I

Der weiße Dampfer wechselte dröhnend auf die andere Seite der Wolga, einen fetten Schweif Ruß hinter sich herziehend. Die kalte Luft prickelte auf der Haut. Lorenz atmete tief. Die unerwartete Weite des Flusses verursachte nach den langen Wochen des Eingepferchtseins ein leichtes Rauschgefühl. Er suchte jede noch so winzige Einzelheit der Flusslandschaft mit seinem Blick einzufangen. Eine rostige Barke, beladen mit Sand, kreuzte ungerührt von den röhrenden Warnsignalen der Sirene und dem lauten Fluchen des Kapitäns den Kurs des Dampfers. Die Frau des Skippers hatte eine Leine mit frischgewaschener Wäsche vom Bug bis zum Heck des Kahns gespannt, Unterhosen und Hemden wehten im Wind wie die Fähnchen einer Regatta. Weiter stromabwärts glitt kaum merklich ein endlos langes Floß aus den Wäldern des Nordens in Richtung Süden. Die beiden Flößer saßen reglos vor ihrer Laubhütte um die Kochstelle herum, von der ein dünner Streifen weißen Rauches aufstieg. Ein einsamer Fischer trieb mit einem Holzboot langsam am Dampfer vorbei, den starren Blick auf die Gewehre der Wachleute gerichtet. Er wusste, was das für ein Transport war. Am Horizont verschmolzen die sich träge dahinwälzenden Wassermassen, das gegenüberliegende Ufer und der tiefe Himmel zu einem dünnen Streifen. Nirgendwo spürte man die einsamen Weiten dieses endlosen Landes so sehr wie auf seinen Flüssen. Wo die Zeit ihr eigenes Maß hat und der Mensch so klein und verloren ist wie am ersten Tag.

Lorenz lehnte neben der Tür zum Maschinenraum und spürte, wie die Kälte trotz der Jacke immer tiefer in ihn hineinkroch. Den zerkratzten rotbraunen Pappkoffer, in dem sich die verbliebenen Habseligkeiten befanden, drückte er mit einem Bein an die Bordwand. Das Zittern des Antriebs ließ den Schiffskörper vibrieren und übertrug sich auch auf ihn. Genussvoll zog er den Rauch einer Papirossa in sich hinein. Ob er diese Art Zigaretten mochte, konnte er nicht sagen, es gab keine anderen. Eine Papierhülse mit Pappmundstück, zur Hälfte gefüllt mit grobem Tabak. Der Maschinist hatte ihm im Vorbeigehen eine fast volle Schachtel zugesteckt, ohne den Dank abzuwarten. Mitleid mit Gefangenen, das war gefährlich.

Lorenz knickte das Mundstück in landesüblicher Weise zwischen Daumen und Zeigefinger. Jemand hatte behauptet, so bliebe mehr Nikotin am Papier haften. Das Etikett zeigte auf grauweißem Grund eine blaue Sonne, die strahlend über einer Schneelandschaft unterging. Oder sollte es doch eher ein Sonnenaufgang sein? Es waren Papirossy der Marke «Sewer». Das hieß «Norden».

«Sewer?» In Gedanken wiederholte er das Wort. Ob das ein Zufall war? Oder ein Zeichen? Sollte damit bereits die Richtung vorgegeben sein, der er auf seinem Weg durch Gefängnisse und Lager folgen würde? Alles könnte sich doch noch als Irrtum erweisen, noch war der Gedanke in ihm nicht erloschen. Aber im tiefsten Inneren spürte er längst eine Beklemmung, die ihn an einem glücklichen Ausgang zweifeln ließ.

«Sewer». Immerhin, es war keine «Belomorkanal», der Name einer anderen gängigen Zigarettensorte. Er gehörte zu jenen speziellen Abkürzungen, die nach der Revolution in Mode gekommen waren und die Sprache immer mehr verunstalteten. Es wimmelte im Alltag nur so davon. «Belomorkanal» stand für «Weißmeerkanal», den ersten Großbau des Kommunismus. Das mit enormem Propagandawirbel begleitete Projekt einer Wasserstraße zwischen Ostsee und Weißem Meer kostete Tausenden Gefangenen das Leben. Da es dem Land an Technik mangelte, wurde die Strecke über viele Kilometer mit Schaufel und Hacke ausgehoben. Freiwillig meldete sich kein Mensch zu dieser Schinderei. Verdienen konnte man hier nichts, nur die Gesundheit, wenn nicht das Leben verlieren. So fing die Staatsmacht die Menschen, je nach Bedarf, auf den Straßen des Riesenreichs weg und verurteilte sie zu Zwangsarbeit. Am Anfang folgten die Verhaftungen noch einem gewissen Raster. Doch schon bald stellte sich heraus, dass es allein mit vorbestraften Dieben, Obdachlosen und Prostituierten nichts werden konnte. Der Griff musste in die Breite gehen. Zehntausende wurden nun zu Feinden der neuen Ordnung erklärt und füllten als Trotzkisten oder Volksschädlinge die Arbeitskolonnen. Wer die zwei, drei Jahre überlebte, hatte Glück.

Es war der erste große und gezielte Einsatz von Sklavenarbeit zum Aufbau der neuen und gerechteren Gesellschaftsordnung. «Der Bärtige», wie Stalin im Volksmund hieß, war von der neuen Methode begeistert. Ab sofort gehörten Zwangsarbeiter zu jedem Großprojekt. Und von denen gab es immer mehr. Der NKWD lieferte.

Merkwürdigerweise schadete das Blut der Toten der Zigarettenmarke «Belomorkanal» nicht. Das Land rauchte sie fröhlich weiter. Denn Papphülsenzigaretten waren nicht nur etwas für arme Leute, auch die Nomenklatura, die politische Oberschicht des Landes, griff nach ihr mit Begeisterung. Die NKWD-Leute schätzten «Kasbek», benannt nach einem der Gipfel des Kaukasus. Selbst Stalin hatte eine Vorliebe für Papirossy. Jeder im Land wusste, dass er die vornehme Marke «Gerzegowyna Flor» bevorzugte. Allerdings pflegte er den Tabak in seine Pfeife zu stopfen.

 

Der Tabakdunst verwirbelte sich im Wind. Lorenz stand nicht zum ersten Mal rauchend auf den Planken dieses Dampfers. Es war kein gewöhnliches Schiff. Es war der offizielle Regierungskutter der Wolgadeutschen Republik, und er war früher bei Dienstfahrten oft mehrere Tage auf ihm unterwegs, meist mit Friedrich Wolf während ihrer ausgedehnten Reportagereisen. Niemals wäre es ihm in den Sinn gekommen, dass dieses Schiff auch für ganz andere Transporte genutzt wurde. Die unbeschwerten Stunden an Bord, bei Wodka und gutem Essen, erschienen ihm plötzlich als falsches Spiel. Das Schiff verwandelte sich vom weißen Dampfer seiner Sehnsüchte, der den Helden eines Abenteuerromans in eine aufregende Zukunft trug, in einen heruntergekommenen, schmuddeligen Kahn. Unter der in mehreren Schichten aufgetragenen weißen Farbe, die dem Dampfer von weitem einen Hauch Leichtigkeit und Süden verlieh, fraß sich überall der Rost hindurch. Fast schien es, dass nur der dicke Anstrich das Schiff noch zusammenhielt und irgendwo in der Mitte des Stroms ohnehin alles vorbei sein würde. Der Gedanke wirkte beruhigend auf Lorenz.

Er blickte zurück zum östlichen Ufer. Die Umrisse der Stadt wurden unscharf. Ehe man sie am Morgen auf dem Hof des Gefängnisses zur Kolonne zusammenschrie, hatten sie ihre Sachen zurückbekommen. Zumindest das, was davon übrig war. Wie befürchtet, fehlten in der Brieftasche mehrere Scheine, im Koffer ein Paar feste Schuhe und, was viel schlimmer war: der dicke Wollpullover. Den hatte Lotte gestrickt, es war ihr Geschenk zu seinem Dreißigsten. Der Winter packte von Tag zu Tag kräftiger zu, und niemand konnte sagen, wie lange das alles dauern würde. Ohne warme Kleidung wartete da draußen nur der Tod.

Der Sergeant in der Kleiderkammer des Gefängnisses nahm seine Beschwerde regungslos zur Kenntnis. Er holte ein Blatt Papier, vermerkte die fehlenden Sachen, rührte mit einem Holzfederhalter in einem Tintenfass, unterschrieb krakelnd, hauchte mehrfach auf einen Stempel, den er aus dem Schubfach seines Schreibtischs gefischt hatte, drückte sorgfältig das Emblem mit Hammer und Sichel in die Ecke und händigte den Wisch dem verdutzten Gefangenen aus.

«Hier ist noch nie etwas weggekommen», murmelte er. In seinen Augen spiegelte sich der blanke Hohn. «Heben Sie das Papier nur gut auf. Falls sich die Sachen anfinden, bekommen Sie selbstverständlich alles zurück.»

Dann winkte er den Nächsten heran und belegte ihn, noch ehe der etwas sagen konnte, mit einem Fluch.

«Diese Hurensöhne, was denn, fehlt schon wieder was? Wozu braucht ihr überhaupt den Plunder? Mancher ist hier ausgestattet wie ein Bourgeois, mit Zahnbürste und Seife. Ihr denkt wohl immer noch, ihr seid im Sanatorium? Aber das werden sie euch in Saratow schon austreiben.»

Und er fuhr fort, jeden, der da kam, zu beschimpfen. Das laute Geschrei sollte davon ablenken, wie ungeniert die Gefangenen bestohlen wurden. Dieses amtlich sanktionierte Plündern bedeutete für das Personal eine sichere Einnahmequelle, vergleichbar dem Trinkgeld in einer Kneipe. Die Prozedur hielt den Abmarsch der Kolonne dermaßen auf, dass die Begleitposten nervös wurden. Der Dampfer war extra von Saratow hinüber nach Engels geschickt worden, um die Gefangenen abzuholen. Wenn er sich bei der Rückfahrt verspätete, gab es Ärger. Da der Zug der Häftlinge durch die Stadt zu viel Aufmerksamkeit erregt hätte, karrte man einen Lastwagen heran und befahl den Männern, eilig aufzusitzen. Zuletzt stiegen zwei bewaffnete Soldaten zu, dann öffnete sich das Eisentor. Der Laster holperte auf die von Regen und nassem Schnee in einen Sumpf verwandelte Straße hinunter zum Fluss.

Von der anderen Seite kam eine Frau mit weißem Kopftuch, Wattejacke und verschlammten Stiefeln schreiend herübergerannt.

«Aljoscha!?» In ihrer Stimme mischten sich Hoffnung und Verzweiflung.

Der blonde Bauernbursche auf der Holzbank neben Lorenz, keine zwanzig Jahre alt, zuckte zusammen und warf sich mit einem Satz zur hinteren Bordwand, wo die Plane eingerollt blieb und man den Himmel und die Straße sehen konnte. Einer der Bewacher hielt ihn mit dem Gewehrlauf zurück.

«Mama», flüsterte der Junge.

Die Frau blieb mitten auf der Straße im Morast stehen und schaute dem Lastwagen nach. Noch einmal hörte man sie «Aljoscha» rufen. Dieses Mal leiser.

«Mama», erwiderte der Sohn tonlos. Dann schrie er: «Mama! Ich bin hier!»

Ein Ruck ging durch ihren Körper. Sie rannte. Rannte. Rannte verzweifelt dem Lastwagen hinterher. Doch mit den Stiefeln kam sie kaum voran und blieb immer weiter zurück. Ihre Aljoscha-Rufe wurden leiser und leiser. Noch einen Moment konnte man sie an einem Telegrafenmast stehen sehen, dann bog der Lastwagen ab.

Der Junge verharrte am Ende der Ladefläche, bis ihn ein heftiges Rucken des Lastwagens zur Seite unter die Füße des zweiten Wachmanns warf. Der schaute ihn an, sagte aber nichts. Aljoscha kroch zu seinem Platz und begrub das Gesicht in den Händen. Lorenz hörte das Weinen.

Die Geschichte des Jungen war so einfach wie grausam. Mehrfach hatte er sie während der gemeinsamen Haft erzählt. Er stammte aus einem Dorf südlich von Engels. Eigentlich wollten die NKWD-Leute nicht ihn, sondern seinen Vater holen. Der hieß wie er Alexej und für Freunde und Verwandte eben Aljoscha. Ungewöhnlich war das nicht, der Erstgeborene wurde oft nach dem Vater benannt: Iwan Iwanowitsch oder Alexej Alexejewitsch. Da der alte Bauer nicht zu Hause war – er hatte auf einem fernen Schlag des Kolchos zu tun und übernachtete im Feldlager –, suchte sich das Kommando ein anderes Opfer. Und wenn es der Sohn des vermeintlichen Schädlings war und der auch noch den gleichen Namen trug, um so besser. Da mussten die Papiere nicht einmal umgeschrieben werden.

Der NKWD hatte einen straffen Plan. Nur seine bedingungslose Erfüllung schützte all jene, die Teil der Terrormaschinerie waren, davor, selbst von ihr erfasst zu werden. Und auch das klappte nicht immer. Regelmäßig entledigte man sich der Mittäter und Zeugen, vom kleinsten Muschkoten bis zum Chef des Geheimdienstes im fernen Moskau. Als Genrich Jagoda, lange Zeit Stalins Mann fürs Grobe, nicht mehr genug Sklaven für den kommunistischen Aufbau liefern konnte, wurde er erschossen. Als sein Nachfolger, Nikolai Jeschow, Hunderttausende zu viel verhaften ließ und viele von ihnen in überfüllten Gefängnissen oder auf dem Transport in die Lager starben, ohne je ihren Sklavendienst angetreten zu haben, geschah mit ihm das Gleiche. Aljoschas Schicksal war kein Irrtum. Nur logische Konsequenz.

 

Die Sirene des Dampfers dröhnte ein letztes Mal über das Wasser, dann legte das Schiff ruppig auf der Saratower Seite an. Im Gänsemarsch gingen die Gefangenen von Bord. Vorbei an der Bretterbude, die großspurig Flussbahnhof hieß. Hier saßen auf den Holzbänken eingemummte Menschen mit Säcken, Eimern, zusammengeschnürten Hühnern und Enten, in der Hoffnung, dass eines der vorüberkommenden Schiffe sie mitnehmen würde. Ein paar Schritte weiter wartete bereits das Lastauto mit der Aufschrift «Brot» auf seine menschliche Ladung.

Das zweite Gefängnis, in das Lorenz kam, schien in Größe und Bedeutung der Gebietshauptstadt angemessen: ein gewaltiger Gebäudekomplex, umgeben von einem Bretterzaun, verziert mit mehreren Reihen Stacheldraht, an den Ecken bewehrt mit hohen Wachtürmen und deren gnadenlosen Suchscheinwerfern.

Im «Empfangsraum» wurden den Gefangenen Schnürsenkel, Gürtel und all die andern laut «Hausordnung» verbotenen Gegenstände wieder abgenommen. Wer bis dahin noch seinen Haarschopf hatte, bekam jetzt eine Glatze rasiert. Mörder, Politische, jetzt sahen sie alle gleich aus. Gezeichnet und ausgestoßen.

Seiner Verzweiflung auf die Nachricht über den Tod von Larissa folgte die Leere. Das Leben erschien nicht mehr weit und offen wie der Himmel an einem Tag im Frühling, sondern nur noch als Abfolge von Grausamkeiten, deren Ende nicht abzusehen war. Er wollte nur noch weg aus Engels. Egal wohin.

Leutnant Hofer frohlockte. Der Widerstand des Deutschen war gebrochen, der Hungerstreik beendet. Lorenz setzte seine Unterschrift unter genau jenes Blatt Papier, das ihm bereits Schrottkin im «Schwarzen Kabinett» vorgelegt hatte. Nur der Verweis auf den § 205 war mit dem Messer herausgekratzt. Kein Gericht der Welt würde je einen solchen Wisch als Schuldgeständnis anerkennen.

Zwei Tage war das jetzt her. Nun folgte Lorenz wieder einem Wachmann, Treppe rauf, Treppe runter, durch düstere Korridore, bis sie vor einer Tür stehen blieben. Der Mann klapperte lange mit den Schlüsseln, endlich hatte er den richtigen. Lorenz war angekommen. Er betrat eine geräumige Zelle, in der allenfalls zehn oder zwölf Gefangene, keineswegs beengt, saßen. Allein das konnte einen schon verwundern. Erst recht der Umstand, dass auf dem Tisch in der Mitte des Raums mehrere Weißbrote lagen. Weißbrot hatte er seit einer Ewigkeit nicht gesehen. Das geöffnete Glas mit Butterschmalz und ein kilogrammschweres Stück Wurst vervollständigten ein unwirkliches Bild. Lorenz konnte seinen Blick nicht davon lösen. Auf alles schien er vorbereitet: auf einen nassen Keller, auf Dutzende Menschen in engster Zelle, auf Isolationshaft, endlose Verhöre, auf Schläge und Folter. Reichlich zu essen, das lag außerhalb aller Vorstellungskraft. Ganz zu schweigen davon, dass der Überfluss die anderen ganz und gar ungerührt ließ.

Die Mitgefangenen nahmen von dem Neuen nicht die geringste Notiz. Einige lagen sogar angezogen auf ihren Pritschen. Noch eine Merkwürdigkeit. Das Liegen auf den Nary am Tag war strengstens verboten. Es drohten drakonische Strafen. Wer erwischt wurde, bekam die Essensration gekürzt. Ziemlich das Schlimmste, was man sich denken konnte. Auch wenn die Mahlzeit nur aus einer Schüssel Balanda – einer dünnen Kohl- oder Graupensuppe – und einem Kanten Schwarzbrot bestand. Doch hier lagen die feinsten, für ein sowjetisches Gefängnis unvorstellbaren Speisen, und keiner rührte sie an. Das sollte einer verstehen.

«Ah, ein Neuer! Komm, leg deine Sachen auf die Liege da drüben», begrüßte ihn schließlich ein älterer Mann.

Er saß auf einem Hocker am Tisch und sah wie einer jener Mennoniten aus, denen Lorenz auf seinen Reisen entlang der Wolga immer wieder begegnete. Aus Glaubensgründen hatten sie Preußen vor langer Zeit verlassen und in den Weiten Russlands eine neue Heimat gefunden. Doch wer keine Staatsmacht über sich duldete und den Dienst in der Armee verweigerte, der passte nicht in die neue Zeit. Die Mennoniten flohen entweder aus der Sowjetunion, oder sie besiedelten das weit verzweigte Inselreich des Gulag.

Gulag, das war wieder eines dieser neuen Krüppel-Wörter, die Lorenz nicht mochte, zusammengesetzt aus den Anfangsbuchstaben von «Glawnoje uprawlenije isprawitelno-trudowych lagerej i kolonij», was mit «Hauptverwaltung der Besserungsarbeitslager und Kolonien» übersetzt wurde. Längst hatte sich Gulag als Synonym für Tod und Terror verselbständigt.

«Der Platz ist gestern frei geworden.»

Der Alte sah den ungläubigen Blick des Neuen angesichts der Schätze auf dem Tisch.

«Du kannst dir ruhig was schmieren. Es ist genug da. Wenn wir mehr brauchen, geben sie uns mehr. Lang zu, zier dich nicht.»

Lorenz schob seine Sachen unter die Pritsche, setzte sich an den Tisch und strich ein großes Stück Weißbrot fingerdick mit Butter ein. Nachdem er die dritte Scheibe Brot runtergeschlungen hatte, ging er zur Wurst über. Draußen im Land hieß diese Sorte Doktorskaja. Was sie mit einem «Doktor» zu tun hatte, war nicht ganz klar, so wandelte sich ihr Name allmählich in «Hundefreude». Irgendwie erinnerte sie ihn jetzt an die Wurst daheim in Westfalen. Langsam ließ das seit Wochen anhaltende Hungergefühl nach. Er hielt einen Moment mit vollem Mund inne und sah sich erneut ungläubig um. Litt er unter Halluzinationen? Nach dem Hunger der vergangenen Wochen und Monate wäre das nicht undenkbar. Oder sollte es im Saratower Gefängnis anders zugehen als in Engels?

Ihm gegenüber spielten zwei Männer in einer Ecke verbissen Karten. Die Blätter klatschten auf den Schemel. Offensichtlich war es Durak, Dummkopf, das am weitesten verbreitete Spiel in Russland. Was die Spieler jedoch in der Hand hielten, das waren nicht die üblichen, hinter Gittern aus Kartonresten hergestellten Karten. Nein, ein echtes französisches Blatt, wie man es draußen in der Freiheit hatte, auf den Hinterhöfen oder wo immer sich Männer zum Durak-Spiel zusammenfanden. Und offenbar hatten die beiden auch keine Angst, dass man sie erwischen könnte. Selbstverständlich war das Kartenspielen im Gefängnis streng verboten.

Einer der Sträflinge lief nervös, einer unsichtbaren Linie folgend, durch den Raum. Zwölf Schritte vor, zwölf Schritte zurück. Plötzlich blieb er am Tisch stehen, schaute Lorenz eine Weile beim Schmieren der fünften oder sechsten Brotscheibe zu, wartete ab, bis er erneut die Butter mit dem Löffel aus dem Glas gefischt hatte, und fragte übertrieben freundlich:

«Na, schmeckt’s?»

Sein Gesicht verzog sich zu einer Grimasse, die so etwas wie ein Lächeln darstellen sollte.

«Iss nur, iss … .», murmelte er. «Wer weiß schon, was es da oben gibt?»

Er blickte demonstrativ zur Decke.

Mit vollem Mund hörte Lorenz auf zu kauen. Es waren weniger die Worte, die ihn innehalten ließen, vielmehr der Unterton. Er hatte es doch gewusst, hier konnte etwas nicht stimmen. Fragend schaute er den schmächtigen Mann an, der seiner Aussprache nach ein Tatare sein musste, er wagte nicht, den Bissen hinunterzuschlucken.

Der Mann bückte sich zu Lorenz und fuhr deutlich leiser, fast verschwörerisch, fort:

«Wofür hat man dir die ‹Schlöpka› gegeben?»

Das Wort traf Lorenz wie ein elektrischer Schlag. Er sprang auf. «Schlöpka», eine Klatsche, das war unter Ganoven das gebräuchliche Wort für Erschießen. Wer eine Schlöpka bekam, der war zum Tode verurteilt.

«Was faselst du da von ‹Schlöpka›», fuhr er den Neugierigen an. «Ich bin bisher zu gar nichts verurteilt. Meine Untersuchung läuft noch. Überhaupt, ich bin unschuldig, alles wird sich aufklären …»

Der Wortwechsel zog die Aufmerksamkeit der anderen auf sich. Die Kartenspieler unterbrachen ihr Spiel. Ein apathisch auf der Pritsche liegender Gefangener richtete sich auf und blickte ärgerlich zum Tisch. Ein anderer erhob sich gleichfalls und musterte Lorenz interessiert von oben bis unten.

«Ist der so dumm, oder tut er nur so?», mischte er sich in das Gespräch. Aus seiner Stimme klang ein hohes Maß an Gereiztheit. «Pass auf, Freundchen, wir alle, die wir in dieser Zelle sitzen, sind zum Tode verurteilt. Das ist die Todeszelle. Eine andere haben die hier nicht.»

Er wartete die Wirkung seiner Worte ab und fügte dann hinzu:

«Irrtum ausgeschlossen.»

Lorenz blickte entsetzt von einem Gesicht zum anderen. Was war das für ein Spiel, das hier gespielt wurde?

«Ja, Irrtum ausgeschlossen!»

Der das sagte, trug ein schwarzes am Stehkragen mit weißen Knöpfen besetztes Russenhemd, dazu eine dunkle Reithose, die in gutgearbeiteten Stiefeln steckte. Er strahlte den Schick eines mittleren Parteifunktionärs aus. Die Stiefel hatte er für seinen nachmittäglichen Schlaf nicht ausgezogen. Angst, dass hier jemand etwas stehlen könnte, schien keiner zu haben. Nicht nur das Brot und die Butter lagen offen auf dem Tisch; die Insassen hatten auch ihre Habseligkeiten entweder auf einem Hocker oder am Fußende der Pritsche verstaut.

«Nein, nein, das alles kann nur eine Verwechslung sein», beharrte Lorenz.

«Unschuldig sind wir hier alle», fuhr der Mann fort. «Oder sagen wir besser, fast.» Ein bitteres Lächeln huschte über sein Gesicht. «Der da drüben auf dem Bett, der gerade noch schlief und uns jetzt so interessiert zuhört, hat eine Bank leergeräumt. Viel war nicht drin. Aber für ihn und seine Freunde hätte es gereicht. Anstatt nun das schöne Geld in einer anderen Kasse zu deponieren und darauf zu warten, dass Gras über die Sache wächst, haben sie mörderisch einen draufgemacht. Ist doch klar, dass so etwas auffällt. Er war so besoffen, dass er erst im Knast wieder zu sich kam. Nur einer seiner Kumpane konnte noch geradeaus gucken und wollte abhauen. Den haben sie gleich abgeknallt. Auf der Flucht, du weißt schon.»

Der Erzähler machte eine lange Pause, um die Wirkung seiner Worte zu genießen. Die anderen kannten die Geschichte offensichtlich schon in allen Einzelheiten und taten eher gelangweilt.

«Den zweiten Kumpel von ihm haben sie gestern aus der Zelle geholt.» Mit einer flüchtigen Bewegung zeigte er auf die Pritsche, die jetzt Lorenz gehörte. «Nun wartet er als Letzter, wann er an der Reihe ist. Heute? Morgen? Oder erst in einer Woche? Niemand kann sagen, wann diese Hundesöhne einen holen. Es soll schon Leute gegeben haben, die vier oder fünf Wochen hier saßen. Die begannen tatsächlich daran zu glauben, man habe sie vergessen. Und dann kamen sie doch dran.»

Er atmete tief durch.

«Hundesöhne ist geschmeichelt», mischte sich einer der Kartenspieler ein und spuckte angewidert auf den Boden. «Das sind Sadisten, und wenn es nach mir ginge, wäre es längst vorbei. Aber so sitzen wir und warten, und die haben ihren Spaß. Das ist wie bei einer Katze, die eine Maus fängt. Das kleine Ding einfach runterzuschlucken wäre viel zu einfach. Sie lässt die Maus noch eine Weile zappeln, bis es dann langweilig wird. So ist es auch mit uns.»

Lorenz sprang auf.

«Das kann doch alles nicht wahr sein!»

Mit einem Satz war er an der Tür und trommelte mit den Fäusten gegen das Blech. Der Donner verbreitete sich über die Korridore.

«Junge, lass das sein», machte sich der Tatare wieder bemerkbar. «Die mögen den Krach nicht und stecken dich noch in den Karzer. Was hast du davon, die letzten Tage in Isolation und bei trockenem Brot zu verbringen? Oder meinst du, die Verpflegung hier ist umsonst? Du sollst stillhalten, verstehst du?»

Lorenz hielt inne. Einfach so alles hinnehmen? Aufgeben? Sich abfinden? So, wie die hier das längst getan hatten? Das konnte es nicht sein. Dennoch hörte er auf, gegen die Tür zu schlagen.

«Gut so», nickte der Tatare zufrieden. «Komm, setzen wir uns an den Tisch, lass uns weiterreden.»

«Irgendwas musst du doch getan haben», mischte sich der im schwarzen Hemd wieder ein. «Ganz ohne Vorwand geht es auch bei denen nicht.»

Er machte eine Pause, stand auf und rückte einen weiteren Hocker an den Tisch heran.

«Ich zum Beispiel sitze hier wegen Sabotage.» Er machte eine Pause und ließ das Wort auf den Zuhörer wirken. «Die haben uns in die Kolchose einen Traktor geschickt. Selbst in der Zeitung hat es gestanden: Eine neue Ära auf dem Lande bricht an. Nie mehr schlechte Ernten. Wir haben extra einen unserer besten Brigadiere zur Weiterbildung abkommandiert. Mischa. Der konnte dann auch mit dem Ding wahre Kunststückchen vollbringen. Wie eine Ballerina vom Bolschoj. Nur die weißen Strümpfchen fehlten.»

Lorenz kam nicht umhin zu schmunzeln. Er kannte diese tonnenschweren Ungetüme. Hin und wieder begegnete er solch einem Wunderwerk sowjetischer Ingenieurskunst auf den Feldern. Die nahe Verwandtschaft zu einem Panzer sah man ihnen schon von weitem an, in der Regel stammten sie auch aus demselben Werk. Von Grazie und Wendigkeit konnte keine Rede sein. Aber immerhin, die Riesenfelder der Kolchosen ließen sich damit deutlich schneller umbrechen als mit den mageren Pferdchen. Vorausgesetzt, der Traktor stand nicht monatelang herum, weil Ersatzteile fehlten.

«Eines Tages», fuhr der Mann fort, «haben wir im Dorfsowjet mächtig gefeiert. Hol’s der Teufel, ich glaub, jemand war Vater geworden. Und ihr wisst schon, in so einem Dorf wird ständig einer Vater. Manchmal kam ich als Kolchosvorsitzender die ganze Woche nicht zum Arbeiten. Hochzeit hier, Namenstag dort, und dann sterben ja auch immer welche. Da kann man nicht einfach sagen: Das war’s. Das muss schon würdig begangen werden. Die alte Anjuta hatte einen herrlichen ‹Samogon› auf Vorrat, im Selbstbrennen ist sie in der ganzen Gegend einsame Meisterin. Klar wie eine Träne, das Zeug. Nicht zu vergleichen mit dem trüben Gesöff hier in der Stadt, von dem man nur blind wird. In jeder Flasche schwamm eine kleine rote Schote. Gut für das Auge und erst recht gut für den Geschmack.»

Vor lauter Begeisterung über Anjutas Brennkünste hatte es den Kolchosvorsitzenden weit vom eigentlichen Geschehen abgetrieben. Fast verschämt kam er auf die Geschichte mit dem Traktor zurück, nicht ohne einen letzten Satz zur Güte des «Perwatsch», des erstgebrannten Samogon, einzuflechten.

«Nun, wir hatten alle ordentlich geladen. Da schwang sich Mischa auf sein Stahlross und ratterte in die Dunkelheit. Warum? Wieso? Keiner weiß es. Jedenfalls, Streit gab es keinen. Doch als er am nächsten Mittag immer noch nicht zurück war, wurden wir unruhig. Vielleicht ist er bei Dascha, meinten die einen. Nein, sagten die anderen. Da geht er nur hin, wenn es Lohn gab. Und jetzt ist erst Monatsmitte, da hat er keine Kopeke, für die Liebe schon gar nicht. Vielleicht ist er in die Stadt, vermuteten die Dritten. Aber ohne Auftrag der Kolchose, was sollte er dort, mitten in der Erntezeit? Und ob er einen Auftrag hatte oder nicht, musste ich als Vorsitzender ja wissen. Er hatte keinen.

So konnten er und der Traktor nur in der Nähe sein. Ein Glück, die Spuren der Ketten ließen sich nicht übersehen. Wir machten uns also auf den Weg, Mischa zu suchen. Der Hurenbock hatte sich in seinem Tran auf keine Kompromisse eingelassen. Die Schneise der Verwüstung führte über Zäune und Gärten in die Felder. Beim alten Mitrocha hatte es beinahe das Haus erwischt, der Abortschuppen war jedenfalls platt. Mitrocha selbst saß gerade nicht drin. Na ja, besonders schade wäre es nicht um ihn gewesen. Als er und seine Alte uns sahen, stimmten sie das große Wehklagen an und wünschten dem Traktoristen die Pest an den Hals.

Doch das mit dem Scheißhaus war halb so tragisch. War ja nur privat. Dass er einen gut Teil des volkseigenen Feldes mit dem reifen Korn platt gewalzt hatte, war schon schlimmer. Nach dem Feld ging es über die Wiesen zum Fluss. Ein Glück, die Kühe hatten die Mäuler nicht allzu neugierig herausgestreckt. Als wir kamen, glotzten sie allerdings noch immer ziemlich verstört.

Dann machte die Spur einen Bogen Richtung Wäldchen und Sumpf. Da wurde es den Ersten mulmig. Wenn er den Traktor an einer der alten Kiefern zerwürgt hatte, konnte er etwas erleben. Doch Mischa hatte wohl in der Nacht nicht viel sehen können. So hielt er Kurs, sofern er in seinem Rausch überhaupt steuern konnte, an den Bäumen vorbei in die Senke, wo das Moor begann. Ein grausiger Ort. Kilometerweit, bis zum Fluss, nur stinkende Brühe. Allenfalls ein paar Hirten trauen sich dorthin. Und genau da führten die zwei fetten Linien seiner Kettenspuren hinein.

Der Kater von dem Besäufnis, der mich den ganzen Morgen gepeinigt hatte, war augenblicklich weg. Die letzten paar hundert Meter bis zum Sumpf legte unser Suchtrupp im Dauerlauf zurück. Erst als der Morast in die Stiefel schwappte, blieben wir stehen. Von Mischa und, noch schlimmer, vom Traktor weit und breit nichts zu sehen. Da standen wir nun und schauten bedeppert. Irgendwann glaubte einer der Jungs, vierzig oder fünfzig Meter von uns entfernt an einem dürren Ast, mitten im Moor, die Jacke des Traktoristen zu erkennen. Wir kamen auch mit langen Stöcken nicht ran. Vom Traktor keine Spur, außer einigen regenbogenfarbenen Schlieren auf der Moorbrühe. Der Tank war nicht ganz dicht.

Den Rest kann man sich denken. Ein paar Wochen konnte ich die Sache vertuschen. Dann holten sie mich ab: Sabotage am Volkseigentum. Der Vorsitzende trägt die Verantwortung für den Traktor.»

Er wurde still.

«Dass es gleich die Höchststrafe wird, nun ja, das ist Pech. Vielleicht hatten sie ja ihren Plan noch nicht erfüllt.»

Er stand auf und ging hinüber zu seiner Pritsche.

«Zu machen ist da nichts mehr.»

Es folgte ein langes Schweigen. In Lorenz’ Kopf dröhnte es: Todesstrafe! Todesstrafe! Todesstrafe!

«Und», beendete der Tatare die Pause, «fällt dir endlich etwas ein? Irgendwas musst du doch gemacht haben? Mich zum Beispiel haben sie mit zwei Säcken Zucker auf dem Bahnhof erwischt. Die stammten nicht aus einem Laden. Zu dritt hatten wir sie in einem Lager mitgehen lassen. Die anderen sind getürmt, ich war zu langsam. Nun bin ich ein Saboteur. Und was man mit denen macht, ist bekannt.»

Lorenz zog laut und tief Luft in sich hinein, atmete langsam wieder aus. Das meiste von dem, was er da hörte, klang allenfalls banal. Konnte man wirklich wegen eines Unfalls mit einem Traktor, den der Betreffende noch nicht einmal selbst verursacht hatte, oder wegen zwei gestohlener Säcke Zucker Menschen erschießen?

Offensichtlich konnte man.

«Was bist du überhaupt für ein Landsmann?» Der Tatare ließ nicht locker. «Und wo haben sie dich gegriffen?»

Es dauerte, bis Lorenz bereit war, auf die Fragen zu antworten. Hatte es Sinn, offen zu sein, oder empfahl es sich eher, alles im Ungefähren zu halten? Wer wusste schon, wer hier in der Zelle mit welchem Auftrag saß? So hielt er sich knapp mit seiner Erzählung.

Der Kolchosvorsitzende rieb sich die kurzen Bartstoppeln.

«Das ist nicht viel. Aber sie mögen es gar nicht, wenn einer nicht spuren will. Vielleicht hast du ja den Bogen überspannt …»

Als Lorenz noch hinzufügte, dass er Deutscher sei, und zwar nicht von der Wolga, sondern aus dem Reich, pfiff der Tatare leise.

«So einen vor die Wand zu stellen ist für die Herrschaften ein besonderes Fest.»

Auf Lorenz’ Entgegnung, er sei Kader der Komintern, folgte nur die trockene Bemerkung:

«Ob Kader oder nicht, für die sind alle Deutschen doch nur Faschisten. Egal, wen du da noch in Moskau kennst. Und die hier geborenen Schmidts und Kochs oder wie sie noch alle heißen, sind für die nicht viel besser. Alles Spione.»

Den Mennoniten schien das alles nicht sonderlich zu interessieren. Sicher war es sein Glaube, der ihn auch unter diesen Umständen entspannt, ja fast zufrieden aussehen ließ.

«Iss nur, iss.»

Er sorgte sich um Lorenz, als hätten sie noch viel vor.

«Weißt du, wenn dir das mit dem Brot und der Butter nicht genug Komfort ist, kannst du auch die Wachleute bitten, dass sie dich zum Zahnarzt führen», schaltete sich der zweite Kartenspieler ein. «Das Recht auf eine vernünftige Verteidigung hast du nicht, aber zum Zahnarzt darfst du gern gehen. Sind ja keine Unmenschen. Es sähe ja auch hässlich aus, wenn die Sowjetbürger da oben nicht nur mit Löchern im Fell, sondern auch noch mit Lücken im Gebiss ankämen.»

Er lachte fröhlich über seinen Witz.

«Aber empfehlen würde ich es dir nicht. Der Zahnklempner hat einen denkbar schlechten Ruf. Der läuft hier unter Folter.»

Tage vergingen. Kein Verhör. Kein Hofgang. Keine Aufforderung, etwas zu tun oder zu lassen. Alle seine Versuche, den Wachleuten eine Information zu entlocken oder sie auf einen Fehler hinzuweisen, schlugen fehl. Sie übersahen ihn einfach. Der ersten Aufregung folgte das Entsetzen, dann das Stadium des «Eigentlich-ist-alles-egal». Die anderen in der Zelle hatten es längst erreicht. Bis eines Abends zu ungewohnter Zeit das Schloss umgedreht wurde und ein Leutnant auf der Schwelle erschien. Zwei bewaffnete Soldaten standen wenige Schritte hinter ihm. Die Bewohner der Zelle erstarrten. Keiner rührte sich. Keiner fragte etwas.

Der Offizier holte ein Blatt Papier hervor und sagte:

«Buchstabe K.»

Es folgte eine lange Pause. Dann hörte man aus der Tiefe des Raumes leise:

«Kisly.»

Das war der Jüngste in der Zelle. Angeblich hatte er in trunkenem Zustand den Nachbarn schwer verprügelt. Der stieg seiner Mutter nach, die genug damit zu tun hatte, drei Kinder allein aufzuziehen. Dumm nur, der Nachbar war eine große Nummer im Stadtsowjet, so bekam die Sache einen politischen Anstrich. Der Junge sollte in einem Schnellverfahren wegen schweren Rowdytums verurteilt werden. Doch dem Richter war das nicht genug. In der Verhandlung wurde aus dem Rowdytum ein versuchter Anschlag auf den örtlichen Sowjet. Das Resultat: Höchststrafe.

«Nein», erwiderte der Uniformierte.

«Koslow», fragte ein weiterer stockend.

«Nein», antwortete der Uniformierte wieder.

«Kutschnoi», hörte Lorenz den Kolchosvorsitzenden halblaut, fast wie eine Bestätigung, sagen.

«Ja.»

«Mit Sachen?»

«Mit Sachen.»

Alle im Zimmer schauten zu, wie der Mann langsam sein schwarzes Jackett anzog, Mütze und Schal aus dem grünen Rucksack am Fußende seiner Pritsche holte und mit schwerem Schritt Richtung Tür ging. An der Schwelle hielt er einen Moment inne, drehte sich um und sagte jedes Wort einzeln gewichtend:

«Ne pominaite lichom …»

Denkt nicht schlecht von mir. Man sagt das in Russland vor einer langen Reise oder wenn einem ein Gang ins Ungewisse bevorsteht.

Alles verlief nach strengen Regeln. Für gewöhnlich wurde niemand nach zehn Uhr abends geholt, so konnte man wenigstens bis zum nächsten Morgen einigermaßen ruhig schlafen oder sich zumindest einbilden, es zu können. Die Soldaten betraten die Zelle nicht, sondern blieben auf dem Gang stehen. Der Name dessen, der sterben sollte, wurde nicht genannt, nur der Anfangsbuchstabe des Nachnamens. Er selbst musste seinen Namen sagen; kamen mehrere Gefangene in Frage, antworteten sie in alphabetischer Reihenfolge.

Zwei weitere Wochen folgten. Lorenz befand sich in einer Art Dämmerzustand. Was um ihn herum geschah, bewegte ihn immer weniger. Er aß, schlief und sprach kaum. Am Tag lag er auf seiner Pritsche, mit dem Gesicht zur Wand. Längst wollte er von all den Ratschlägen, die ihm die altgedienten Häftlinge in Engels auf den Weg gegeben hatten, nichts mehr wissen. Warum sollte er jetzt noch für Beschäftigung und Bewegung sorgen? Wofür sollte er sich noch gesund halten, wenn sowieso bald Schluss war? Widerstandskraft für Verhöre war nicht mehr nötig. Und auf eine lange Etappe im Viehwaggon sollte es auch nicht gehen. Also wofür?

Es war an einem späten Montagabend. Sie hatten keinen Kalender, aber mit dem Wechsel der Wachdienste begann stets eine neue Woche. Die Spieler hatten ihren Kartenstoß ein letztes Mal auf den Hocker geschlagen. Bald würde das Licht ausgehen. Plötzlich hörte man Schritte auf dem Gang. Erst leise, dann lauter. Mehrere Stiefelpaare, die Absätze mit Metall beschlagen. Zock, zock, zock, klang das Blech auf den Steinen des Kellers.

Die Tür ging auf. Der Wachmann packte seine Liste aus, hustete und schaute in den Raum:

«Buchstabe L.»

Lorenz stand auf, konnte aber kein Wort sagen.

Der Wachmann wiederholte:

«Buchstabe L.»

Da hörte Lorenz hinter sich fast flüsternd:

«Lebedew …»

In der Zelle gab es nur zwei Insassen mit dem Buchstaben «L». Lebedew war der eine, Lochthofen der andere. Lebedew kam aus einem Dorf, ein einfacher Junge, der bei einer Dorfkeilerei einen Milizionär erschlagen haben sollte. Ob er es wirklich getan hatte, ließ sich nicht klären. Heraus kamen «Banditismus» und die Todesstrafe.

«Nein.»

Nun war Lorenz an der Reihe.

«Lochthofen», hörte er sich teilnahmslos sagen.

«Ja.»

Das sollte also das Ende sein? Mechanisch setzte er hinzu:

«Mit Sachen?»

«Mit Sachen.»

Er holte seinen Koffer unter der Pritsche hervor. Eigentlich kam ihm das ziemlich albern vor. Egal, was es war, die Jacke, die Stiefel oder die Wäsche, dort, wo er hinging, brauchte er nichts davon. Er trat auf den Gang hinaus. Der Wachmann und zwei Soldaten mit Karabinern folgten ihm. In den ersten Tagen glaubte er, bei jedem Geräusch draußen vor der Tür, sterben zu müssen. Wenn das Schloss knarzte, erstarrte er. Jetzt, wo der Augenblick gekommen war, fühlte er nichts mehr. Es war, als ginge es um einen Fremden.

Sie liefen einen endlosen Gang entlang. Die Stiefel kratzten mit dem Blech auf dem Steinboden. Nach einigen Quergängen stiegen sie eine lange Treppe hinauf. Eine Eisentür nach der anderen wurde geöffnet und wieder geschlossen, bis sie endlich in einem geräumigen, nach frischer Farbe riechenden Korridor ankamen. Im Gegensatz zu den üblichen Funzeln brannten hier an der Decke starke Lampen, die den Gang in helles Licht tauchten, fast so wie draußen im Leben. Gemeinsam mit seinen Bewachern blieb Lorenz vor einer lederbezogenen Tür stehen. Der Wachmann klopfte, wartete und schob den Gefangenen in den Raum.

Wenn das der Ort war, in dem das Exekutionskommando auf ihn wartete, dann hatte er ihn sich ganz anders vorgestellt. Er stand in einem großen Zimmer. An der Fensterfront prunkte ein Schreibtisch, an dessen Stirnseite ein weit ins Zimmer reichender Tisch, davor mehrere Stühle, deren Rückenlehnen mit schwarzem Leder gepolstert und mit glänzenden Messingnägeln besetzt waren. In der Mitte des Tischs thronte die für einen russischen Natschalnik obligatorische Wasserkaraffe mit einem Glas darauf, das als Deckel diente. Letzteres wurde von seinem Besitzer nur in den seltensten Fällen zum Wassertrinken benötigt, eher für Wodka.

Auf dem Parkettboden lag ein Teppich. Das konnte man durchaus außergewöhnlich nennen. Ein Teppich in einem Raum, in dem geschossen werden sollte?

Hinter dem Schreibtisch saß ein glatzköpfiger Mann in einer NKWD-Uniform, den Sternen auf dem Kragenspiegel nach ein Major. Er schaute den Gefangenen mit Neugierde an.

«So, so», begann er nach langer Pause. «Ihr Name ist also Lochgofen».

Wie viele Russen konnte er das «H» nicht aussprechen. Das «T» verschluckte er der Einfachheit halber gleich ganz.

«Setzen Sie sich», forderte er Lorenz auf. «Sie kommen aus der Todeszelle?»

Er sah Lorenz, der sich steifbeinig auf die Stuhlkante gesetzt hatte, neugierig an:

«Wie sind Sie da hineingeraten?»

Obwohl der Major äußerlich ruhig und gelassen schien, war ihm der Spaß anzumerken. Er weidete sich am Entsetzen des Gefangenen. Offenbar sollte hier noch ein Palaver stattfinden. Aber wozu? Lorenz wartete und schwieg. Auf seiner Stirn sammelten sich Schweißtropfen.

«Erklären Sie mir, wie Sie dahingekommen sind?»

Der Major wechselte in einen gereizten Ton.

«Sie werden verstehen, als Direktor dieser Einrichtung bestehe ich auf Klarheit. Und glauben Sie mir, uns geht es nicht darum, jemanden wegzusperren, wie es bei der Klassenjustiz im Kapitalismus der Fall ist; wir wollen, dass Sie einsichtig sind und ein besserer Mensch werden.»

Er hüstelte, kramte im Schreibtischfach nach einem Bonbon, wickelte es umständlich aus, steckte es in den Mund und fuhr fort:

«Eigentlich sind wir, wenn Sie so wollen, ein pädagogisches Institut. Nur leider lassen sich bei aller Liebe nicht alle umerziehen. Dann hilft nur eins …»

Der Gefängnisdirektor machte eine Pause.

«Also, reden Sie schon, wie sind Sie in die Todeszelle geraten? Wer hat Ihnen dabei geholfen? War’s wegen der Verpflegung? Weißbrot, Butter, Wurst, alles gratis. Wo gibt’s sonst noch so was? Ist besser als bei vielen draußen. Sie sehen ja aus wie eine Mastgans.»

«Genosse Major», Lorenz zog es vor, nicht weiter abzuwarten, «Sie werden wissen, in einem Gefängnis kann man sich nicht aussuchen, wohin einen die Wachen stecken. Ich habe mich nicht freiwillig für die Todeszelle gemeldet.»

«Richtig, richtig. Da wären Sie ja auch der Erste. Da ist anscheinend ein kleiner Fehler unterlaufen.»

Er hielt einen Moment inne, um die Wirkung seiner Worte abzuwarten.

«Da haben wir ja alle noch mal Glück gehabt. So etwas ist schnell passiert. Und schon grüßt man von oben. Was? Ha, ha. Aber wie Sie wissen, in unserem Land herrschen Recht und Ordnung. Darauf können Sie sich verlassen.»

Er hörte schlagartig auf zu grinsen. Patschte mit seinen Fingern auf die Schreibtischplatte und schaute Lorenz an.

«Also, ab sofort ist Schluss mit Fettlebe. Die Sowjetmenschen können es sich nicht leisten, Feinde des Volkes wie Sie auch noch zu mästen. Schließlich sind Sie hier nicht zur Kur. Führt ihn ab.»

Lorenz folgte den Soldaten, die ihn auf den Hof brachten. Dort hielt er einen Moment inne. Seit Wochen war er das erste Mal wieder an der Luft. Im Licht der Scheinwerfer glitzerten die Kristalle frischgefallenen Schnees. Kalt, weiß und unschuldig. Die abgeschabten Wände des Häuserkarrees, in denen die schwarzen Nischen der halbrunden Zellenfenster nisteten, rückten in den Hintergrund. Plötzlich schienen sie klein und unbedeutend. Es waren nur ein paar Schritte zu gehen. Quer von einer Tür zur anderen. Aber erst hier begriff Lorenz:

Er lebte noch.

Was immer das zu bedeuten hatte: Es war noch nicht das Ende.

Schwarzes Eis: Der Lebensroman meines Vaters
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