11

Lucan klopfte erneut an Gabrielles Wohnungstür.

Wieder erhielt er keine Antwort.

Er stand schon etwa fünf Minuten in der Dunkelheit vor ihrer Tür und wartete darauf, dass sie entweder die verdammte Tür öffnete und ihn hereinließ oder ihn hinter der vermeintlichen Sicherheit der diversen Schlösser als Scheißkerl verfluchte und zu ihm sagte, er solle verschwinden.

Nach dem, was er in der vergangenen Nacht mit ihr getan hatte, war er sich nicht sicher, welche Reaktion er verdiente. Wahrscheinlich den wütenden Abschiedskuss.

Er schlug einmal mehr mit den Fingerknöcheln gegen die Tür, fest genug, dass es wahrscheinlich bis zu den Nachbarn drang, aber im Inneren von Gabrielles Wohnung bewegte sich nichts. Es war ganz ruhig. Die Stille auf der anderen Seite war einfach zu laut.

Sie war dort drinnen. Er konnte sie durch die Schichten aus Holz und Backstein hören, die sich zwischen ihnen befanden. Und er roch auch Blut, nicht viel, aber Spuren davon, irgendwo in der Nähe der Tür.

Scheiße.

Sie war in der Wohnung, und sie war verletzt.

„Gabrielle!“

Besorgnis strömte wie Säure durch seine Arterien. Aber es gelang ihm immerhin, sich so weit zu beruhigen, dass er seine mentalen Kräfte auf die Sperrkette und die beiden Türschlösser konzentrieren konnte, die die Tür verschlossen. Mit einiger Anstrengung gelang es ihm, zuerst das eine Schloss und dann das andere zu entriegeln. Die Kette glitt aus ihrer Führungsschiene heraus und schlug mit einem metallischen Geräusch gegen den Türpfosten.

Lucan stieß die Tür auf, und seine Stiefel polterten über die Fliesen im Vorraum. Gabrielles Kamera lag direkt vor ihm. Wahrscheinlich hatte sie sie in der Eile fallen lassen. Der süße Jasminduft von Gabrielles Blut drang mit voller Wucht in seine Nasenlöcher, nur einen Augenblick, bevor sein Blick auf einen ungleichmäßigen Pfad aus kleinen, karmesinroten Spritzern fiel.

Der bittere Gestank nach Angst lag auch in der Luft. Der Geruch war nur noch schwach, da er wohl Stunden alt war, hing aber in der Luft wie Nebel.

Lucan ging auf dem Weg in die Küche durch das Wohnzimmer, wo die Blutstropfen weitergingen. Als er weiter ins Innere der Wohnung kam, blieb sein Blick an einem Stapel Fotos hängen, die auf dem Couchtisch lagen.

Es waren grobe Entwürfe, eine seltsame Auswahl von Bildern. Einige erkannte er von Gabrielles aktueller unfertiger Arbeit, von der, die sie Städtische Erneuerung nannte. Aber da waren einige Aufnahmen dabei, die er noch nicht gesehen hatte. Oder vielleicht hatte er auch nicht genau genug hingesehen, um sie zu bemerken.

Aber nun bemerkte er sie.

Verdammt, und wie er sie bemerkte.

Eine alte Lagerhalle in der Nähe des Kais. Eine verlassene Papiermühle direkt vor der Stadt. Diverse andere abschreckend aussehende Gebäude, in deren Nähe kein Mensch – und erst recht keine ahnungslose Frau wie Gabrielle – je kommen sollte.

Verstecke der Rogues.

Einige von ihnen hatten nun ausgedient, dank Lucan und seinen Kriegern, aber einige andere waren noch aktiv. Er erkannte mehrere, die momentan von Gideon observiert wurden. Als er die anderen Aufnahmen durchging, fragte er sich, wie viele andere Fotos von Standorten der Rogues hier herumlagen, die vom Stamm noch nicht überwacht wurden.

„Oh Gott“, flüsterte er angespannt und blätterte einige weitere Bilder durch.

Gabrielle verfügte sogar über einige Außenaufnahmen von Dunklen Häfen der Stadt, von verborgenen Eingängen und getarnten Hinweisen, die die Zufluchtsorte der Vampire vor der Entdeckung, egal ob durch neugierige Menschen oder durch feindliche Rogues, schützen sollten.

Aber Gabrielle hatte all diese Orte gefunden. Und wie?

Todsicher nicht durch Zufall. Ihr außergewöhnlicher Sehsinn musste sie dorthin geführt haben. Sie hatte sich bereits als fast immun gegen die allgemeinen Tricks der Vampirlist erwiesen – Sinnestäuschung durch Massenhypnose, Bewusstseinskontrolle … und nun dies.

Mit einem Fluch schob Lucan einige Bilder in die Tasche seiner Lederjacke und warf den Rest dann zurück auf den Tisch.

„Gabrielle?“

Er ging in die Küche, wo etwas noch Beunruhigenderes auf ihn wartete.

Der Geruch von Gabrielles Blut wurde hier stärker und zog Lucan zur Spüle. Als er davorstand, erstarrte er, und etwas Kaltes krampfte sich in seiner Brust zusammen, als er in das Becken starrte.

Es sah aus, als hätte jemand versucht, einen Verbrechensschauplatz zu säubern, das aber erbärmlich schlecht. Mehr als ein Dutzend durchnässter, blutbefleckter Blätter einer Küchenrolle lagen zusammengeknüllt im Abfluss, zusammen mit einem Schälmesser, das aus dem Holzblock auf der Spüle stammte.

Er hob das scharfe Messer auf und untersuchte es schnell. Es war nicht benutzt worden, aber das Blut, das in der Spüle war und das auf den Boden vom Vorraum bis hin zur Küche getropft war, war Gabrielles.

Und die zerrissene Kleidung, die fallen gelassen worden war und in einem Haufen zu seinen Füßen lag, trug ebenfalls ihren Geruch.

Gott, wenn jemand sie angerührt hatte …

Wenn ihr irgendetwas zugestoßen war …

„Gabrielle!“

Seinen Sinnen folgend, ging Lucan ins Kellergeschoss der Wohnung. Er hielt sich nicht damit auf, das Licht anzumachen, denn sein Sehvermögen war im Dunklen äußerst scharf. Er polterte die Treppe hinunter und rief ihren Namen in die Stille.

In der hintersten Ecke war Gabrielles Geruch am stärksten. Lucan stellte fest, dass er vor einer weiteren verschlossenen Tür stand. Diese hier war mit einem Rahmen aus dicken Dichtungsleisten ausgestattet, um das gesamte Licht, das sonst von außen hereingedrungen wäre, abzuhalten. Er probierte den Türgriff aus und rüttelte an der Tür, die mit einem schwachen Schloss ausgestattet war.

„Gabrielle! Kannst du mich hören? Süße, mach die Tür auf.“

Er wartete nicht auf eine Antwort. Dazu reichte seine Geduld nicht aus, und auch nicht die Konzentration, die nötig wäre, um den Haken auf der anderen Seite der Tür sorgfältig zu lösen. Mit einem wütenden Knurren rammte Lucan seine Schulter gegen die Tür und sprengte sie auf.

Seine Augen fanden Gabrielle augenblicklich in dem dunklen Raum. Ihr Körper lag zusammengerollt auf dem Boden der beengten Dunkelkammer, nackt bis auf einen knappen Spitzenbüstenhalter und eine Bikinihose. Durch das Krachen der aufgesprengten Tür wachte sie auf.

Ihr Kopf fuhr nach oben, aber ihre Augenlider waren schwer und geschwollen, als ob sie vor Kurzem noch geweint hätte. Er nahm an, dass sie hier geweint hatte, und zwar einige Zeit. Erschöpfung strahlte wellenförmig von ihr aus. Sie sah so klein aus, so verletzlich.

„Oh Gott, Gabrielle“, flüsterte er und hockte sich neben sie. „Was zum Teufel machst du hier drin? Hat jemand dir wehgetan?“

Sie schüttelte den Kopf, antwortete aber nicht sofort. Fahrig strich sie sich das Haar aus dem Gesicht und versuchte ihn in der Dunkelheit zu finden. „Nur … müde. Ich brauchte Stille … Ruhe.“

„Also hast du dich hier unten eingeschlossen?“ Er atmete vor Erleichterung heftig aus. Blieb allerdings noch die Tatsache, dass sie frische Verletzungen hatte. „Bist du sicher, dass du in Ordnung bist?“

Sie nickte und neigte sich in der Dunkelheit zu ihm hin.

Mit finsterem Blick griff Lucan nach ihr und strich mit seiner Hand über ihren Kopf. Sie schien seine Berührung als Einladung zu sehen und schmiegte sich in seine Arme wie ein Kind, das Trost und Wärme brauchte. Es war nicht gut, dass es sich so natürlich anfühlte, sie zu halten, und dass er das dringende Bedürfnis verspürte, ihr zu versichern, dass sie bei ihm sicher war. Dass er sie als die Seine beschützen würde.

Die Seine.

Unmöglich, erinnerte er sich selbst. Nein, mehr als unmöglich; es war absurd.

Er blickte nach unten und betrachtete schweigend das weiche Bündel in seinen Armen, diese warme, schöne Frau, die in einem köstlichen Zustand fast völliger Nacktheit um ihn geschlungen war. Sie hatte wohl keine Ahnung von der gefährlichen Welt, mit der sie es nun zu tun hatte – und am wenigsten davon, dass der Mann, der sie im Moment an sich gedrückt hielt, ein tödlicher Vampir war.

Er war der Letzte, der einer Stammesgefährtin Schutz vor Schaden anbieten konnte. Schon der leichteste Geruch nach Gabrielle führte bei ihm dazu, dass sein Hunger nach Blut gefährlich wurde. Lucan streichelte Gabrielles Hals und ihre Schulter und versuchte, ihren regelmäßig schlagenden Puls unter seinen Fingerspitzen zu ignorieren. Es war fast unmöglich für ihn, gegen die Erinnerung an das letzte Mal anzukämpfen, als er bei ihr gewesen war, und auch gegen die unermessliche Gier, sie erneut zu besitzen.

„Hmm, du fühlst dich gut an“, murmelte sie benommen gegen seine Brust, wobei ihre Stimme ein schlaftrunkenes Schnurren war, das ihm einen Hitzeschwall über den Rücken jagte. „Ist das wieder ein Traum?“

Lucan stöhnte, unfähig zu antworten. Das hier war kein Traum, und er fühlte sich kein bisschen gut. Er fühlte sich ganz und gar wie eine uralte, wilde Bestie, als sie sich noch näher an ihn schmiegte, ganz Zärtlichkeit, Vertrauen und Unschuld.

Auf der Suche nach Ablenkung gelang es ihm viel zu schnell, tatsächlich eine zu finden. Ein Blick nach oben ließ jeden Muskel in seinem Körper erneut vor Anspannung erstarren.

Sein Blick fiel auf weitere von Gabrielles Fotografien, die zum Trocknen auf einer Leine in der Dunkelkammer aufgehängt waren. Zwischen diversen anderen gab es eine Handvoll Bilder, die Gabrielle von Vampirstandorten aufgenommen hatte.

Um Himmels willen, sie besaß sogar eine Fotografie von dem Hauptquartier der Vampire. Die Aufnahme war bei Tageslicht von der Straße außerhalb des gesicherten Grundstücks gemacht worden. Das riesige, mit Schnörkeln verzierte schmiedeeiserne Tor, das die lange Auffahrt und das Hochsicherheitsgrundstück an deren Ende vor der allgemeinen Öffentlichkeit versperrte, war unverwechselbar.

Gabrielle musste direkt vor dem Grundstück gestanden haben, um dieses Bild zu machen. Wenn er von dem Sommerlaub der umstehenden Bäume ausging, konnte das Bild nicht mehr als ein paar Wochen alt sein. Sie war da gewesen, nur einige wenige hundert Meter von dem Ort entfernt, an dem er lebte.

Er hatte nie zu den Leuten gehört, die an etwas wie Schicksal glaubten, aber es schien verdammt klar zu sein, dass diese Frau so oder so seinen Weg kreuzen sollte.

Oh ja. Ihn wie eine schwarze Katze kreuzen sollte.

Sein Pech, dass nach Jahrhunderten, in denen er erfolgreich kosmischen Geschossen und unglücklichen Beziehungen ausgewichen war, diese verdrehten Schwestern Schicksal und Realität sich gleichzeitig entschieden hatten, ihn auf ihre schwarze Liste zu setzen.

„Alles in Ordnung“, sagte er zu Gabrielle, auch wenn das Ganze auf dem besten Wege war, sich rasant in etwas ganz anderes als Ordnung zu verwandeln. „Lass uns raufgehen, und du ziehst dir was an, dann reden wir.“

Bevor der Anblick ihres Körpers in diesen dünnen Fetzen aus Spitze und Satin ihn noch umbrachte.

Lucan hob Gabrielle hoch und trug sie dann aus der Dunkelkammer hinaus und die Treppe hinauf, in die Wohnetage. Als er sie so eng an sich gepresst hielt, registrierten seine scharfen Sinne die Einzelheiten der verschiedenen Wunden an ihrem Körper: blutige Schrammen an Händen und Knien, der Hinweis auf einen ziemlich heftigen Sturz.

Sie war entsetzt vor etwas – oder jemandem – weggerannt, unmittelbar bevor sie gestürzt war. Lucan brannte darauf zu wissen, wer daran schuld war, aber das konnten sie auch nachher klären. Nun war Gabrielles Wohlergehen das, was ihm vor allem am Herzen lag.

Lucan ging mit ihr durch das Wohnzimmer auf die Stufen zu, die zu ihrem Schlafzimmer hinaufführten. Er wollte ihr wirklich beim Anziehen helfen, aber als er am Badezimmer vorbeiging, drehte er im Geiste das Wasser auf. Sie beide mussten wirklich unbedingt miteinander reden, und das Ganze würde für Gabrielle etwas leichter zu verdauen sein, nachdem sie ein warmes Bad genommen hatte.

Lucan trug Gabrielle, die ihre Arme um seine Schultern geschlungen hatte, ins Badezimmer. Ein kleines Nachtlicht erfüllte den Baum mit einem schwachen Schein. Das war genügend Beleuchtung für Lucans Geschmack. Er trug seine matte Last zur Badewanne hinüber und setzte sich auf den Rand, Gabrielle auf seinem Schoß balancierend.

Er ließ den Verschluss des dünnen Stücks Satin, aus dem ihr Büstenhalter bestand, aufschnappen und entblößte damit ihre Brust vor seinen plötzlich fiebrigen Augen. Seine Hände sehnten sich danach, sie zu berühren; er folgte dem Impuls und ließ seine Fingerspitzen über ihre festen Kurven gleiten und strich mit seinem Daumen über das dunkle Rosa ihrer Brustwarzen.

Er riss sich zusammen, aber das sanfte, genussvolle Wimmern, das aus ihrer Kehle aufstieg, ließ seinen Schwanz so hart werden, dass es schmerzte.

Lucan strich mit seiner Hand über Gabrielles Rumpf, bis hinunter zu dem passenden Stückchen aus glänzendem Stoff, das ihre Scham verbarg. Seine Hände waren zu groß, zu nachlässig mit dem dünnen Satin, aber irgendwie gelang es ihm, den Slip abzustreifen und ihn an Gabrielles langen Beinen entlang nach unten zu ziehen.

Blut wallte bei ihrem Anblick durch seinen Körper wie geschmolzene Lava, als er sie wieder nackt vor sich sah.

Vielleicht sollte er Gewissensbisse empfinden, dass er sie selbst in ihrem momentanen Zustand so unglaublich begehrenswert fand, aber er war nicht viel besser darin, Scham zu empfinden, als darin, den Beschützer zu spielen. Und er hatte es sich selbst bereits bewiesen, dass der Versuch, in der Anwesenheit dieser Frau seine Gefühle unter Kontrolle zu halten, ein Kampf war, den er vielleicht niemals gewinnen würde.

Neben der Wanne stand eine Flasche mit flüssigem Schaumbad. Lucan öffnete den Verschluss und goss eine großzügige Menge der perlmuttartigen Flüssigkeit unter den Strahl aus fließendem Wasser. Als sich Seifenschaum bildete, drehte Lucan sich um und ließ Gabrielle vorsichtig in das warme Bad gleiten. Sie stöhnte, eindeutig dankbar, als sie in dem schäumenden Wasser versank. Ihre Glieder wurden sichtlich schlaff, und ihre Schultern sanken gegen das Badetuch, das Lucan rasch als Kissen bereitlegte, damit ihr Rücken nicht auf den kalten Kacheln und dem kalten Porzellan zu liegen kam.

Das kleine Badezimmer war erfüllt von Dampf und Gabrielles eigenem schwachen Jasminduft.

„Ist das so bequem?“, fragte er sie, zog seine Jacke aus und warf sie über das Waschbecken.

„Hmm“, stöhnte sie.

Er konnte nicht widerstehen – er musste sie einfach berühren. Sanft ihre Schulter liebkosend sagte er: „Rutsch noch ein bisschen weiter runter und mach dir die Haare nass. Ich wasche sie dir.“

Sie gehorchte und ließ es zu, dass er ihren Kopf unter Wasser führte und dann wieder nach oben. Nun waren ihre langen roten Locken geglättet und hatten eine rostbraune Farbe angenommen. Einen langen Augenblick schwieg sie, dann hob sie langsam ihre Lider und lächelte ihn an, als wäre sie gerade erst wieder zu Bewusstsein gekommen und überrascht, ihn hier vorzufinden. „Hi.“

„Hi.“

„Wie viel Uhr ist es?“, fragte sie, streckte sich und erstickte ein Gähnen.

Lucan zuckte mit den Schultern. „Ungefähr acht, nehme ich an.“

Gabrielle lehnte sich wieder zurück und schloss die Augen mit einem Stöhnen.

„Schlimmer Tag?“

„Keiner von meinen besten.“

„Hab ich mir gedacht. Deine Hände und Knie sind ziemlich mitgenommen.“ Lucan streckte die Hand aus und stellte das Wasser ab. Er nahm eine Tube mit Shampoo und drückte etwas davon in seine Hand. „Willst du mir erzählen, was passiert ist?“

„Nein, lieber nicht.“ Eine Falte bildete sich zwischen ihren schmalen Brauen. „Heute Nachmittag habe ich was Dummes gemacht. Du wirst sehr bald alles darüber hören, da bin ich sicher.“

„Wie das?“, fragte Lucan und verrieb das Shampoo in den Handflächen, bis sich Schaum bildete.

Als er den Schaum in ihre Kopfhaut einmassierte, öffnete Gabrielle ein Auge und warf ihm einen Seitenblick zu. „Der Junge von der Wache hat zu niemandem was gesagt?“

„Welcher Junge?“

„Der in der Polizeiwache für die Büroarbeit angestellt ist. Groß, schlaksig, sieht irgendwie durchschnittlich aus. Ich kenne seinen Namen nicht, aber ich bin mir ziemlich sicher, dass er in der Nacht da war, als ich meine Aussage über den Mord gemacht habe. Heute habe ich ihn im Stadtpark gesehen – ich dachte tatsächlich, dass er mich beobachten würde, und ich …“ Sie ließ den Satz unvollendet und schüttelte den Kopf. „Ich bin ihm wie eine Verrückte hinterhergerannt und habe ihn beschuldigt, mir nachzuspionieren.“

Lucans Hände in Gabrielles Haar hielten inne. Seine Kriegerinstinkte erwachten vollständig. „Du hast was?“

„Ich weiß“, antwortete sie, da sie seine Reaktion offensichtlich falsch interpretierte. „Ich habe dir ja gesagt, dass es dumm war. Wie auch immer, ich habe den armen Jungen bis nach Chinatown gejagt.“

Obwohl er es nicht laut aussprach, wusste Lucan, dass Gabrielles erster Impuls, den Fremden betreffend, der sie im Park beobachtet hatte, genau richtig gewesen war. Da der Zwischenfall bei hellem Tageslicht stattgefunden hatte, konnten es nicht die Rogues gewesen sein, die sie verfolgt hatten – wenigstens etwas –, aber die Menschen, die ihnen dienten, konnten genauso gefährlich sein. Die Rogues hatten überall auf der Welt Lakaien – Menschen, die durch den zehrenden Biss eines mächtigen Vampirs, der ihnen ihr Gewissen und ihren freien Willen nahm und nur bedingungslosen Gehorsam hinterließ, versklavt wurden.

Lucan bezweifelte nicht im Geringsten, dass der Mann, der Gabrielle beobachtet hatte, in den Diensten eines Rogue stand und dessen Befehle ausführte.

„Hat diese – Person – dir wehgetan? Bist du so an diese Verletzungen gekommen?“

„Nein, nein. Das war mein eigenes Werk. Ich bin völlig ausgeflippt, wegen nichts. Nachdem ich den Jungen in Chinatown verloren hatte, bin ich einfach durchgedreht. Ich dachte, dass ein Auto mir folgte, aber es war nicht so.“

„Wieso bist du dir da so sicher?“

Sie warf ihm einen verlegenen Blick zu. „Weil es der Bürgermeister war, Lucan. Ich dachte, sein Wagen mit Chauffeur wäre hinter mir her, und fing an zu rennen. Zur Krönung dieses vollkommen schrecklichen Tages bin ich mitten auf dem überfüllten Bürgersteig hingefallen und musste dann mit blutigen Händen und Knien nach Hause humpeln.“

Er fluchte leise, als ihm bewusst wurde, wie sehr sie in Gefahr gewesen war. Verdammt noch mal, sie hatte den Lakaien sogar allein verfolgt! Der Gedanke erschütterte Lucan mehr, als er sich selbst eingestehen wollte.

„Du musst mir versprechen, dass du vorsichtiger bist“, sagte er, sich dessen bewusst, dass er schimpfte, aber er wollte sich nicht mit Höflichkeiten aufhalten, nach der tödlichen Gefahr, in die sie sich heute begeben hatte. „Wenn so was wieder passiert, musst du es mir direkt erzählen …“

„Das wird nicht wieder passieren, weil es mein eigener Fehler war. Und ich wollte dir überhaupt nichts davon erzählen und auch sonst niemandem von der Wache. Es würde ihnen sicher unglaublich gut gefallen, wenn ich dort anriefe, um zu berichten, dass einer ihrer Büroangestellten mir ohne ersichtlichen Grund nachgestellt hat.“

Scheiße. Seine Lüge, ein Polizist zu sein, bereitete ihm jetzt ganz schöne Schwierigkeiten. Und noch schlimmer, es hätte auch möglicherweise Gabrielle in Gefahr gebracht, wenn sie die Wache auf der Suche nach „Detective Thorne“ angerufen und stattdessen die Aufmerksamkeit eines eingeschleusten Lakaien auf sich gezogen hätte.

„Ich werde dir meine Handynummer geben. Du kannst mich da immer erreichen. Ich möchte, dass du sie jederzeit benutzt, verstanden?“

Sie nickte, während Lucan den Wasserhahn aufdrehte und klares Wasser in seine Hände und über ihre seidigen rotbraunen Locken laufen ließ.

Ärgerlich über sich selbst nahm er einen Waschlappen aus einem Regal und tunkte ihn ins Wasser. „Jetzt lass mich dein Knie sehen.“

Sie hob ihr Bein, sodass es aus dem Schaumberg herausragte. Lucan nahm ihren Fuß in eine Hand und wusch dann vorsichtig die schlimm aussehende Abschürfung aus. Es war nur ein Kratzer, aber die Wunde begann erneut zu bluten, da das warme Wasser sie aufgeweicht hatte. Lucan knirschte heftig mit den Zähnen, als die duftenden scharlachroten Fäden eine feine Spur an ihrer Haut entlang nach unten und in den unberührten Schaum des Badewassers woben.

Er beendete die Reinigung der beiden verletzten Knie Gabrielles und gab ihr dann zu verstehen, dass er sich als Nächstes um ihre Hände kümmern wollte. Er traute seiner Stimme nicht mehr, wenn der Doppelschlag – Gabrielles nackter Körper und der Geruch ihres frischen, tröpfelnden Blutes – seinen Schädel wie ein Presslufthammer traf.

Unaufmerksam betupfte er die Kratzer an ihren Händen, sich schmerzhaft ihres intensiven Blickes aus dunklen Augen bewusst, der jeder seiner Bewegungen folgte, und des Herzschlags an ihrem Handgelenk, der unter dem Druck seiner Fingerspitzen schnell pochte.

Sie wollte ihn ebenfalls.

Lucan lockerte seinen Griff, aber als ihr Arm sich dabei ein wenig drehte, bemerkte er etwas Beunruhigendes. Sein Blick fiel auf eine Reihe von schwachen Malen, die die makellose Pfirsichhaut ruinierten. Bei den Malen handelte es sich um Narben, winzige Schnitte in der Unterseite ihrer Unterarme. Und es gab davon auch welche auf ihrem Schenkel.

Rasiermesserschnitte.

Als ob sie wiederholt Höllenqualen hätte erleiden müssen, als sie kaum mehr als ein Mädchen gewesen war. „Oh Gott.“ Er wandte den Kopf, um sie anzusehen, und auf seinem Gesicht war deutlich ungezügelte Wut zu erkennen. „Wer hat dir das angetan?“

„Es ist nicht das, was du denkst.“

Er schäumte inzwischen vor Wut, nicht willens, einfach so über dieses Thema hinwegzugehen. „Sag es mir.“

„Das ist nichts, wirklich. Vergiss es …“

„Nenn mir einen Namen, verdammt noch mal, und ich schwöre, ich töte diesen Hurensohn mit meinen bloßen Händen …“

„Ich habe es selbst getan“, sprudelte sie leise hervor. „Ich war es selbst. Das hat niemand anders getan.“

„Was?“ Ihr zartes Handgelenk in der Hand haltend, drehte er ihren Arm erneut um, sodass er das verblasste Netz aus sich überkreuzenden, leicht violetten Narben genauer betrachten konnte. „Du hast das getan? Warum?“

Sie entzog sich seinem lockeren Griff und ließ beide Arme unter die Wasseroberfläche sinken, als wollte sie sie vor einer genaueren Untersuchung schützen.

Lucan fluchte leise in einer Sprache, die er kaum noch sprach. „Wie oft, Gabrielle?“

„Ich weiß es nicht.“ Sie zuckte die Achseln und wich seinem Blick jetzt aus. „Ich habe das schon lange nicht mehr getan. Ich bin darüber hinweg.“

„Liegt darum das Messer unten in der Spüle?“

Der Blick, den sie ihm zuwarf, war gequält und verteidigend. Es gefiel ihr nicht, dass er sie bedrängte, so wie es ihm an ihrer Stelle auch nicht gefallen hätte, aber Lucan wollte begreifen. Er konnte kaum verstehen, was sie dazu getrieben haben konnte, mit einem Messer in ihr eigenes Fleisch zu schneiden.

Wieder und wieder und wieder.

Sie starrte finster in die sich langsam auflösenden Blasen in dem Seifenwasser. „Hör mal, können wir das Thema einfach fallen lassen? Ich möchte wirklich nicht darüber sprechen …“

„Vielleicht solltest du darüber sprechen.“

„Oh, klar.“ Ihr schwaches Lachen klang ironisch. „Ist das der Teil, in dem Sie vorschlagen, dass ich zu einem Psychiater gehen soll, Officer Thorne? Und vielleicht irgendwohin, wo ich medikamentös in einen Zustand der Benommenheit versetzt werden kann, unter genauer Beobachtung eines Arztes, und zwar zu meinem eigenen Besten?“

„Ist dir das passiert?“

„Die Leute verstehen mich nicht. Das haben sie noch nie getan. Ich verstehe mich ja manchmal selbst nicht.“

„Was verstehst du nicht? Hast du das Bedürfnis, dich selbst zu verletzen?“

„Nein. Das ist es nicht. Das ist nicht der Grund, warum ich es getan habe.“

„Warum dann? Großer Gott, Gabrielle, das sind sicher mehr als hundert Narben …“

„Ich habe es nicht gemacht, weil ich Schmerzen spüren wollte. Es hat mir nicht wehgetan.“ Sie holte tief Luft und ließ sie zwischen ihren Lippen wieder entweichen. Es dauerte eine Sekunde, bis sie sprechen konnte, und als sie es tat, konnte Lucan sie nur schweigend und fassungslos anstarren. „Es ging mir nie darum, Schmerzen zuzufügen, und zwar niemandem. Ich verbarg keine traumatischen Erinnerungen und versuchte auch nicht, irgendeiner Form von Missbrauch zu entfliehen, trotz der Meinungen mehrerer sogenannter staatlich geprüfter Expertinnen und Experten. Ich habe mich selbst geschnitten, weil … es mich beruhigt hat. Das Bluten hat mir Ruhe verschafft. Dazu war nicht viel erforderlich, nur ein kleiner Schnitt. Es war nie sehr tief. Als ich geblutet habe, fühlte sich alles, was an mir fehl am Platz und fremdartig war, plötzlich … normal an.“

Sie hielt seinem unverwandten Blick nun mit einer trotzigen Miene stand, als ob sich ein Tor tief in ihrem Inneren geöffnet hätte und ihr eine schwere Last von den Schultern genommen worden wäre. Lucan wurde klar, dass das in gewisser Weise genau das war, was er hier erlebt hatte. Nur dass Gabrielle noch eine wichtige Information fehlte, die die Dinge für sie an den richtigen Platz rücken würde.

Sie wusste nicht, dass sie eine Stammesgefährtin war.

Sie konnte nicht wissen, dass eines Tages ein Angehöriger seiner Rasse sie zu seiner ewigen Geliebten nehmen und ihr eine Welt zeigen würde, anders als alles, was sie sich je erträumt hatte. Ihre Augen würden für einen Genuss geöffnet werden, der nur zwischen im Blut verbundenen Paaren existierte.

Lucan stellte fest, dass er diesen namenlosen Mann hasste, der die Ehre haben würde, Gabrielle zu lieben.

„Ich bin nicht verrückt, falls es das ist, was du denkst.“

Lucan schüttelte langsam den Kopf. „Das denke ich überhaupt nicht.“

„Ich verabscheue Mitleid.“

„Ich auch“, erwiderte er. Er hatte die Warnung in ihren Worten erkannt. „Du brauchst kein Mitleid, Gabrielle. Und du brauchst auch keine Medikamente oder Ärzte.“

Sie hatte sich von dem Moment an, an dem er ihre Narben entdeckt hatte, in sich selbst zurückgezogen, aber nun spürte er ihr Zögern, spürte er, wie ihr zaghaftes Vertrauen zu ihm langsam zurückkehrte.

„Du gehörst nicht zu dieser Welt“, sagte er zu ihr. Das war keine Gefühlsduselei, sondern eine Tatsache. Er streckte die Hand aus und nahm ihr Gesicht in seine Hände. „Du bist viel zu außergewöhnlich für das Leben, das du geführt hast, Gabrielle. Ich glaube, das wusstest du von Anfang an. Eines Tages wird all das Sinn für dich ergeben, das verspreche ich dir. Dann wirst du es verstehen, und du wirst deine wahre Bestimmung finden. Vielleicht kann ich dir helfen, sie zu finden.“

Eigentlich hatte er vorgehabt, sie weiter zu baden, aber das Wissen, dass sie ihn ansah, ließ seine Hände stocken. Die tiefe Wärme in ihrem Lächeln ließ seine Brust schmerzen. Gefangen von ihrem zärtlichen Blick spürte er, wie sich ihm auf seltsame Weise die Kehle zuschnürte.

„Was ist los?“

Sie schüttelte leicht den Kopf. „Ich bin überrascht, das ist alles. Ich hatte nicht erwartet, dass ein großer, harter Polizist wie du so romantisch über Leben und Schicksal spricht.“

Die Erinnerung daran, dass er unter Vorspiegelung falscher Tatsachen zu ihr gekommen war und es noch immer tat, ließ einen Teil seines Verstandes in sein Gehirn zurückkehren. Er tauchte den Waschlappen wieder in das Seifenwasser und ließ ihn in dem Schaum treiben. „Vielleicht habe ich nur Scheiße im Kopf.“

„Das glaube ich nicht.“

„Du solltest mir nicht zu viel Glauben schenken“, meinte er und achtete darauf, seinen Tonfall beiläufig zu halten. „Du kennst mich nicht, Gabrielle. Nicht wirklich.“

„Ich würde dich gerne kennen. Wirklich.“ Sie setzte sich im Wasser auf, und die kleinen lauwarmen Wellen leckten über ihren nackten Körper, so wie Lucan es am liebsten mit seiner Zunge getan hätte. Die Spitzen ihrer Brüste schwebten direkt über der Oberfläche, und die rosa Brustwarzen waren so hart wie Knospen, umgeben von weißem Schaum. „Sag mir, Lucan, wohin gehörst du?“

„Nirgendwohin.“ Die Antwort entwich seinem Mund in einem Knurren. Dieses Geständnis kam der Wahrheit näher, als er zugeben wollte. Wie Gabrielle verabscheute er Mitleid und war erleichtert zu sehen, dass sie ihn mehr neugierig als mitleidig ansah. Er strich mit seinem Finger über ihren wohlgeformten, mit Sommersprossen bedeckten Nasenrücken. „Ich bin der geborene Außenseiter. Ich habe noch nie irgendwohin gehört.“

„Das stimmt nicht.“

Gabrielle schlang ihre Arme um seine Schultern. Der sanfte Blick aus ihren braunen Augen begegnete dem seinen zärtlich, mit der gleichen Aufmerksamkeit, die er ihr hatte zukommen lassen, als er sie aus der verschlossenen Dunkelkammer geholt und in das warme Badezimmer gebracht hatte. Und dann küsste sie ihn. Ihre Haut war von jedem Rest von Blut und Angst befreit. Als ihre Zunge über seine Lippen strich, wurden Lucans Sinne überschwemmt mit dem berauschenden Duft von Verlangen und süßer, femininer Zärtlichkeit.

„Du hast dich heute Abend so gut um mich gekümmert. Jetzt möchte ich mich um dich kümmern, Lucan.“ Sie küsste ihn erneut, plünderte seinen Mund mit ihrer feuchten kleinen Zunge, die tief in seinem Inneren ein Stöhnen reinen, männlichen Genusses hervorrief. Als sie schließlich den Kuss unterbrach, atmete sie schwer, und in ihren Augen brannte Lust. „Du trägst zu viele Klamotten. Zieh sie aus. Ich will dich nackt hier bei mir haben.“

Lucan gehorchte, zog seine Stiefel, seine Socken, seine Hose und sein Hemd aus und legte sie auf den Boden. Sonst hatte er nichts am Leib getragen. Nun stand er völlig nackt vor Gabrielles bewunderndem Blick.

Voller Gier nach ihr.

Er achtete darauf, dass er seinen Blick von ihr abwandte, jetzt, da seine Pupillen vor Hunger geschlitzt waren. Auch war er sich des pulsierenden Drucks seiner Fangzähne bewusst, die hinter seinen Lippen lang geworden waren. Wäre die Beleuchtung durch das Nachtlicht in der Nähe des Waschbeckens nicht so spärlich gewesen, dann hätte sie ihn ganz sicher in seiner gesamten raubtierhaften Pracht gesehen.

Und das hätte einen sonst vielversprechenden Moment überaus gründlich verdorben.

Darauf würde er es nicht ankommen lassen.

Mit einem scharfen mentalen Befehl zerschmetterte er die kleine Glühbirne hinter der Plastikabdeckung des Nachtlichts. Gabrielle erschrak bei dem plötzlichen Knall, aber dann seufzte sie glückselig auf, als Dunkelheit sie beide umgab. Er hörte, wie sich ihr Körper lockend in der Wanne räkelte.

„Mach eine andere Lampe an, wenn du willst.“

„Ich finde dich auch ohne Licht“, versprach er. Das Sprechen fiel ihm schwer, nun, da ihn die Lust fest im Griff hatte.

„Dann komm her“, lud ihn seine Sirene aus ihrem warmen Bad ein.

Er stieg in die Wanne und versank im Wasser, den Blick in der Dunkelheit auf Gabrielle gerichtet. Er wünschte nichts mehr, als sie an sich zu ziehen, sie mit seinen Schenkeln zu umschlingen und mit einem einzigen langen Stoß ganz in sie einzudringen. Aber für den Augenblick würde er sie das Tempo bestimmen lassen.

In der letzten Nacht war er hungrig hergekommen und war der Nehmende gewesen – heute Nacht würde er der Gebende sein.

Selbst wenn die Zurückhaltung ihn umbrächte.

Gabrielle glitt durch die dünner werdenden Wolken aus Schaum auf ihn zu. Ihre Füße legten sich um seine Hüften und verschränkten sich lose über seinem Hintern. Sie beugte sich aus der Taille heraus zu ihm, und ihre Finger fanden seine Schenkel unter der Oberfläche des Bades. Sie drückte die verspannten Muskeln, knetete sie und massierte sie dann, mit einer langsamen, köstlichen Bewegung.

„Du sollst wissen, dass ich normalerweise nicht so bin.“

Sein interessiertes Stöhnen hörte sich selbst in seinen Ohren angestrengt an. „Du meinst, heiß genug, um jeden Mann in Asche zu deinen Füßen zu verwandeln?“

Sie lachte leise. „Das mache ich mit dir?“

Er legte ihre neckischen Hände auf seinen dicken, erigierten Schwanz. „Was denkst du?“

„Ich denke, dass du unglaublich bist.“ Sie zog ihre Hände nicht zurück, nachdem er seine weggenommen hatte, sondern fuhr damit über seinen Schaft und seine Eier. Dann legte sie ihre Finger wieder träge um die knollenförmige Eichel, die die Oberfläche des Badewassers durchbrach. „Du bist anders als jeder Mensch, den ich je kennengelernt habe. Und was ich meinte, war, dass ich normalerweise nicht so … also, offensiv bin. Ich habe nicht viele Verabredungen.“

„Du nimmst nicht viele Männer mit ins Bett.“

Selbst in der Dunkelheit spürte er, wie sie plötzlich errötete. „Nein. Das letzte Mal ist sehr lange her.“

In diesem Moment wünschte er sich, dass sie keinen einzigen anderen Mann – ob Mensch oder Vampir – mit ins Bett nähme.

Er wollte nicht, dass sie auch nur noch ein einziges Mal mit einem anderen Mann Sex hatte.

Und Gott stehe ihm bei, er würde diesen Lakaienbastard, der ihr heute etwas hätte antun können, zur Strecke bringen und ihm den Bauch aufschlitzen.

Der Gedanke traf ihn mit einem wilden Schwall von Besitzgier, während ihre Finger sein Geschlecht drückten und einen Tropfen glitschiger Nässe aus der Spitze seines angeschwollenen Penis pressten. Dann beugte sie sich über ihn, nahm seinen Schwanz in den Mund und saugte ihn tief ein. Lucan bäumte sich auf, angespannt wie eine Bogensehne.

Nein, er würde dem Lakaien nicht nur die Innereien herausreißen; er würde sich mit nichts weniger zufriedengeben als mit blutigem Mord.

Lucan senkte seine Hände auf Gabrielles Schultern, als sie ihn bearbeitete, bis er in blinde Ekstase verfiel. Ihre Finger, ihre Lippen, ihre Zunge, ihr Atem gegen seinen nackten Unterleib, als sie ihn immer tiefer in ihren heißen Mund nahm – all das brachte ihn an den Rand einer außergewöhnlichen Raserei. Er konnte nicht genug bekommen. Als sie von ihm abließ, fluchte er heftig über den Verlust des süßen Sauggefühls.

„Ich brauche dich in mir“, sagte sie keuchend.

„Ja“, knurrte er. „Gott, ja.“

„Aber …“

Ihr Zögern verwirrte ihn. Ärgerte den Teil von ihm, der mehr wilder Rogue war als rücksichtsvoller Liebhaber.

„Was ist los?“ Das klang mehr nach einer Forderung, als er es beabsichtigt hatte.

„Sollten wir nicht …? Letzte Nacht sind die Dinge außer Kontrolle geraten, bevor ich es erwähnen konnte … aber sollten wir nicht, du weißt schon, dieses Mal etwas benutzen?“ Ihr Unbehagen drang wie eine Klinge durch sein von Leidenschaft vernebeltes Gehirn. Er hielt inne, und sie bewegte sich von ihm fort, als wolle sie aus der Wanne steigen. „Ich habe Kondome im anderen Zimmer …“

Seine Hand schloss sich um ihr Handgelenk, bevor sie sich erheben konnte.

„Ich kann dich nicht schwängern.“ Warum klang das in seinen Ohren jetzt so schroff? Es war die reine Wahrheit. Nur verbundene Paare – Stammesgefährtinnen und Vampirmänner, die Blut miteinander ausgetauscht hatten – konnten erfolgreich Nachkommen hervorbringen. „Und was alles andere betrifft, da musst du dir keine Gedanken darum machen, dich zu schützen. Ich bin gesund, und nichts, was wir miteinander machen, wird einem von uns Schaden zufügen.“

„Oh. Ich auch. Und ich hoffe, du denkst nicht, dass ich prüde bin, weil ich gefragt habe …“

Er zog sie an sich und brachte sie mit einem langsamen Kuss zum Schweigen, um ihre Verlegenheit zu beenden. Als sich ihre Lippen voneinander lösten, sagte er: „Ich denke, Gabrielle Maxwell, dass du eine intelligente Frau bist, die ihren Körper und sich selbst respektiert. Ich respektiere dich dafür, dass du den Mut hast, vorsichtig zu sein.“

Sie lächelte an seinem Mund. „Ich will nicht vorsichtig sein, wenn ich in deiner Nähe bin. Du machst mich rasend. Du sorgst dafür, dass ich schreien will.“

Die Finger auf seiner Brust gespreizt, drückte sie ihn nach unten, bis er gegen die Wanne lehnte. Dann erhob sie sich über der schweren Lanze seines Geschlechts und bewegte ihre feuchte Spalte daran entlang, glitt aufwärts und abwärts, wobei sie ihn fast – aber verdammt, nicht ganz! – in ihre Wärme einhüllte.

„Ich will dich zum Schreien bringen“, flüsterte sie an seinem Ohr.

Lucan stöhnte in reiner Agonie durch ihren sinnlichen Tanz. Er ballte seine Hände neben seinem Körper im Wasser zu Fäusten, um sich selbst davon abzuhalten, sie zu packen und auf seiner fast berstenden Erektion aufzuspießen. Sie machte mit ihrem verführerischen Spiel weiter, bis er spürte, wie sich sein Höhepunkt in seinem Schaft zusammenzog. Er stand kurz vor seinem Erguss, und noch immer reizte sie ihn gnadenlos.

„Verdammt“, fluchte er durch seine zusammengebissenen Zähne und Fangzähne und legte seinen Kopf nach hinten an die kühlen Kacheln. „Um Gottes willen, Gabrielle – du bringst mich um.“

„Ich will es hören“, schmeichelte sie.

Und dann bewegte sich ihre feuchte Scham über die Eichel seines Schwanzes.

Langsam.

So verdammt langsam.

Sein Samen staute sich an, und er schauderte, als ein Tropfen heißer Flüssigkeit in ihren Körper spritzte. Er stöhnte. Noch nie war er so nahe daran gewesen, verrückt zu werden, wie er es in diesem Augenblick war. Und Gabrielles Enge hüllte ihn weiter ein. Die winzigen Muskeln in ihrem Inneren umgaben ihn mit festem Griff, als sie sich weiter auf seinen Schaft herabsenkte.

Er konnte es kaum noch ertragen.

Gabrielles Geruch umhüllte ihn, schwebte auf dem Dampf des Badewassers und vermischte sich mit dem berauschenden Duft ihrer miteinander verbundenen Körper. Ihre Brüste bewegten sich in der Nähe seines Mundes auf und ab wie Früchte, die gerade reif genug waren, dass er sie pflückte, aber er wagte es nicht, sie zu kosten, wenn seine Selbstbeherrschung so kurz davor stand zu versagen. Er wollte Gabrielles Pfirsiche in den Mund nehmen, aber seine Fangzähne pochten vor Verlangen nach Blut – ein Verlangen, das mitten auf dem sexuellen Höhepunkt nur noch stärker wurde.

Er drehte den Kopf zur Seite und stieß ein gequältes Heulen aus, zerrissen zwischen so vielen Verführungen, vor allem auch der, in Gabrielle zu kommen, sie mit jedem Tropfen seiner Leidenschaft zu erfüllen. Er fluchte laut, und dann brüllte er wahrhaftig, stieß einen tiefen Schrei aus, der noch an Stärke zunahm, als sie sich hart auf seinen ausgehungerten Schwanz herunterließ und ihn auswrang, wobei ihr eigener Orgasmus kurz nach seinem folgte.

Als es in seinem Kopf aufgehört hatte zu klingeln und seine Beine wieder genügend an Kraft gewonnen hatten, um ihn zu halten, schlang Lucan seine Arme um Gabrielles Rücken und stand mit ihr zusammen auf, indem er sie an Ort und Stelle auf seiner sich bereits wieder erhebenden Erektion hielt.

„Wohin gehen wir?“

„Du hattest deinen Spaß. Jetzt bringe ich dich ins Bett.“

 

Das schrille Klingeln seines Mobiltelefons riss Lucan aus seinem tiefen Schlaf. Er lag mit Gabrielle im Bett, und beide waren ausgelaugt. Sie lag zusammengerollt neben ihm, ihr nackter Körper wunderbar über seinen Beinen und seinem Rumpf ausgebreitet.

Gott, wie lange hatte er geschlafen? Es mussten wohl Stunden gewesen sein, was erstaunlich war, wenn man seine übliche nervöse Schlaflosigkeit bedachte.

Das Handy klingelte wieder, und schon war Lucan auf den Beinen und steuerte auf das Bad zu, wo er seine Jacke gelassen hatte. Er holte das Gerät aus einer der Taschen und klappte es auf.

„Ja.“

„Hey.“ Es war Gideon, und seine Stimme hatte einen sonderbaren Klang. „Lucan, wie schnell kannst du zum Quartier kommen?“

Er blickte ins angrenzende Schlafzimmer. Gabrielle setzte sich gerade auf, verschlafen, die nackten Hüften in zerwühltes Bettzeug gehüllt, das Haar wild in die Stirn hängend. Er hatte noch nie zuvor etwas so verdammt Verführerisches gesehen. Vielleicht war es besser, bald zu gehen, wenn er noch eine Chance haben wollte, hier wegzukommen, bevor die Sonne aufging.

Er riss seinen Blick von ihrem erregenden Anblick los und knurrte eine Antwort ins Telefon. „Ich bin nicht weit weg. Was ist denn los?“

Ein langes Schweigen dehnte sich am anderen Ende aus.

„Etwas ist passiert, Lucan. Etwas Schlimmes.“ Es folgte eine weitere Pause. Dann brach Gideons natürliche Ruhe ein wenig zusammen. „Verdammt, es gibt keinen schonenden Weg, das auszusprechen. Wir haben heute Nacht einen verloren, Lucan. Einer der Krieger ist tot.“