20
Gabrielle wusste nicht, wie lange sie gefahren waren oder auch nur in welche Richtung. Sie befanden sich noch immer in der Stadt, so viel konnte sie erkennen, aber die zahlreichen Kurven und Schleichwege, die Lucan nahm, hatten ihre Orientierung durcheinandergebracht. Sie starrte aus dem getönten Fenster der Limousine und bemerkte nur am Rande, dass sie endlich langsamer wurden. Vor ihnen lag ein umzäuntes, anscheinend sehr weitläufiges altes Anwesen.
Lucan bremste vor einem großen schwarzen Eisentor. Zwei dünne rote Lichtstrahlen nahmen sie ins Visier. Sie gingen von einem Paar kleiner Geräte aus, die beiderseits des Tors an dem Hochsicherheitszaun hingen. Gabrielle blinzelte, als das überraschend helle Licht sie ins Gesicht traf. Dann sah sie, wie das schwere Tor langsam zur Seite glitt.
„Das gehört euch?“, fragte sie – die ersten Worte, die sie an Lucan richtete, seit sie ihre Wohnung verlassen hatten. „Ich war schon mal hier. Ich habe ein Foto von diesem Tor gemacht.“
Sie fuhren durch die Öffnung und rollten eine lange, kurvige, von Bäumen gesäumte Auffahrt hinauf.
„Das Anwesen ist Teil unseres Quartiers. Es gehört dem Stamm.“
Offenbar zahlte es sich aus, Vampir zu sein. Trotz der Dunkelheit bemerkte Gabrielle, dass das gut gepflegte Grundstück nach altem Geldadel aussah, ebenso wie die kunstvoll gemeißelten Reliefs auf der hellen Fassade des Herrenhauses, dem sie sich nun näherten. Zwei Rotunden flankierten die schwarz lackierten Türen und das hohe Portal des Haupteingangs, über dem sich vier elegante Stockwerke erhoben.
In vielen der gewölbten Fenster schimmerte Licht, aber Gabrielle fand die Wirkung nicht unbedingt einladend. Das Herrenhaus ragte drohend wie ein aufmerksamer Wachtposten aus dem Dunkel der Nacht. Es wirkte stoisch und abschreckend mit seinen vielen steinernen Wasserspeiern, knurrenden, fratzengesichtigen Figuren, die vom Dach und den zwei vorderen Balkonen auf sie herabstarrten.
Lucan fuhr am Haupteingang vorbei und um das Haus herum zu einem großen Hangar dahinter. Ein Tor hob sich, und er lenkte den schnurrenden Maybach hindurch, hielt an und machte den Motor aus. Bewegungsmelder klickten leise, als die beiden aus dem Auto stiegen, und eine Reihe von Lampen ging an und beleuchtete eine Flotte aus chromblitzenden Luxusfahrzeugen.
Gabrielle riss die Augen auf. Mit dem Maybach, der so viel kostete wie ihre Eigentumswohnung in Beacon Hill, und dieser ganzen Sammlung von Autos, Geländewagen und Motorrädern blickte sie wohl auf einen Fuhrpark, der Millionen Dollar wert war. Viele Millionen.
„Hier entlang“, sagte Lucan, die Reisetasche mit den Fotos in der Hand, und führte Gabrielle an dem beeindruckenden Fuhrpark vorbei zu einer unbeschilderten Tür nahe der Rückseite der Garage.
„Wie reich seid ihr Leute eigentlich?“, fragte Gabrielle, die erstaunt hinter ihm hertrottete.
Lucan bedeutete ihr, dass sie eintreten sollte, als die Tür aufglitt. Dann folgte er ihr in den Fahrstuhl und drückte einen Knopf an dem Schaltpult. „Ein paar Angehörige des Vampirvolkes existieren schon sehr lange. Wir haben mit der Zeit gelernt, unser Vermögen klug zu verwalten.“
„Aha“, sagte sie und fühlte sich ein wenig aus dem Gleichgewicht, als der Aufzug sanft, aber schnell abwärts zu gleiten begann, tiefer und tiefer und tiefer. „Wie schafft ihr es, das alles vor der Öffentlichkeit zu verstecken? Was ist mit Regierung und Steuern?“
„Die Öffentlichkeit kommt an unseren Sicherheitsvorkehrungen nicht vorbei, selbst wenn jemand es versucht. Die gesamte Grenze des Grundstücks besteht aus einem Hochsicherheitszaun. Jeder, der dumm genug ist, dem Grundstück zu nahe zu kommen, kriegt einen elektrischen Schlag von tausend Volt und eine Gehirnwäsche, nicht unbedingt in dieser Reihenfolge. Und wir bezahlen Steuern – natürlich über die Fassade von seriösen Firmen. Unser Eigentum befindet sich überall auf der Welt im Besitz von privaten Treuhandgesellschaften. Alles, was der Stamm tut, ist sauber und einwandfrei.“
„Sauber und einwandfrei, klar.“ Sie lachte leicht nervös. „Über die Blutsaugerei und die außerirdische Herkunft muss man einfach hinwegsehen.“
Lucan sah sie finster an, aber dann bemerkte sie erleichtert, dass sich sein Mundwinkel eine Spur hob, was als Lächeln durchgehen konnte.
„Ich nehme jetzt die Daten“, sagte er, und seine durchdringenden, klaren grauen Augen ruhten auf ihr, als sie die Speicherstifte aus der Jeanstasche zog und ihm in die Hand legte.
Für eine Sekunde umschloss er ihre Finger mit seinen. Gabrielle spürte seine Leidenschaft, aber sie ließ es ihn nicht merken. Sie wollte nicht eingestehen, was für ein Gefühl selbst seine leichteste Berührung in ihr hervorrief, auch jetzt.
Insbesondere jetzt.
Endlich hielt der Aufzug, und die Tür glitt auf. Dahinter lag ein leerer Raum mit gläsernen Wänden, die durch schimmernde Metallrahmen verstärkt waren. Der Boden bestand aus weißem Marmor und Intarsien: geometrische Symbole und ineinander verwobene Muster. Bei einigen dieser Muster erkannte Gabrielle, dass sie denen glichen, die Lucan auf dem Körper trug – die fremdartigen, schönen Tätowierungen, die seinen Rücken und Rumpf bedeckten.
Nein, keine Tätowierungen, das wurde ihr jetzt klar, sondern etwas … anderes.
Vampirmale.
Auf seiner Haut und hier, in diesem unterirdischen Bunker, in dem er lebte.
Auf der anderen Seite dieses Portals erstreckte sich ein Gang, der wohl mehrere hundert Meter lang war. Lucan schritt darauf zu, hielt dann inne und schaute sich nach Gabrielle um. Sie zögerte.
„Du bist hier sicher“, erklärte er, und Himmel, sie glaubte ihm tatsächlich.
Sie trat mit Lucan auf den schneeweißen Marmor hinaus und hielt den Atem an, als er seine Handfläche gegen ein Lesegerät drückte und die Glastüren des kleinen Raumes sich öffneten. Kühle Luft umgab sie in dem Gang dort draußen. Gabrielle vernahm das gedämpfte tiefe Murmeln männlicher Stimmen, die irgendwo ein Stück weiter miteinander redeten. Lucan führte sie in die Richtung dieses Gesprächs, seine langen Schritte fest und zielstrebig.
Er hielt vor einer Glastür, und als Gabrielle neben ihn trat, sah sie etwas, was nach einer Art Kontrollraum aussah. Da gab es Monitore und Computer, die eine lange, U-förmige Konsole säumten. Digitale Lesegeräte übermittelten Koordinaten von einer vielfältigen Hightech-Maschinerie. Im Zentrum des Ganzen fuhr ein freakig aussehender junger Mann auf seinem Drehstuhl zwischen den zahlreichen Workstations hin und her wie ein Konzertmeister. Sein kurzes blondes Haar stand zerzaust und stachelig von seinem Kopf ab, was sehr lustig aussah. Er blickte auf, und in seinen blauen Augen stand erst eine Begrüßung und dann leichte Überraschung, als die Tür aufglitt und Lucan mit Gabrielle an seiner Seite hereinkam.
„Gideon“, sagte Lucan mit einem leichten Nicken.
Das war also der Mann, von dem er gesprochen hatte, dachte Gabrielle und bemerkte erleichtert das zwanglose Lächeln und den freundlichen Blick des Fremden. Er stand von seinem Stuhl auf und nickte erst Lucan, dann Gabrielle zu.
Gideon war groß und schlank mit jungenhaft gutem Aussehen und ungezwungenem Charme. Ganz anders als Lucan. Er war überhaupt nicht so, wie sie sich einen Vampir vorgestellt hätte – nicht dass sie auf diesem Gebiet viel Erfahrung hatte.
„Ist er –“
„Ja“, antwortete Lucan, bevor sie den Rest der Frage flüstern konnte. Er stellte die Reisetasche auf einen Tisch. „Gideon gehört zum Stamm. Genau wie die anderen.“
Da erst wurde Gabrielle bewusst, dass das Gespräch, das sie auf dem Weg hierher gehört hatte, verstummt war.
Sie spürte weitere Blicke auf sich. Sie kamen von irgendwo hinter ihrem Rücken. Als sie sich umdrehte, schien die gesamte Atemluft aus ihren Lungen zu entweichen. Drei große Männer standen hinter ihr im Raum. Einer, in dunklen, offenbar maßgeschneiderten Hosen und elegantem weitem Seidenhemd, aalte sich in einem Lederclubsessel. Ein anderer, der von Kopf bis Fuß in schwarzes Leder gekleidet war und die kräftigen Arme vor der Brust verschränkt hielt, lehnte an der hinteren Wand. Der letzte stand in Jeans und weißem T-Shirt über einen Tisch gebeugt, wo er die kompliziert aussehenden Teile einer zerlegten Handfeuerwaffe gereinigt hatte.
Alle drei starrten sie an.
„Dante“, sagte Lucan und deutete auf den grüblerischen Mann in dem Lederoutfit, der ihr grüßend zunickte – oder vielleicht eher abschätzend, wenn sie danach ging, wie sich seine dunklen Augenbrauen hoben, ehe sein Blick leicht verschmitzt wieder zu Lucan glitt.
„Der Technikfreak da drüben ist Nikolai.“ Bei der Vorstellung durch Lucan schenkte der Mann mit dem lohfarbenen Haar Gabrielle ein kurzes Lächeln. Er verfügte über scharf geschnittene Gesichtszüge, faszinierend hohe Wangenknochen und einen starken, störrischen Kiefer. Selbst während er sie ansah, handhabten seine gelenkigen Finger die Waffe so mühelos, als könnte er die Teile dieses Stücks auch im Schlaf zusammensetzen.
„Und das da ist Rio“, sagte Lucan und deutete auf den Hübschen mit dem tadellosen Sinn für Stil. Der Mann, der lässig in dem Sessel lümmelte, schenkte ihr ein glutvoll strahlendes Lächeln, das vor natürlichem Sexappeal sprühte. Doch im Blick seiner dunklen Topas-Augen lag eine eindeutig gefährliche Energie.
Diese vage bedrohliche Energie ging von jedem von ihnen aus. Dazu waren trotz ihrer entspannten Haltung der muskulöse Körperbau und die offen gezeigten Waffen eine deutliche Warnung, dass es sich hier um Männer handelte, die den Kampf gewöhnt waren. Vielleicht blühten sie dadurch sogar auf.
Lucan legte seine Hand auf Gabrielles Rücken und zog sie leicht zu sich heran. Seine plötzliche Berührung erschreckte sie, als er vor den drei anderen Männern Nähe zwischen ihnen herstellte. Sie war noch nicht ganz sicher, ob sie ihm traute, aber wie die Dinge lagen, war er ihr Verbündeter in einem Raum voller bewaffneter Vampire.
„Das ist Gabrielle Maxwell. Sie bleibt vorerst bei uns.“
Er ließ das ohne Erklärung so stehen, als wollte er diese tödlich aussehenden Männer herausfordern, ihn zu hinterfragen. Keiner tat es. Als sie Lucan ansah, seine Befehlsgewalt inmitten so viel Kraft spürte, da wurde Gabrielle bewusst, dass Lucan nicht bloß einer dieser Krieger war.
Er war ihr Anführer.
Gideon war der Erste, der das Wort ergriff. Er kam um seine Computer und Monitore herum und streckte Gabrielle die Hand entgegen. „Es ist schön, Sie kennenzulernen“, sagte er, wobei in seiner Stimme ein schwacher britischer Akzent schwang. „Sie haben gut mitgedacht, als Sie diese Handybilder von dem Angriff gemacht haben. Die Bilder waren uns eine große Hilfe.“
„Ähm, freut mich.“
Schnell schüttelte sie seine Hand und war überrascht, wie sympathisch sie ihn fand. So normal.
Andererseits hatte Lucan ebenfalls ziemlich normal auf sie gewirkt, und was war daraus geworden? Zumindest war es keine reine Lüge gewesen, als er ihr erzählt hatte, dass er ihre Mobiltelefonbilder zur Analyse ins Labor gegeben hatte. Er hatte nur unterschlagen, dass es sich um ein kriminaltechnisches Labor der Vampire handelte und nicht etwa um eins der Bostoner Polizei.
Von der Computerkonsole her erscholl ein lautes Piepen und veranlasste Gideon, schnell zurück an seine Monitore zu spurten.
„Ja! Du wunderbares Stück Technik“, brüllte er, warf sich in seinen Stuhl und ließ ihn herumwirbeln. „Leute, ich möchte, dass ihr euch das anseht. Besonders du, Niko.“
Lucan und die anderen Krieger versammelten sich um den Monitor, der Gideons Gesicht mit einem blassblauen Glühen überzog. Gabrielle, die sich allein mitten im Raum ein wenig unbehaglich fühlte, schlenderte vorsichtig hinterher.
„Ich habe gerade den Code der Sicherheitsüberwachung bei der Bahn geknackt“, erklärte Gideon. „Jetzt lasst uns sehen, ob wir Material von neulich bekommen und herausfinden können, was der Scheißkerl, der Conlan getötet hat, wirklich vorhatte.“
Gabrielle sah schweigend zu, wie mehrere Computerbildschirme sich mit Bildern einer Überwachungsanlage füllten. Es waren Aufnahmen von diversen Bahnsteigen der Stadt, die im Zeitraffertempo über die Monitore liefen. Gideon rollte seinen Stuhl an den Workstations entlang, hielt hier und dort inne, um Befehle in die Tastaturen zu hacken, bevor er mit dem nächsten Gerät weitermachte und dann wieder am nächsten anhielt. Schließlich kam seine hektische Energie zum Stillstand.
„Okay, jetzt geht es los. Meine Herren, die Green Line.“ Er rückte ein Stück von dem Monitor ab, der vor ihm stand, um den anderen einen besseren Blick zu verschaffen. „Das ist Bildmaterial des fraglichen Bahnsteigs, beginnend drei Minuten vor der Konfrontation.“
Lucan und die anderen kamen näher heran, als die Bilder zeigten, wie ein Zug hielt und eine Menge Leute hinein- und herausströmte. Gabrielle, die zwischen den breiten Schultern hindurchspähte, erhaschte einen Blick auf das ihr inzwischen bekannte Gesicht von Nikolai auf dem Bildschirm. Sie sah, wie er und sein Kamerad, ein Furcht einflößend großer Mann in dunklem Leder, in den Pendlerzug einstiegen. Sie hatten sich kaum hingesetzt, als einer der anderen Passagiere die Aufmerksamkeit von Nikolais Kamerad auf sich zog. Die beiden Krieger standen auf, und unmittelbar, bevor die Türen sich zur Abfahrt schlossen, sprang der Typ, den sie beobachtet hatten, plötzlich aus dem Waggon auf den Bahnsteig. Auf dem Bildschirm kamen Nikolai und der andere Mann schnell auf die Beine, aber Gabrielles Aufmerksamkeit galt dem Kerl, den sie verfolgen wollten.
„O mein Gott“, keuchte sie, „ich kenne diesen Kerl.“
Fünf harte männliche Augenpaare wandten sich ihr fragend zu.
„Ich meine, ich kenne ihn nicht persönlich, aber ich habe ihn schon mal gesehen. Ich kenne seinen Namen. Er heißt Brent – zumindest hat er das meiner Freundin Kendra gesagt. Sie hat ihn im Nachtclub getroffen, in der Nacht, als ich den Mord gesehen habe. Sie war seitdem jede Nacht mit ihm zusammen, ist wohl eine ziemlich ernste Sache.“
„Bist du sicher?“, fragte Lucan.
„Ja. Das ist er, da bin ich mir ganz sicher.“
Der Krieger namens Dante stieß einen heftigen Fluch aus.
„Er ist ein Rogue“, sagte Lucan. „Oder besser, er war es. Vor ein paar Nächten hat er den Pendlerzug der Green Line mit einem Sprengstoffgürtel um den Körper betreten. Niko und ein anderer unserer Brüder haben ihn eine alte Gleisstrecke hinunter verfolgt. Er hat sich in die Luft gejagt, bevor sie ihn außer Gefecht setzen konnten. Einer unserer besten Krieger starb mit ihm.“
„O Gott. Du meinst, diese ungeklärte Explosion, von der ich in den Nachrichten gehört habe –“ Sie sah Nikolai an, der die Zähne fest zusammenbiss. „Es tut mir sehr leid.“
„Wenn Conlan sich nicht auf diesen feigen Scheißkerl gestürzt hätte, dann stünde ich jetzt nicht hier. Das ist verdammt sicher.“
Gabrielle war wirklich traurig über den Verlust, den Lucan und seine Männer erlitten hatten, aber eine neue Angst ließ ihre Brust enger werden. Wie nahe war ihre Freundin dem Bösen, das Brent offensichtlich verbreitet hatte, gekommen?
Was, wenn Kendra etwas geschehen war? Was, wenn er ihr etwas getan hatte und sie Hilfe brauchte?
„Ich muss sie anrufen.“ Gabrielle begann in ihrer Handtasche nach ihrem Handy zu suchen. „Ich muss Kendra sofort anrufen und mich vergewissern, dass es ihr gut geht –“
Lucans Hand schloss sich um ihr Handgelenk, fest, aber auch bittend. „Es tut mir leid, Gabrielle. Ich kann nicht zulassen, dass du das tust.“
„Sie ist meine Freundin, Lucan. Und es tut mir leid, aber du kannst mich nicht aufhalten.“
Gabrielle klappte das Handy auf, entschlossen, den Anruf zu tätigen. Bevor sie Kendras Nummer wählen konnte, flog ihr das Gerät aus den Fingern und tauchte in Lucans Hand wieder auf. Er schloss es und ließ das Mobiltelefon in seine Jackentasche gleiten.
„Gideon“, sagte er im Plauderton, obwohl der stählerne Blick aus seinen silbernen Augen auf Gabrielle geheftet blieb. „Bitte Savannah herzukommen. Sie soll Gabrielle etwas zu essen geben und sich um ein komfortables Quartier für sie kümmern, während wir hier weitermachen.“
„Gib es mir zurück“, sagte Gabrielle und ignorierte die spürbare Überraschung der anderen Männer, als sie Lucans Anweisung in Frage stellte. „Ich muss wissen, ob es ihr gut geht, Lucan.“
Er trat auf sie zu, und einen Augenblick lang hatte sie Angst, er werde ihr etwas tun, doch er streckte die Hand aus und berührte ihr Gesicht. Vor den anderen streichelte er behutsam und tröstend ihre Wange und sprach sanft mit ihr. „Das Wohlergehen deiner Freundin liegt nicht in deinen Händen. Wenn sie von diesem Rogue noch nicht ausgesaugt wurde – und glaub mir, das ist sehr wahrscheinlich –, dann bedeutet dieser Kerl jetzt für sie keine Gefahr mehr.“
„Aber was, wenn er ihr etwas angetan hat? Was, wenn er sie zu so einem Lakaien gemacht hat?“
Lucan schüttelte den Kopf. „Nur die Mächtigsten unserer Art können Lakaien hervorbringen. Dieser Abschaum, der sich da in dem Tunnel in die Luft gesprengt hat, war dazu nicht in der Lage. Der Kerl war nichts als eine entbehrliche Schachfigur.“
Gabrielle entzog sich seiner Liebkosung, obwohl sie seine Berührung angenehm und tröstlich fand. „Was, wenn er Kendra auch so gesehen hat? Was, wenn er sie an jemanden übergeben hat, der mehr Macht besitzt als er?“
Lucans Gesichtsausdruck war grimmig, aber unerschütterlich. Sein Ton war sanfter, als sie es je erlebt hatte, was es umso schwerer machte, seine Worte zu akzeptieren. „Dann solltest du sie schnell aus deinem Gedächtnis streichen, denn sie ist bereits so gut wie tot.“