten sich in zwei Syndikate: die «Sutschenye», «die Hündischen», und die «Sakonniki», «die Diebe im Gesetz», die nach einem strengen inneren Kodex lebten. Die ersten dienten sich beim Gefängnis- oder Lagerpersonal an, kollaborierten mit dem NKWD. Die anderen weigerten sich oft genug, überhaupt zu arbeiten, jegliche Beziehung zu Miliz oder Geheimpolizei lehnten sie ab. Geschickt spielte das Gefängnispersonal die einen gegen die anderen aus und beide zusammen gegen die Politischen. Wer nicht spurte, kam «zufällig» in die falsche Zelle. Das bedeutete den sicheren Tod.

In den Syndikaten selbst herrschte eine eiserne Hierarchie. An der Spitze standen die Atamane, die sich ihren Titel von den Kosaken ausgeliehen hatten. Als Fußvolk dienten die «Schpana». Die Bezeichnung könnte aus dem Deutschen entliehen sein. Ein Schpana hatte seinem Chef bedingungslos zu gehorchen, wurde also «eingespannt» und der geringste Widerspruch grausam bestraft.

Waren das nun «Diebe im Gesetz» oder doch die anderen, denen sich Lorenz jetzt gegenübersah? Er wusste es nicht. Woher auch? Im Grunde war es egal. Es gab kein Entrinnen. Die einen waren mit Sicherheit so gefährlich wie die anderen. Unentschlossen blieb er stehen, die Tür im Rücken. Der Fettwanst fuhr mit seiner Erzählung fort.

«Ich hatte einem Freier gerade die Hose abgenommen, passte wie angegossen. Der alte Bock war froh, dass ich ihm die Unterwäsche ließ, so musste er nicht nackig auf die Straße.»

Die Zuhörer johlten.

«Aber leider hatte ich Pech. Da lief mir doch dieser Einäugige über den Weg. Unglaublich, die Kanaille traute sich in mein Revier. Da gab’s nur eins: Messer raus. Im Nu war alles von oben bis unten voller Blut. Es lief warm am Bein runter. Eklig. Hab vor Wut gleich noch mal und noch mal zugestochen. Könnt ihr euch das vorstellen? Die neue Hose …»

Der Mann machte eine Pause und drehte sich um.

«He, du da, was gaffst du hier rum?»

Lorenz zuckte zusammen. Sein Plan, so unauffällig wie möglich einen Platz zu finden, ging nicht auf.

«Unter die Pritsche mit dir, Hundesohn. Und wag ja nicht vorzukommen», knurrte der Urka.

Die Eisentür im Rücken, konnte Lorenz hoffen, wenigstens den ersten Ansturm zu überstehen. Auch wenn er unterlegen war, ganz ohne Widerstand wollte er sich dem Schicksal nicht fügen.

Für einen Moment herrschte Stille. Alle Blicke waren auf den Neuen gerichtet. In der Zelle, die vielleicht für vier oder fünf Sträflinge ausgelegt war, mochten fast zwanzig sitzen. Sie standen auf und rückten langsam auf ihn zu. Näher und immer näher. Nach den Wärtern zu rufen hatte keinen Sinn. Die waren lange weg. Er hatte gehört, wie ihre Schritte auf dem Gang immer leiser wurden. Außerdem bezweifelte er, dass sie ihm zu Hilfe kämen. Bis jemand mitkriegte, was hier ablief, wäre es vorbei.

«Lorenz?!», hörte er plötzlich aus der anderen Ecke der Zelle etwas unentschlossen seinen Namen.

Die Urki beiseiteschiebend, kam ein Mann auf ihn zu. Er war untersetzt und ging dennoch leicht, ja fast elegant. Die schwarze Haarpracht und der Rauschebart ließen ihn südländisch und sehr vertraut erscheinen.

Ein bekanntes Gesicht. Hier? Hier in der Zelle? Kein Zweifel, Lorenz kannte den Mann. Er dirigierte das Sinfonieorchester von Engels und stand in dem Ruf, ein begabter Interpret Tschaikowskis zu sein, sogar in Moskau hatte er schon ein, zwei Gastspiele gegeben. Man traf sich im Theater, wechselte ein paar Worte, grüßte die Gattin. Für den Dirigenten war es von Vorteil, den Feuilletonchef der wichtigsten Zeitung am Platze in seinem Bekanntenkreis zu wissen. Die Arbeit als Theaterkritiker gefiel Lorenz, ohnehin versäumte er keine Premiere in der Stadt. So stimmte der Chefredakteur dem Wechsel vom Posten des Redaktionssekretärs ins Kulturressort zu. Seine Kritik der «Nora»-Aufführung, in der Regie von Maxim Vallentin, brachte ihm weit über Engels hinaus Anerkennung.

Das freute Lorenz, er schrieb Geschichten und Gedichte. Während des Studiums hatte er damit begonnen, unter den Exilliteraten in Moskau galt er bald als Talent. Der Preis, den er für eines seiner Gedichte erhielt und die Ermunterung eines Egon Erwin Kisch, dem er nach einer Vorlesung ein paar Manuskriptseiten in die Hand gedrückt hatte, unbedingt dem Schreiben treu zu bleiben, bestärkten ihn. Er saß nun immer in der ersten Reihe, wenn der Meister der Reportage am Pult zu reden anhob. Und das, obwohl Kischs Vorlesungen die schiere Langeweile verströmten. Wie vielen exzellenten Schreibern fiel dem Naturtalent aus Prag das Referieren vor Publikum schwer. Er quälte sich, stotterte etwas und hoffte mit dem Auditorium, die Stunde möge bald vorüber sein. Wenn die Unruhe im Hörsaal zu groß wurde, holte Kisch die korrigierte Fahne eines neuen Textes hervor und begann zu lesen. Schlagartig wurde es still. Jetzt begriff jeder, warum Kisch Kisch war.

Friedrich Wolf war da ein ganz anderer Typ. Das wusste Lorenz schon seit ihrer ersten Begegnung im «Lux». Ernst Thälmann hatte zu einem Abend geladen, und Lorenz rutschte in der Gesellschaft eines Freundes hinein. Eine gute Gelegenheit, endlich wieder einmal richtig zu essen, die Verpflegung in der Mensa der Westuniversität war grässlich bis ungenießbar. Natürlich konnte man an solchen Abenden auch wichtigen Leuten begegnen. So wurde Lorenz tatsächlich dem Gastgeber vorgestellt und fiel sogleich unangenehm auf. Er sprach Thälmann nicht mit dem unter deutschen Genossen üblichen «Du», sondern vorsichtshalber mit «Sie» an, was den KPD-Vorsitzenden in Rage versetzte.

«Wieso Sie? Bin ich dir der Kaiser von China?!»

Lorenz stotterte eine Entschuldigung, aber da war Thälmann schon weiter. Im Hintergrund stand Wolf und grinste.

«Mach dir nichts draus, der ist heute nicht gut aufgelegt. Die Genossen in Moskau haben ihm wieder einmal erklärt, wie es in Deutschland wirklich aussieht. Du kennst sie ja. Die wissen schon aus Prinzip alles besser. Dabei ist die Lage beschissen. Und das ist noch geprahlt. Die Weisheit der Moskauer Genossen verkraftet man nicht jeden Tag. Glaub mir, mit dir hat seine Laune nichts zu tun.»

Wolf fand Interesse an dem jungen Mann aus dem Pott, vor allem weil er wusste, dass Lorenz nach dem Studium bei der Zeitung in Engels anfangen sollte. Er konnte einen Getreuen in der Redaktion gut brauchen. Schließlich war das Theater an der Wolga einer der Hauptabnehmer seiner Stücke. Später gingen der Schriftsteller und der frischbestellte Redakteur auf ausgedehnte Reportagereisen. Lorenz hatte zwei wichtige Vorzüge: Er konnte Russisch, und er konnte noch besser die Klappe halten. Denn neben den jungen Schauspielerinnen förderte Wolf gerne auch die jungen Kolchosbäuerinnen. Lorenz sollte es recht sein. Alles, was die Bande zwischen Friedrich und Lotte schwächte, kam ihm gelegen. Es war kein Zufall, dass, wann immer sie in einer Kolchose abstiegen, um das Heldenepos der Arbeit zu singen, Lorenz beim Kolchosvorsitzenden und Wolf im Wohnheim für ledige Bäuerinnen nächtigte. Während die Frau des Kolchos-Chefs den Redakteur mit Piroggen mästete, wurde Wolf anderweitig verwöhnt. Das hieß dann bei den beiden Reisenden: den Kolchosbäuerinnen die Beschlüsse der Komintern erklären. Manchmal dauerte so ein Seminar Tage.

So kam es, dass Lorenz nicht nur die Literaten und die Regisseure, sondern das gesamte Ensemble des Theaters, einschließlich der Musiker, zu seinem erweiterten Bekanntenkreis zählte. Sie alle gehörten zur örtlichen Intelligenzija, von der es in einem Provinznest wie Engels nicht all zu viel gab. Jemanden aus dieser Welt in einer schmutzigen, stickigen Zelle wiederzutreffen, das schien unwirklich und eine Erleichterung zugleich. Er war also nicht allein.

«Haben Sie keine Angst, Lorenz Lorenzowitsch», der Dirigent lächelte dem Neuen zu, «das sind keine Urki. Wie überhaupt in dieser Zelle keine Kriminellen sitzen. Ausnahmslos Politische. Und das Theater bei Ihrem Einzug ins Schloss, das müssen Sie schon verstehen, ist eine reine Vorsichtsmaßnahme gegen ungebetene Gäste. Sie können es sich ja vorstellen, die kennen nur eine Sprache.» Er deutete mit der flachen Hand auf seinen Hals.

Plötzlich sah Lorenz lauter freundliche Gesichter um sich. Selbst der Dicke, der gerade noch martialisch in seine Richtung vorgerückt war, nickte freundlich. Der Dirigent fing seinen immer noch skeptischen Blick auf.

«Glauben Sie mir, Lorenz, Anton tut keiner Fliege etwas. Im Gegenteil. Normalerweise ist er Mediziner, hier, im städtischen Krankenhaus. Oder sagen wir es genauer, er war es bis vor kurzem. Bis zu seiner Verhaftung. So wie ich noch vergangene Woche Orchesterleiter war …»

Er schluckte, für einen Moment schien er die Fassung zu verlieren, aber dann fuhr er in abgeklärtem Ton fort:

«Wir haben beschlossen, dass er am überzeugendsten einen Verbrecher geben kann. Natürlich ist die Geschichte, die er vorhin aufgetischt hat, frei erfunden. Seien Sie sicher, er hat keinen aufgeschlitzt. Hauptsache, so ein Ganove, falls er sich denn in unsere Herberge verirrt, hat gleich die Hosen voll. Verstehen Sie?»

«Aber warum sitzen die hier alle halbnackt? Gehört das auch zur Maskerade?»

«Nein, nein. Das ist echt. Die vielen Menschen auf so engem Raum heizen auch ohne Ofen. Sie werden es schon merken, Lorenz Lorenzowitsch, es wird hier sehr warm. Wenn Sie so wollen: ein animalisches Kraftwerk.»

Die Erklärung schien überzeugend, dennoch blieb Lorenz vorsichtig. Vielleicht waren unter den Insassen doch Kriminelle. Von zwanzig Leuten konnten nicht alle unschuldig sein. Unmöglich.

Der Dirigent sah sein Misstrauen.

«Nu, so ist es richtig. Bleiben Sie wachsam. Die Feinde lauern überall.» Er neigte sich mit verschwörerischer Miene zu Lorenz.

«Sie wissen doch, der Klassenkampf, der spitzt sich immer mehr zu. Von Tag zu Tag. Wo der Genosse Stalin recht hat, hat er recht. Er tut ja auch nach Kräften etwas dafür. So gesehen, sollten Sie Ihre Verhaftung nicht persönlich nehmen. Die große Geschichte spaziert gerade durch Ihr Leben. Wo gibt es so etwas sonst noch? Kostenlos? Aber glauben Sie mir, in ein paar Tagen sind Sie schlauer. Uns allen ging es so oder so ähnlich.»

Die Männer hatten sich wieder auf ihre Plätze gesetzt, sie wollten nun Neuigkeiten von draußen hören. Was gab es im Theater? Wen hatten sie noch verhaftet? Auch die Lage in Spanien interessierte die Gefangenen. Wie stark war Franco? Und die Interbrigaden? Trotz ihrer misslichen Lage ließ sie die politische Entwicklung nicht kalt. Der Spanienkrieg elektrisierte das Land, hoffte man doch, die Isolation Sowjetrusslands könne endlich aufgebrochen werden. Aber der Traum war längst ausgeträumt, es würde kein sozialistisches Spanien geben. Wer zu denken vermochte, wusste das. Es offen auszusprechen, wagte niemand.

So hoffnungsvoll ihn die Häftlinge auch anstarrten, Lorenz hielt «die Zunge hinter den Zähnen», wie es ein russisches Sprichwort dringend riet. Seine Antworten klangen wie Verlautbarungen aus der «Prawda». Die Gefangenen winkten bald ab. Der war zwar ein Redakteur, aber etwas Vernünftiges aus ihm herauszukriegen schien unmöglich.

Der innere Lernprozess dauerte genau drei Tage. Dann war auch Lorenz klar, dass alle, ausnahmslos alle, die mit ihm in der Zelle saßen, genauso schuldig waren wie er. Also unschuldig. Drei Tage, das war gut. Andere brauchten länger. Manche glaubten bis zuletzt, dass der große Stalin von all den Verbrechen nichts wusste. Ja, nichts wissen konnte. Viele bezahlten diesen Irrtum mit dem Leben.

So saßen in der Zelle außer dem Dirigenten und dem Arzt ein Buchhalter des Stadtsowjets, ein Filmvorführer aus dem Kino, ein Instrukteur der örtlichen Feuerwehr und auch ein Mathematiklehrer. Letzterer war ein sonderbarer Mensch, der sich stets etwas abseits hielt, soweit dies auf dem engen Raum möglich war. Er hatte ein fahles, längliches Gesicht, mit einer für seine magere Gestalt bemerkenswerten Nase. Aus seinem grauen Unterhemd – das karierte Oberhemd hatte er säuberlich gefaltet auf der Pritsche liegen – stachen an der Brust und unter den Armen ganze Büschel von Haaren hervor. Er fragte nichts, er sagte nichts. Den ganzen Tag hockte er auf den Knien, gebeugt über einen Holzschemel. Er schrieb, verwarf das Geschriebene und schrieb aufs Neue.

Es war ein Brief an den Genossen Stalin. Die zehnte, die fünfzehnte oder die fünfzigste Fassung – keiner wusste es. Er auch nicht. Grigori Maximowitsch, mit Nachnamen Krütschkow oder Krükow, hatte für seine letzten Rubel einem Wärter ein Heft und einen zerbissenen Kopierstift abgekauft. Der Besitz von Schreibzeug war Gefangenen verboten, aber wenn es um ein Geschäft ging, konnte man bei der Wachmannschaft alles bekommen. Vorausgesetzt, man hatte es geschafft, ein paar Scheine in die Zelle zu schmuggeln.

So kauerte der Lehrer vor dem Hocker und überlegte, mit welchen Worten er wohl am ehesten das Herz des Vaters aller Völker erweichen könnte. Er war tief davon überzeugt, dass der geniale Bannerträger der Menschheit nicht wusste, ja, nicht wissen konnte, welche Ungerechtigkeit ihm und vielen anderen ehrlichen Erbauern des Kommunismus widerfahren war. Also galt es, ihm im fernen Kreml eine Botschaft zu übermitteln. Dann würde der Zorn des Genossen Stalin die Missetäter mit aller Härte treffen, und er, Grigori Maximowitsch, würde als Held in die Geschichte eingehen. Vielleicht sogar als Held der Arbeit. Manchmal, vor dem Einschlafen, sah er sich mit dem Orden an seiner Brust über den Boulevard spazieren. Und alle Menschen grüßten ihn freudig. Der Glaube an den guten Zaren im fernen Moskau, dieser Glaube schien in diesem Volk unausrottbar.

Auf den Spott seiner Zellennachbarn reagierte der Lehrer nicht. Auf ungebetene Empfehlungen auch nicht. Er kannte seine ganz persönliche Mission und war ihr mit seinem ganzen Wesen verfallen. Mochten sie nur lachen, ohne seinen Brief kämen sie aus dem Loch nie mehr heraus. So blieb er auch ungerührt, als der Veterinär Schukow, den in der Zelle alle nur Tolik nannten, auf seinem täglichen Marsch von einer Zellenwand zur anderen vor dem Schreibtischhocker stehen blieb.

«Grischa, ah, Grischa? Hörst du mich? Grischa?»

Doch Grigori Maximowitsch hörte ihn nicht. Oder er wollte ihn nicht hören. Jedenfalls zuckte er nicht. Der Tierarzt, der eher wie ein Preisboxer aussah, ließ nicht locker. Lorenz verstand schnell, es war nicht das erste Gespräch zwischen den beiden, vielmehr klang es wie ein Stück aus einem Fortsetzungsroman.

Tolik gehörte zu den Starostas, den Ältesten der Zelle. Er saß seit mehreren Monaten, ohne dass sich in seiner Sache etwas bewegt hätte. Sein Vergehen war die Maul- und Klauenseuche. Die konnte er in den Kolchosen südlich von Engels, auf der Wiesenseite der Wolga, nicht besiegen. Wie hätte er das auch schaffen können? Die Bauern hielten seine Hygienevorschriften für neunmalkluges Gerede. Solch dummes Zeug konnte nur einem Städter einfallen. Es begab sich, dass er eine Horde von ihnen im Stall mit einer Flasche Selbstgebranntem erwischte. Ein schmächtiges Kerlchen in verdreckter Wattejacke schwang gerade eine große Rede: «Schau an, die Obrigkeit hat sich einen Viehdoktor zugelegt», kam es aus dem zahnlosen Mund. «Extra für die Rindviecher. Und, was hat’s genutzt? Sie sterben wie die Fliegen. War früher so, wird auch so bleiben …» Der Tierarzt schmiss die Schnapsflasche an die Wand und jagte die Bande hinaus an die Arbeit. Die Säufer revanchierten sich mit einem Wink an den NKWD. Der Rest war Routine.

«Grischa, ich weiß, dass du mich hörst», der Tierarzt suchte den Blick des Lehrers.

«Grischa, glaube mir, mit deinem Schrieb wird sich der Gefängnisdirektor, auf dessen Tisch das Ding mit Sicherheit landet, nicht einmal den Hintern abwischen. Im Gegensatz zur Zeitung ist das Papier zu glatt. Man reibt sich nur den Arsch wund. Und weiter, Brüderchen, das kannst du mir glauben, kommt dein Brief nicht. Die fischen alles raus. Jeden Zettel, verstehst du?»

Der Lehrer schaute traurig auf. Für einen Moment schien er zu überlegen, ob es Sinn hätte, alle Hoffnung in das Stückchen Papier zu stecken. Dann sah er wieder auf sein kariertes Blatt, auf die einzige Zeile, die ganz oben am Rand stand, und flüsterte die drei Worte:

«Hochverehrter Genosse Stalin!»

Allein über die Anrede und das Ausrufungszeichen hatte er zwei Tage nachgedacht. Wie spricht man solch eine bedeutende Persönlichkeit an? In der Schule lernt man das nicht. Genosse Stalin ist ja nicht die Schwiegermutter. Der kannst du schreiben: «Liebe Darja Iwanowna, Dein Paket mit den Wollsocken und der Kirschkonfitüre ist angekommen. Leider erwies sich das Glas als nicht ganz dicht …»

Es ist ja auch kein Antrag an den Stadtsowjet, in dem man den Vorsitzenden um ein etwas geräumigeres Zimmer für seine fünfköpfige Familie bittet. Solange die Kinder klein waren, ging es ja noch. Aber jetzt? Sechzehn Quadratmeter sind wirklich nicht viel. Daneben residiert die Witwe des Buchhalters Pankin und denkt nicht daran, sich etwas zu bescheiden. Pankin ist gestorben, dem standen sicherlich zwanzig zu. Aber doch nicht der Witwe …

Vielleicht «Teuerster»? Geht auch nicht. «Teuerster» ist zu familiär. Das kann er seinem Vetter auf dem Lande schreiben, wenn er ihn bittet, aus dem Garten der Großeltern von den Antonowka-Äpfeln etwas zu schicken. Aber für den großen Führer, nein, für den ist das nichts. Also «Hochverehrter Genosse Stalin». Erst hatte er danach ein Ausrufungszeichen gesetzt. Aber das sah ganz unmöglich aus. Ein Ausrufezeichen war das Mindeste, etwas für einen normal Sterblichen. Aber dieser Brief ging an Stalin. An STALIN! Er setzte noch eins dazu. Das sah schon deutlich besser aus. Auch die Großbuchstaben. Ja, STALIN konnte man eigentlich nur in Großbuchstaben schreiben. Kleine Buchstaben waren etwas für kleine Leute. Aber er schrieb an den großen STALIN. Was wäre mit einem dritten Ausrufezeichen? Die Kirche hatte es ja nicht umsonst mit der Drei … . Vater, Sohn und dann noch der Heilige Geist. Ist der Genosse STALIN etwa weniger?

Grigori Maximowitsch seufzte tief. Die Anrede war schon schwer genug, wie sollte da der erste Satz gelingen? Und auf den kam es an. Der entschied alles. Sicher lag es an dem falschen ersten Satz, dass all seine anderen Briefe ohne Antwort geblieben waren. Wenn der große Lenker, der sich täglich um die Geschicke der ganzen Welt, um den Aufbau des Kommunismus, um das Ausmerzen der Feinde der Arbeiterklasse kümmerte, den Brief auf seinem Schreibtisch vorfand, dann musste der erste Satz klar und deutlich sein. Er musste alles Wesentliche beinhalten. Nach diesem Satz musste Genosse STALIN zum Telefonhörer greifen und sagen:

«Genossin Telefonistka, verbinden Sie mich mit Engels, dem örtlichen NKWD-Gefängnis, dem Oberst Bulka! Ja, ja, sofort! Ahh, da sind Sie ja … .

Der Schreiber blickte durch den Tierarzt hindurch zum Fenster, als sei von dort Hilfe zu erwarten. Da wusste der Veterinär, jedes weitere Wort war sinnlos.

Unter anderen Umständen hätte Lorenz die Geschichte brennend interessiert. Aber jetzt hörte er die Wortfetzen wie durch einen Nebelschleier, weit in der Ferne. Er saß auf dem Boden mit dem Rücken zur Wand und dachte nach.

War das alles falsch?

War es falsch, Deutschland zu verlassen?

War es falsch, nach Russland zu gehen?

War es falsch zu studieren?

Journalist zu werden?

Hierzubleiben?

Seine Freunde, die er damals zurückgelassen hatte, kämpften jetzt im Untergrund. Einige waren verhaftet worden. Anderen war die Gestapo auf der Spur. Doch sie alle wussten genau, wer der Feind ist, wo er steht. Das war hier anders. Ganz anders. Der Feind war mitten unter ihnen. Und wer Feind, wer Freund war, wie sollte man das noch unterscheiden.

Trotzdem, in Deutschland wäre er das geblieben, was er war: ein Schlosser, ohne jegliche Chance, mehr daraus machen zu können. Universität? Vergiss es. Tolstoj, Dostojewski, Flaubert, France – nie wäre er mit ihnen in Berührung gekommen. Arbeit in einer Redaktion, Theater, eigene Gedichte? Daran wäre nicht zu denken gewesen. Und noch war ja seine Geschichte nicht zu Ende.

Obwohl, die Hoffnung des ersten Tages, bald würde sich alles aufklären, diese Hoffnung war nicht mehr. Die Erzählungen der anderen, zumindest soweit sie von ihrer ganz persönlichen «Sache» wussten, klangen so unglaublich wie seine eigene. Nun saßen sie und warteten darauf, was kam. Hin und wieder führten die Wachen einen zum Verhör in den Keller. Der kehrte dann schweigsam zurück. Manche wurden auch gebracht. Die Wachleute schmissen ihre reglosen, von Tritten und Schlägen gezeichneten Körper auf den Boden. Wer sich aus eigener Kraft auf die Pritsche ziehen konnte, war noch einmal davongekommen. Für gewöhnlich passierte das vor Mitternacht. Und jeder, der nicht aufgefordert wurde, mit den Wachen zu gehen, war froh. Dann war es nicht mehr so schlimm, auf der Pritsche Körper an Körper mit zwei anderen zu liegen.

Wie man sich beim ersten Verhör verhalten sollte, darüber gingen die Meinungen in der Zelle auseinander. Die einen rieten Lorenz, wenn es nur irgendwie ginge, zu schweigen. Jedes überflüssige Wort ergab ein Dutzend neuer Fragen. Bis man am Ende nicht mehr wusste, was man am Anfang gesagt hatte. «Meine Zunge ist mein Feind», die alte russische Weisheit konnten sie nicht oft genug wiederholen. Die andere Fraktion lehnte diese Verteidigungslinie ab und schwor darauf, dass man sich für das Verhör eine gute Geschichte zurechtlegen und, komme, was da wolle, dabei bleiben solle. Schweigen bringe die Ermittler nur in Rage, dann konnte man froh sein, wenn sie einen nur mit den Fäusten schlugen. Der Mann, der diese Meinung am heftigsten vertrat, ein Archivar, machte allerdings nicht den Eindruck, als wäre seine Taktik aufgegangen. Ihm fehlten alle Vorderzähne, oben und unten. Das klaffende Loch im Gebiss sah sehr frisch aus.

Verhöre, Schläge, Folter … Was lag eigentlich gegen ihn vor? Lorenz zermarterte sich den Kopf, er fand nichts. Die Ungewissheit dauerte volle acht Tage. Dann holten sie ihn, am späten Abend, kurz bevor das Licht ausgeschaltet wurde. Jetzt, schoss es ihm durch den Kopf, mussten sie ihm endlich sagen, was er verbrochen hatte. Jetzt konnte er endlich selbst Fragen stellen. Und jetzt würde sich alles aufklären. Endlich.

Sein Untersuchungsführer trug den schönen Namen Schrottkin. Wie Schrott, eigentlich zum Lachen. Schrottkin, Nikolaj Petrowitsch. Und: Schrottkin war dumm. Primitiv und dumm. Daran konnte es bereits nach der ersten halben Stunde ihrer Bekanntschaft keinen Zweifel geben. Bei seinem grausamen Handwerk vertrat er die Auffassung, das einzig Richtige sei, den Willen des Häftlings sofort zu brechen. Sei es mit Drohungen, sei es mit Gewalt. Er galt als besonders brutal und skrupellos. Was seine Vorgesetzten schätzten: Es hatte ihm den Rang eines Hauptmanns und mehrere Urkunden vom Kommissariat des Inneren eingebracht.

Groß, wenn auch etwas krumm gewachsen, hatte Schrottkin ein spitzes, von frühen Falten zerfurchtes Gesicht, das ein dünnes, in täglicher Kleinarbeit ausrasiertes Bärtchen umrahmte. Wenn er brüllte, sah man die Stahlkronen seines Gebisses glänzen. Dazu musste er die Kasbek-Papirossa, auf der er ansonsten ständig kaute, aus seinem linken Mundwinkel nehmen. Die Schirmmütze seiner Uniform, die der rote Stern mit Hammer und Sichel zierte, setzte Schrottkin nur ab, um sich in Momenten der Erregung mit der Hand über die dunkle Haartolle zu streichen. Er roch kräftig nach süßlichem Parfüm. Hieß es «Rotes Moskau»?, fragte sich Lorenz. Aber dann wäre es ja ein Damenduft. «Schipr», das die Herren als Rasierwasser bevorzugten, war es jedenfalls nicht.

Noch bevor Lorenz etwas fragen konnte, schrie ihn der Untersuchungsführer an:

«Leugnen ist zwecklos! Sie sind überführt! Die Liste mit den Namen der Verräter ist fertig! Von Ihnen brauche ich nur die Bestätigung!»

Sie saßen sich an einem Tisch gegenüber, Auge in Auge, der Raum nur von der Schreibtischlampe erleuchtet. Im Schatten duckte sich ein Protokollant über seinem Papier, an der Tür lehnte ein Soldat.

Der NKWD-Mann hatte den Tag bis dahin gut verbracht. Ausgeschlafen, anschließend in der «geschlossenen Stolowaja», einer Kantine, zu der normale Menschen keinen Zutritt hatten, reichlich gegessen. Gegen Abend tauchte Schrottkin in seinem Büro auf, ging die Liste seiner potenziellen Kunden durch und blieb bei dem Deutschen mit dem unaussprechlichen Namen stehen. Irgendwas musste man mit ihm machen. Nur was? Schrottkin mochte die Deutschen nicht. Nicht die von der Wolga und erst recht nicht die aus dem Reich. Alles Klugscheißer, alles Leute, die einem Scherereien machten.

Da half nur eins: Die Verhältnisse sofort klären. Schrottkins Stimme überschlug sich. Von Spionen, Schädlingen, Verrätern war die Rede. Von Agenten, die es auf Stalins Leben und die Sowjetmacht abgesehen hätten. Doch er, Schrottkin, werde sie alle erkennen, sie wie Wanzen zerquetschen, und wenn es sein musste, mit heißem Eisen ausbrennen. Er fuchtelte mit einem Zettel in der Luft herum, auf dem, so viel hatte Lorenz verstanden, sein Name und die Namen weiterer Verdächtiger standen.

«Sie sind Mitglied einer weitverzweigten Verschwörung trotzkistischer Elemente! Ich sage noch einmal: Leugnen ist zwecklos! Geben Sie alles zu! Um so eher sind wir hier fertig. Umso geringer fällt Ihre Strafe aus.»

Er? Umsturz? Stalin umbringen? Lorenz hatte so etwas wie Spionage erwartet. Schließlich war er Deutscher, verdächtig genug. Vielleicht unterstellten sie ihm ja, er sei Agent der Weltbourgeoisie. Aber das? Umsturz der Sowjetmacht. Er? Der Mann musste verrückt sein. Vollkommen irre. Dessen unerwarteter Wutausbruch, das laute Geschrei hatte den Häftling nicht zu Widerspruch angestachelt, sondern eher apathisch auf dem Stuhl zusammensinken lassen. Die grelle Lampe, unter deren Lichtkegel mal Schrottkins volles Gesicht zu sehen war, mal nur die Stahlzähne im geifernden Mund, ließ einen vernünftigen Gedanken ohnehin nicht aufkommen. Was sollte man auf einen solchen Unsinn auch sagen?

«Gib es zu! Abstreiten ist zwecklos!», ratterte der Mann wie ein Maschinengewehr ununterbrochen Worte aus sich heraus. Dass er zum Du übergegangen war, empörte Lorenz, aber er hatte keine Zeit, darüber nachzudenken. Schrottkin beugte sich drohend über den Tisch, der rote Stern auf seiner Mütze blitzte für einen Moment auf:

«Willst du nicht endlich gestehen? Das erspart dir und uns viel Ärger. Warum sich quälen? Wer sind deine Komplizen? Nur keine Scheu vor hohen Namen. Es ist egal, woher sie kommen, ob aus Engels oder Saratow. Moskau wäre auch nicht schlecht. Du bist doch so ein Schreiberling, ja, ein Journalist, da kennt man doch Hinz und Kunz bei der Komintern. Denkst du nicht, dass es auch dort Verräter und Spione gibt? Da hat doch jeder Zweite einen Auftrag von der Gestapo oder dem Intelligence Service. Hier, ein Blatt Papier und ein Stift. Schreib auf, wen du kennst. Aber flott. Wir brauchen Namen. Vor allem Namen.»

Er schob Lorenz das Papier über den Tisch.

«Nur zu, das erleichtert deine Lage deutlich. Und keine Angst: Wenn die Leute nichts verbrochen haben, passiert ihnen auch nichts. Bei uns geht alles nach Recht und Ordnung. Nach dem proletarischen Recht. Oder glaubst du nicht, dass die Weltbourgeoisie unseren Untergang wünscht? Aber da haben sich die Herren Roosevelt und Chamberlain verrechnet. Also, was ist? Geben Sie es zu?! Und ich kümmere mich persönlich darum, dass Sie nicht nach Sibirien kommen. Da ist es kalt. Sehr kalt. Das ist doch nichts für einen Deutschen. Das halten selbst Russen kaum aus. Und?»

Schrottkin machte eine Pause. Er war vom Herrschafts-Du wieder zum Sie gewechselt, aber das hielt nicht lange.

«Namen! Ich brauch N-a-m-e-n! N-a-m-e-n, verstehst du?»

Doch der Gefangene schwieg. Schwieg schon die ganze Zeit. Langsam erkannte Schrottkin, dass sein erster Ansturm nichts gebracht hatte. Nun schwieg auch er. Man sah es an seinem nach innen gerichteten Blick, er dachte nach. Es dauerte zwei, drei Minuten, dann stürzte er sich mit neuer Energie auf den Häftling. Er zog ein weiteres Papier aus der braunen Mappe, die vor ihm lag, und begann, die Namen mehr oder weniger bekannter Parteifunktionäre aus Saratow, der Gebietshauptstadt auf der anderen Seite der Wolga, laut vorzulesen. Er wollte wissen, wann und wo der Angeklagte die Betroffenen das letzte Mal gesehen habe. Und natürlich, wie viele konspirative Treffen stattgefunden hätten.

Doch Lorenz schaute ihn nur fassungslos an und sagte auf Deutsch:

«Ich verstehe gar nichts.»

Dann schwieg er wieder. Seine ursprüngliche Absicht, endlich selbst Fragen zu stellen – welcher Richter seine Verhaftung angewiesen hatte, nach welchem Paragraphen ihm der Prozess gemacht werden sollte –, ließ er fallen. Das war mit Sicherheit nicht der Ort, an dem man vernünftig mit jemandem reden konnte. Und schon gar nicht mit diesem Choleriker. So schwieg er und wartete, was kam.

Im Gegensatz dazu schrie sich Schrottkin wieder in Rage. Leugnen sei sinnlos, sie hätten hier bisher jeden zum Reden gebracht. Übrigens komme es auf seine Aussage gar nicht an, die wichtigsten Geständnisse und Namen habe man längst protokolliert. Der NKWD werde diese Sache bald ermittelt haben. Schließlich gebe es noch mehr zu tun, als sich mit einem deutschen Überläufer, bei dem man noch einmal genau hinschauen müsse, was ihn in die Union der Sowjetrepubliken geführt habe, die Nerven zu strapazieren.

«Ich habe gegen die Faschisten gekämpft», erwiderte Lorenz.

So ging es ein paarmal hin und her, bis Schrottkin, der offensichtlich der deutschen Sprache nicht mächtig war, restlos die Nerven verlor. Er rutschte immer mehr ins tumbe Fluchen ab. Seine Wörter stammten jetzt aus der dreckigsten Ecke der russischen Vulgärsprache. Derbe Flüche kennt man überall, aber der russische «Mat» ist ein sprachliches Paralleluniversum, in dem es nur so «fickt» und «hurt» und der «Chui», der Schwanz, das meistgebrauchte Wort ist. Und obwohl nahezu die Hälfte der Bevölkerung, vornehmlich Männer, kaum einen Satz ohne Fluch zu Ende bringt, findet sich keines der Wörter im Wörterbuch der russischen Sprache. Der Untersuchungsführer beleidigte die Mutter des sturen Deutschen, in der Hoffnung, vielleicht so etwas aus ihm herauszulocken. Doch Lorenz schwieg. Schwieg beharrlich. Und wenn er etwas sagte, dann nur in seiner Muttersprache.

«Ich weiß gar nicht, warum Sie sich so aufregen. Ich verstehe Sie überhaupt nicht. Ich spreche kein Russisch».

Und damit es auch Schrottkin begriff, wiederholte er radebrechend:

«Ja ne goworju po russki.»

Der NKWD-Mann sah den Angeklagten verdutzt an. Lorenz hatte das Gefühl, der Kerl würde gleich explodieren, so rot wurde sein Kopf. Es folgte eine neue Welle derber Mutterflüche. Dazwischen raunte er dem Protokollanten etwas zu, der sprang auf, um nach wenigen Minuten mit einem weiteren Offizier zurückzukehren.

Leutnant Hofer, Ewald Hofer, ein Wolgadeutscher und sowohl der russischen als auch der deutschen Sprache mächtig. Schrottkin befahl, die Anklagepunkte zu übersetzen. Aber kurz. So machte Lorenz die Bekanntschaft seines zweiten Untersuchungsführers, eines eher weichlichen Typs, gut einen Kopf kleiner als sein Vorgesetzter. Die dicke, rotbraune Hornbrille verlieh ihm etwas freundlich-verbindliches. Das mit Brillantine geglättete Haar und der unter dem Kinn zulaufende Bart ließen vermuten, man habe es allenfalls mit einem städtischen Angestellten zu tun. Wer ihn auf der Straße sah, kam nicht umhin, ihn freundlich zu grüßen.

Niemand hätte sich vorstellen können, dass ebendieser nette Mensch bisweilen einen am Stuhl festgebundenen Gefangenen ohne Grund und jede Vorwarnung ins Gesicht schlug. Dass er einem Kind ein brennendes Streichholz an die Wange halten konnte, um es zum Weinen zu bringen, damit die Mutter im Raum nebenan alles unterschrieb, was man ihr nur vorlegte. Hofer tat, was man ihm befahl. Tat es gründlich und mit jener inneren Befriedigung eines Angestellten, der wusste, dass alles nach Recht und Gesetz ging. Dass er nichts zu befürchten hatte.

Der Deutsche schien in der Tat kein Russisch zu verstehen. Es entspann sich ein zähes Frage-und-Antwort-Spiel, bei dem Hofer zwischen Schrottkin und Lorenz wie ein Pingpong-Ball hin und her wechselte. Schrottkin konnte daran keinen Gefallen finden. Seine Geduld reichte nicht lange, grob unterbrach er seinen Gehilfen und forderte Lorenz abermals auf, endlich zu sagen, welchen der hohen Parteifunktionäre aus Saratow er kannte, und, verflucht noch mal, zu gestehen, wie es zu der Verschwörung gekommen sei. Adressen, Namen, Daten der heimlichen Treffen, er wollte alles wissen.

«Sprechen diese Leute alle Deutsch?», fragte Lorenz jetzt Hofer. Der schüttelte den Kopf.

«Nein? Wie soll ich mich dann mit denen verschworen haben, wenn ich nicht einmal ihre Sprache kann?»

Die lakonische Antwort des Angeklagten leuchtete ein. Wenigstens Hofer. Schrottkin dagegen bekam wieder einen Wutanfall. Er sprang von seinem Stuhl und begann, an der Frontseite des Verhörtischs auf und ab zu laufen.

«Und dieser Faschisten-Chui kann kein Russisch?»

Mit einer abwertenden Bewegung zeigte er in Richtung Lorenz. Dann schnäuzte er sich lange und laut in ein ziemlich gebrauchtes Taschentuch, offensichtlich darüber nachdenkend, wie es nun weitergehen sollte.

«Was wollen all diese Schwachköpfe bei uns? Fressen sich am Busen von Mütterchen Russland fett, und nicht genug damit, sie konspirieren auch noch. Gegen die Sowjetmacht! Kaum hast du nicht aufgepasst, kriechen die Bestien aus ihren Löchern. Aber nicht mit uns! Nicht mit mir. Mit der Faust des NKWD werden wir sie erschlagen!»

Schrottkin blieb beeindruckt von der Gewalt seiner Rede stehen.

«Hofer, was meinst du, sollten wir den Burschen nicht etwas härter anfassen? Fast habe ich den Eindruck, der macht sich über uns lustig? Ein paar in die Fresse, und schon singt er uns etwas vor. Wie ein Vögelchen im Walde.»

Er schaute Lorenz betont freundlich ins Gesicht.

«Genosse Hauptmann, Sie wissen doch, wie der Genosse Oberst nach dem Tod dieses Schurken letzte Woche getobt hat. Den hätten sie noch als Zeugen gebraucht. Ich glaube, wir sollten derzeit etwas vorsichtiger sein. Da gibt es eine Anfrage aus der Zentrale.»

«Vorsicht! Vorsicht! Der hat gut reden. Wenn wir so weitermachen, ist auch in diesem Monat die Prämie futsch. Mal sehen, was er dann sagt, wenn sein Täubchen Katherina Petrowna wieder auf die Rubelchen verzichten muss?»

Die Aussicht, wegen des verstockten Deutschen auch noch Geld zu verlieren, weil man nicht genügend Geständnisse weiterleiten konnte, steigerte seinen Zorn. Die ganze schöne Anklage brach in sich zusammen. So viel stand fest: Ein Deutscher, der kein Russisch sprach, passte nicht zu einer Gruppe russischer Verschwörer, die kein Deutsch konnte.

Wieder prasselte eine Kaskade Schimpfwörter auf Lorenz nieder. Der aber fragte, obwohl die Lage zu eskalieren drohte, mit ernster Miene bei Hofer nach:

«Was soll denn das heißen: ‹Job twoju mat› und ‹poschol ty na chui›?»

Natürlich kannte er die Übersetzung. Es waren die zwei meistgebrauchten Verwünschungen des «Mat»: «Gevögelt sei deine Mutter» und «scher dich zum Schwanz».

Für einen Moment dachten alle, Hofer, der Schreiber, der Wachmann an der Tür und auch Lorenz, dass Schrottkin auf der Stelle der Schlag träfe. Doch dieser griff mit einer blitzartigen Bewegung hinter sich nach dem Lederriemen, an dem ein schweres Holzfutteral hing. Er zog eine Mauser heraus und legte sie auf den Tisch, den Lauf auf Lorenz gerichtet.

«Was nimmt sich dieser Mistkerl heraus», zischte er in Hofers Richtung. «Flucht hier rum. Hat der immer noch nicht begriffen, dass es um seinen Kopf geht?»

«Er versteht Sie nicht und fragt, was die Worte bedeuten …», suchte Hofer seinem Vorgesetzten das Geschehen begreiflich zu machen. Vergebens.

Wieder folgte eine Kanonade dreckiger Beleidigungen. Und wieder fragte Lorenz unschuldig, was denn «chui morshowy» («Walrossschwanz»), zu bedeuten habe. Ihm war klar, dass solche Flüche nur im Russischen einen Sinn ergaben, in einer anderen Sprache klangen sie oft einfach nur lächerlich.

Kein neuer Ausbruch, Schrottkin wechselte unerwartet die Taktik, er nahm die Pistole vom Tisch, legte die Hände auf den Rücken, ging ein paar Schritte um den Tisch herum und blieb hinter dem Gefangenen stehen. Lorenz wusste einiges über die Prügelorgien in den Kellern, sein Körper spannte sich. Ihm war klar, wenn der Hauptmann nicht anders zum Ziel käme, wartete auch auf ihn ein «Verhör mit Leidenschaft». Diese Art von Verhören gab es schon immer, aber seit kurzem ermunterte die Zentrale ausdrücklich dazu. Folter wurde zur offiziellen Methode der Vernehmung erklärt, passend zur gleichfalls veränderten Rechtsprechung: Das Geständnis des Inhaftierten galt nun als alles entscheidend. Wo es vorlag, bedurfte es keiner weiteren Beweise. Wie das Geständnis erlangt wurde, spielte keine Rolle. Nur so war man überhaupt in der Lage, die Masse der Verfahren in kurzer Zeit zu bewältigen. Was nicht bedeutete, dass dort, wo es keine Beweise gab und auch kein Geständnis, der Beschuldigte damit rechnen durfte, verschont zu werden. Im Gegenteil: Er war dem Genickschuss näher als der Freiheit.

Schrottkin schwieg und genoss die Angst des Mannes. Dann beugte er sich nach unten und drückte Lorenz die Mauser mit ihrem kalten Lauf an die Schläfe:

«Wie waren doch die Namen? Komm schon, spuck sie endlich aus. Ich will die Namen der Verschwörer. Alle!»

Er machte eine lange Pause.

«Und wir werden deiner Frau nichts tun …»

Der Satz riss Lorenz aus seiner Starre: Hatten sie Lotte auch verhaftet? Wo war Larissa? Sein kleines Mädchen … Oder war das nur eine Falle, um ihn gefügig zu machen? Ein unsagbarer Schmerz erfasste ihn, schlimmer als alles, was mit ihm zu tun hatte. Sollten sie ihn schlagen, sollten sie ihn umbringen, nur bitte, bitte, sie sollten die Frau und das Kind verschonen.

Allmählich gewann er seine Fassung wieder, sein Kopf schaltete sich ein und drängte die Gefühle zurück. Eines stand fest: Im Augenblick konnte er nichts für Lotte und Larissa tun. Allenfalls, es gelänge ihm, den Genossen von der Komintern oder Friedrich Wolf eine Nachricht zu übermitteln, dann könnte sich für sie noch einmal das Blatt wenden. Obwohl … Wolf wusste, dass sie ihn geholt hatten. Er würde ja nicht mit Lotte seelenruhig am Morgen nach seiner Verhaftung gefrühstückt haben, ohne sich zu wundern, wo er bliebe. Und wenn es Wolf wusste, wusste es auch die Komintern … Dennoch hatte sich in all den Tagen nichts getan. Unbegreiflich, dass Menschen, die dafür bekannt waren, Unrecht Unrecht zu nennen, jetzt schwiegen. Oder konnte wirklich jemand glauben, er, Lorenz, sei ein Verräter? Ein Spion? Ein Agent? Hatten sie ihn alle fallenlassen? Dieser entsetzliche Gedanke machte ihm Angst – nicht der Pistolenlauf.

«Meine Frau?» Verwundert sah er zu Hofer, der Schrottkins Worte unbeteiligt ins Deutsche übertragen hatte. «Was habe ich mit der zu tun? Wir sind geschieden.»

«Soso, geschieden. Na, macht nichts. Und was ist mit dem Mädchen, ist doch deine Tochter?»

Schrottkin schaute zu Hofer, Hofer schaute zu Lorenz und übersetzte, was der schon lange verstanden hatte. Das gab Lorenz etwas Zeit, die Gedanken zu ordnen.

«Was mit meiner Tochter ist? Sie ist nur wenige Monate alt und kann weder Schädling noch ein Verräter sein.»

«Aber ihr Vater … und Sie wissen doch, Sie sind ja ein intelligenter Mensch, wenn wir das Kindchen nicht schützen, wird es genauso wie seine Eltern.»

«Ach, denken Sie doch, was Sie wollen. Jedenfalls, ich kann Ihnen nicht helfen. Auf Ihrer Liste kenne ich niemanden, und selbst fallen mir auch keine Namen ein. Und überhaut, wie lautet die Anklage, aufgrund deren Sie mich hier festhalten? Welcher Richter hat den Haftbefehl unterschrieben? Wann kann ich einen Anwalt sprechen?»

Lorenz schaltete auf Angriff um, auch wenn es gefährlich war. Aber er wollte weg von dem Thema, bevor Schrottkin merkte, wie nah es ihm ging. Die Fragen provozierten, wie nicht anders zu erwarten, einen Wutausbruch. Wieder prasselte es Flüche und Verwünschungen. Das wurde selbst dem Werkzeug Hofer zu viel:

«Genosse Hauptmann, Sie können fluchen, so viel Sie wollen. Es trifft nur mich. Der Deutsche versteht Sie nicht.»

Hofer sprach das Wort «verstehen» sehr langsam, Buchstabe für Buchstabe aus. Vielleicht kapierte es sein Chef ja doch noch. Schrottkin reagierte auf unerwartete Weise: Er packte die Mauser ein und verließ den Raum.

Von da an leitete Hofer die Untersuchung. Das änderte zwar nichts an Lorenz’ Lage, an den Umgangsformen schon. Tage und Wochen vergingen, in der Sache selbst gab es keine Bewegung. Hofer wies alle Versuche des Inhaftierten zurück, ihn einem ordentlichen Richter vorzustellen. Dieser wiederum weigerte sich, auf die immer neuen, aber nicht minder abwegigen Vorwürfe einzugehen. Aus den vielen, bisweilen zusammenhanglos erscheinenden Gesprächen hörte er allerdings einiges heraus, das den Schluss zuließ, man hatte ihn ohne klare Begründung verhaftet. Das Einfachste wäre sicherlich gewesen, den falschen Verschwörer laufenzulassen. Aber das hieße ja, die NKWD-Leute zu bestrafen. Damit war nicht zu rechnen.

So quälten sich Hofer und Lorenz von einem nächtlichen Verhör zum nächsten, ohne Resultat. Einmal glaubte der Untersuchungsführer, einen fetten Agenten an der Angel zu haben, denn irgendwie war es ihm gelungen, herauszukriegen, dass Lorenz’ Mutter daheim im faschistischen Deutschland eine Rente bezog. Doch der Emigrant konnte dem Geheimdienstler, der in seinem Leben nicht über das Saratower Gebiet hinausgekommen war, klarmachen, dass Witwenrenten keine Erfindung der Nazis waren, sondern die deutsche Arbeiterklasse dafür gekämpft hatte. Sein Vater, ein Bergmann, starb an Staublunge. Daher die Rente.

Dann hieß es wieder, Lorenz sei als Linksradikaler überführt, er habe dem individuellen Terror – von Stalin und der Komintern als Todsünde gegeißelt – nie abgeschworen. Als Beweis musste die Schießerei mit SA-Leuten im Ruhrgebiet herhalten, bei der es Verletzte und wohl auch Tote gab. Das fanden die Ermittler offensichtlich in den Universitätsunterlagen des Studenten. Doch die KPD hatte die Aktion seinerzeit gebilligt. So lief auch dieser Vorwurf ins Leere. Der nächste lautete: illegaler Grenzübertritt. Lorenz schaute Hofer entgeistert an. Hatte der nicht mehr alle Tassen im Schrank?

Doch da lag plötzlich ein deutscher Pass auf dem Tisch. Sein Pass. Lorenz hatte ihn Jahre nicht gesehen. Zu Beginn seines Studiums nahm man ihm die Papiere ab, wie allen Studenten. Jetzt schob Hofer das Beweisstück zu ihm herüber. Als Lorenz durch den Pass blätterte, konnte er sich nur wundern. Jede Seite zierten bunte Stempel aller Größen und Formen: China, Japan, Frankreich, Italien, selbst Australien hatte das gute Stück gesehen. Nun war auch Lorenz klar, warum alle Nachfragen nach dem Pass immer wieder im Sande verlaufen waren. Irgendwer musste damit in der Welt unterwegs gewesen sein. In wessen Auftrag, konnte er nur ahnen.

Hofers siegessicherer Blick erlosch, als Lorenz ihm mehrere Eintragungen zeigte, die aus der Zeit stammten, in der er nachweislich in Engels an der Wolga arbeitete. Dass er zur gleichen Zeit in Hongkong spazieren ging, schien selbst dem Vernehmer unwahrscheinlich.

Das stumpfsinnige Frage-Antwort-Spiel zermürbte Hofer fast so wie den Gefangenen, aus dem fordernden Ton wurde ein flehender:

«Genosse Lorenz Lorenzowitsch, Sie müssen sich bekennen. Es geht nicht anders. Jeder muss sich bekennen.»

Die Anrede «Genosse» klang in diesem Keller wie Hohn.

«Wenn es aber nichts zu bekennen gibt?»

«Aber jeder muss sich bekennen. Es kann schon sein, dass Sie persönlich nichts verbrochen haben. Doch wir alle sind ja Teil eines großen Ganzen. Wir säubern die Gesellschaft. Es ist ein Akt der politischen Hygiene! Und natürlich wäscht man sich die Hände nicht nur, wenn sie schmutzig sind.»

Hofers philosophische Betrachtungen waren zum Kotzen. Lorenz’ Mitinsassen, von denen ein Großteil bereits zu zehn Jahren Lagerhaft verurteilt war, fanden die Schilderungen der Verhöre dagegen fast schon unterhaltsam.

Doch plötzlich war Schluss mit den Debatten, Lorenz wurde in die Mangel genommen. Vier Tage Schlafentzug. Er saß ununterbrochen auf dem Stuhl in grellem Lampenlicht, und wenn er umzukippen drohte, wurde er mit Riemen an der Lehne festgeschnallt. Die Geheimdienstler lösten sich alle paar Stunden ab. Das Personal solcher Verhöre hieß bei den Gefangenen «Wecker». Sie waren nicht darauf getrimmt, etwas aus den Angeklagten herauszukriegen. Es ging allein darum, den Gefangenen wach zu halten und dadurch gefügig zu machen. Jeder Zentimeter von Lorenz’ Körper schmerzte, der Kopf wog zwei Zentner. Immer, wenn er abzuknicken drohte, packte ihn einer der Wecker an den Haaren und zog ihn hoch. Schloss er die Augen, bekam er einen Klatsch Wasser ins Gesicht, und wenn das nichts half, weil er einfach die Augen nicht mehr öffnete, wurde er so lange geschüttelt, bis er sie wieder aufmachte. Wie bei einem Sturzbetrunkenen drehte sich alles um ihn herum. Irgendwann konnte er nicht mehr. Er wollte nur noch schlafen, egal, was passierte. Schlafen. Sterben. Alles war besser als diese Quälerei.

Genau in diesem Moment ging die Eisentür auf, und Schrottkin stürmte in den Raum. Von nun an übernahm er wieder das Kommando. Ausgeruht, glatt rasiert bis aufs dünne Bärtchen und süßlich duftend, setzte er zum finalen Kampf an. Seine neuste Anschuldigung hieß: Agitation für den Imperialismus.

«Wann soll das gewesen sein?», flüsterte Lorenz erschöpft in Hofers Richtung, während er langsam in sich zusammensank. «Warum hören Sie nicht auf mit der Quälerei? Schreiben Sie doch, ich habe Ihre Frau erschlagen.»

«Meine Frau? Das wird uns, verdammt noch mal, niemand glauben», erwiderte der Hauptmann und ließ ihn von einem Wachsoldaten wieder aufrichten.

«Und wer glaubt Ihnen all den anderen Unsinn? Dass ich für den Imperialismus agitiert habe oder die Sowjetmacht stürzen wollte? Wer kann das glauben?»

Schrottkin ließ sich nicht beeindrucken.

«Haben Sie nicht lauthals erzählt, dass die Straßen in Deutschland viel besser seien als die in der Sowjetunion? Ist das vielleicht nichts? Ist das vielleicht keine Agitation für den Feind? Willst du das etwa leugnen?»

Lorenz öffnete mit Mühe die Augen, ganz nahe über sich sah er das triumphierende Grinsen des NKWD-Manns. Kein Zweifel, Schrottkin glaubte sich am Ziel.

Straßen? Agitation für den Imperialismus? Was war das schon wieder für ein Unfug? Mühsam versuchte Lorenz, sich zu konzentrieren. Dann fiel ihm etwas ein. Sie mussten die Redaktion durchkämmt haben und auf den Volontär gestoßen sein. Oder war der ein Zuträger? Unwichtig. Es war sicherlich schon Oktober. Tagelang hatte es geregnet. Sie standen in seinem Arbeitszimmer im oberen Stock der Redaktion und blickten auf den Platz, der sich vor ihnen öffnete und im Morast versank. Er und der junge Bursche, den die Jugendorganisation Komsomol in die Redaktion delegiert hatte, damit aus ihm ein treuer Parteijournalist werde. Mitten auf dem Platz lag ein LKW fest. Vergeblich versuchte der Fahrer, das Gefährt herauszumanövrieren. Sein Begleiter hatte Äste und Bretter aus den Höfen ringsum zusammengeholt und schob sie unter die Antriebsräder. Aber die verschwanden einfach in der Pampe. Der arme Mann war bereits von oben bis unten mit Schlamm beschmiert.

Der Volontär schaute vielsagend zu Lorenz:

«Solche Straßen gibt es in Deutschland bestimmt nicht?»

«Nein», antwortete Lorenz. «Die gibt es wirklich nicht. Deutschland ist nicht so reich, sich solche Straßen leisten zu können.»

Er setzte sich an die Schreibmaschine, um eine Satire über den Zustand des Platzes zu verfassen, die tags darauf in der Zeitung erscheinen sollte, Überschrift: «Die Badesaison des Stadtsowjets». Offensichtlich musste er damit jemanden verärgert haben. Nun also die Rache. Vielleicht war das ja der Grund, dass sie ihn abgeholt hatten.

Schrottkin erkundigte sich noch nach einigen Details des Gesprächs, dann ließ er, mit sich zufrieden, den Protokollanten einen Schriftsatz in Russisch vorlegen. Lorenz nahm den Federhalter, tauchte die Feder in das Fass mit der violetten Tinte – ganz Russland, vom Schulanfänger bis zum Minister, schrieb in dieser einen Farbe –, suchte nach dem freien Platz für seinen Namen, dachte einen langen Moment nach und legte das Schreibgerät wieder auf den Tisch.

Schrottkin schaute Hofer an, dann Lorenz, dann das Papier, dann wieder Hofer.

«Unterschreib!», zischte er.

Er hatte ihn endgültig satt, diesen deutschen «Intelligentik» mit seinen Spitzfindigkeiten, all diesen Sprachverwirrungen, diesem dämlichen, verständnislos dreinblickenden Gesicht. Er ging um den Schreibtisch, riss den Gefangenen am Hemdkragen hoch und holte aus. Doch Lorenz wartete nicht, bis der Schlag auf ihn herunterging. Die Erschöpfung der schlaflosen Tage und Nächte war verflogen. Mit einem Ruck riss er sich los, machte einen Satz zur Seite und fasste den Holzschemel des Protokollanten, der gerade zum Rauchen den Raum verlassen hatte.

«Wenn Sie mich nur mit einem Finger anrühren», brüllte er, «schlage ich das Fenster ein und schreie den Menschen auf der Straße zu, was Sie hier treiben!»

Der Untersuchungsführer verharrte einen Augenblick, überlegte, ob so ein Tumult unter Umständen ein Risiko bedeutete. An sich war es dem NKWD egal, ob da draußen einer etwas hörte oder nicht, etwas zu sagen, das traute sich ohnehin niemand. Andererseits, wenn der Oberst gerade das Haus verließ oder ein Genosse von der Stadtparteileitung im Anmarsch war, gab es Ärger. Dann hieß es schnell, man verletze die revolutionäre Wachsamkeit. Und ein Genosse, der das nicht verstand, war fehl am Platze. Schlimmer noch, ab und zu erfasste die Vorgesetzten eine Art Wahn. Ja, Wahnsinn, denn anders konnte er das nicht nennen, dann schnappten sie einen oder auch zwei der Ihren, und ab ging’s nach Sibirien. An den Kolyma-Fluss oder weiß der Teufel wohin. Und was die Gefangenen mit einem NKWD-Mann machten, wenn er im Lager enttarnt wurde, das wusste jeder.

Er drehte sich um und ging.

Das Verhör war zu Ende. Die Tortur nicht. Auch in der Zelle durfte Lorenz nicht schlafen, das war bei Tag strengstens verboten. Der Wärter sah alle paar Minuten durch das Klappfenster. Wer beim Schlafen erwischt wurde, kam in den Karzer. Eine Zelle, in der es nur eines gab, Hunger. So quälte sich Lorenz bis zum Abend. Später lernte er das Schlafen im Sitzen mit dem Rücken zur Tür.

Hofer startete noch mehrere Versuche, eine Unterschrift zu bekommen. Jedes Mal, wenn er Lorenz ein vorformuliertes Geständnis vorlegte, tat der so, als studiere er es ausführlich. Wenn es gar nicht mehr anders ging, unterschrieb er auch. War das Dokument in russischer Sprache abgefasst, unterschrieb er grundsätzlich mit lateinischen Buchstaben, den Nachnamen obendrein in Druckschrift. War der Text in deutscher Sprache geschrieben, konnte Lorenz plötzlich ein paar kyrillische Buchstaben, auch hier der Familienname in Druckschrift. So oder so sah das Ganze schon von weitem wie eine Fälschung aus – jeder Wachmann hätte eine derartige Unterschrift zuwege gebracht. Mit dieser Taktik glaubte Lorenz, für den Tag gerüstet zu sein, wenn es zu einer Neuaufnahme seines Verfahrens käme. Würde dann doch ein eigenhändig unterschriebenes Geständnis einer Neubewertung im Wege stehen.

 

Das alte Jahr ging zu Ende. Seine Haft dauerte bereits Monate, noch immer lag keine Anklageschrift vor. Die Fragen bei den Verhören ließen kaum erkennen, worauf die Ermittler nun aus waren. Ewig konnte es so nicht weitergehen. Lorenz trat in den Hungerstreik. Er verlangte, endlich einen «ordentlichen» Richter zu sehen. Seine Mitgefangenen versuchten, ihn davon abzubringen.

«Hör auf. Mach Schluss. Die lassen dich einfach verrecken, und das war’s. Einer weniger, mit dem sie sich abplagen müssen …»

Besonders ein Buchhändler ließ nicht locker. Er wusste, wovon er sprach. In den zwanziger Jahren hatte er ein Priesterseminar besucht, dafür verhafteten sie ihn schon damals. Als er nach ewigen Zeiten zurückkam und seinem Glauben abschwor, durfte er arbeiten, sogar in einer Buchhandlung. Aber nun hatten sie ihn wieder geholt. Wie nicht anders zu erwarten, fanden sie bei ihm auch einige Bücher, die ein guter Sowjetmensch nicht haben durfte.

«Noch ist bei dir alles drin. Wenn du Glück hast, geben sie dir nur fünf Jahre Lager, auch wenn das selten ist. Und wenn du noch mehr Glück hast, geht es allenfalls hier um die Ecke in den Ural und nicht in die Arktis oder nach Magadan. Aber so ein Hungerstreik strapaziert allen die Nerven. Und das mag die Obrigkeit gar nicht.»

«Fünf Jahre als Reichsdeutscher?», schaltete sich belustigt ein anderer ein. «Das glaubt ihr ja selber nicht, die denken doch, alle Deutschen sind mit dem Hitler verwandt. Zehn sind das Mindeste.»

«Es sei denn, er hat jemand, der in Moskau das Händchen über ihn hält. Hast du nicht? Na ja, dann glaube ich auch, eher zehn», räumte ein langer Kerl mit Kennermiene ein. Er hatte ohne Erlaubnis versucht, vom Dorf in die Stadt zu ziehen – was Bauern strengstens verboten war. Die meisten von ihnen besaßen nicht einmal einen Ausweis. Und wer dann auf einem Bahnhof von den dort stationierten NKWD-Leuten erwischt wurde, war dran. Inzwischen gab es an jedem nennenswerten Haltepunkt auch ein Bahnhofsgefängnis. So entwickelte sich der Kommunismus weiter.

Lorenz blieb stur. Er trank nur Wasser, das Essen wies er zurück. Bei aller Not, keiner in der Zelle rührte seine Ration an. Es vergingen Tage ohne jegliche Reaktion der Gefängnisleitung, bis dann, es war schon nach Mitternacht, und die meisten Häftlinge schliefen, plötzlich die Tür aufgeschlossen wurde. Ein Soldat kam herein, befahl Lorenz mitzukommen. Auf dem Gang warteten zwei weitere Uniformierte, bewaffnet. Kein gutes Zeichen. Für ein Verhör brauchte man nicht so viel Begleitung.

Lorenz spürte, wie seine Brust eng wurde, das Atmen fiel schwer. Er schleppte sich aus der Zelle und glaubte, einen eigenartigen Blick auf seinem Rücken zu spüren. Dieses Mal ging es nicht über viele Treppen hinauf und wieder hinab, sondern gleich in den Keller. Immer wieder wurden Gittertüren aufgeschlossen und wieder verriegelt. Dann blieb der Trupp vor einer Eisentür stehen. Einer der Soldaten klopfte und schob Lorenz in einen Raum, wie er ihn noch nicht gesehen hatte.

«Das ist das Ende.»

Alles in diesem Raum war schwarz. Schwarze Wände, schwarzer Fußboden, selbst der Tisch war mit schwarzem Stoff bedeckt. Eine einsame Glühlampe hing von der schwarz gestrichenen Decke. In deren Lichtkegel saß ein alter Bekannter: Schrottkin, in eine schwarze Uniform gekleidet. Hinter ihm Hofer und vier Uniformierte, ebenfalls in Schwarz. Jeder trug eine Pistole am Gürtel. Es konnte keinen Zweifel geben: Das war das Exekutionskommando.

Der Wachsoldat führte Lorenz zum Tisch, drückte ihn auf den Stuhl, meldete seinen Namen und ging. Die Eisentür schlug zu. Niemand sagte etwas, niemand fragte etwas, es herrschte absolute Stille. Schrottkin schien zu einer schwarzen Sphinx erstarrt. Dann schlug er eine schwarze Mappe auf und legte ein Blatt Papier auf den Tisch. Das unschuldige Weiß des Papiers ließ den Raum erst recht unwirklich erscheinen. Noch in der Bewegung konnte Lorenz erkennen, dass auf dem Blatt nur wenige Zeilen standen. Ein Todesurteil war sicher kurz gefasst.

Wie erstaunt war er, als er nach einem Blick auf den Text feststellte, nein, von Erschießen war hier nirgends die Rede. Neben seinen persönlichen Daten, Name, Geburtsort und -datum, Beruf und Adresse, standen wenige dürre Zeilen, die ihm Hofer übersetzte:

«… ist aufgrund der dem NKWD der Wolgadeutschen Republik vorliegenden Materialien entsprechend der im § 205 festgelegten Bestimmungen rechtskräftig verurteilt worden.» Unterschrift: «Hauptmann Schrottkin, Leiter der Operativgruppe, bestätigt von …» – es folgte ein nicht näher zu bestimmender Krakel – «stellv. Staatsanwalt für Spezialaufgaben».

Das bedeutete noch keine Entwarnung, aber irgendetwas in Lorenz’ Innerem sagte ihm in alter Sturheit: Unterschreib nicht.

«Genosse Leutnant», wandte er sich an Hofer, «es ist mir leider entfallen, bitte sagen Sie mir, was steht in Paragraph 205?»

Schrottkin reagierte auf die Übersetzung der Frage, wie Schrottkin immer reagierte: Er explodierte. Er riss das Papier an sich und zeigte dem Deutschen mit den Fingern der rechten Hand das, was man in Russland einen «Kukisch» und in Deutschland eine Feige nennt. Dann folgte eine seiner üblichen Tiraden. Er werde es dem Herrn Redakteur schon heimzahlen, dass seine Kinder und Kindeskinder noch daran denken würden.

Als er sich abreagiert hatte, befahl er, den Häftling wegzubringen. Lorenz stand tastend auf, er konnte es nicht fassen, lebend diesem schwarzen Loch zu entkommen. Seine Beine wollten ihm nicht gehorchen, das Hemd klebte schweißnass am Körper. Mit diesem Schmierentheater hätten sie ihn fast umgebracht.

Für den Rückweg brauchte es nur einen Wächter. Sie waren schon einige Schritte gegangen, da hörte Lorenz ihn fluchen:

«Diese Hurensöhne!»

Er drehte sich um und erkannte in dem Mann einen Nachbarn. Er wohnte im selben Haus wie er, nur einen Eingang weiter. Lorenz hatte ihm vor Monaten beim Umzug geholfen, erst trugen sie gemeinsam ein schweres Bett, danach einen noch viel schwereren Schrank. Dann holte der Bursche ein Fläschlein Wodka, um die Arbeit zu begießen. Dann gingen sie zu Lorenz hinüber, der einen herrlichen Hering als Sakuska hatte. Dann kam noch ein Nachbar dazu, der Selbstgebrannten mitbrachte. Kurzum, es wurde ein schöner Abend.

Dass der Nachbar bei der Miliz war, wusste Lorenz. Dass er in diesen Kellern seinen Dienst verrichtete, nicht. Der Milizionär fluchte weiter, aber man merkte, dass es nur Ablenkung sein sollte. Offensichtlich wollte er etwas sagen, wusste aber nicht, wie er es anfangen sollte.

«Deine Frau haben sie auch. Sie haben sie ein paar Wochen später geholt.»

Er stockte. Also doch, Schrottkin hatte nicht geblufft. Lorenz wurde übel. Er stützte sich einen Moment an der Mauer.

«Wie geht es ihr? Und was ist mit den Kindern? Was ist mit Larissa?»

«Die Große ist im Waisenhaus. Wohin sie deine Frau gebracht haben, weiß ich nicht. Aber das Mädchen … Die Kleine ist tot … Im Gefängnis gestorben.»

Schwarzes Eis: Der Lebensroman meines Vaters
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