12

Sperber kramte in seinem Seesack und warf achtlos Kleidungsstücke auf den Boden. »Was tust du?« rief Aphrael aufgebracht. »Wir müssen uns beeilen!«

»Ich muß Stragen eine Nachricht hinterlassen, aber ich kann kein Papier finden.« »Da!« Sie streckte die Hand aus, und ein Blatt Pergament erschien zwischen ihren Fingern.

»Danke.« Er griff danach, durchstöberte jedoch weiterhin den Seesack.
»Mach schon, Sperber!«
»Ich brauche noch was zum Schreiben!«

Aphrael murmelte irgend etwas auf styrisch und händigte ihm einen Federkiel und ein winziges Tintenfaß aus.

Vymer, kritzelte Sperber, es ist etwas Unvorhergesehenes, Unaufschiebbares dazwischengekommen, und ich muß eine Zeitlang fort. Paß gut auf Reldin auf. Er unterschrieb mit Fron. Dann legte er das Blatt auf Stragens Bett. »Können wir jetzt aufbrechen?« fragte Aphrael ungeduldig.

»Wie willst du es anstellen?« Er langte nach seinem Umhang.

»Zuerst müssen wir aus der Stadt hinaus. Ich möchte nicht, daß jemand uns sieht.
Wo ist der nächste Wald?«
»Im Osten. Zum Waldrand ist es etwa eine Meile.«
»Gehen wir!«

Sie verließen das Zimmer, eilten die Treppe hinunter und auf die Straße. Sperber hob Aphrael auf den Arm und schlang seinen Umhang bis zu den Schultern um sie. »Ich kann laufen!« protestierte sie.

»Nicht, ohne Aufmerksamkeit zu erregen. Du bist Styrikerin; das würde sofort auffallen.« Er schritt, Aphrael auf dem linken Arm, die Straße hinunter. »Geht's nicht ein bißchen schneller?«

»Überlaß diesen Teil der Reise mir, Aphrael. Würde ich losrennen, würden die Leute glauben, ich hätte dich entführt.« Er ließ den Blick umherschweifen, um sich zu vergewissern, daß niemand auf der schlammigen Straße nahe genug war, sie zu hören. »Wie willst du es machen?« fragte er. »Vergiß nicht, daß da draußen Leute sind, die spüren können, wenn du den natürlichen Lauf der Dinge beeinflußt! Wir dürfen aber keine Aufmerksamkeit erregen!«

Sie kräuselte die Stirn. »Ich weiß es selbst noch nicht genau. Ich war völlig durcheinander, als ich hierher kam.«
»Versuchst du, deine Mutter umzubringen?«

»Wie kannst du nur so gemein sein!« Sie spitzte die Lippen. »Es gibt immer einen gewissen Geräuschpegel«, murmelte sie dann nachdenklich.

»Wie meinst du das?«

»Das ist einer der Nachteile, daß unsere zwei Welten sich auf diese Weise überlappen. Die Geräusche der einen dringen zur anderen durch. Der Großteil der Menschen kann uns nicht hören – auch nicht fühlen –, wenn wir herumstreifen; aber wir hören und fühlen einander ohne Ausnahme.«

Sperber überquerte die Straße, um möglichen Raufbolden auszuweichen, da sie sich einer Seemannsschenke näherten, aus deren Tür heftiger Streit zu hören war. »Wenn die anderen dich hören können, wie willst du dann verbergen, was du tust?« »Du hast mich nicht aussprechen lassen, Sperber. Wir sind nicht allein hier. Rings um uns sind andere – meine Familie, die tamulischen Götter, euer elenischer Gott, alle möglichen Naturgeister und andere Wesenheiten, und in der Luft wimmelt es nur so von den Machtlosen. Mitunter schwärmen sie aus wie eine Schar Wandervögel.« Sperber blieb stehen und machte einen Schritt zurück, um einen wackligen, mit Holzkohle beladenen Karren vorbeizulassen. »Wer sind diese ›Machtlosen‹?« fragte er. »Sind sie gefährlich?«

»Wohl kaum. Sie existieren nicht einmal mehr wirklich. Es sind lediglich Überbleibsel aus alten Mythen und Legenden.«
»Sind sie wirklich? Könnte ich sie sehen?«

»Nur, wenn du an sie glaubst. Früher einmal waren sie Götter, doch ihre Anbeter starben entweder aus, oder sie nahmen einen anderen Glauben an. Unstofflich, ja, ohne auch nur irgendwelcher Gedanken fähig zu sein, flattern die Machtlosen am Rande der Wirklichkeit umher. Nur die Erinnerung ist ihnen geblieben.« Aphrael seufzte. »Wir kommen aus der Mode, Sperber – wie Gewänder des vergangenen Jahres und die alten Schuhe und Hüte. Die Machtlosen sind gewissermaßen abgelegte Götter, die mit den Jahren laufend schrumpfen, bis sie schließlich nichts mehr sind als ein schmerzliches Wimmern.« Wieder seufzte sie; dann fuhr sie fort: »Wie dem auch sei – da sind diese unendlich vielen Geräusche im Hintergrund. Das macht es manchmal sehr schwer, sich auf bestimmte Machtlose zu konzentrieren oder sie überhaupt zu finden.«

Sie kamen an einer weiteren Schenke vorbei, aus der Johlen und gegrölte Lieder zu hören waren. »Sind diese Geräusche etwa so ähnlich?« Sperber deutete mit dem Kopf auf die Tür der Schenke. »Sinnloser Lärm, der die Ohren erfüllt und verhindert, daß man hört, wonach man wirklich lauscht?«

»Mehr oder weniger. Wir haben allerdings einige Sinne mehr als ihr Menschen. Dadurch wissen wir beispielsweise, wenn unseresgleichen in der Nähe sind, und wir wissen, wenn sie etwas beeinflussen, wie du es nennst. Aber vielleicht kann ich bei all dem anderen Lärm verbergen, was ich tue. – Wie weit haben wir es noch?« Sperber bog an der nächsten Ecke in eine ruhige Straße ein. »Wir kommen jetzt an den Stadtrand.« Er nahm sie auf den anderen Arm und legte eine schnellere Gangart ein, während er der Straße folgte. Die Häuser hier am Stadtrand von Beresa waren stabiler erbaut und hielten einen hochmütigen Abstand von der Straße ein. »Sobald wir die Kohlenmeiler hinter uns haben, sind wir am Waldrand. Bist du sicher, daß diese Geräusche, die ich nicht hören kann, laut genug sind, deine Zauber zu verbergen?«

»Ich werde zusehen, daß ich ein bißchen Hilfe bekomme. Cyrgon weiß nicht genau, wo ich bin, und er wird ein Weilchen brauchen, mich zu erkennen und meinen genauen Standort festzustellen. Ich werde einige der anderen bitten, hierherzukommen und ein kleines Fest zu veranstalten. Wenn sie laut genug sind und ich schnell genug handle, wird Cyrgon nicht einmal wissen, daß ich hier gewesen bin.«

Nur ein paar Köhler versorgten die Feuer in den Meilern, die Beresa wie ein Ring umgaben. Die Männer waren betrunken und rußig von ihrer Arbeit, und ihr Wahrnehmungsvermögen war sichtlich getrübt. Sie taumelten um die rauchigen Flammen herum wie Teufel, die ums Höllenfeuer tanzten. Sperber schritt nun noch schneller dahin und trug die verstörte Kindgöttin zum dunklen Waldrand.

»Ich muß den Himmel sehen können«, erklärte sie ihm. »Kein Zweig darf mir die Sicht versperren.« Sie machte eine Pause. »Hast du Angst vor großen Höhen?« »Nicht besonders. Warum?«

»Ich wollte es nur wissen. Erschrick nicht, wenn's losgeht. Dir wird nichts geschehen. Du bist vollkommen sicher, solange ich deine Hand halte.« Wieder machte sie eine Pause. »O je!« murmelte sie. »Da ist mir noch etwas eingefallen.«

»Was?« Sperber drückte einen Ast zur Seite und trat in den dunklen Wald. »Ich muß wirklich sein, wenn ich das tue!«

»Was meinst du mit ›wirklich‹? Du bist doch jetzt wirklich, oder nicht?«

»Nicht ganz. Stell keine Fragen, Sperber. Such ganz einfach eine kleine Lichtung, und kümmere dich eine Zeitlang nicht um mich. Ich muß um Unterstützung bitten – falls ich sie überhaupt finden kann.«

Er bahnte sich einen Weg durchs Dickicht. Sein Magen hatte sich verkrampft, und sein Herz lag wie ein Stein in seiner Brust. Die schreckliche Zwangslage, in der sie sich befanden, zerrte an ihm, schien ihn zu zerreißen. Sephrenia lag im Sterben, doch um sie retten zu können, brachte er Ehlana in Lebensgefahr. Nur kraft Bhellioms Willen setzte er noch Fuß vor Fuß. Sperbers eigener Wille war gelähmt durch diesen Zwiespalt und die hoffnungslos erscheinende Lage der beiden Frauen, die er mehr als alles auf der Welt liebte. Verzweifelt und wütend bahnte er sich durch die wild wuchernden Zweige und Dornenranken einen Weg.

Dann endlich war er hindurch und gelangte auf eine kleine, mit dichtem Moos gepolsterte Lichtung, wo sich in einem Teich, der von einem gurgelnden Bach gespeist wurde, der Sternenhimmel spiegelte. Es war ein friedlicher, beinahe verzauberter Ort, doch Sperber nahm die stille Schönheit kaum wahr. Er blieb stehen und setzte Aphrael ab. Ihr Gesichtchen war ausdruckslos, und ihre Augen starrten blicklos gen Himmel. Sperber wartete angespannt.

»Endlich!« rief sie schließlich gereizt. »Es ist so schwierig, ihnen etwas zu erklären. Nie hören sie lange genug zu brabbeln auf, daß sie zuhören könnten!« »Von wem redest du?«

»Von den tamulischen Göttern. Jetzt kann ich gut verstehen, weshalb Oscagne Atheist ist. Na ja, schließlich konnte ich sie doch überreden, hier zu spielen. Das dürfte dich und mich vor Cyrgon verbergen.«
»Spielen?«

»Sie sind Kinder, Sperber. Kleine Kinder, die herumlaufen und toben und kreischen und monatelang Fangen spielen. Cyrgon kann sie nicht ausstehen. Er würde sich nie auch nur in ihre Nähe begeben. Das müßte uns helfen. In ein paar Minuten werden sie hier sein; dann können wir anfangen. Dreh dich um, Vater. Ich mag es nicht, daß mir jemand zusieht, wenn ich mich verändere.«

»Ich habe dich schon mal gesehen – dein Spiegelbild jedenfalls.«

»Das macht mir nichts aus. Aber der Vorgang selbst ist ein wenig entwürdigend. Also, dreh dich um, Vater. Du würdest es ja doch nicht verstehen.«

Gehorsam wandte Sperber ihr den Rücken zu und blickte zum Nachthimmel empor. Mehrere vertraute Sternbilder waren nicht zu sehen, oder sie befanden sich an der falschen Stelle.

»Gut, Vater. Jetzt darfst du dich wieder umdrehen.« Ihre Stimme klang voller und melodischer.
Er drehte sich um. »Würdest du bitte etwas anziehen?«
»Warum?«

»Tu's einfach, Aphrael. Nimm Rücksicht auf meine menschlichen Eigenarten.« »Das ist reine Zeitvergeudung.« Sie streckte die Rechte aus, ergriff einen feinen Schleier, den sie aus Nichts gesponnen hatte, und schlang ihn um sich. »Besser?« fragte sie. »Nicht viel. Können wir unseren Weg jetzt fortsetzen?«

»Gleich.« Für einen Moment schien sie in weite Ferne zu blicken. »Sie kommen. Irgend etwas hatte sie kurz abgelenkt – aber dazu braucht es nicht viel. Hör mir jetzt gut zu. Versuche ganz ruhig zu bleiben. Du brauchst nur fest daran zu denken, daß dir nichts passiert; denn das würde ich nie zulassen. Du wirst nicht hinunterfallen.« »Hinunterfallen? Wovon? Was redest du eigentlich?«

»Du wirst es gleich sehen. Ich würde es auf andere Weise tun. Aber wir müssen so schnell wie möglich nach Dirgis, und ich möchte nicht, daß Cyrgon Zeit hat, mich zu orten. Wir gehen es langsam und in mehreren Etappen an, damit du dich daran gewöhnst.« Sie drehte leicht den Kopf. »Sie sind hier! Dann wollen wir!«

Sperber war, als könne er fernes Kinderlachen hören, aber es mochte auch nur der Wind sein, der durch die Baumkronen strich.
»Gib mir die Hand!« wies Aphrael ihn an.

Sperber griff nach ihrer Hand. Sie kam ihm sehr warm und irgendwie ungemein beruhigend vor.

»Blick einfach zum Himmel, Sperber«, wies die unbeschreiblich schöne junge Frau ihn an.

Er hob das Gesicht und sah den oberen Rand des Mondes blaß leuchtend über den Wipfeln erscheinen.
»Du darfst jetzt hinunterschauen.«

Sie standen etwa zehn Fuß über dem gekräuselten Wasser des Teiches. Sperbers Muskeln spannten sich.

»Hör sofort auf!« rügte sie ihn. »Entspann dich. Wir vergeuden nur Zeit, wenn ich dich wie ein mit Wasser vollgesogenes Kanu durch die Luft zerren muß.«

Sperber versuchte es, doch ohne großen Erfolg, obwohl er sicher war, daß seine Augen ihn trogen, denn er spürte festen Boden unter den Füßen. Versuchsweise stampfte er auf – und tatsächlich der Boden war so fest, wie er nur sein konnte. »Das ist bloß für den Anfang«, erklärte die Göttin ihm. »Schon nach kurzer Zeit wirst du es nicht mehr brauchen. Ich muß nur immer Sephrenia …« Ihre Stimme brach, und sie schluchzte auf. »Bitte, reiß dich zusammen, Sperber«, flehte sie ihn an. »Wir müssen uns beeilen. Schau wieder zum Himmel. Wir steigen noch ein wenig höher.« Er spürte gar nichts, kein Rauschen der Luft, und vor allem auch keine Angst in den Eingeweiden. Doch als er wieder in die Tiefe schaute, war die Lichtung mit ihrem verzauberten Teich zu einem Punkt geschrumpft. Die winzigen Lichter Beresas glitzerten aus Miniaturfenstern, und der Mond hatte einen langen, glühenden Pfad über das Tamulische Meer gezogen. »Ist alles in Ordnung mit dir?«

Sie redete immer noch wie Aphrael, doch ihre Stimme und vor allem ihr Aussehen waren völlig anders. Eigenartigerweise vereinte ihr Gesicht Flötes Züge mit denen Danaes; sie war nun die Frau, die irgendwie aus den beiden kleinen Mädchen erwachsen war. Sperber antwortete nicht, sondern stampfte mit einem Fuß auf das feste Nichts unter ihm.

»Ich werde das nicht aufrechterhalten können, wenn es richtig losgeht!« warnte Aphrael. »Dazu werden wir zu schnell sein. Halte dich einfach an meiner Hand fest, aber verkrampf nicht, damit du mir nicht die Finger brichst!«

»Dann tu lieber nichts allzu Überraschendes. Werden dir Flügel wachsen?« »Was für ein absurder Gedanke! Ich bin doch kein Vogel, Sperber! Flügel wären mir nur im Wege. So, lehn dich jetzt zurück und entspann dich.« Sie blickte ihn nachdenklich an. »Du hältst dich wirklich gut. Sephrenia würde etwa an diesem Punkt bereits in Panik ausbrechen. Möchtest du lieber sitzen?« »Worauf?«

»Nicht so wichtig. Vielleicht sollten wir doch besser stehen. Hol jetzt mal tief Luft, dann gehen wir es wieder an.«

Sperber stellte fest, daß es ihm half, wenn er in die Höhe blickte. Sobald er die Sterne und den soeben aufgegangenen Mond betrachtete, konnte er die schreckliche Leere unter ihnen nicht sehen.

Nicht das geringste deutete darauf hin, daß sie sich bewegten: Sperber pfiff kein Wind um die Ohren, und sein Umhang flatterte nicht. Er stand hochaufgerichtet, hielt Aphraels Hand und blickte angestrengt auf den Mond, der schwerfällig im Süden zurückblieb.
Plötzlich stieg ein bleiches Leuchten unter ihnen auf.
»Oh, verflixt!« murmelte die Göttin.

»Was ist passiert?« Sperbers Stimme klang so schrill, daß es ihm selbst auffiel. »Wolken!«

Er spähte hinunter und erblickte eine Märchenwelt. Im Mondschein glühende weiße Wolken erstreckten sich endlos in alle Richtungen. Ein Gebirge aus luftigem Dunst erhob sich aus einer faltigen, unstofflichen Ebene. Bizarre Gebilde, die Säulen und Burgen ähnelten, standen wie Wachtposten dazwischen. Sperber konnte sich der Faszination dieses Anblicks nicht entziehen. »Wunderschön«, flüsterte er, als die sanfte mondbeschienene Landschaft in ruhigem Fließen unter ihnen vorbeizog. »Vielleicht. Aber ich kann den Erdboden nicht sehen!« »Ich glaube, mir ist es lieber so.«

»Mir nicht, Sperber. Ich kann nicht erkennen, wo ich bin, und weiß deshalb nicht, wohin ich fliege. Bhelliom kann einen Ort finden, wenn er nur den Namen erfährt. Ich vermag das leider nicht. Ich brauche Orientierungspunkte, doch bei dieser dichten Wolkendecke kann ich sie nicht finden.«
»Warum richtest du dich nicht nach den Sternen?«
»Wa-as?«

»Das machen die Seeleute auf dem Meer. Die Sterne bewegen sich nicht; deshalb wählen die Schiffer einen bestimmten Stern oder auch ein Sternbild aus und steuern darauf zu.«

Langes Schweigen setzte ein, während die Wolken unter ihnen sich scheinbar rasch nach hinten bewegten, allmählich langsamer wurden und schließlich anzuhalten schienen.

»Manchmal bist du so klug, Sperber, daß ich dich nicht ausstehen kann!« sagte die Göttin, die seine Hand hielt, spöttisch.

»Soll das heißen, du bist nie auf diesen Gedanken gekommen?« fragte er ungläubig. »Ich fliege nur selten nachts«, verteidigte sie sich. »So, jetzt lande ich. Ich muß unbedingt einen Orientierungspunkt finden.«

Sie schwebten in die Tiefe. Die Wolken brausten ihnen entgegen, und schon waren sie von dichtem, haftendem Dunst umgeben. »Sie sind aus Nebel, nicht wahr? Die Wolken, meine ich«, sagte Sperber erstaunt.
»Was hast du denn gedacht, woraus sie sind?«

»Ich weiß nicht. Ich habe noch nie darüber nachgedacht. Jedenfalls finde ich es irgendwie seltsam.«

Sie stießen aus der Unterseite der Wolken heraus. Wolken, die nun nicht mehr in Mondschein getaucht waren, hingen dicht über ihren Köpfen wie eine schmutzige Stubendecke, die das Licht verbarg. Die Erde unter ihnen war in beinahe totale Finsternis gehüllt. In der Luft stehend schwebten sie dahin und schlugen einmal diese, dann die andere Richtung ein, während sie in die Tiefe spähten, um etwas Erkennbares zu finden.

»Da drüben!« flüsterte Sperber. »Das dürfte eine größere Stadt sein, den vielen Lichtern nach zu schließen.«

Sie flogen in diese Richtung, von dem Licht angezogen wie Insekten, die ihrem Instinkt folgten. Als Sperber hinunterspähte, kam ihm alles sehr unwirklich vor. Die Stadt unter ihnen erschien ihm unendlich winzig. Wie das Spielzeug eines Kindes kauerte sie am Ufer einer großen Wasserfläche. Sperber kratzte sich an der Wange und versuchte, sich an die Einzelheiten seiner Karte zu erinnern. »Das ist wahrscheinlich Sopal. Dieser riesige See muß das Binnenmehr von Arnun sein.« Er hielt inne, und seine Gedanken überschlugen sich. »Das sind fast tausend Meilen von unserem Ausgangspunkt, Aphrael!« stieß er verwundert hervor. »Ja – falls die Stadt tatsächlich Sopal ist.«

»Es muß Sopal sein. Das Binnenmeer von Arjun ist das einzige große Gewässer in diesem Teil des Kontinents, und Sopal befindet sich an seiner Ostseite. Arjun liegt südlich davon, und Tiana westlich.« Er starrte Aphrael ungläubig an. »Tausend Meilen! Dabei haben wir Beresa erst vor einer halben Stunde verlassen! Wie schnell fliegen wir?«

»Was spielt das für eine Rolle? Wir sind hier. Nur das ist wichtig.« Die junge Frau, die Sperbers Hand hielt, blickte nachdenklich auf die Miniaturstadt am Ufer des Binnenmeeres. »Dirgis liegt ein Stück weiter westlich, also dürfen wir nicht in gerader Linie nach Norden fliegen.« Sie drehte sich ganz leicht mitten in der Luft, bis sie in Richtung Nordnordwest blickten. »Das dürfte so ungefähr stimmen. Beweg den Kopf nicht, Sperber. Schau in diese Richtung. Wir steigen wieder auf, und du suchst einen Stern aus.«

Rasch tauchten sie durch die Wolken, und Sperber sah die vertraute Konstellation des Wolfes über dem dunstigen Horizont geradeaus. »Dort! Die fünf Sterne, die in Form eines Hundekopfes beisammenstehen.«
»So einen Hund habe ich noch nie gesehen.«

»Du mußt eben deine Phantasie gebrauchen. Wie kommt es eigentlich, daß du nie dran gedacht hast, dich bei deinen Flügen nach den Sternen zu richten?«

Sie zuckte die Schultern. »Wahrscheinlich, weil ich weiter sehen kann als ihr Menschen. Ihr erblickt das Firmament als eine Art umgedrehte Schüssel, auf deren Oberfläche Sterne gemalt sind, welche sich alle in etwa der gleichen Entfernung von euch befinden. Deshalb seht ihr diese Sternhaufen in Form eines Hundekopfes. Das kann ich nicht; denn ich erkenne die unterschiedlichen Entfernungen. Also, behalt deinen Hund im Auge, Sperber, und gib mir sofort Bescheid, falls wir von der Richtung abkommen.«

Die in Mondschein gebadeten Wolken unter ihnen begannen langsam nach hinten zu fließen, und schweigend flog Aphrael eine Zeitlang mit Sperber dahin. »Das ist gar nicht so unangenehm«, bemerkte Sperber schließlich. »Jedenfalls nicht, nachdem man sich daran gewöhnt hat.«

»Es ist besser, als zu laufen«, entgegnete die in einen Schleier gehüllte Göttin. »Aber zu Anfang haben sich mir die Haare aufgestellt.«

»Über dieses Stadium ist Sephrenia nie hinausgekommen. Kaum heben ihre Füße vom Boden ab, gerät sie in helle Panik.«

Plötzlich fiel Sperber etwas ein. »Einen Moment mal!« sagte er. »Als wir damals Ghwerig getötet und den Bhelliom gestohlen haben, bist du aus dem Abgrund in seiner Höhle empor geschwebt, und Sephrenia wandelte dir durch die Luft entgegen. Von Panik war damals wahrhaftig nichts an ihr zu bemerken.«

»Stimmt. Es war die vielleicht mutigste Tat ihres Lebens. Aus Stolz auf sie wäre mir schier das Herz geborsten.«

»War Sephrenia überhaupt bei Bewußtsein? Als du sie gefunden hast, meine ich.« »Sie wacht ab und zu auf. Jedenfalls konnte sie uns erzählen, wer sie überfallen hat. Es gelang mir, ihren Herzschlag zu verlangsamen und ihre Schmerzen zu stillen. Sie ist jetzt sehr ruhig.« Aphraels Stimme zitterte. »Sie erwartet ihren Tod, Sperber! Sie spürt die Wunde in ihrem Herzen und weiß, was das bedeutet. Als ich sie verließ, hat sie Xanetia gerade eine letzte Botschaft für Vanion aufgetragen.« Die junge Göttin unterdrückte ein Schluchzen. »Könnten wir über etwas anderes reden?«

»Natürlich.« Sperber wandte den Blick vom Nachthimmel ab. »Geradeaus vor uns ragen Berggipfel aus den Wolken.«

»Dann sind wir fast am Ziel. Dirgis liegt in dem großen Becken hinter dem ersten Grat.«

Aphrael verringerte nach und nach ihre hohe Geschwindigkeit. Sie flogen über die südlichen Ausläufer des Atanischen Gebirges hinweg, dessen Gipfel wie eiserstarrte Inseln aus den Wolken stachen, und stellten fest, daß nur eine dünne Wolkenschicht das dahinterliegende Becken bedeckte.

Nun gingen sie nieder und schwebten wie Fallschirmchen von Pusteblumen auf die bewaldeten Hügel und Täler zu – eine Landschaft, die sich im Mondschein ganz in Grautönen zeigte. Links, in einiger Entfernung, hoben sich die Lichter einer weiteren Stadt ab: rot flackernde Fackeln in schmalen Straßen, und goldener Kerzenschein in kleinen Fenstern. »Das ist Dirgis«, sagte Aphrael. »Wir werden etwas außerhalb landen. Ich sollte mich wohl zurückverwandeln, ehe wir die Stadt betreten.« »Entweder das, oder du ziehst etwas weniger Durchsichtiges an.«

»Das macht dir wohl schwer zu schaffen, nicht wahr, Sperber? Bin ich denn häßlich?«

»Nein. Ganz im Gegenteil – und gerade das macht mir zu schaffen. Ich kann nicht verstehen, warum du nackt herumlaufen mußt, Aphrael.«

»Ich bin nicht wirklich eine Frau, Sperber. Jedenfalls nicht auf die Weise, die dir offenbar so zu schaffen macht. Kannst du dir nicht vorstellen, ich wäre eine Stute – oder ein Reh?«

»Nein, das kann ich nicht. Tu einfach, was du tun mußt, Aphrael. Ich glaube nicht, daß wir darüber reden müssen, als was ich dich sehe.«
»Errötest du etwa, Sperber?«
»Allerdings. Können wir jetzt das Thema wechseln?«
»Ich finde das wirklich süß.«
»Würdest du jetzt bitte aufhören?«

In einem abgeschiedenen kleinen Tal, etwa eine halbe Meile vom Stadtrand entfernt, setzten sie auf. Sperber drehte Aphrael den Rücken zu, während die Kindgöttin die vertrautere Gestalt der styrischen Waise annahm, die sie alle als Flöte kannten. »Besser?« fragte sie, als Sperber sich zu ihr umdrehte.

»Viel besser!« Er hob sie auf den Arm und machte sich mit schnellen Schritten auf den Weg zur Stadt. Er konzentrierte sich darauf; denn das half ihm, an nichts anderes zu denken.

Sie begaben sich geradenwegs in die Stadt, wo sie von der Hauptstraße abbogen und zu einem großen, zweistöckigen Haus gingen. »Das ist es«, erklärte Aphrael. »Wir gehen einfach rein und die Treppe hinauf. Ich sorge dafür, daß der Hauswirt in die entgegengesetzte Richtung blickt.«

Sperber stieß die Tür auf, durchquerte die Schankstube im Erdgeschoß und stieg die Treppe hinauf.

Xanetia erstrahlte in beinahe grellem Licht. Sie wiegte Sephrenia in den Armen. Die beiden Frauen saßen auf einem schmalen Bett in einem Zimmer mit Wänden aus nur leicht behauenen Holzbalken. Es war einer dieser gemütlichen kleinen Räume, wie man sie in Berggasthöfen auf der ganzen Welt finden kann, mit einem Porzellanofen, zwei Stühlen neben jedem Bett und einem Nachtkästchen. Ein Kerzenpaar warf sein goldenes Licht auf die beiden Frauen auf dem Bett. Sephrenias Gewand war auf der Brust blutgetränkt, und ihr Gesicht war totenbleich. Sperber blickte sie an, und in seinem Innern schienen plötzlich Flammen zu lodern. »Dafür wird Zalasta schlimmen Schmerz erleiden!« stieß er auf Trollisch hervor.

Aphrael blickte ihn erstaunt an. Dann sprach auch sie in der kehligen Zunge der Trolle. »Dein Gedanke ist gut, Anakha!« stimmte sie heftig bei. »Füge ihm viel Schmerz zu!« Beide schienen sie den reißenden Laut des trollischen Wortes für Schmerz als sehr befriedigend zu empfinden. »Vergiß jedoch nicht, daß sein Herz mir gehört!« erinnerte sie ihn. »Irgendwelche Veränderungen?« wandte sie sich dann in Tamulisch an Xanetia.

»Nein, Göttin«, antwortete Xanetia mit einer Stimme, die verriet, daß sie der Erschöpfung nahe war. »Ich gebe unserer teueren Schwester von meiner eigenen Kraft, um sie am Leben zu erhalten, aber sie ist fast schon verbraucht. Bald werden sie und ich sterben.«

»Nein, gütige Xanetia«, widersprach Aphrael. »Ich werde euch nicht beide verlieren. Doch hab keine Angst! Anakha ist mit Bhelliom gekommen, euch beide zu retten.« »Das darf nicht sein!« rief Xanetia bestürzt. »Das würde Anakhas Königin in Lebensgefahr bringen. Dann ist es besser, Eure Schwester und ich sterben!« »Laß diesen Edelmut, Xanetia!« rügte Aphrael. »Das tut mir ja bis in die Haarwurzeln weh! Sprich mit Bhelliom, Sperber. Stelle fest, wie wir diese Sache anpacken müssen.«

»Blaurose!« Sperber berührte die Schatulle unter seinem Kittel.

Ich höre dich, Anakha. Die Stimme in Sperbers Kopf war ein Wispern.

»Wir sind nun an dem Ort, wo Sephrenia dem Tod nahe darniederliegt.« Ja.

»Was müssen wir jetzt tun? Ich flehe dich an, Blaurose, mach die Gefahr für meine Gemahlin nicht größer!«

Deine Mahnung ist unziemlich, Anakha. Sie spricht von mangelndem Vertrauen! Unterwirf dich meinem Willen. Ich muß durch deine Lippen zu Anarae Xanetia sprechen. Eine eigenartige Mattigkeit befiel Sperber und er fühlte, wie seine Bewußtheit sich aus dem Körper löste.

»Höre mich, Xanetia.« Es war Sperbers leicht veränderte Stimme, doch er war sich nicht bewußt, diese Worte gesprochen zu haben.

»Ich höre dich, Weltenmacher«, antwortete die Anarae unendlich müde.

»Überlasse der Kindgöttin die Bürde, ihre Schwester zu stützen. Ich brauche deine Hände.«

Aphrael ließ sich auf dem Bett nieder. Sie nahm Xanetia Sephrenia ab und hielt sie sanft in den Armen.

Hole die Schatulle hervor, Anakha, wies Bhelliom ihn an, und gib sie Xanetia. Sperbers Bewegungen waren ruckhaft, als er die Schatulle aus seinem Kittel nahm und sich die Lederschnur über den Kopf zog.

»Sammle die Friedfertigkeit um dich, die Edeaemus' Zauber dir geschenkt hat, Xanetia«, wies Bhelliom die Anarae mit Sperbers Stimme an, »und umschließe die Schatulle und meine Essenz mit den Händen, auf daß dein innerer Friede erfülle, was du in den Fingern hältst.«

Xanetia nickte und streckte die leuchtenden Hände aus, um Sperber die Schatulle abzunehmen.

»Sehr gut. Nun schließe die Kindgöttin in die Arme und übergib mich ihr.« Xanetia drückte Aphrael und Sephrenia an sich.

»Ausgezeichnet. Du hast einen wachen Verstand, Xanetia. So ist es sogar noch besser. Aphrael, öffne du nun die Schatulle und nimm mich heraus.« Bhelliom machte eine Pause. Dann fügte er überraschend und in für ihn uncharakteristischer Umgangssprache hinzu: »Keine Tricks! Versuche nicht, mich mit List und deinen sanften Berührungen zu betören!« »Das ist absurd, Weltenschöpfer!«

»Ich kenne dich, Aphrael, und ich weiß, daß du viel gefährlicher bist, als Azash es je war oder Cyrgon es je sein könnte. Wir wollen uns nun beide voll und ganz auf die Heilung deiner Schwester konzentrieren.«

Die Kindgöttin öffnete den Schatullendeckel und nahm die funkelnde Saphirrose heraus. Wie betäubt beobachtete Sperber, daß das gleichmäßige weiße Strahlen Xanetias einen leicht bläulichen Schimmer annahm, als Bhellioms Blühen sich mit ihrem Leuchten vereinte.

»Laß mich nun ihre Wunde berühren, auf daß ich die Verletzung heile, die Zalasta ihr zugefügt hat.«

Sperber war Soldat und verstand viel von Verletzungen. Sein Magen verkrampfte sich, als er die tiefe, klaffende Wunde in der oberen Rundung der linken Brust Sephrenias sah.

Aphrael streckte die Hand aus, die Bhelliom hielt, und berührte damit behutsam die blutende Wunde.

Sephrenia fing blau zu glühen an. Mühsam hob sie den Kopf. »Nein«, sagte sie schwach und wollte Aphraels Hand wegschieben.

Sperber nahm ihre Hände in die seinen und hielt sie fest. »Ist schon gut, kleine Mutter«, log er mit leiser Stimme. »Alles ist gut!«

Die Wunde in Sephrenias Brust hatte sich geschlossen und eine häßliche purpurne Narbe zurückgelassen. Noch während sie beobachteten, setzte die Saphirrose ihr Werk fort. Die Narbe schrumpfte zu einer schmalen weißen Linie zusammen, die allmählich völlig schwand.

Sephrenia fing zu husten an. Es war ein gurgelnder Laut, wie jemand ihn ausstoßen mochte, der zu ertrinken drohte.

»Gib mir die Schüssel, Sperber«, bat Aphrael. »Sie muß das Blut aus ihrer Lunge husten.«

Sperber nahm die große, nicht sehr tiefe Waschschüssel vom Nachtkästchen und reichte sie Aphrael.

»Da«, sagte sie. »Du kannst ihn jetzt zurückhaben.« Sie reichte ihm die geschlossene Schatulle und hielt Sephrenia die Schüssel unters Kinn. »So ist es gut«, ermutigte sie ihre Schwester, als die zierliche Frau Blut zu husten begann. »Es muß alles heraus.« Sperber wandte den Blick ab. Es war kein schöner Anblick.

Beruhige dich, Anakha, sagte Bhelliom sanft in seinem Kopf. Deine Feinde wissen nicht, was geschehen ist. Der Edelstein machte eine Pause. Ich habe Edaemus verkannt; denn er ist sehr klug. Mir deucht, kein anderer hätte die wahre Bedeutung seines Tuns erkennen können. Seine Kinder mit dem Fluch zu belegen, war die einzige wirksame Möglichkeit, dies zu verbergen. Mich schaudert, wenn ich mir den Schmerz vorstelle, den es ihm bereitet hat. Ich verstehe nicht, gestand Sperber.

Ein Segen klingt und schimmert in der klaren Luft wie Glockengeläut, Anakha; ein Fluch aber ist dunkel und stumm. Wäre das Leuchten, das von Anarae Xanetia ausgeht, ein Segen, würde die ganze Welt es hören und seine allgewaltige Liebe fühlen. Darum hat Edaemus es statt dessen zum Fluch gemacht. Darin liegt seine Weisheit. Die Verfluchten sind ausgestoßen und verborgen, und niemand – weder Mensch noch Gott – kann ihr Kommen und Gehen im ganzen Land hören oder fühlen. Als Anarae Xanetia die Schatulle in die Hände nahm, verbarg sie jeden Laut und alle anderen Hinweise auf meine Anwesenheit. Und als sie Aphrael und Sephrenia in die Arme schloß und sie in ihre leuchtende Dunkelheit hüllte, konnte kein Lebender mich spüren. Deine Gefährtin ist sicher – für den Augenblick. Deine Feinde wissen nicht, was geschehen ist.

Sperbers Herz machte einen Freudensprung. Ich bedauere meinen Mangel an Vertrauen zutiefst, Blaurose, entschuldigte er sich.
Du warst verzweifelt, Anakha. Ich verzeihe dir.

»Sperber …« Sephrenias Stimme war ein schwaches Wispern. »Ja, kleine Mutter?« Er trat rasch an ihr Bett.

»Ihr hättet Euch nicht dazu überreden lassen dürfen. Ihr habt Ehlana in schreckliche Gefahr gestürzt. Ich habe Euch für stärker gehalten.«

»Alles ist gut, Sephrenia«, versicherte er ihr noch einmal. »Bhelliom hat es mir soeben erklärt. Als Ihr geheilt wurdet, hat niemand das geringste gefühlt oder gehört.«
»Wie ist das möglich?«

»Es lag an Xanetias Anwesenheit – und ihrer Berührung. Bhelliom erklärte, daß sie vollkommen abgeschirmt hat, was geschehen ist. Es hat etwas mit dem Unterschied zwischen einem Segen und einem Fluch zu tun, so wie ich es verstehe. Wie dem auch sei – was soeben geschah, hat Ehlana nicht in Gefahr gebracht. Wie fühlt Ihr Euch?«

»Wie ein halb ertränktes Kätzchen, falls Ihr es wirklich wissen wollt.« Sie lächelte schwach. Dann seufzte sie. »So etwas hätte ich Zalasta niemals zugetraut.« »Ich werde dafür sorgen, daß er sich wünscht, nie auch nur daran gedacht zu haben!« sagte Sperber grimmig. »Ich werde ihm das Herz aus dem Leib reißen, es auf einem Spieß braten und es dann Aphrael auf einem Silbertablett servieren.« »Ist er nicht ein lieber Junge?« sagte Aphrael bewundernd.

»Nein!« Sephrenias Stimme war nun erstaunlich fest. »Ich weiß eure Fürsorge zu schätzen, meine Lieben, aber ich will nicht, daß einer von euch Zalasta irgend etwas antut. Er hat mir den Dolch ins Herz gestoßen; deshalb möchte auch ich es sein, der beschließt, wer Zalasta bekommt.«
»Das ist nur recht und billig«, sagte Sperber.
»Was hast du vor, Sephrenia?« fragte Aphrael.

»Vanion wird furchtbar erschrecken, wenn er davon hört. Ich möchte nicht, daß er tobt und das ganze Mobiliar zertrümmert; deshalb werde ich ihm Zalasta geben – schön verpackt und mit einer feuerroten Schleife verziert.«

»Ich werde sein Herz trotzdem bekommen«, beharrte Aphrael.